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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.12.2008
Aktenzeichen: 3 V 2830/07
Rechtsgebiete: AO, DBA CH
Vorschriften:
AO § 12 | |
DBA CH Art. 14 |
Tatbestand:
I.
Im Streit steht zwischen den Beteiligten die Auslegung des Art. 14 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Schweiz). Fraglich ist für den Zeitraum 1999 bis 2005, ob das Besteuerungsrecht für Einkünfte des Antragstellers aus selbständiger Ingenieurtätigkeit dem Wohnsitzstaat Deutschland oder - wegen des Vorliegens einer festen Einrichtung in Y/CH - dem Tätigkeitsstaat Schweiz zusteht. Streitig ist die abkommensrechtliche Behandlung der Gemeinschaftsnutzung von Räumen, die gleichzeitig an mehrere Personen zur Teilnutzung vermietet werden (sog. Room-Sharing).
Der Antragsteller wohnte und wohnt zusammen mit seiner Ehefrau B in X/D. Die Ehegatten haben keine Kinder. Der Antragsteller ist Deutscher und von Beruf Diplom-Ingenieur (FH), seine Ehefrau ist Schweizerin und von Beruf Krankenschwester. Beide Eheleute sind seit Jahrzehnten in der Schweiz berufstätig. Der Antragsteller war in der Schweiz bis zum 31.01.1999 als Arbeitnehmer tätig. Seit 01.06.1999 übt er dort eine selbständige Tätigkeit aus. Sein Einzelunternehmen ist seit dem 13.07.1999 unter der Anschrift Y/CH im Schweizer Handelsregister eingetragen (Einkommensteuerakte 2003, Blatt 19). Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb eines Ingenieurbüros insbesondere für die Planung verfahrenstechnischer Anlagen in den Bereichen Chemie und Biotechnologie (vgl. Visitenkarte des Antragstellers, Einkommensteuerakte 2003, Blatt 16).
Der Antragsteller schloss mit der V AG einen Mietvertrag auf unbestimmte Dauer ab. Der Vertrag für die Zeit ab 01.01.2002 datiert vom 15.12.2001 und nimmt in Ziff. III einen früheren Mietvertrag in Bezug ("ersetzt denjenigen vom 1. Juli 1999", Vertrag vom 15.12.2001 siehe Einkommensteuerakte 2003, Blatt 17 f.). Gegenstand des Mietvertrags (bzw. der beiden Mietverträge) war ein Büroraum im 4. Obergeschoss der Liegenschaft Y/CH "mit der sämtlichen dazugehörenden Infrastruktur wie Telefonanschlussmöglichkeiten usw.". Der monatliche Mietzins inkl. Nebenkosten betrug 250 Schweizer Franken (CHF) und wurde dem Antragsteller laut Vertrag "jeweils mit den Honorarrechnungen für die übrigen Dienstleistungen" in Rechnung gestellt. Zur "Mitbenützung" standen das Sitzungszimmer, die Gemeinschaftsküche und die Toilettenanlage zur Verfügung. Weitere Infrastruktur und Leistungen wie Fotokopierer, Kaffeeautomat, Sekretariatsarbeiten, Postbearbeitung usw. konnten entgeltlich gemäß der jeweiligen Honorar- und Spesenordnung der Vermieterin ebenfalls angefordert werden.
Die V AG, die Vermieterin des Antragstellers, war zugleich dessen steuerliche Beraterin in der Schweiz. Sie erstellte für ihn die Buchführung und Gewinnermittlungen und fertigte die schweizerischen Steuererklärungen. Die Anschrift der V AG lautet Y/CH. Wegen ihres Auszugs aus dem Schweizer Handelsregister wird auf Blatt 58 f. der Gerichtsakte verwiesen. Nach einem Schreiben der V AG vom 08.02.2005 (Einkommensteuerakte für Veranlagungszeitraum 2003, Blatt 37) verfügte sie über drei nicht selbst genutzte Büros mit vier bis fünf Arbeitsplätzen, bestehend aus Pult mit Stuhl sowie zumindest Stromanschluss. Auf Wunsch standen Rechen- und Schreibmaschinen zur Verfügung. Dass das Büro für Monatsmieten von rund 250 CHF nicht ausschließlich durch den Antragsteller habe benutzt werden können, "scheint klar zu sein" (so die Formulierung im Schreiben vom 08.02.2005). Wie heute selbst für die eigenen Mitarbeiter bei größeren Dienstleistungen üblich, würden die Arbeitsplätze und Büros je nach Anwesenheit zugewiesen (Arbeitsplatz- bzw. Room-Sharing). Die Mieter hätten ihren Bedarf jeweils im Voraus angemeldet. Für die Geschäftsakten habe ein Aktenschrank zur Verfügung gestanden. Die Kommunikation habe hauptsächlich über das Mobilnetz stattgefunden.
Zur Veranschaulichung der betreffenden Büroräume wird auf die dem Schreiben vom 08.02.2005 beigefügten Lichtbilder verwiesen (siehe Blatt 38 f. der Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2003).
Der Antragsteller war in den Streitjahren auf der Grundlage von Ingenieurverträgen als Subunternehmer für die Ing. AG tätig (Auszüge aus dem Schweizer Handelsregister für diese Gesellschaft siehe Gerichtsakte Blatt 60 ff.). Die Ing. AG war ihrerseits beauftragt von Schweizer Unternehmen wie der Q AG und der P AG (beide Y/CH). Neben der Tätigkeit als Subunternehmer der Ing. AG hatte der Antragsteller in den Streitjahren mindestens einen direkten Auftrag von der Z AG (ebenfalls Y/CH). In den Verträgen war jeweils geregelt, dass die Arbeiten in den Räumlichkeiten des jeweiligen Unternehmens in der Schweiz durchzuführen waren. In einem späteren Schreiben vom 25.07.2006 (vgl. Band 1 der nicht paginierten Prüfer-Handakten) korrigierte die Ing. AG den mit dem Antragsteller geschlossenen Vertrag insoweit, als an einer Stelle versehentlich der Begriff "Arbeitnehmer" statt "Auftragnehmer" verwendet worden sei. Keinesfalls könne und dürfe daraus ein Arbeitnehmerverhältnis abgeleitet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ingenieurverträge vom 13.05.1999, 03.12.2003 und vom 04.05.2004 (betreffend Q AG) und vom 03.12.2003 (betreffend P AG) sowie wegen des direkten Auftrags der Z AG vom 14.02.2002 wird auf die Band 2 der Prüfer-Handakten (weiß) verwiesen. Dort sind auch Rechnungen des Antragstellers an die Ing. AG und die Z AG aus den Jahren 2002 bis 2004 abgelegt.
Der Antragsteller verrichtete seine Arbeit in ganz überwiegendem Umfang in den Räumlichkeiten der jeweiligen Auftraggeber. Die Ing. AG, Q AG und Z AG bestätigten, dass die von dem Antragsteller geleisteten und von ihnen bezahlten Ingenieurstunden ausschließlich in ihren jeweiligen Büroräumlichkeiten erbracht worden seinen (Einkommensteuerakte 2003, Blatt 20 ff.). Für die Jahre 2002 bis 2004 liegen monatliche Rapportaufzeichnungen vor, aus denen sich sowohl die Stunden in den jeweiligen Firmen als auch diejenigen im Büroraum in der Y-strasse ermitteln lassen (siehe weiße BP-Handakte hinten). Laut der ursprünglichen Addition des Finanzamts ergeben sich aus den Rapporten Gesamtstunden von 1.961 im Jahr 2002, 1.753 im Jahr 2003 und 2.002,5 im Jahr 2004, von denen auf die Tätigkeiten in den gemieteten Räumen 103 Stunden, 166 Stunden und 42,5 Stunden entfielen (vgl. aber auch Gerichtsakte Blatt 85, 87).
Die Gewinnermittlungen des Antragstellers für die Streitjahre 1999 bis 2005 enthalten folgende Aufwendungen für Raumkosten: 1.293,11 CHF (1999), 2.070,72 CHF (2000 bis 2003), 3.000 CHF (2004) und 2.232,90 CHF (2005). Abweichend vom Mietvertrag betrug die monatliche Miete für die Zeit vor 2004 wegen einer "Minderbenützung" der Räumlichkeiten lediglich 172,50 CHF.
Für die Jahre 1999 bis 2003 beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau zunächst getrennte Veranlagungen. Der Antragsteller reichte die Steuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2001 am 04.12.2000, am 16.10.2001 und am 19.09.2002 beim Finanzamt ein. Für die Jahre 2004 und 2005 beantragten der Antragsteller und seine Ehefrau die Zusammenveranlagung, nachdem die Ehefrau des Antragstellers seit 15.02.2003 keine Lohneinkünfte mehr bezogen hatte und sich in einem Übergangsstadium zum Ruhestand befand. Seit 01.11.2004 ist sie Rentnerin.
Der Antragsteller legte mit den Steuererklärungen jeweils die von der V AG erstellten Jahresrechnungen per 31. Dezember (in CHF) vor, die eine Bilanz und eine Erfolgsrechnung beinhalten. Er gab in den Steuererklärungen die betreffenden Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als steuerfrei mit Progressionsvorbehalt an, und zwar in folgender Höhe:
1999 | 97.805,00 DM |
2000 | 190.067,05 DM |
2001 | 206.807,94 DM |
2002 | 123.012,52 EUR |
2003 | 139.384,00 EUR |
2004 | 136.092,45 EUR |
2005 | 137.259,68 EUR |
Die Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1999 bis 2002 erfolgten zunächst ohne nähere Prüfung des Finanzamts in der Weise, dass das Finanzamt für die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte von einem Besteuerungsrecht der Schweiz ausging. Dem lag die Annahme zu Grunde, dass der Antragsteller in Y/CH für die Ausübung seiner Tätigkeit regelmäßig über eine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA Schweiz verfügt habe, der diese Tätigkeit zuzurechnen sei. Die entsprechenden Steuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2002 ergingen ohne Vorbehalt der Nachprüfung. Die Steuerfestsetzung für die Jahre 2000 bis 2002 betrug jeweils 0 DM bzw. 0 EUR.
Anlässlich der Bearbeitung der Steuererklärung 2003 forderte das beklagte Finanzamt Unterlagen an. Hinsichtlich des Schriftwechsels wird verwiesen auf die Einkommensteuerakte für den Veranlagungszeitraum 2003 (Blatt 10 ff.). Da das Finanzamt Zweifel hatte und eine Betriebsprüfung beabsichtigte, erließ es den Einkommensteuerbescheid erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) mit einer Steuerfestsetzung von 0 EUR. Entsprechend erließ das Finanzamt später auch die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit einer Steuerfestsetzung von 0 EUR.
Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 21.04.2006 für die Jahre 2002 bis 2004 , die am 20.11.2006 auf die Jahre 1999 bis 2005 erweitert wurde, führte das Finanzamt ab dem 21.06.2006 eine Außenprüfung durch. Im Rahmen der Außenprüfung gelangte das Finanzamt zur Auffassung, dass der angemietete Büroraum keine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA darstelle. Das Büro habe dem Antragsteller nicht zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestanden, sondern nur zur Mitbenutzung. Die Nutzung der Büroräume sei nur in geringem Umfang erfolgt, im Wesentlichen für eigene betriebliche Verwaltungsarbeiten. Bei dem angeblichen Firmensitz handle es sich um eine reine Domizil- und Steueradresse, die lediglich mit dem Ziel der Besteuerung in der Schweiz eingerichtet worden sei. Der "angemietete Schreibtisch" sei aber nicht als Betriebsstätte anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 08.11.2006 wurde dem Antragsteller die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens wegen des Verdachts der Einkommensteuerhinterziehung 1999 bis 2005 bekanntgegeben. Am 07.03.2007 fand eine Schlussbesprechung statt, die zu keiner Einigung führte. In diesem Zusammenhang soll der Prozessbevollmächtigte - ausweislich eines in der BP-Handakte (Band 1) abgelegten Aktenvermerks vom 12.03.2007 - u.a. erklärt haben, dass "dann eben der Rechtsweg beschritten werden muss und er seinem Mandanten nur raten könne, sein Vermögen in die Schweiz zu verlagern, da ein entsprechendes Verfahren ja 3 bis 5 Jahre dauern wird". Wegen der Erwiderung des Prozessbevollmächtigten zu dem zwischen den Beteiligten streitigen Sachverhalt wird auf die Gerichtsakte verwiesen (Schriftsatz an das Gericht vom 08.05.2008, Blatt 74 ff.).
Wegen der Einzelheiten der Betriebsprüfung und des Prüfberichts vom 12.04.2007 wird auf die Akten der Betriebsprüfung verwiesen.
Ausgehend von den vorgelegten Gewinnermittlungen ermittelte das Finanzamt - unter Hinzurechnung von Zahlungen an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) und einer PKW-Privatnutzung - die folgenden Einkünfte des Antragstellers aus selbständiger Tätigkeit als Ingenieur:
1999 | 106.987 DM |
2000 | 206.584 DM |
2001 | 230.013 DM |
2002 | 154.387 EUR |
2003 | 142.383 EUR |
2004 | 139.091 EUR |
2005 | 140.259 EUR |
(Hinweis: Die Berechnung im BP-Bericht für 1999 bis 2002 einerseits und für 2003 ff. andererseits erfolgte auf den ersten Blick insofern uneinheitlich, als in den Jahren ab 2003 von einem niedrigeren als dem oben auf Seite 6 genannten Gewinn ausgegangen wurde, vgl. die Position Gewinn laut G+V "Schweiz".)
Aufgrund dieser Ermittlungen erließ das beklagte Finanzamt gegenüber dem Antragsteller für die Jahre 1999 bis 2003 und gegenüber dem Antragsteller und seiner Ehefrau für die Jahre 2004 und 2005 am 13.06.2007 geänderte Einkommensteuerbescheide, die für die Jahre 1999 bis 2002 aufgrund § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und für die Jahre 2003 bis 2005 aufgrund § 164 Abs. 2 AO ergingen.
Gegen die Änderungsbescheide ließ der Antragsteller Einspruch einlegen , der am 16.07.2007 beim Finanzamt einging. Gleichzeitig stellte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Antrag, für die Jahre 1999 bis 2003 Zusammenveranlagungen der von ihm vertretenen Eheleute durchzuführen.
Daraufhin hob das Finanzamt die gegenüber dem Antragsteller erlassenen Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2003 vom 13.06.2007 und die an die Ehefrau gerichteten Einkommensteuerbescheide durch Verwaltungsakte vom 19.07.2007 (Antragsteller) bzw. 07.08.2007 (Ehefrau) auf und erließ durch Änderungsbescheide vom 08.08.2007 an deren Stelle Zusammenveranlagungsbescheide.
Die vom Finanzamt laut den Bescheiden fällig gestellten Beträge an Einkommensteuer, Zinsen zur Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag belaufen sich für die Streitjahre insgesamt auf 362.246 EUR. Dieser Gesamtbetrag entfällt u.a. mit 23.724 EUR auf das Jahr 1999 und mit 48.104 EUR auf das Jahr 2000.
Gegen die Bescheide vom 08.08.2007 legte der Prozessbevollmächtigte für den Antragsteller mit Schreiben vom 27.08.2007 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt hat über die Einsprüche noch nicht entschieden. Mit Verfügung vom 19.10.2007 (Gerichtsakte Blatt 7) gewährte das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung unter der aufschiebenden Bedingung, dass innerhalb eines Monats eine Sicherheitsleistung von 300.000 EUR erbracht werde. Der Prozessbevollmächtigte lehnte dies mit Schreiben vom 19.11.2007 ab. Das Finanzamt hielt durch Schreiben vom 28.11.2007 an dem Erfordernis der Sicherheitsleistung fest.
Daraufhin beantragte der Antragsteller am 13.12.2007 die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2005 ohne Sicherheitsleistung.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, es sei einerseits mit großer Wahrscheinlichkeit die Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu erwarten, andererseits rechtfertige die wirtschaftliche Situation des Antragstellers nicht die Besorgnis, er werde nach einem Unterliegen in der Hauptsache seiner Zahlungspflicht nicht nachkommen.
Der Antragsteller sei in den Streitjahren als selbständiger Ingenieur in der Schweiz tätig gewesen und habe dort Steuern in Höhe von 241.606,10 CHF bzw. umgerechnet 153.419,87 EUR (Kurs Dezember 2006) bezahlt. Zwar habe er im Wege des Room-Sharings die angemietete Betriebsräumlichkeit nicht zur alleinigen Verfügung gehabt, sondern diese gemeinsam mit zwei anderen Personen nutzen können. Das ändere jedoch nichts daran, dass ihm - wie von Art. 14 DBA Schweiz verlangt - eine feste Einrichtung gewöhnlich zur Verfügung gestanden habe. Auch die Eidgenössische Steuerverwaltung in Y/CH-Stadt teile die Auslegung des Antragstellers hinsichtlich des Begriffs der festen Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA Schweiz. Die gegenteilige Auffassung des Finanzamts sei lediglich ergebnisorientiert im Sinne einer nachträglichen Besteuerung in Deutschland.
Seine eigentliche Ingenieurtätigkeit habe der Antragsteller - wie von den Unternehmen verlangt - auf deren Firmengelände erbracht. In den angemieteten Räumen habe der Antragsteller die erforderlichen Verwaltungstätigkeiten durchgeführt. Dass er im Eingangsbereich des Gebäudes in der Y-strasse kein Firmenschild angebracht hatte, begründet der Antragsteller damit, dass er keine Laufkundschaft gehabt habe.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1999 bis 2001 seien bereits wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung aufzuheben. Der Vorwurf, es liege eine Steuerstraftat bzw. zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, sei völlig unhaltbar. Der Antragsteller sei seit Beginn seiner selbständigen Tätigkeit aufgrund der steuerlichen Beratung durch seinen deutschen Steuerberater D und durch die V AG der festen Überzeugung gewesen, die Voraussetzungen der alleinigen Besteuerung seiner schweizerischen Tätigkeit in der Schweiz zu erfüllen. Der Schweizer Steuerbehörde seien die Einzelheiten der Tätigkeit des Antragstellers bekannt gewesen. Die Steuerberater hätten mit der Schweizer Steuerverwaltung abgeklärt, dass von dort keinerlei Bedenken gegen die Besteuerung in der Schweiz bestanden hätten.
Eine Sicherheitsleistung dürfe nicht verlangt werden, da keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestünden, dass bei einem Unterliegen des Antragstellers im Hauptsacheverfahren die Durchsetzung des Steueranspruchs gefährdet wäre. Der Antragsteller sei Eigentümer eines von seiner Ehefrau und ihm selbst bewohnten Hauses in X mit einem Verkehrswert von 500.000 EUR sowie von zwei Eigentumswohnungen in L mit Verkehrswerten von jeweils 75.000 EUR. Auch sonst seien seine Vermögensverhältnisse geordnet, die Altersversorgung sei über Versicherungen abgesichert. Die wirtschaftliche Situation des Antragstellers rechtfertige also keinesfalls die Besorgnis, er werde zu einem späteren Zeitpunkt seiner etwaigen Zahlungspflicht nicht nachkommen können.
Die Bedenken des Antragstellers wegen der Auslandsbeziehungen zur Schweiz seien unberechtigt. Richtig sei, dass der Antragsteller in dem Sinne "Beziehungen zur Schweiz" habe, dass er dort 35 Jahre gearbeitet habe (zunächst als Angestellter und dann als Selbständiger) und dass er mit einer Schweizerin verheiratet sei. Der Antragsteller sei aber seit langer Zeit in X zu Hause und habe dort seinen Lebensmittelpunkt. Dessen Aufgabe komme für ihn nicht in Betracht. Der Verkauf der inländischen Immobilien könne auch nicht "hinter dem Rücken" des Finanzamts stattfinden. Allgemeine Erwägungen des FA, dass sich die Verhältnisse des Steuerpflichtigen im Laufe der Zeit verschlechtern könnten, genügten nach herrschender Rechtsprechung nicht, um die Anordnung einer Sicherheitsleistung zu begründen (Hinweis auf BFH, Beschluss vom 03.02.2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351). Dafür bedürfe es vielmehr konkreter Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueranspruches, die in keiner Weise ersichtlich seien.
Hinzu komme, dass bei einer etwaig festgestellten Steuerverpflichtung des Antragstellers in Deutschland im Rahmen des Verständigungsverfahrens mit der Schweizer Steuerbehörde eine Rückerstattung der in der Schweiz aufgewendeten Steuerzahlung (ca. 153.400 EUR) zu erwarten sei. Auch dies sei bei der Beurteilung der künftigen Vermögenssituation des Antragstellers zu berücksichtigen, sodass ein Sicherungsbedürfnis des Antragsgegners insgesamt entfalle.
Ergänzend verweist der Antragsteller zur Begründung auf Anwaltsschreiben vom 16.07.2007 und vom 19.11.2007 (Gerichtsakte Blatt 9 ff., 12 ff.). Wegen der weiteren Einzelheiten der Antragsbegründung wird auf Blatt 1 ff. und 74 ff. der Gerichtsakte verwiesen. Im Hinblick auf den "Vorgang B" wird auf das so bezeichnete Fach der BP-Handakte (Band 1) verwiesen.
Der Antragsteller beantragt bei verständiger Würdigung (vgl. Gerichtsakte Blatt 1),
die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003 vom 08.08.2007 und der Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 vom 13.06.2007 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, hilfsweise die Beschwerde zuzulassen.
Das Finanzamt beantragt (Gerichtsakte Blatt 27),
den Antrag als unbegründet abzuweisen.
Der Antragsteller habe in den Streitjahren in der Schweiz über keine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA Schweiz verfügt. Es bestünden deshalb bereits keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Hilfsweise verweist das Finanzamt - zumindest für die Jahre ab 2003 - auf die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Außensteuergesetz (AStG).
Es sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Für das Jahr 2001 habe die reguläre Festsetzungsfrist von vier Jahren am 31.12.2006 geendet. Der Ablauf sei nach § 171 Abs. 5 Satz 2 AO aber durch die erfolgte Einleitung des Strafverfahrens gegen den Antragsteller gehemmt worden. Der angefochtene Bescheid vom 08.08.2007 sei rechtzeitig erlassen worden. Für die Jahre 1999 und 2000 sei eine Verlängerung der regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren (Ablauf 31.12.2004 bzw. 31.12.2005) anzunehmen, weil der Antragsteller bezüglich des Jahres 1999 die zu niedrigen Steuerfestsetzungen billigend in Kauf genommen habe und bezüglich des Jahres 2000 mindestens grobe Fahrlässigkeit gegeben sei.
Zwar habe das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung gewährt. Dies sei jedoch nur erfolgt, um einen Rechtsstreit über die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung zu vermeiden. Dabei sei das Finanzamt davon ausgegangen, dass der Antragsteller diese Auflage akzeptiert habe und die Sicherheit erbringen werde.
Falls entgegen der Auffassung des Finanzamts ernstliche Zweifel ganz oder teilweise zu bejahen sein sollten, sei die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung von 300.000 EUR abhängig zu machen.
Wegen der genauen Einzelheiten der Rechtsauffassung des Finanzamts, dass in Fällen des sog. Room-Sharing keine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA Schweiz vorliege, wird auf eine Stellungnahme der Oberfinanzdirektion vom 14.02.2008 (Rechtsbehelfsakte Blatt 10 ff.) sowie auf Blatt 27 ff. und 84 ff. der Gerichtsakte verwiesen.
Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung 8 Bände Akten des Finanzamts vor (Rechtsbehelfsakte, 4 Bände Einkommensteuerakten, Betriebsprüfungsakte, 2 Bände Prüfer-Handakten).
Entscheidungsgründe:
II.
Der Antrag ist überwiegend unbegründet. Für die Jahre 1999 und 2000 ist die Aussetzung der Vollziehung zwar antragsgemäß zu gewähren. Hinsichtlich der Jahre 2001 bis 2005 bestehen nach Auffassung des Senats hingegen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide vom 13.06.2007 bzw. 08.08.2007.
1.) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll - u.a. und soweit hier einschlägig - erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung der angefochtenen Steuerbescheide neben für ihre Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Verwirkte Säumniszuschläge (§ 240 AO) können ab dem Zeitpunkt, ab dem ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestanden haben, rückwirkend durch Aufhebung der Vollziehung beseitigt werden.
2.) Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide bestehen für die Streitjahre 2001 bis 2005 nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Angesichts der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH zum DBA-rechtlichen Begriff der festen Einrichtung hat der Senat keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Finanzamt das Vorliegen einer festen Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA Schweiz in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden in zutreffender Weise verneint hat. Zu Recht hat das Finanzamt daher das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland für die Gewinne, die der Antragsteller aus seiner in der Schweiz ausgeübten Ingenieurtätigkeit erzielt hat, bejaht.
a) Nach Art. 14 DBA Schweiz können Einkünfte, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt (Abs. 1 Satz 1). Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so können die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können (Abs. 1 Satz 2). Der Ausdruck "freier Beruf" umfasst insbesondere die selbständige Tätigkeit der Ingenieure (Abs. 2).
b) Art. 13 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Bulgarien) ist im Vergleich zu Art. 14 DBA Schweiz nahezu wortgleich (vgl. den Wortlaut: "es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht"). Der BFH hat zu dieser Parallelvorschrift des DBA Bulgarien mit Urteil vom 28.06.2006 I R 92/05 (BFHE 214, 295, BStBl 2007, 100) entschieden.
Nach diesem Urteil stimmt Art. 13 DBA Bulgarien wörtlich mit dem früheren - im OECD-Musterabkommen (OECD-MA) inzwischen aufgehobenen - Art. 14 OECD-MA überein (anwendbar ist nunmehr unmittelbar Art. 7 OECD-MA). Ungeachtet der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 14 OECD-MA a.F. und des Art. 7 OECD-MA sind die Begriffe der Betriebsstätte, durch die ein Unternehmen im Sinne des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA seine Tätigkeit ausübt, und der festen Einrichtung, die einer Person für die Ausübung ihrer selbständigen Arbeit zur Verfügung steht, weitgehend deckungsgleich. Aus der Definition des Begriffs der Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA (vgl. Art. 5 Abs. 1 DBA Schweiz) kann demnach abgeleitet werden, dass eine feste Einrichtung vorliegt, wenn eine bestimmte selbständige unternehmerische Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit einer festen örtlichen Bindung ausgeübt wird. Eine feste Einrichtung erfordert nicht nur eine Einrichtung, die Grundlage einer Unternehmertätigkeit sein kann. Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss vielmehr auch in zeitlicher Hinsicht von gewisser Dauer sein. Durch den Begriff der festen Einrichtung drückt sich eine besonders intensive Verwurzelung der selbständigen Arbeit mit dem Ort ihrer Ausübung aus. Die für die intensive wirtschaftliche Bindung mittels einer festen örtlichen Einrichtung notwendige Dauer wird regelmäßig ab einer Zeitspanne von mindestens sechs Monaten bejaht (vgl. zum Ganzen BFH, a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Nach den - in der zitierten Entscheidung ferner ausgeführten - Rechtsgrundsätzen des BFH steht dem anderen Vertragsstaat (Tätigkeitsstaat) das Besteuerungsrecht schon dann zu, wenn der Person die feste Einrichtung "gewöhnlich" zur Verfügung steht (= "regelmäßig" im Fall des DBA Schweiz, ein sachlicher Unterschied besteht nicht). Nicht erforderlich ist hiernach für die Annahme einer festen Einrichtung, dass sie dauernd benutzt wird. Es genügt, dass sie dem Unternehmer für seine Tätigkeit ständig zur Verfügung steht. Sie muss jedoch - auch während seiner Abwesenheit - dazu bestimmt sein, der jeweiligen Berufstätigkeit zu dienen. Das ist nach den expliziten Ausführungen im Urteil des BFH in BFHE 214, 295, BStBl 2007, 100 nicht der Fall, wenn die Geschäftseinrichtung während der Abwesenheit des selbständig Tätigen der gewerblichen oder freien Tätigkeit eines anderen Unternehmers zuzuordnen ist.
Genau so aber verhält sich der vorliegend zu beurteilende Fall, und zwar zwischen den Beteiligten insoweit unstreitig. Der Antragsteller hat die Büroräume bzw. einen Büroraum im Gebäude der V AG in der Y/CH nur zur gemeinschaftlichen Nutzung im Sinne eines Arbeitsplatz-Sharing bzw. Room-Sharing angemietet. Die fehlende Ausschließlichkeit des durch den Mietvertrag eingeräumten Nutzungsrechts fand ihren Niederschlag in dem vergleichsweise geringen Mietzins. Auch die Vermieterin hat auf diesen Umstand in ihrem Schreiben vom 08.02.2005 ausdrücklich und unmissverständlich hingewiesen. Die mit mindestens zwei weiteren Nutzungsberechtigten geteilte Rechtsstellung des Antragstellers genügt den oben beschriebenen Anforderungen an das Vorliegen einer anzuerkennenden festen Einrichtung des Antragstellers nicht, ohne dass der Senat Zweifel erkennen kann. Eine feste Einrichtung ist hinsichtlich der vom Antragsteller gemieteten Räume in Y/CH nach der gebotenen summarischen Prüfung zu verneinen.
c) Auch die Einsatzorte bei den dem Antragsteller unmittelbar oder mittelbar über die Ing. AG Aufträge erteilenden Unternehmen vermögen keine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA Schweiz zu begründen, die dem Antragsteller zuzurechnen wäre. Mangels sachlicher Unterschiede kann hier das zum Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ergangene Urteil des BFH vom 04.06.2008 I R 30/07 (BFH/NV 2008, 1749, zur Veröffentlichung in BFHE und BStBl bestimmt) auf das vorliegende Verfahren übertragen werden. Nach dieser Entscheidung ist für die Annahme einer Betriebsstätte erforderlich, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage hat (insoweit Bestätigung der ständigen Rechtsprechung). Das bloße Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen aber selbst dann nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht, wenn die Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg erbracht wird; neben der zeitlichen Komponente müssen zusätzliche Umstände auf eine auch örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen (insoweit Abgrenzung zum Urteil des BFH vom 14.07.2004 I R 106/03, BFH/NV 2005, 154).
Die beschriebenen Anforderungen für die Annahme einer festen Einrichtung in den Räumen des Auftraggebers sind im vorliegenden Fall - soweit bisher ersichtlich - ebenfalls unzweifelhaft nicht erfüllt. Auch die (Haupt-)Einsatzorte in den Unternehmen vermittelten dem Antragsteller keine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 DBA Schweiz.
d) Im Ergebnis bestand eine feste Einrichtung des Antragstellers in der Schweiz in den Streitjahren nach der gebotenen summarischen Prüfung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Aufgrund der dargelegten Rechtsgrundsätze kommt es nach Auffassung des Senats nicht mehr auf weitere Sachverhaltsumstände an, die zwischen den Beteiligten im Streit stehen. So muss der Senat auf etwaige Streitfragen, ob die vom Antragsteller ausgeübte Ingenieurtätigkeit in vollem Umfang als selbständig zu qualifizieren ist und ob bzw. inwieweit die aus dieser Tätigkeit in der Schweiz erzielten Einnahmen den in Y/CH angemieteten Räumen zuzurechnen sind, nicht mehr näher eingehen. Ebenso wenig bedarf es noch eines Eingehens auf die im letzten Schriftsatz des
Finanzamts in Bezug genommene Vorschrift des § 20 AStG [vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 06.12.2007 C- 298/05 (Columbus Container Services), DStR 2007, 2308].
3.) a) Entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers war für das Streitjahr 2001 zur Zeit der Bekanntgabe des angefochtenen Änderungsbescheids die Festsetzungsfrist des § 169 AO noch nicht abgelaufen. Das folgt aus den Tatbeständen der Ablaufhemmung gemäß § 171 AO [vgl. Abs. 5 Satz 2 (Einleitung Strafverfahren mit Schreiben vom 08.11.2006) und Abs. 4 (erweiterte Prüfungsanordnung vom 20.11.2006 für die Jahre 1999 bis 2001 sowie 2005)]. Insoweit bestand bereits nach der regulären vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) eine Korrekturmöglichkeit zu Gunsten des Finanzamts.
b) Für die Jahre 1999 und 2000 hält das Gericht demgegenüber nach der bisherigen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit für gegeben. Anders als für das Jahr 2001 ist hier ernstlich zweifelhaft, ob bei Erlass der Änderungsbescheide die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war. Während der Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 08.08.2007 bereits bei festzustellender leichtfertiger Steuerverkürzung Bestand haben könnte, gilt dies für den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 08.08.2007 nur bei einer darüber hinaus festzustellenden Steuerhinterziehung, d.h. bei mindestens bedingt vorsätzlichem Handeln.
Die Frage des Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung bzw. Steuerhinterziehung ist primär eine Tatsachenfrage. Die Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts ist insoweit dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten. Nach derzeitiger Aktenlage hält der Senat für möglich, dass sich im Hauptsacheverfahren ergeben kann, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Verlängerung der Festsetzungsfrist von vier auf fünf bzw. zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) nicht nachweisbar sind. Dies ginge zu Lasten des die Feststellungslast tragenden Finanzamts.
Der Senat weist an dieser Stelle mit Blick auf das Hauptsacheverfahren allerdings darauf hin, dass der Antragsteller sich eine etwaige Leichtfertigkeit bzw. einen etwaigen bedingten Hinterziehungsvorsatz seines steuerlichen Beraters im Rahmen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO gegebenenfalls zurechnen lassen muss (vgl. FG München, Beschluss vom 28.02.2007 9 V 4735/06, [...]).
4.) Soweit der Senat die Aussetzung der Vollziehung gewährt, hält er eine vollständige oder teilweise Sicherheitsleistung für nicht erforderlich.
a) Die Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung stellt gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO eine Ermessensentscheidung dar. Im Fall eines gerichtlichen Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist das Gericht nicht auf die Überprüfung der Entscheidung des Finanzamts beschränkt, vielmehr hat das Gericht eine originäre eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Diese Ermessensentscheidung hat sich an dem Zweck der Sicherheitsleistung zu orientieren, Steuerausfälle bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang zu vermeiden (vgl. BFH, Beschlüsse vom 14.06.2006 VII B 317/05, BFH/NV 2006, 1894, vom 03.02.2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351 und vom 31.01.1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512). Das Sicherungsbedürfnis der Behörde kann durch besonders große Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gemindert sein (BFH in BFH/NV 2006, 1894 und Beschluss vom 17.05.2005 I B 109/04, BFH/NV 2005, 1782). Unabhängig vom Grad der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts ist für die Anordnung einer Sicherheitsleistung dann kein Raum, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueranspruchs bestehen (BFH in BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351). Das Sicherheitsverlangen kann auch unangemessen sein, wenn der Zahlungspflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (BFH in BFH/NV 2006, 1894 und Beschluss vom 17.01.1996 V B 100/95, BFH/NV 1996, 491). Es ist Sache des Steuerpflichtigen, die Umstände glaubhaft zu machen, die dem Sicherungsbedürfnis der Finanzbehörde genügen oder dieses als unangemessen erscheinen lassen (BFH in BFH/NV 2006, 1894 und BFH/NV 1996, 491).
b) Unter Berücksichtigung des vorstehend beschriebenen Prüfungsmaßstabs gewährt der Senat die Aussetzung der Vollziehung für die Jahre 1999 und 2000 ohne Sicherheitsleistung. Die fraglichen Beträge sind 23.724 EUR für das Jahr 2000 und 48.104 EUR für das Jahr 2000. Der Senat sieht insoweit nach summarischer Gesamtwürdigung auch für den Fall des Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Steueranspruchs. Auch das Finanzamt selbst hat im Übrigen mit seinem Verlangen nach einer Sicherheit in Höhe von 300.000 EUR zum Ausdruck gebracht, dass es eine Sicherheitsleistung in voller Höhe des Gesamtbetrags von 362.246 EUR - auch und gerade mit Blick auf das Jahr 1999 und wohl teilweise auch für das Jahr 2000 - nicht für erforderlich und/oder angemessen erachtet.
5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinne der abschließenden Aufzählung in §§ 128 Abs. 3 Satz 2, 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben ist.
Ende der Entscheidung
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