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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 22.06.2009
Aktenzeichen: 4 K 2089/09
Rechtsgebiete: GVG, FGO, GG, VwGO, GVG


Vorschriften:

GVG § 17 Abs. 2
GVG § 17a Abs. 2
FGO § 33 Abs. 1
FGO § 33 Abs. 2
GG Art. 34
GG Art. 101 Abs. 1
VwGO § 40 Abs. 2
GVG § 71 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten ist unzulässig.

2) Der Rechtsstreit wird an das Landgericht ... verwiesen.

Gründe:

I. Mit Schreiben vom 12. Januar 2009 erhob der Kläger (Kl) Klage gegen das Land Baden-Württemberg, mit der er dessen Verurteilung zur Leistung von Schadensersatz begehrt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, eine vom Finanzamt A. vorgenommene Pfändung seines Kontos bei der ... Bank in B. sei rechtswidrig gewesen, da das gepfändete Geld nicht schnell genug freigegeben worden sei, nachdem er nachgewiesen gehabt habe, dass es sich um Fremdgeld handle. Dieses rechtswidrige Handeln des Finanzamts sei ursächlich dafür gewesen, dass die ... Zeitung, für die er als Anzeigenwerber tätig sei, die bisher gewährte Benzinkostenpauschale nicht mehr zahle. Mit der vorliegenden Klage macht der Kl nunmehr den Betrag der ihm nicht mehr gewährten Benzinkostenpauschale - abzüglich der Kfz-Steuer, die er dem Finanzamt A. noch schulde - als Schadensersatz geltend und kündigt für die mündliche Verhandlung folgende Anträge an:

1) Der Beklagte (Bekl) wird verurteilt, an den Kl EUR 368,00 nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz aus EUR 64 ,00 vom 23.11.2008 bis 30.11.2008 sowie aus EUR 368 ,00 vom 01.12.2008 bis 30.12.2008 zu bezahlen.

2) Der Bekl wird verurteilt, an den Kl zum 30. eines jeden Monats ab 30.01.2009 EUR 304,00 zu bezahlen.

3) Der Bekl trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4) Sofern das Gericht ein schriftliches Vorverfahren anordnet, wird für den Fall des Fristversäumnisses bzw. für den Fall des Anerkenntnisses der Erlass eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 ZPO bzw. der Erlass eines Anerkenntnisurteils nach § 307 Abs. 2 ZPO beantragt.

5) Dem Kl wird zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte Prozesskostenhilfe bewilligt.

Nach Gewährung rechtlichen Gehörs mit Verfügung vom 22. Januar 2009 erklärte das Amtsgericht ... mit Beschluss vom 23. März 2009 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das "Finanzgericht Stuttgart" (zutreffend: Finanzgericht Baden-Württemberg). Zur Begründung führte das Amtsgericht ... aus, der Kl mache Ansprüche gegenüber dem Finanzamt A. im Zusammenhang mit der Streichung einer Benzinpauschale geltend. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit sei nicht gegeben.

Mit Verfügung vom 28. Mai 2009 teilte der Berichterstatter den Beteiligten mit, dass die mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom 23. März 2009 erfolgte Verweisung des Rechtsstreits an das Finanzgericht Baden- Württemberg nach vorläufiger Rechtsauffassung des Senats in einem solch gewichtigten Maße gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen dürfte, dass die grundsätzliche Bindungswirkung der Verweisung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) im Streitfall mutmaßlich nicht bestehe und deshalb eine Weiterverweisung an das zuständige Landgericht ... in Betracht komme. Zugleich wurde den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Weiterverweisung bis zum 19. Juni 2009 gegeben. Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2009 teilte der Bekl mit, er habe keine Bedenken gegen die mit Verfügung des Berichterstatters vom 28. Mai 2009 avisierte Verfahrensweise. Zugleich wies der Bekl darauf hin, dass im Falle der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen behaupteter Amtspflichtverletzung durch Finanzbeamte des Landes nach der gemeinsamen Bekanntmachung der Ministerien über die Vertretung des Landes in gerichtlichen Verfahren vom 7. April 1997 (GBl vom 30. April 1997, S. 150 ff) die Oberfinanzdirektion Karlsruhe, diese vertreten durch die Oberfinanzpräsidentin, Moltkestr. 50, 76133 Karlsruhe, passiv legitimiert sei. Seitens des Kl wurde innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme eingereicht.

II. 1) Der Finanzrechtsweg ist unzulässig.

Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nur dann gegeben, wenn den Gegenstand des Rechtsstreits eine Abgabenangelegenheit bildet. Abgabenangelegenheiten sind gemäß § 33 Abs. 2 FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kl indes kein mit der Verwaltung von Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängendes Begehren geltend, sondern er verlangt - ausdrücklich - Schadensersatz vom zuständigen Rechtsträger des Finanzamts A. wegen einer - behaupteten - rechtswidrigen Handlung der genannten Behörde.

Hierfür ist nach der ausdrücklichen Zuständigkeitsregelung des § 40 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die von Art. 34 Satz 3 Grundgesetz (GG) vorausgesetzt und von Verfassungs wegen garantiert wird (vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Anm. 305, Stand: 53. Lfg. Oktober 2008) der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Damit ist der Rechtsweg zu den Zivilgerichten gemeint (vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Anm. 317; Sannwald, in: Schmidt/Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 59). In sachlicher Hinsicht ist gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG das Landgericht zur Entscheidung berufen. Örtlich zuständig ist das Landgericht ....

2) Die Verweisung an das Finanzgericht Baden-Württemberg ist nicht bindend.

Zwar entfaltet eine Rechtswegverweisung gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG grundsätzlich Bindungswirkung in dem Sinne, dass eine Weiterverweisung an das Gericht eines anderen Rechtsweges ausgeschlossen ist ("sog. aufdrängende Wirkung der Verweisung"). Dies gilt in aller Regel auch bei gesetzwidrigen Verweisungen (vgl. hierzu Beschlüsse des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. Februar 2000 III ZB 33/99, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2000, 1343; vom 13. November 2001 X ARZ 266/01, WM 2002, 406; vom 12. März 2002 X ARZ 314/01, BGH-Report 2002, 749, NZA 2002, 1109; vom 9. April 2002 X ARZ 24/02, NJW 2002, 2474 und vom 8. Juli 2003 X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990).

Eine solche Bindungswirkung besteht jedoch nicht, wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. hierzu BGH-Beschlüsse vom 24. Februar 2000 III ZB 33/99, NJW 2000, 1343; vom 13. November 2001 X ARZ 266/01, WM 2002, 406; vom 12. März 2002 X ARZ 314/01, BGH-Report 2002, 749, NZA 2002, 1109; vom 9. April 2002 X ARZ 24/02, NJW 2002, 2474 und vom 8. Juli 2003 X ARZ 138/03, NJW 2003, 2990).

Eine solche Situation ist im Streitfall gegeben. Denn der Verweisungsbeschluss verletzt den verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in einem Maße, das auch unter der Beachtung der weitgehenden Bindungswirkung des § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nicht hingenommen werden kann. Da Art. 34 Satz 3 GG für die Entscheidung über Amtshaftungsansprüche - wie ausgeführt - den Rechtsweg zu den Zivilgerichten ausdrücklich voraussetzt und damit verfassungsrechtlich garantiert, was vom einfachen Gesetzgeber mit der Regelung des § 40 Abs. 2 VwGO umgesetzt wurde, ist die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen einem Rechtsweg zugewiesen, der vom Beibringungsgrundsatz bestimmt ist. Das Verfahren vor den Finanzgerichten ist dagegen von dem - diametral gegensätzlichen - Untersuchungsgrundsatz geprägt (vgl. § 76 FGO). Weiter ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass mit der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG, die durch Art. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (Viertes Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung - 4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 - BGBl. I 2809 - geschaffen wurde, selbst für sog. "gemischte Rechtsverhältnisse", in denen also ein Anspruch auf mehrere Klagegründe gestützt wird oder gestützt werden kann, die Entscheidung über Amtshaftungsansprüche ausschließlich den Gerichten der Zivilgerichtsbarkeit vorbehalten wurde.

3) Da der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts ... vom 23. März 2009 somit keine Bindungswirkung dahingehend entfaltet, dass eine Weiterverweisung an das zuständige Landgericht ausgeschlossen wäre (sog. "aufdrängende Wirkung"), war der Rechtsstreit an das zuständige Landgericht ... zu verweisen.

4) Die Beschwerde gegen diesen Beschluss war nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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