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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 4 K 21/06
Rechtsgebiete: EStG, HGB
Vorschriften:
EStG § 5 Abs. 1 | |
HGB § 249 Abs. 1 S. 1 |
Finanzgericht Baden-Württemberg
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger (Kl) in den Bilanzen zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 Rückstellungen für eine Verpflichtung zur künftigen Betreuung bereits abgeschlossener Versicherungsverträge bilden kann.
Die Kl sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer(ESt) veranlagt werden.
Der Kl ist aufgrund eines am 15. März 2000 abgeschlossenen Vermögensberater-Vertrages (Bl. 74 ff. der Finanzgerichts(FG)-Akten) für die ... (nachfolgend: X-AG) als "Handelsvertreter im Hauptberuf in der Stufe Direktionsleiter" tätig. Nach Abs. I des genannten Vertrages ist der Kl berechtigt, diese Tätigkeit im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszuüben, und zwar "nach seiner freien Wahl entweder in der Weise, dass er abweichend von § 84 III Handelsgesetzbuch (HGB) neue Vermögensberater oder Vertrauensleute mit vertraglicher Bindung nur an die Gesellschaft gewinnt, schult und führt und seine Vermittlungserfolge durch Einsatz dieses Stammes von Vermögensberatern der Gesellschaft optimiert, oder aber indem er in Person Kunden berät und ihnen die Produkte der Gesellschaft vermittelt (Vermögensberater-Praxis), wobei er berechtigt ist, diese beiden Formen der Vermittlungstätigkeit nicht nur alternativ, sondern auch nebeneinander zu praktizieren".
Abs. IV des Vermögensberater-Vertrages sieht für die Vermittlungstätigkeit des Kl eine ausschließlich erfolgsabhängige Vergütung in Form von Provisionen i.S.d. § 92 HGB vor, deren Höhe sich u.a. danach richtet, ob der Vermittlungserfolg auf eine unmittelbare Tätigkeit des Kl beim Kunden zurückgeht (Eigenumsatz) oder ob dieser unter Einbezug von Untervertretern einer Gruppe zustande gekommen ist (Gruppenumsatz). Im Anschluss an die Regelungen über die Höhe der Provisionen enthält der Vermögensberater-Vertrag in Abs. IV die folgende Bestimmung:
"Für einen jeden vermittelten Vertrag wird als Gegenleistung dieser Vermittlungstätigkeit eine einmalige Abschlussprovision gewährt. Alle etwaigen weiteren aus diesem Abschluss folgenden Provisionen, auch bei Summenerhöhungen, setzen eine nachhaltige Kundenbetreuung voraus (Kunden- Betreuungsprovision)."
Wegen der Berechnung der Provisionen im Einzelnen wird im Vermögensberater-Vertrag auf "Provisionsbedingungen" (Anlage A zum Vermögensberater-Vertrag; Bl. 85 ff. der FG-Akten) Bezug genommen, die u.a. die folgende Bestimmung enthalten:
"Der Vermögensberater enthält für seine Tätigkeit Provision entsprechend seiner Provisionsstufe. Die zunächst anfallende Provision ist die Gegenleistung für die Vermittlung des Abschlusses. Alle etwaigen weiteren Provisionszahlungen setzen eine nachhaltige Kundenbetreuung voraus."
Die "Provisionsstufe" des Vermögensberaters ist in einer dem Vertrag beigefügten Anlage B "Aufstiegsbedingungen und Provisionsstufen" (Bl. 89 ff. der FG-Akten) geregelt. In Abs. III der Provisionsbedingungen ist für einen Teil der Provisionen bestimmt, dass der Provisionsanspruch erst nach Ablauf bestimmter Fristen (sogenannter Haftungszeiten) entsteht. Zahlungen bzw. Gutschriften, die gleichwohl vor Entstehung des Anspruchs gewährt werden, erfolgen nach Abs. IV des Vermögensberater- Vertrages "auf freiwilliger Basis und in der Erwartung, dass sich das jeweils vermittelte Geschäft als bestandskräftig erweist (sogenannte Vorfinanzierung)". Wird das der Zahlung oder Gutschrift zugrunde liegende Geschäft vor Ablauf der maßgeblichen Frist aufgelöst, so erfolgt in der monatlichen Abrechnung eine "laufzeitanteilige Rückbelastung". Bei Verträgen, für deren Verprovisionierung Fristen vereinbart sind, wird eine Rückstellung zur Sicherung der vorfinanzierten Beträge gebildet, deren Höhe sich nach einem vom Gesamtumsatz abhängigen "Qualitätsfaktor" richtet.
Ebenfalls in Abs. IV des Vermögensberater-Vertrages ist ausgeführt, dass der Kl "sämtliche mit der Ausübung seines Berufes als Vermögensberater verbundenen Risiken, insbesondere auch sämtliche Kosten, Steuern, Gebühren und sonstigen Abgaben selbst zu tragen" habe. Tatsächlich erhielt der Kl jedoch neben den Provisionen sog. "Organisations(leitungs)zuschüsse" bzw. "Bürozuschüsse", durch die seinen Angaben zufolge die Aufwendungen abgegolten werden sollten, die ihm durch die Schulung und Betreuung der ihm zugeordneten Vermögensberater entstanden sind. In den Gewinn- und Verlustrechnungen für die Streitjahre erfasste der Kl "Organisationszuschüsse X-AG" in Höhe von 316.293.90 DM (2001) bzw. 125.377,99 EUR (2002) als Betriebseinnahmen. Wegen des Risikos der Rückbelastung bereits vereinnahmter Provisionen wies er in den Bilanzen zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 unter "Prov.-Rückstellungs-Kto. X-AG" Beträge in Höhe von 217.447,00 DM bzw. 115.224,21 EUR als "sonstige Verbindlichkeiten" aus.
Im ursprünglichen ESt-Bescheid für das Jahr 2001 vom 19. Dezember 2002 setzte der Beklagte (Bekl) die ESt gegen die Kl unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Im Jahre 2003 wurde beim Kl eine Betriebsprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 durchgeführt. Im Anschluss an diese Prüfung erließ der Bekl am 29. Dezember 2003 einen auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gestützten ESt-Änderungsbescheid für das Jahr 2001 und am 18. Februar 2004 einen erstmaligen ESt-Bescheid für das Jahr 2002, in denen er der Steuerfestsetzung jeweils die Feststellungen des Betriebsprüfers im Prüfungsbericht vom 10. Oktober 2003 (Bl. 38 ff. der Betriebsprüfungsakten) zugrunde legte. Gegen die genannten Bescheide legte der Vertreter und jetzige Prozessbevollmächtigte der Kl form- und fristgerecht Einspruch ein und wandte sich gegen mehrere - zwischenzeitlich nicht mehr streitige - Feststellungen des Betriebsprüfers. Nach Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 866) verlangte er mit Schreiben vom 06. Juli 2005 und 31. Juli 2005 den Ansatz einer Rückstellung für Vertragsbetreuung in Höhe von 312.570 EUR in der Bilanz zum 31. Dezember 2001 bzw. 333.520 EUR in der Bilanz zum 31. Dezember 2002. Die genannten Beträge ermittelte er in der Weise, dass er den mit 80 EUR (bei vom Kl selbst vermittelten Verträgen) bzw. 10 EUR (bei von anderen - ihm zugeordneten - Vermögensberatern vermittelten Verträgen) geschätzten Aufwand pro Vertrag mit der Zahl der zum jeweiligen Bilanzstichtag vorhandenen Verträge multiplizierte. Zur Erläuterung führte er in seinem Schreiben vom 31. Juli 2005 Folgendes aus:
"Die 10,00 Euro ergeben sich aus einem 15 Min. dauernden Telefongespräch somit 1/4 von 40,00 Euro.
Zur Berechnung des Stundensatzes: | |
Gehalt eines Finanzbeamten im gehobenen Dienst | 4.000,00 |
durchaus vergleichbar mit einem Direktor der Vermögensberatung. | |
dabei gehe ich von 13 Gehältern aus: | 52.000,00 |
zzgl. 25% soziale Nebenkosten (Arbeitgeber-Anteil SV) | 13.000,00 |
Gesamt Personalkosten | 65.000,00 |
Gearbeitete Stunden effektiv: | |
52 Wochen à 40 Stunden | 2080 |
30 Tage Urlaub | |
10 Tage krank | |
10 Feiertage | |
50 Tage * 8 Stunden | 400 |
effektive Stunden | 1680 |
Gibt folgende Formel: | |
65000 geteilt durch 1680 ergibt Stundensatz: | 38,6904762 |
gerundet: | 40,00 |
Anmerkung: hier sind nur Lohnkosten berücksichtigt, es sind keinerlei Maschinenkosten (PC etc.) enthalten."
Die Einsprüche der Kl hatten (nur) insofern Erfolg, als der Bekl in seinen beiden Einspruchsentscheidungen vom 06. Dezember 2005 jeweils die Aufwendungen des Kl für einen als Archiv genutzten Kellerraum im Haus der Klägerin (Klin) als Betriebsausgaben berücksichtigte. Den von den Kl begehrten Ansatz von Rückstellungen für Vertragsbetreuung lehnte der Bekl hingegen ab. Zur Begründung führte er u.a. aus, bei Zugrundelegung der vom Vertreter der Kl errechneten Beträge würde sich ein Betreuungsaufwand von ca. 6,43 Jahren ergeben. Dies erscheine "nach Überzeugung des Finanzamts nicht glaubhaft" und sei von den Kl bzw. ihrem Bevollmächtigten auch nicht nachgewiesen worden.
Mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Klage begehren die Kl unverändert den Ansatz von Rückstellungen für Vertragsbetreuung in Höhe von 312.570 EUR in der Bilanz zum 31. Dezember 2001 bzw. 333.520 EUR in der Bilanz zum 31. Dezember 2002, nachdem sie ursprünglich noch weitere Änderungen der streitbefangenen Steuerfestsetzungen verlangt hatten. Zur Begründung ihrer Klage lassen sie Folgendes vortragen:
Die X-AG sei "in ihrem System ein sog. Strukturvertrieb oder auch Networkmarketing genannt". Die von der X-AG gezahlten Provisionen seien "immer Einmalprovisionen". Aus der neuesten Rechtsprechung ergebe sich eindeutig, dass im Bereich des Networkmarketing Betreuungsaufwand anfalle. Selbst wenn das Finanzamt hier von einer Zeitdauer von 6,43 Jahren ausgehe, sei dieser Aufwand von Nöten. Im Falle der Inanspruchnahme müsse der Kl Personal einstellen oder er werde gegen Gebühr von der Zentrale der X-AG unterstützt. Es werde beantragt, folgende Berechnung der Rückstellung zuzulassen:
"Pro Versicherungsvertrag egal ob Lebensversicherung oder Sachversicherung
a) für Eigenverträge 2 Stunden pro Vertrag à 40 EUR;
b) für Fremdverträge 10 Min. pro Vertrag à 40 EUR."
Für einen vom Kl selbst ausgehandelten Vertrag seien für die gesamte Laufzeit des Vertrages 2 Stunden à 40 EUR/Stunde anzusetzen, für einen "betreuten Vertrag", der nicht vom Kl selbst ausgehandelt worden sei, 0,15 Stunden à 40 EUR/Stunde. Der Stundensatz orientiere sich am Gehalt eines Beamten im gehobenen Dienst.
Zunächst einmal müsse klar definiert werden, was Betreuungsaufwand sei: Betreuung bedeute im vorliegenden Falle, ständig für seine Kunden - hier die Versicherten - als Ansprechpartner da zu sein und ihnen bei ihren bestehenden Verträgen mit kompetenten Auskünften weiterzuhelfen. Diese sog. Nachbetreuung sei sehr zeitaufwendig und bringe im Regelfalle kein Honorar bzw. keine Provision mit sich. Diese Betreuung werde "von den Gesellschaften als ungeschriebenes Gesetz verlangt". Der Betreuungsaufwand sei "enorm" und stelle sehr wohl eine "belastende Verpflichtung" dar. Gehe man vom Gesetzeswortlaut des HGB aus, so habe jeder Kaufmann für eine solche Inanspruchnahme eine Rückstellung zu bilden. Bei fast jedem Berufsstand gebe es entsprechende Nacharbeiten bzw. Nachbetreuungen. Zu verweisen sei in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BFH vom 05. Juni 2002 I R 96/00 (BStBl II 2005, 736), mit dem entschieden worden sei, dass ein Hörgeräteakustiker eine Rückstellung für die Verpflichtung zur kostenlosen Nachbetreuung des Gerätes und des Hörgeschädigten in technischer und medizinischer Hinsicht zu bilden habe, die er beim Verkauf einer Hörhilfe für einen bestimmten Zeitraum eingehe. Wie der BFH in dem genannten Urteil ausgeführt habe, ergebe sich die rechtliche Verpflichtung zur Nachbetreuung bereits aus dem jeweiligen Veräußerungsgeschäft in Verbindung mit dem zugrunde liegenden Rahmenvertrag. Sie entstehe nicht erst mit Eintritt der Erforderlichkeit der jeweiligen Nachbetreuungsleistungen, da diese lediglich die bilanzsteuerlich nicht relevante Fälligkeit der jeweiligen Verpflichtung betreffe. Das genannte Urteil könne eindeutig auf die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers Anwendung finden.
Für die vom Kl erbrachten Betreuungsleistungen gebe es keine weiteren Kundenbetreuungsprovisionen. Der Kl erhalte eine Abschlussprovision, in der "alles enthalten" sei. Nur für Neuverträge gebe es Geld. Der Kl müsse seinen Kundenstamm selbst aufbauen und pflegen. Tue er dies nicht, so habe er keine Einnahmen.
Mit Schriftsatz vom 14. August 2007 legte der Prozessbevollmächtigte der Kl neben einer Darstellung der "Aufgabenstellung der Vermögensberater in den jeweiligen Karrierestufen" (Bl. 253 ff. der FG-Akten) einen (gegenüber dem vom Kl am 25. März 2000 abgeschlossene Vertrag teilweise anders gefassten) Vordruck für einen Vermögensberater-Vertrag mit der X-AG (Bl. 228 ff. der FG-Akten) vor und führte dazu Folgendes aus:
Es sei zwar richtig, dass der vorgelegte Vermögensberater-Vertrag den Nachbetreuungsaufwand nicht explizit regle. Dennoch würden dem Kl, wie sich aus den vorgelegten "Besuchsaufträgen" (Bl. 63 ff. der FG-Akten) ergebe, ständig Betreuungsaufträge von der X-AG übermittelt. Sollte er diese nicht abarbeiten, würde er nach Auskunft der X-AG eine Rüge erhalten, was bis zur Kündigung führen könne.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung legte der Kl weitere "Besuchsaufträge" (Bl. 338 ff. der FG-Akten) vor und trug dazu Folgendes vor:
Die Erfüllung eines Besuchsauftrags führe nur dann zu einer Provision, wenn es ihm gelinge, eine neue Versicherung abzuschließen. Komme er einem Besuchsauftrag nicht nach, so verliere er die Provision. Wie sich aus dem Vermögensberater-Vertrag ergebe, werde die Provision als Vorschuss gezahlt. Laufe ein Vertrag nicht mindestens über die Dauer der Stornohaftungszeit, werde die Provision storniert. Komme ein Vermögensberater Besuchsaufträgen mehrfach nicht nach, werde er zu einem "Strukturgespräch" mit der Geschäftsleitung geladen. Komme dies zweimal vor, werde er "verabschiedet".
Von der X-AG werde eine Stornoreserve ermittelt, die von ihm als Forderung (Forderung an Erlöse) eingebucht werde. Derselbe Betrag werde als Rückstellung ausgewiesen mit der Folge, dass der Ausweis der Forderung neutralisiert werde. Zum 30. Juni 2007 habe die X-AG beispielsweise eine Provisionsrückstellung in Höhe von 460.812,21 EUR errechnet (vgl. Bl. 355 der FG-Akten). Dabei handle es sich um den Betrag, für den er - der Kl - der X-AG gegenüber haften würde, wenn sämtliche Versicherungsverträge von den Versicherten gekündigt würden.
Weiterer Aufwand, der seiner Auffassung nach die Bildung einer Rückstellung für die Betreuung bereits abgeschlossener Versicherungsverträge rechtfertige, entstehe beispielsweise dadurch, dass er - wenn er seine Kundschaft halten wolle - bei jeder Änderung des Tarifs in der Kfz-Versicherung darauf angewiesen sei, sämtliche Verträge daraufhin zu überprüfen, ob der neue Tarif für den jeweiligen Kunden günstiger sei, um ihm ggf. ein neues Angebot zu machen. Dies bedeute für ihn dann oft sogar ein "Minusgeschäft", denn wenn die Prämie sinke, erhalte er auch weniger Provision. Wenn der Kunde einen Vertrag zum neuen Tarif abschließe, handle es sich zwar um einen Neuabschluss, für den er Provision erhalte, allerdings weniger. Außerdem kämen die Kunden mit Fragen auf ihn zu, für deren Beantwortung er ebenfalls keine besondere Provision erhalte.
Als Direktionsleiter sei er verpflichtet, einen Schulungsbetrieb zu unterhalten. Die von der X-AG gezahlten Bürozuschüsse seien eine umsatz- und qualitätsabhängige "Zusatzleistung". Wenn er nicht mit einem Qualitätsfaktor von 10% herauskomme, verliere er die Zuschüsse komplett. Die zu seiner Gruppe gehörenden Vermögensberater seien ihm nicht untergeordnet; er sei diesen gegenüber insbesondere nicht weisungsbefugt. Vielmehr sei er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Ausbildung und Schulung dieser Mitarbeiter verantwortlich. Er habe zu diesem Zweck extra Räume angemietet. Die Bürozuschüsse hätten mit der Nachbetreuung nichts zu tun. Es gebe bei der X-AG die "Praxisleute", die mit dem Mitarbeiteraufbau "nichts am Hut" hätten. Diese bekämen die Organisationsleitungszuschüsse nicht, weil sie auch kein Schulungssystem unterhielten. Daraus sei ersichtlich, wofür diese Zuschüsse gezahlt würden. Die Bürozuschüsse und die Organisationsleitungszuschüsse würden sich von ihrem Zweck her nicht unterscheiden. Bei beiden handle es sich um freiwillige Leistungen der X-AG, die jederzeit eingestellt werden könnten. Er - der Kl - erhalte sämtliche Schreiben der Versicherungen an die Versicherten - und war auch dann, wenn der entsprechende Vertrag nicht von ihm selbst, sondern von einem der ihm zugeordneten Vermögensberater vermittelt worden sei. Auf diesen Schreiben sei jeweils auch sein Name und seine Telefon-Nummer angegeben. Wenn ein Kunde den für ihn zuständigen Vermögensberater nicht erreiche oder mit diesem nicht zufrieden sei, was auch vorkomme, rufe er deshalb bei ihm - dem Kl - an. Die ihm zugeleiteten Schreiben der Versicherungsunternehmen an die Versicherten müsse er auf die einzelnen Mitarbeiter (Vermögensberater) verteilen. In seinem Betrieb sei eine Person allein mit dem Sortieren der Post beschäftigt. Die Kundenpost sei jedoch nicht nur zu sortieren, sondern auch daraufhin durchzusehen, ob eventuell Fehlberatungen vorgekommen bzw. ob Missstimmungen bei der Kundschaft aus den Schreiben "herauszuhören" seien.
Die Kl beantragen,
die Einspruchsentscheidungen vom 06. Dezember 2005 zu ändern und die ESt für die Jahre 2001 und 2002 jeweils auf 0 EUR herabzusetzen.
Der Bekl beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, eine Rückstellung für Betreuungsaufwand könne vom Kl nicht gebildet werden, da dieser sich nach Aktenlage nicht in einem Erfüllungsrückstand im Sinne der BFH-Rechtsprechung befinde. Selbst wenn dies jedoch der Fall sein sollte, stelle die Nachbetreuung der laufenden Lebensversicherungsverträge für den Kl keine wirtschaftlich wesentlich belastende Verpflichtung dar, die eine Rückstellungsbildung rechtfertigen könnte.
Die Bildung einer solchen Rückstellung würde voraussetzen, dass der Kl aufgrund des mit dem Versicherungsunternehmen bestehenden Rahmenvertrages verpflichtet wäre, Nachbetreuungsleistungen zu erbringen. Dies treffe jedoch nicht zu. Die nachhaltige Kundenbetreuung sei lediglich Voraussetzung für den Erhalt weiterer Kundenbetreuungsprovisionen. Hieraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass der Kl mit dem Erhalt der Abschlussprovision zu einer weiteren Kundenbetreuung verpflichtet wäre.
Selbst wenn der Kl sich jedoch hinsichtlich der Verträge in einem Erfüllungsrückstand befinden sollte, sei in Übereinstimmung mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. November 2006 IV B 2 - S 2137 - 73/06 (BStBl I 2006, 765) davon auszugehen, dass die Nachbetreuung der laufenden Lebensversicherungsverträge für den Kl keine wirtschaftlich wesentlich belastende Verpflichtung darstelle. Die Nachbetreuungsleistungen dürften sich im Wesentlichen auf die "klassischen" Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters wie Kundenanfragen oder die Weitergabe von persönlichen Angaben wie Adresse oder Familienstand an die Versicherung beschränken.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bekl hat die Bildung von Rückstellungen für die Verpflichtung zur künftigen Betreuung bereits abgeschlossener Versicherungsverträge zu Recht abgelehnt.
1. Nach § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (Urteil des BFH vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, a.a.O.). Ein Erfüllungsrückstand liegt vor, wenn der Verpflichtete sich mit seinen Leistungen gegenüber seinem Vertragspartner im Rückstand befindet, also weniger geleistet hat, als er nach dem Vertrag für die bis dahin vom Vertragspartner erbrachte Leistung insgesamt zu leisten hat. Der BFH knüpft den Begriff des Erfüllungsrückstandes herkömmlicherweise eng an den schuldrechtlich gebotenen Zeitpunkt der Erfüllung. Darüber hinaus hat er aber auch eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Betrachtung genügen lassen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass mit der nach dem Vertrag geschuldeten zukünftigen Leistung nicht nur an Vergangenes angeknüpft, sondern Vergangenes abgegolten wird. Wann eine vertragliche Verpflichtung erfüllt ist, bestimmt sich danach auch bei Dauerschuldverhältnissen nicht mehr entscheidend nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern nach dem wirtschaftlichen Gehalt der geschuldeten (Sach-)Leistung (Beschluss des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BStBl II 1997, 735, unter B. I. 2.).
2. Der BFH hat deshalb in seinem Urteil vom 28. Juli 2004 IX R 63/03 (a.a.O.) für den Fall, dass ein Versicherungsvertreter vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages erhält, einen Erfüllungsrückstand auf Seiten des Versicherungsvertreters bejaht und - als Konsequenz daraus - die Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zu künftiger Vertragsbetreuung zugelassen. In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte sich der Versicherungsvertreter dem Versicherungsunternehmen gegenüber vertraglich außer zur Vermittlung von Lebens- und Schadensversicherungen auch zur Betreuung und Erhaltung des Bestandes sowie zur Besorgung des Beitragseinzugs, soweit ihm dieser von dem Unternehmen übertragen worden war, verpflichtet. Der BFH hat deshalb angenommen, dass es sich bei der Vermittlung der Versicherungsverträge und ihrer weiteren Betreuung gegen die Zahlung einer einmaligen Provision um ein schwebendes Geschäft handle. Da die Bearbeitung von Versicherungsverträgen keine unwesentliche Nebenleistung sei, sei das jeweilige Vermittlungsgeschäft mit der Zahlung der Provision noch nicht abgeschlossen. Der klagende Versicherungsvertreter habe sich deshalb an den streitbefangenen Bilanzstichtagen in einem Erfüllungsrückstand befunden.
3. Ein Erfüllungsrückstand in dem vom BFH in seinem Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (a.a.O.) beschriebenen Sinne lässt sich auf Seiten des Kl für die Bilanzstichtage 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 jedoch nicht feststellen. Denn anders als der Kl in dem vom BFH entschiedenen Fall hat sich der Kl in dem mit der X-AG abgeschlossenen Vermögensberater-Vertrag nicht zur Erbringung weiterer Leistungen neben der Vermittlung der Versicherungsverträge verpflichtet. Zwar ist sowohl in Abs. IV des Vermögensberater-Vertrages als auch in den Provisionsbedingungen (Anlage A zum Vermögensberater-Vertrag) (auch) von "nachhaltiger Kundenbetreuung" die Rede. Diese stellt jedoch nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Vermögensberater-Vertrages und der Provisionsbedingungen lediglich eine Bedingung/Voraussetzung für die Zahlung "weiterer" Provisionen - z.B. auch im Falle von Summenerhöhungen - dar. Die Abschlussprovisionen standen dem Kl nach dem genannten Vertrag und den Provisionsbedingungen hingegen bereits aufgrund der Vermittlung (des Zustandekommens) der Versicherungsverträge zu, vorausgesetzt, dass die vereinbarten Prämien von den Versicherungsnehmern mindestens für die Dauer der vertraglich festgelegten Haftungszeiten entrichtet wurden. Besonders deutlich kommt dies in den Provisionsbedingungen zum Ausdruck, in denen die Abschlussprovision ausdrücklich als Gegenleistung "für die Vermittlung des Abschlusses" bezeichnet und - im folgenden Satz - lediglich die Zahlung weiterer Provisionen von einer nachhaltigen Kundenbetreuung abhängig gemacht wird. Ob der vom Prozessbevollmächtigten der Kl mit Schriftsatz vom 13. August 2007 vorgelegte Vermögensberater-Vertrag vom Kl in dieser Form überhaupt unterschrieben wurde, kann dahingestellt bleiben. Denn auch in dieser (neueren) Fassung sieht der Vermögensberater-Vertrag in seinem Abs. IV die Gewährung der (einmaligen) Abschlussprovision "für jeden vermittelten Vertrag als Gegenleistung dieser Vermittlungstätigkeit" vor und verlangt nur für "alle etwaigen weiteren aus diesem Abschluss folgenden Provisionen, auch bei Summenerhöhungen" eine "nachhaltige Kundenbetreuung". Ein Erfüllungsrückstand auf Seiten des Kl hätte jedoch nur dann angenommen werden können, wenn in dem vom Kl abgeschlossenen Vermögensberater-Vertrag vereinbart worden wäre, dass der Kl als Gegenleistung für die an ihn ausgezahlten Abschlussprovisionen neben der reinen Vermittlungsleistung weitere - im Interesse der X-AG liegende - Leistungen zu erbringen habe (vgl. auch den Beschluss des Finanzgerichts München vom 24. Mai 2007 1 V 4760/06, [...], in dem die Annahme eines Erfüllungsrückstandes zutreffend davon abhängig gemacht wird, dass feststeht, welche konkreten - im Interesse des Versicherers liegenden - Leistungen der Vertreter künftig in Bezug auf die laufenden Verträge zu erfüllen hat). Eine solche Vereinbarung enthält der genannte Vertrag aber gerade nicht. Entgegen der Auffassung der Kl und ihres Prozessbevollmächtigten kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kl eine entsprechende Verpflichtung stillschweigend - etwa als vertragliche "Nebenpflicht" - übernommen hätte. Dies scheidet allein schon wegen der erheblichen Belastungen, die mit einer solchen Verpflichtung für den Kl verbunden gewesen wären, aus. Gegen die Annahme, der Kl habe sich gegenüber der X-AG zur Erbringung weiterer Leistungen als Gegenleistung für die von ihm in der Vergangenheit (vor dem jeweiligen Bilanzstichtag) vereinnahmten Abschlussprovisionen verpflichtet, spricht auch, dass der Vermögensberater-Vertrag keinerlei Regelungen enthält, denen zufolge bei einer mangelhaften/unzureichenden Kundenbetreuung im Anschluss an die Vermittlung der Versicherungsverträge die Abschlussprovision ganz oder teilweise zurückzuzahlen bzw. zu stornieren wäre. Entsprechende Regelungen wären jedoch zu erwarten gewesen, wenn die Abschlussprovisionen nicht allein für die Vermittlung des Abschlusses, sondern zugleich für weitere - in der Zukunft noch zu erbringende - (Betreuungs-)Leistungen gezahlt worden wären. Eine (ggf. teilweise) Stornierung der Abschlussprovisionen sehen der Vermögensberater-Vertrag und die Provisionsbedingungen nur für den Fall vor, dass die vereinbarten Prämien vom Versicherungsnehmer nicht mindestens für die Dauer der sog. Haftungszeiten geleistet werden. Dem sich daraus für den Kl ergebenden Risiko ist jedoch bereits durch die vom Kl gebildete - und vom Bekl auch anerkannte - Rückstellung mit der Bezeichnung "Prov.- Rückstellung-Kto. X-AG" ausreichend Rechnung getragen worden.
4. Die Bildung einer Rückstellung für die Nachbetreuung bereits abgeschlossener Versicherungsverträge lässt sich im Streitfall auch nicht auf das Urteil des BFH vom 05. Juni 2002 I R 96/00 (a.a.O.) stützen. Denn in dem vom BFH entschiedenen Fall war die damalige Klägerin (eine GmbH, die das Gewerbe eines Hörgeräteakustikers betrieb) aufgrund eines zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker, deren Mitglied die Klägerin war, und den Bundesverbänden der Orts-, Betriebs-, Innungs- und landwirtschaftlichen Krankenkassen abgeschlossen Rahmenvertrages zur Erbringung von - im Vertrag bis ins Detail geregelten - Nachbetreuungsleistungen verpflichtet. Eine solche Verpflichtung bestand auf Seiten des Kl - wie vorstehend ausgeführt - aber gerade nicht, so dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten, wie sie der BFH im entschiedenen Fall zugelassen hat, nicht vorliegen. Denn die Bildung einer solchen Rückstellung setzt nach der ständigen Rechtssprechung des BFH (vgl. das Urteil vom 05. Juni 2002 I R 96/00, a.a.O., unter II.1., m.w.Nachw.), der sich der Senat anschließt, das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit (und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag) voraus.
5. Auch aus den vom Kl vorgelegten "Besuchsaufträgen" lässt sich eine Verpflichtung zur Erbringung von Betreuungsleistungen in Bezug auf die von ihm in der Vergangenheit vermittelten Versicherungsverträge nicht ableiten. Die "Besuchsaufträge" hatten ihren Grund jeweils darin, dass ein Versicherungsnehmer - aus welchen Gründen auch immer - seiner Beitragspflicht nicht nachgekommen war, so dass dem Kl eine (ggf. teilweise) Stornierung bereits vereinnahmter Abschlussprovisionen drohte. Wenn der Kl in einer solchen Situation einem "Besuchsauftrag" Folge leistet, handelt er nicht in Erfüllung einer der X-AG oder dem jeweiligen Versicherungsunternehmen gegenüber übernommenen Verpflichtung, sondern in seinem eigenen betrieblichen Interesse. Denn ein Kundenbesuch dient in einem solchen Fall der Sicherung (Erhaltung) der bereits vereinnahmten Provision(en) und war bzw. ist deshalb in einer Situation, wie sie den vom Kl vorgelegten Besuchsaufträgen zugrunde lag, ohnehin (auch ohne besonderen Auftrag von Seiten der X-AG oder des jeweiligen Versicherungsunternehmens) angezeigt. Dass von einem erfolgreichen Kundenbesuch des Kl auch die X-AG profitiert, weil (mutmaßlich) auch ihre Ansprüche gegen die mit ihr vertraglich verbundenen Versicherungsunternehmen von der Zahlung der Versicherungsprämien durch die vom Kl geworbenen Versicherungsnehmer abhängig sind, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.
6. Auch soweit der Kl Anfragen von Kunden (Versicherungsnehmern) beantwortet oder diese (beispielsweise) über neue - für sie günstigere - Tarife informiert, handelt er nicht in Erfüllung einer der XAG oder dem jeweiligen Versicherungsunternehmen gegenüber übernommenen Verpflichtung, sondern wiederum im eigenen betrieblichen Interesse. Derartige Aktivitäten dienen der Pflege des Kontakts zum Kunden und der Kundenbindung und sollen künftige Abschlüsse ermöglichen bzw. erleichtern. Sie werden im Interesse des laufenden Geschäftsbetriebs entfaltet und rechtfertigen daher ebenfalls nicht die Bildung einer Rückstellung wegen eines Erfüllungsrückstandes.
7. Soweit der Kl Leistungen bei der Anleitung, Überwachung und Betreuung der ihm zugeordneten Vermögensberater erbringt, stellen diese Leistungen nicht eine Gegenleistung für die von ihm in der Vergangenheit vereinnahmten Abschlussprovisionen, sondern für die von der X-AG an ihn gezahlten "Bürozuschüsse" und/oder "Organisations(leitungs)zuschüsse" dar. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kl hinsichtlich der genannten Zuschüsse an den Bilanzstichtagen in einem Erfüllungsrückstand befunden hätte, weil er diese bereits vereinnahmt, die dafür geschuldeten Leistungen aber noch nicht erbracht gehabt hätte, liegen nicht vor.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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