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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.01.2008
Aktenzeichen: 4 K 123/06
Rechtsgebiete: EStG, AO
Vorschriften:
EStG § 4 Abs. 3 | |
EStG § 7g Abs. 1 | |
EStG § 7g Abs. 3 S. 1 | |
EStG § 7g Abs. 3 S. 2 | |
EStG § 7g Abs. 6 | |
AO § 90 | |
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1 |
Finanzgericht Baden-Württemberg
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gegeben sind.
Die Kläger (Kl) wurden für das Streitjahr 1999 - wie bereits für die Vorjahre 1997 und 1998 - als Eheleute zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt. Sie erzielten in diesen Jahren jeweils neben den ihnen gezahlten Gehältern für nichtselbstständige Arbeit im Dienste des Rundfunkorchesters einer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt weitere Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als Musiker bzw. als Musikdozent. Der Kl - ein Posaunist -ermittelte seine Einkünfte dergestalt, dass er bestimmte als "Gemeinkosten" bezeichnete Aufwendungen (wie etwa für sein häusliches Arbeitszimmer, Telekommunikation, Fachliteratur und Noten sowie die "Abschreibung auf Anlagevermögen" - dazu rechneten in den Jahren 1997 und 1998 im wesentlichen ein Frack sowie eine Video- und Camcorderanlage -) zunächst aufaddierte und sodann nach dem Verhältnis der Einnahmen zueinander auf seine Einkünfte aus nichtselbstständiger und aus selbstständiger Tätigkeit verteilte, wo er sie neben weiteren - den Einkünften unmittelbar zuzuordnenden - Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben geltend machte.
In seiner (im Streitjahr) am 7. Mai 1999 als Anlage zur ESt-Erklärung 1997 eingereichten EinnahmenÜberschuss- Rechnung machte der Kl bei den Betriebsausgaben neben den Gemeinkosten u.a. auch einen Betrag von 16.000 DM als Ansparabschreibung für den "Kauf einer neuen Posaune in 1999 für 32.000 DM" geltend, den das beklagte Finanzamt (der Beklagte - Bekl -) erst aufgrund eines im Juli des Streitjahrs erhobenen Einspruchs mit geändertem ESt-Bescheid für 1997 vom 25. Oktober 1999 anerkannte. Tatsächlich erwarb der Kl eine solche Posaune indessen weder im Jahre 1998 noch im Streitjahr 1999.
Für das Streitjahr beauftragten die Kl erstmals ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten anstelle ihres früheren steuerlichen Beraters mit der Erstellung ihrer Steuererklärung, die am 28. März 2001 beim Bekl einging. In seiner Einnahmen-Überschuss-Rechnung für seine Tätigkeit als Musiker und Dirigent führte der Kl bei seinen Betriebsausgaben neben den im Einzelnen aufgelisteten Reisekosten (Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwand) für mehr als 30 Veranstaltungen nur noch eine weitere Position "Gemeinkosten lt. Anlage" auf. In dieser Gemeinkostenaufstellung war unter anderem eine Tabelle "Abschreibung auf Anlagevermögen" enthalten, in der lediglich ein Camcorder, ein CD-Player, eine "Pagode E 09" für 2.260 DM, eine Regalwand und ein Computer aufgelistet waren. Eine Betriebseinnahme für die Auflösung der Ansparrücklage erklärte der Kl nicht.
Der Bekl brachte bei den Sonderausgaben der Kl die im Streitjahr erstattete Kirchensteuer in Abzug und veranlagte die Kl ansonsten erklärungsgemäß. Der ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 16. Mai 2001, später durch Bescheid vom 6. August 2001 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert, wurde bestandskräftig.
Im April 2002 wurde der für den Steuerfall der Kl zuständige Sachbearbeiter des Bekl auf den Umstand aufmerksam, dass die im Streitjahr vorzunehmende Auflösung der Ansparrücklage unterblieben war, unternahm jedoch zunächst nichts (ESt-Akte des Bekl, Sektion 1999, Bl. 49). Anlässlich einer erneuten Überprüfung des Falles vermerkte der zuständige Sachgebietsleiter des Bekl unter dem 12. März 2003 handschriftlich am Rand der Tabelle "Abschreibung auf Anlagevermögen" bei den für das Jahr 1998 erklärten Gemeinkosten die Notiz: "Ansparabschreibung für Posaune? Offensichtlich wegen fehlenden Anlageverzeichnisses nicht überwacht!" 7 Anschließend änderte der Bekl mit Bescheid vom 21. März 2003 die ESt-Veranlagung der Kl für das Streitjahr, erhöhte den Gewinn des Kl aus selbstständiger Arbeit um 16.000 DM zuzüglich eines Gewinnzuschlag von 1.920 DM und berief sich für die Änderung auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sowie auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. April 1997 IV R 47/96 (BFH/NV 1997, 757).
Der gegen die Änderung erhobene Einspruch, mit dem die Kl einräumten, dass die geplante Investition des Kl in eine neue Posaune im Streitjahr nicht erfolgt war, hatte im Streitpunkt keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage machen die Kl geltend, der Bekl habe bei der Bearbeitung ihrer ESt-Erklärung für 1999 seiner Aufklärungspflicht nicht genügt. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die Auflösung der Ansparrücklage überwacht werde. Es sei bekannt, dass bei der Finanzverwaltung Überwachungsbögen für vergleichbare Vorgänge, die mehrere Veranlagungszeiträume beträfen, angelegt würden. Auch deute der Ansatz der erstatteten Kirchensteuer darauf hin, dass der Bekl die Erklärung seinerzeit genau geprüft habe. Dergleichen habe schon im Hinblick darauf nahe gelegen, dass neben dem zuständigen Sachbearbeiter auch der steuerliche Berater der Kl gewechselt habe. Eine Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht könne den Kl nicht angelastet werden. Da der Kl die bei den Gemeinkosten aufgeführten Wirtschaftsgüter zu lediglich etwa 25 Prozent im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit genutzt habe, könne bei einer solchen Konstellation kein notwendiges Betriebsvermögen und somit kein Anlagevermögen vorhanden sein. Für ihren Prozessbevollmächtigten habe es sich daher bei Erstellung der Steuererklärung nicht aufgedrängt zu überprüfen, ob der Kl in den Vorjahren für ein solches Wirtschaftsgut eine Ansparabschreibung gebildet habe.
Die Kl beantragen,
den geänderten ESt-Bescheid vom 21. März 2003 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist darauf, dass im Streitfall mehrere voneinander zu trennende Tatsachen vorlägen. Dies sei zum einen die Investitionsabsicht, die zur Bildung der Rücklage geführt habe, und zum anderen die unterlassene Anschaffung des Investitionsguts bis zum Ablauf des Streitjahres. Aus den bei ihm - dem Bekl - im Zeitpunkt der Veranlagung verfügbaren Akten sei lediglich hervorgegangen, dass in 1997 eine Rücklage gebildet worden und dass im Anlageverzeichnis 1999 keine Posaune aufgeführt sei. Denkbar sei beispielsweise auch gewesen, dass der Kl die Posaune zwar im Streitjahr oder im Jahre 1998 angeschafft, wegen deren nur unwesentlicher Nutzung im Rahmen der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit aber nicht in das Anlageverzeichnis aufgenommen habe. Der reale Lebensvorgang, dass die Anschaffung bis Ablauf des Streitjahres unterblieben sei, sei aus den zur Verfügung stehenden Akten zunächst nicht hervorgegangen und dem Bekl daher neu und nachträglich bekannt geworden. Der Auffassung der Kl, weder sie noch ihr Prozessbevollmächtigter hätten gegen ihre Mitwirkungspflicht im Rahmen des Besteuerungsverfahrens verstoßen, könne nicht gefolgt werden. Den Kl sei es zuzumuten gewesen, gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten die nötigen Angaben zu machen, zumal ihnen die Bildung der Rücklage noch im Streitjahr bekannt gewesen sei. Demgegenüber brauche die Finanzbehörde eindeutigen Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen. Die Betriebsausgabenbuchung sei nur bei Sichtung der einzelnen Positionen der Gewinnermittlung 1997 zu erkennen gewesen; derart umfangreiche Ermittlungen im Zuge der Bearbeitung der Steuererklärung für das Streitjahr seien indessen unangemessen und wegen der Anzahl der beim Bekl zu bearbeitenden Fälle auch nicht möglich. Die Annahme, die Finanzbehörde zu sei zur Führung von Überwachungsbögen für Ansparrücklagen verpflichtet, sei mit dem Gesetzeswortlaut des § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht vereinbar, der derartige Aufzeichnungspflichten gerade nicht der Verwaltung, sondern dem Steuerpflichtigen auferlegt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum rechtlichen Vorbringen der Beteiligten wird ergänzend auf die im Einspruchs- und im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 12. Dezember 2007 verwiesen. Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet. Der Bekl war berechtigt, den ESt-Bescheid der Kl vom 8. August 2001 zu ändern und die ESt unter Berücksichtigung eines um 17.920 DM höheren Gewinns des Kl aus selbstständiger Tätigkeit neu festzusetzen.
1. Im ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 16. Mai 2001 wie auch im geänderten Bescheid vom 6. August 2001 war der vom Kl erzielte Gewinn zu gering angesetzt.
a) Nach § 7g Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG (in der im Streitjahr und den beiden vorangegangenen Jahren geltenden Fassung) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine als Ansparabschreibung bezeichnete, den Gewinn mindernde Rücklage in Höhe von maximal 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungskosten bilden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Ansparrücklage ist u.a., dass Bildung und Auflösung der Rücklage in der Buchführung verfolgt werden können (§ 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG). Die Rücklage ist gewinnerhöhend aufzulösen, sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen vorgenommen werden dürfen. Ist die Rücklage am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, so ist sie zu diesem Zeitpunkt ebenfalls gewinnerhöhend aufzulösen (§ 7g Abs. 4 Satz 2 EStG) und der Gewinn für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um sechs Prozent des aufgelösten Rücklagebetrags zu erhöhen (§ 7g Abs. 5 EStG). Ermittelt der Steuerpflichtige (wie der Kl) den Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, so ist die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln (§ 7g Abs. 6 EStG).
b) Bei Anwendung dieser Vorschriften war der vom Kl errechnete und bei Veranlagung vom Bekl erklärungsgemäß übernommene Gewinn aus selbstständiger Arbeit für das Streitjahr um 17.920 DM zu gering angesetzt. Da der Kl im Jahre 1997 einen Betrag von 16.000 DM zur Bildung einer Ansparrücklage als Betriebsausgabe gebucht, in den Jahren 1998 und 1999 eine Posaune als begünstigtes Wirtschaftsgut jedoch nicht angeschafft hatte, hätte der Kl zur Auflösung der somit am Ende des Wirtschaftsjahres 1999 noch bestehenden Rücklage in diesem Jahr zwingend eine Betriebseinnahme in gleicher Höhe buchen müssen. Daneben hätte der Kl den Gewinn dieses Wirtschaftsjahres gemäß § 7g Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 Halbsatz 2 EStG nochmals um zwei mal sechs Prozent des Rücklagebetrags und damit um weitere 1.920 DM erhöhen müssen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Einzelnen streitig.
2. Zwar wurde die ESt für das Streitjahr zunächst unter Erfassung des solchermaßen zu niedrig angesetzten Gewinns vorbehaltlos und endgültig festgesetzt. Indessen ergibt sich die Befugnis des Bekl zur Änderung der bestandskräftigen Festsetzung zuungunsten der Kl aus § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
a) Nach dieser Vorschrift können Steuerbescheide geändert werden, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestandes sein kann. Dabei kann es sich um Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art handeln (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BStBl II 2004, 911). Bloße Schlussfolgerungen und juristische Subsumtionen hingegen sind keine Tatsachen i.S. des § 173 AO (BFH-Urteil vom 14. Januar 1998 II R 9/97, BStBl II 1998, 371).
Wie der BFH mit Urteil in BFH/NV 1997, 757 (unter 1.a) für den Fall des Gewinnabzugs nach § 6c Abs. 1 i.V.m. § 6b EStG entschieden hat, sind Tatsachen in diesem Sinne auch alle Vorgänge, die einer Übertragung stiller Reserven nach Bildung einer Rücklage zugrunde liegen oder die die Auflösung einer solchen Rücklage nach sich ziehen. Hierzu zählt der BFH ausdrücklich die Vorgänge der Anschaffung oder Herstellung eines Reinvestitionsguts wie auch den Umstand, dass auf eine fristgerechte Reinvestition verzichtet wird und deshalb eine Betriebseinnahme zu erfassen ist. Übertragen auf den Gewinnabzug nach § 7g Abs. 6 EStG, sind Tatsachen ebenso die Anschaffung von Wirtschaftsgütern vor dem Schluss des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres wie auch der Umstand, dass die Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsgutes bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr unterblieben ist und deshalb die Rücklage aufzulösen und als Zuschlag (Betriebseinnahme) zu behandeln ist (FG München, Urteil vom 28. November 2006 13 K 3490/03, nicht veröffentlicht, [...], unter II.2.a). Welche dieser Tatsachen eingetreten ist, hat der Steuerpflichtige zu erklären (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 757).
b) Im Streitfall handelt es sich bei dem Umstand, dass der Kl die begünstigte Investition, für die er die Ansparrücklage gebildet hatte, bis zum Ende des Streitjahres nicht vorgenommen hatte, um eine solche Tatsache. Diese Tatsache ist dem Bekl auch erst nachträglich bekannt geworden, denn von ihr hat er erstmals im Zuge der Überprüfung des Steuerfalles im Jahre 2003 Kenntnis erhalten. Erst mit Schriftsatz vom 24. April 2003 hat der Kl ausdrücklich eingeräumt, eine Posaune im Jahr 1999 nicht angeschafft zu haben. Dieser Umstand war für den Bekl aus den ihm im Zeitpunkt der erstmaligen Veranlagung der Kl im Mai 2001 zur Verfügung stehenden Unterlagen noch nicht ersichtlich.
Der Kl hat in seiner Gewinnermittlung für 1999 einerseits umfangreiche Reisekosten sowie andererseits die "Gemeinkosten lt. Anlage" als Betriebsausgaben geltend gemacht. Erst bei dieser - allerdings auch die Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit betreffenden - Gemeinkostenaufstellung findet sich eine Übersicht über einzelne Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Daraus, dass bei diesen Wirtschaftsgütern eine Posaune nicht aufgelistet ist, ergibt sich indessen nur die Tatsache, dass der Kl im Streitjahr kein Wirtschaftsgut dieser Art seinem Anlagevermögen zugeordnet hat. Die Tatsache, dass ein solches Wirtschaftsgut im Streitjahr tatsächlich nicht erworben worden ist, folgt daraus nicht zwingend. Dieser Umstand hätte sich zudem, da er sich gemäß § 7g Abs. 6 EStG auf die Höhe der Betriebseinnahmen bezieht, vorrangig aus den an jener Stelle gemachten Angaben des Kl erschließen müssen. Bei der Aufstellung über die Einnahmen des Kl aus seiner Tätigkeit als Musiker und Dirigent findet sich indessen keinerlei Hinweis darauf, dass die geplante Anschaffung der Posaune im Streitjahr unterblieben sein könnte.
c) Der Änderung des bestandskräftigen ESt-Bescheids für das Streitjahr stehen - anders als die Kl meinen - auch die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen.
aa) Die Änderung eines Bescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist nach Treu und Glauben allerdings ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekanntgewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Dies gilt jedoch nur, wenn die Behörde ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres hätten aufdrängen müssen, nicht nachgeht. Für die Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich der Behörde zur Prüfung unterbreitet worden sind. Dabei braucht das Finanzamt Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen und kann regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen. Versäumen sowohl der Steuerpflichtige als auch das Finanzamt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel die Verantwortlichkeit den Steuerpflichtigen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 757, unter 2.a, m.w.N.).
bb) Es kann offenbleiben, ob der Bekl bereits die Bearbeitung der ESt-Erklärung für das Streitjahr im Jahre 2001 zum Anlass nehmen musste, die Möglichkeit einer unterbliebenen Anschaffung der Posaune in Erwägung zu ziehen und sich von diesem Umstand durch Nachfrage beim Kl vor abschließender Veranlagung des Steuerfalles zu überzeugen. Selbst wenn von einem solchen Ermittlungsfehler des Bekl und damit von verschuldeter Unkenntnis der Umstände, aus denen sich die Pflicht zur Auflösung der Ansparrücklage ergeben musste, auszugehen wäre, war die Änderung des ESt-Bescheids rechtmäßig, da der Aufklärungspflichtverletzung des Bekl der weit schwerer wiegende Verstoß des Kl gegen seine Pflicht zur vollständigen und eindeutigen Unterbreitung des für die Besteuerung relevanten Sachverhalts entgegenzusetzen ist.
Bei der Wertung etwaiger Aufklärungsversäumnisse des Bekl kann nicht außer Betracht bleiben, ob und inwieweit der Steuerpflichtige seinerseits der ihm in § 90 AO auferlegten Mitwirkungspflicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist von einer wechselseitigen Auswirkung der jeweiligen Pflichterfüllung in der Weise auszugehen, dass eine besondere Anspannung der Sorgfalt auf Seiten der Finanzverwaltung um so weniger gefordert werden kann, je nachlässiger der Steuerpflichtige seinerseits bei der Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten gehandelt hat.
Bei der danach gebotenen Abwägung der Versäumnisse des Bekl gegen die fehlerhafte Gewinnermittlung und die unzutreffende Steuererklärung des Kl für das Streitjahr fällt ein etwaiger Verstoß des Bekl gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 88 AO) nur untergeordnet ins Gewicht. Zwar hat der Sachbearbeiter des Bekl bei Bearbeitung der Steuererklärung übersehen, dass in der Gewinnermittlung des Jahres 1997 eine Ansparrücklage gebildet war und dass im Streitjahr keine Abschreibung auf neu angeschaffte Wirtschaftsgüter geltend gemacht wurde. Indessen ist dabei in Rechnung zu stellen, dass die Bildung der Ansparrücklage im Jahre 1997 nach § 7g Abs. 6 EStG im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfolgt ist. Da der Kl lediglich im Jahr der Rücklagenbildung den Betriebsausgabenabzug vornehmen und die solchermaßen gebildete Rücklage nicht wie beim Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG in der Bilanz weiterführen musste, konnte der Bekl im Streitfall nicht bereits aus dem Fortbestand einer Rücklage in der Gewinnermittlung weitere Schlüsse ziehen und sich veranlasst sehen, zusätzliche Ermittlungen anzustellen. Der erkennende Senat folgt der Auffassung des FG München (Urteil in [...], a.a.O.), dass sich daraus - ebenso wie nach der Rechtsprechung des BFH für Reinvestitionsrücklagen nach § 6c EStG (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 757, unter 2.b) - eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen ergibt, wenn er die Steuererleichterung des § 7g EStG im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen hat.
cc) Danach hatte der Kl mit besonderer Gewissenhaftigkeit bei der Gewinnermittlung und Abgabe der Steuererklärung dafür Sorge zu tragen, dass die Auflösung der Rücklage, ggf. einschließlich der in § 7g Abs. 5 vorgesehenen Zuschläge sichergestellt ist. Diese Mitwirkungspflichten hat der Kl in mehrfacher Hinsicht verletzt. Zunächst hat der Kl bereits in Zeile 52 der Anlage GSE zur ESt-Erklärung 1997 keine Angaben dazu gemacht, inwieweit bei seiner Gewinnermittlung erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen nach § 7g EStG berücksichtigt worden sind, obwohl danach im Vordruck gefragt war. Der Kl war zudem verpflichtet, spätestens in der ESt-Erklärung des Streitjahrs den Gewinnabzug des Jahres 1997 nach § 7g Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 EStG durch Auflösung der Rücklage und Buchung einer Betriebseinnahme in gleicher Höhe rückgängig zu machen (§ 7g Abs. 6 EStG). Der geforderten Auflösung der Rücklage hätte der Bekl zugleich auch die Erklärung entnehmen können, dass keine begünstigten Investitionen i. S. dieser Vorschriften vorgenommen worden waren. Wenn aber der Kl selbst die Auflösung der Rücklage in seiner Gewinnermittlung nicht vornahm, obwohl er dazu verpflichtet war, so musste er zumindest ausdrücklich und unmissverständlich erklären, dass die erforderliche Anschaffung der Posaune unterblieben war. Denn Steuererklärungen müssen nicht nur richtig und vollständig, sondern auch deutlich und klar sein (BFH-Urteil vom 4. März 1999 II R 79/97, BFH/NV 1999, 1301). Diesen Hinweis hat der Kl unterlassen. Die Pflichtverletzung des Kl überwiegt im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO einen möglichen Ermittlungsfehler des Bekl bei weitem.
Bei der Bewertung dieser Pflichtverletzung kommt hinzu, dass der Kl die Ansparabschreibung erst mit Einreichen der Steuererklärung für das Jahr 1997 im Mai des Streitjahres erstmalig gegenüber dem Bekl geltend gemacht und den Anspruch auf ihre Bildung sodann noch im Einspruchsverfahren bis zu seiner Anerkennung durch den Bekl im Oktober des Streitjahres weiterverfolgt hat. Als dem Kl die Abhilfeentscheidung des Bekl vom 25. Oktober 1999 bekannt wurde, bestand für ihn folglich nur noch gute zwei Monate lang die Möglichkeit zur Umsetzung seiner im Zuge der Bildung der Rücklage geäußerten Investitionsabsicht. Der Senat hält es für schwer vorstellbar, dass dem Kl nach Ablauf dieser zwei Monate am Ende des Streitjahres nicht mehr bewusst gewesen sein könnte, dass er die Ansparrücklage mangels Durchführung der Investition nunmehr wieder würde auflösen müssen.
dd) Die Auffassung der Kl, der Bekl sei verpflichtet gewesen, die Fortführung und zeitgerechte Auflösung einer durch Betriebsausgabenabzug gebildeten Ansparrücklage durch Anlage eines Überwachungsbogens sicherzustellen, teilt der erkennende Senat nicht. Eine solche Rechtspflicht ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Verfügungen oder Erlasse der Finanzverwaltung, die angeordnet hätten, dass in den Steuerakten bei Ansparrücklagen Überwachungsblätter anzulegen sind, bestehen nach Kenntnis des Senats nicht (so auch FG München, Urteil in [...], a.a.O., unter II.2.e). Dem Bekl ist zudem darin beizupflichten, dass eine solche Überwachung der Ansparrücklage nach Sinn und Zweck des § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStG zuvörderst dem Steuerpflichtigen selbst oblegen hätte.
3. Der Senat sieht auch im Hinblick auf die von den Kl angeführte Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 16. Mai 2006 6 K 1481/06 und die dagegen eingelegte Revision zum BFH (dortiges Az.: XI R 48/06) keine Veranlassung, gegen seine Entscheidung die Revision zuzulassen. Die dem Streitfall zugrundeliegenden Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung bereits umfassend geklärt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Ende der Entscheidung
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