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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.04.2007
Aktenzeichen: 4 K 225/05
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10e Abs. 5a
AO 1977 § 163 S. 1
Keine sachliche Unbilligkeit bei Verlust der Förderung nach § 10e EStG wegen Überschreitung der Einkunftsgrenze aufgrund von Sonderzuflüssen (hier: Abfindung wegen Arbeitsplatzverlust.
Finanzgericht Baden-Württemberg

4 K 225/05

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Einkommensteuer (ESt) des Klägers (Kl) für das Jahr 2000 aus Billigkeitsgründen niedriger festzusetzen ist.

Der Kl bezog im Streitjahr aus seiner Tätigkeit als Versicherungskaufmann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sein Bruttoarbeitslohn betrug 187.560 DM. Daneben erhielt er von seinem Arbeitgeber aufgrund der Aufhebung seines Arbeitsvertrages eine Abfindung in Höhe von 46.200 DM.

Im ESt-Bescheid vom 21. Januar 2002 ermittelte der Beklagte (Bekl) einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 134.519 DM. Darin war die Abfindung in voller Höhe enthalten. Da somit die Grenze des § 10e Abs. 5a Einkommensteuergesetz (EStG) überschritten war, gewährte der Bekl im genannten ESt-Bescheid vom 21. Januar 2002 die vom Kl begehrte Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG nicht.

Mit Schriftsatz seines Steuerberaters vom 2. Februar 2005 legte der Kl Einspruch gegen den ESt-Bescheid ein und beantragte zugleich die abweichende Festsetzung der ESt aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Satz 1 Abgabenordnung (AO). Zur Begründung ließ der Kl vortragen, der Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 134.519 DM liege nur um 14.519 DM über der Einkunftsgrenze des § 10e Abs. 5a EStG. Mit der Regelung des § 34 EStG, die auch die vom Kl erhaltene Abfindung erfasse, sollten Härten ausgeglichen werden, die dadurch entstünden, dass außerordentliche, nicht regelmäßig erzielbare Einkünfte, die "zufällig" in einem Veranlagungszeitraum zusammenträfen, höher besteuert würden, ohne dass eine nachhaltige Erhöhung der Leistungsfähigkeit eingetreten sei. Im Gesamtbetrag der Einkünfte seien diese außerordentlichen Einkünfte jedoch vollständig enthalten. Wären sie - was der Wertung des § 34 EStG entspräche - nur mit einem Fünftel enthalten, betrüge der Gesamtbetrag der Einkünfte des Kl nur 93.536 DM und läge somit weit unter der Einkunftsgrenze von 120.000 DM. Aus diesem Grund liege eine sachliche Unbilligkeit vor, da angenommen werden könne, dass die Nichtgewährung des Abzugsbetrags nach § 10e Abs. 1 EStG nicht den Wertungen des Gesetzgebers entspreche. Hätte der Gesetzgeber den genannten Fall explizit geregelt, so könne davon ausgegangen werden, dass er ihn zugunsten des Kl entschieden hätte. Nur durch die besonderen Umstände dieses Einzelfalles sei diese unbillige Härte entstanden, die dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck widerspreche. Insoweit verweist der Kl auf den Aufsatz von Carl/Klos in Neue Wirtschaftsbriefe (NWB), Fach 2, S. 6199 ff. Mit Schriftsatz seines Steuerberaters vom 29. Oktober 2003 nahm der Kl den Einspruch gegen die ESt-Festsetzung für das Streitjahr zurück.

Der Antrag des Kl auf abweichende Festsetzung der ESt aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Satz 1 AO wurde vom Bekl mit Bescheid vom 20. November 2003 abgelehnt.

Hiergegen legte der Kl am 8. Dezember 2003 Einspruch ein und bezog sich auf die Begründung seines Einspruches gegen die ESt-Festsetzung für das Streitjahr.

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. September 2005 wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück, da eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 163 Satz 1 AO nicht gegeben sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. Oktober 2005 erhob der Kl Klage, mit der er weiterhin die Gewährung der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG im Wege der Niedrigerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Satz 1 AO begehrt. Zur Begründung lässt der Kl ausführen, die Einbeziehung der von ihm im Streitjahr für den Verlust des Arbeitsplatzes bezogenen Abfindung in Höhe von 46.200 DM in die Berechnung des Gesamtbetrags der Einkünfte und damit die Versagung der Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG sei sachlich und persönlich unbillig. Die sachliche Unbilligkeit ergebe sich daraus, dass die Nichtgewährung der Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG zwar dem gesetzlichen Besteuerungstatbestand unterfalle, jedoch im konkreten Fall des Kl mit Sinn und Zweck des Steuergesetzes unvereinbar sei. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass die maßgebliche Einkommensgrenze des § 10e Abs. 5a EStG nur um rund 14.500 DM, also nicht einmal in Höhe der vollen, vom Kl bezogenen Abfindung, überschritten worden sei. Diese Abfindung, gezahlt für den Verlust seines Arbeitsplatzes und damit als Überbrückung bis zum Auffinden einer neuen, adäquaten Erwerbsmöglichkeit, verliere in wesentlichen Teilen die ihr zugedachte Funktion, wenn der Kl durch Verlust der Förderung nach § 10e EStG erhebliche Steuernachteile erleide. Im Falle des Kl liege dann eine Art "Doppelbestrafung" vor. Zum Einen habe er den Verlust seines Arbeitsplatzes mit allen daraus resultierenden Folgen für sich und seine Familie, z.B. die Unsicherheit hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhaltes, in Kauf nehmen müssen, zum Anderen habe er die ihm zuvor gewährten Steuervorteile des § 10e EStG verloren, die maßgeblicher Bestandteil der Finanzierung seiner Immobilie gewesen seien. Für diesen Fall habe der Gesetzgeber keine Regelung bzw. Ausnahmeregelung vorgesehen, wobei anzunehmen sei, dass dies geschehen wäre, wenn man derartige Fälle bei der Normierung der Einkommensgrenze des § 10e Abs. 5a EStG bedacht hätte. Der Regelfall der Überschreitung dieser Einkommensgrenze sei nämlich, dass bei Beibehaltung des Arbeitsplatzes das persönliche Einkommen irgendwann die Einkunftsgrenze übersteige. Dies sei im Streitfall jedoch gerade nicht gegeben. Es handle sich um einen Sonderzufluss, den der Kl - hätte er um die Überschreitung seiner Einkommensgrenze und den Verlust der Steuervergünstigung gewusst - beispielsweise in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf mehrere Jahre hätte verteilen können. Somit wäre die steuerschädliche Wirkung nicht eingetreten.

Darüber hinaus würden Entschädigungen im Sinne des § 24 Abs. 1 EStG - also Sozialabfindungen wie die vom Kl erhaltene - gemäß § 34 Abs. 1 EStG mit dem Fünffachen der auf 1/5 der außerordentlichen Einkünfte entfallenden ESt des allgemeinen Tarifs besteuert. Dies sei vom Gesetzgeber bewusst so normiert worden, da durch diese Regelung Härten ausgeglichen werden sollten, die dadurch entstünden, dass außerordentliche, nicht regelmäßig erzielbare Einkünfte, die "zufällig" in einem Veranlagungszeitraum zusammenträfen, höher besteuert würden, ohne dass eine nachhaltige Erhöhung der Leistungsfähigkeit eingetreten sei. Wären diese Einkünfte im Gesamtbetrag der Einkünfte des Kl ebenfalls nur mit einem Fünftel enthalten, hätte dieser Gesamtbetrag der Einkünfte des Kl im Veranlagungszeitraum 93.536 DM betragen. Die Einkommensgrenze des § 10e Abs. 5a EStG wäre damit weit unterschritten worden. Gleiches wäre der Fall gewesen, wenn der Kl seinen Arbeitsplatz hätte beibehalten können oder wenn derselbe Sachverhalt vier Monate früher oder später in Bezug auf den Beendigungstermin des Arbeitsverhältnisses eingetreten wäre. Nur durch den Umstand, dass im Falle des Kl zufälligerweise der Verlust des Arbeitsplatzes bzw. der Bezug der Abfindung zum maximal steuerschädlichen Zeitpunkt eingetreten sei, habe der Kl den weiteren Verlust des Abzugsbetrages gemäß § 10e Abs. 1 EStG erleiden müssen. Dies könne nicht der gesetzlichen Wertung bzw. der Intention des Gesetzgebers entsprechen. Zumindest aber müssten bei dieser Situation Billigkeitserwägungen zum Tragen kommen, die in diesem Einzelfall eine abweichende Entscheidung zugunsten des Kl rechtfertigten.

Die Argumentation des Bekl, eine Unbilligkeit sei auch deswegen nicht gegeben, weil der Zufluss der Abfindung eine erhebliche Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit im Veranlagungszeitraum bewirkt habe, überzeuge nicht. Es möge zwar sein, dass der Kl im Veranlagungszeitraum durch die bezogene Abfindung höhere Einkünfte gehabt habe, als er sie bei "normaler" Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit gehabt hätte. Letzteres berücksichtige aber nicht, dass auf der Soll-Seite dieser Bilanz der verlorene Arbeitsplatz gestanden habe, der auch schon im Jahre 2000 im Hinblick auf die verschiedenen Zahlungsverpflichtungen des Kl wesentlich stärker gewirkt habe als ein einmaliger, außerordentlicher Zufluss in Form einer Abfindung. Mit anderen Worten: Die Abfindung sei im Zweifel relativ schnell verbraucht, weil man hiervon seine persönlichen Verbindlichkeiten bezahlen, seine Familie unterhalten und sie dazu verwenden müsse, die Zeit bis zu einer neuen Beschäftigung zu überbrücken. Wäre dem Kl diese außerordentlich Einnahme ganz oder zumindest in wesentlichen Teilen verblieben, wäre der Fall möglicherweise anders zu beurteilen.

Der Kl beantragt sinngemäß,

den Bekl unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 20. November 2002 und der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2005 zu verpflichten, die ESt des Kl für das Jahr 2000 auf der Grundlage eines um 16.500 DM verringerten zu versteuernden Einkommens niedriger festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er bezieht sich in seiner Klageerwiderung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und erwidert im Übrigen, so einschneidend der Verlust des Arbeitsplatzes mit allen daraus resultierenden Folgen für den Kl unbestritten gewesen sei, eine sachliche Unbilligkeit ergebe sich hieraus jedoch nicht. Das dem EStG zugrundeliegende Prinzip der Abschnittsbesteuerung und das Zuflussprinzip des § 11 EStG gälten sowohl zugunsten als auch zu Ungunsten eines jeden Steuerbürgers. Die sich hieraus ergebenden Härten seien vom Gesetzgeber ebenso wie die daraus entstehenden Gestaltungsmöglichkeiten bewusst in Kauf genommen worden.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kl hat keinen Anspruch auf Niedrigerfestsetzung seiner ESt aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 Satz 1 AO.

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Dabei wird zwischen sachlicher und persönlicher Unbilligkeit unterschieden.

Die Entscheidung hierüber ist eine Ermessensentscheidung, die von den Gerichten nur in den durch § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) gezogenen Grenzen überprüft werden kann (ständige Rechtsprechung seit Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603).

Sachlich unbillig ist eine Steuerfestsetzung dann, wenn die Festsetzung der Steuer an sich zwar dem - ggf. nach Wortlaut, Systematik und Zweck etc. ausgelegten - Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten (Einzel-)Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BStBl II 1973, 271; vom 15. Februar 1973 V R 152/69, BStBl II 1973, 466 und vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BStBl II 1993, 3). Dies setzt voraus, dass die Besteuerung nach dem Gesetz zu einem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollten Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 24. September 1976 I R 41/75, BFH BStBl II 1977, 127) und der Gesetzgeber die im Billigkeitsweg zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne der Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BStBl II 1978, 441; BFH-Urteile vom 28. Oktober 1958 VII 185/57U, BStBl III 1959, 11; vom 29. April 1970 I R 105/68, BStBl II 1970, 607; vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, a.a.O. und vom 13. Mai 1998 II R 98/97, BFH/NV 1998, 1376). Billigkeitsmaßnahmen sollen also ein vom Gesetz gedecktes, aber vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis vermeiden (BFH-Urteile vom 21. November 1958 VI 48/57S, BFH BStBl II 1959, 69 und vom 9. Februar 1972 II R 99/70, BStBl II 1972, 503, 918). Die Unbilligkeit muss sich dabei stets aus den Umständen des Einzelfalls ergeben. Gesetzesfolgen, die bei generalisierender Betrachtung für die gesetzliche Regelung typisch sind und denen durch eine abstrakt-generelle Regelung Rechnung zu tragen der Gesetzgeber unterlassen hat, können allenfalls im Wege der - eventuellen Billigkeitsmaßnahmen vorrangigen - Auslegung, soweit diese möglich ist, berücksichtigt und korrigiert werden (BFH-Urteil vom 4. Juli 1972 VII R 103/69, BFH BStBl II 1972, 806; Klein, Kommentar zur AO, § 163 Rn. 32).

Nach ständiger Rechtsprechung darf sich die Prüfung, ob eine sachliche Unbilligkeit vorliegt, nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen, sondern muss sich - je nach Fallgestaltung - auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsrechtliche Wertungen erstrecken (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297; BFH-Beschluss vom 26. November 2003 X B 124/02, BFH/NV 2004, 754 m.w.N.). Hiernach sind Billigkeitsmaßnahmen angebracht, wenn es beim Vollzug einer - im Allgemeinen verfassungsmäßigen - Norm in einer geringen Zahl von Härtefällen zu verfassungsrechtlich bedenklichen Problemlagen kommt (BVerfG-Beschlüsse vom 13. Oktober 1971 1 BvL 10/69, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 32, 78; vom 27. Oktober 1975 1 BvR 82/73, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1976, 31; vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102 und vom 13. Dezember 1994 2 BvR 89/91, HFR 1995, 220; vgl. auch BFH-Urteil vom 23. November 1994 X R 124/92, BStBl II 1995, 824 m.w.N.).

Persönliche Billigkeitsgründe setzen nach ständiger Rechtsprechung "Erlassbedürftigkeit" und "Erlasswürdigkeit" voraus. Sie ergeben sich aus den persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 29. April 1981 IV R 23/78, BStBl II 1981, 726 und vom 26. Mai 1994, BStBl II 1994, 833; Klein, AO, § 163 Rn. 84) und liegen insbesondere vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde. Das ist der Fall, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden könnte - Erlassbedürftigkeit - (BFH-Beschluss vom 24. Oktober 1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 285 m.w.N. und BFH-Urteil vom 27. September 2001 X R 134/98, BStBl II 2002, 176 m.w.N.). Der Steuerpflichtige muss außerdem erlasswürdig sein, d.h. er kann einen Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit nicht verlangen, wenn er sich in vorwerfbarer Weise in eine Lage gebracht hat, aus der ihm auf Kosten des Fiskus herauszuhelfen er billigerweise nicht erwarten kann (BFH-Beschluss vom 18. August 1988 V B 71/88, BFH/NV 1990, 137 m.w.N.).

Im Streitfall sind weder die Voraussetzungen einer sachlichen noch die einer persönlichen Unbilligkeit erfüllt.

Eine sachliche Unbilligkeit ist im Streitfall nicht gegeben, denn es liegt bereits kein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen und den Willen des Gesetzgebers vor. Die Einbeziehung von Sonderzuflüssen - wie den des Kl - in die Berechnung des Gesamtbetrags der Einkünfte gemäß § 10e Abs. 5a EStG in Verbindung mit § 2 Abs. 3 EStG ist geradezu vom gesetzgeberischen Willen gedeckt. Mit der Regelung des § 10e Abs. 5a EStG hat der Gesetzgeber bewusst eine starre Grenze für die Inanspruchnahme der Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG geschaffen und hat im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit von der Schaffung einer Sonderregelung für Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG (vgl. auch Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 30. September 1997 2 K 2920/96, Juris) oder einer Stufenregelung abgesehen. Er hat vielmehr im Rahmen seiner weitgehenden Gestaltungsfreiheit (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 1951 1 BvR 201/51, BVerfGE 1, 14, 52; seither ständige Rechtsprechung; vgl. auch BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 129/92, BStBl II 1996, 183 und BFH-Beschluss vom 16. Januar 1996 X B 138/95, BFH/NV 1996, 402) und seines daraus folgenden weitgehenden Rechts zur gesetzgeberischen Typisierung bei der Einführung der starren Betragsgrenze des § 10 Abs. 5a EStG ersichtlich dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung den Vorrang vor einer individuelleren Betrachtungsweise eingeräumt. Damit werden auch Sonderzuflüsse, u.a. auch solche, die unter § 34 EStG fallen, und sogar solche Erträge, die im jeweiligen Jahr nicht zu einer Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen, wie z.B. aufgedeckte stille Reserven, in die Beurteilung einbezogen.

Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 10e Abs. 5a EStG in ihrer abstrakt-generellen Wirkung, die im Hinblick auf die weitgehende gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 1951 1 BvR 201/51, am angegebenen Ort - a.a.O. -; seither ständige Rechtsprechung; vgl. auch BFH-Urteil vom 17. Mai 1995 X R 129/92, a.a.O. und BFH-Beschluss vom 16. Januar 1996 X B 138/95, a.a.O.), insbesondere bei der Schaffung und beim Abbau von Subventionsvorschriften (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1; BFH-Beschluss vom 26. November 2003 X B 124/02, BFH/NV 2004, 754; FG-Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. September 1997 2 K 2920/96, Juris) nicht zweifelhaft ist (vgl. BFH- Beschluss vom 16. Januar 1996 X B 138/95, BFH/NV 1996, 402; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. September 1997 2 K 2920/96, Juris), wäre nicht im vorliegenden Billigkeitsverfahren, sondern lediglich in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen die Steuerfestsetzung zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 9. September 1994 III R 17/93, BStBl II 1995, 8).

Die Billigkeitsprüfung hat sich aber - bezogen auf den individuellen Einzelfall - auch auf allgemeine Rechtsgrundsätze und verfassungsrechtliche Wertungen zu erstrecken. Billigkeitsmaßnahmen sind hiernach angebracht, wenn es beim Vollzug einer im Allgemeinen verfassungsmäßigen Norm in einer geringen Zahl von Härtefällen zu verfassungsrechtlich bedenklichen Problemlagen kommt (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297; BFH-Beschluss vom 26. November 2003 X B 124/02, BFH/NV 2004, 754 m.w.N.).

Aber auch bezogen auf die konkrete individuelle Situation des Kl ist - auch unter Berücksichtigung allgemeiner Rechtsgrundsätze und verfassungsrechtlicher Wertungen - die Versagung der Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG im Streitjahr nicht zu beanstanden und bewirkt daher keine sachliche Unbilligkeit. Zwar handelt es sich bei der Abfindungszahlung um einen einmaligen Sonderzufluss des Kl, doch wurde dadurch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kl im Streitjahr erhöht. Aufgrund des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung wurde durch die Regelung des § 10e Abs. 5a EStG hieran - nur - der Wegfall der Förderung für dieses Jahr geknüpft. Außerdem kommt eine über die gesetzlich normierten Kriterien des § 10e EStG hinausgehende Gewährung der Förderung im Billigkeitswege, z.B. durch Einbeziehung der Wertung des § 34 EStG in die Berechnung des Grenzbetrags nach § 10e Abs. 5a EStG, nicht in Betracht. Denn bei der Schaffung von Steuervergünstigungen wie auch bei deren Abbau ist dem Gesetzgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1; BFH-Beschluss vom 26. November 2003 X B 124/02, BFH/NV 2004, 754; FG-Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. September 1997 2 K 2920/96, Juris). Bei § 10e EStG handelt es sich um eine solche Subventionsvorschrift, deren Anwendungsbereich der Gesetzgeber mit der Einführung des § 10e Abs. 5a EStG einschränken wollte, um mit der Verringerung der Zahl der Begünstigten einen Beitrag zum Subventionsabbau zu leisten (vgl. BT-Drucksachen 12/1108, 57 und 12/1506, 171). In diesen weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum würden die Exekutive bzw. die Judikative in unzulässiger Weise eingreifen, wenn sie entgegen der gesetzgeberischen Entscheidung Steuervergünstigungen gewähren würden. Die gesetzlichen Billigkeitsnormen geben ihnen daher nicht die Befugnis, anstelle einer vom Gesetzgeber unterlassenen sozial- oder wirtschaftspolitischen Maßnahme gesetzlich geschuldete Steuern nicht zu erheben (BFH-Urteile vom 7. August 1974 II R 57/72, BStBl II 1975, 51, und vom 24. September 1987 V R 76/78, BStBl II 1988, 561). Der Anwendungsbereich des § 10e Abs. 1 EStG darf von Verwaltung und Gerichten deshalb nicht unter Berufung auf § 163 AO über die vom Gesetzgeber gesetzten Grenzen hinaus ausgedehnt werden (BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 1996 X B 138/95, BFH/NV 1996, 402; vom 27. März 2001 X B 142/00, BFH/NV 2001, 1240 und vom 26. November 2003 X B 124/02, BFH/NV 2004, 754). Im Fall des Kl ist letztlich die Situation eingetreten, die der Gesetzgeber mit der Schaffung einer starren Betragsgrenze in § 10e Abs. 5a EStG für die Gewährung bzw. den Ausschluss der Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG bewusst geschaffen hat.

Gründe, die eine Erlassbedürftigkeit im Sinne einer persönlichen Unbilligkeit gemäß § 163 Satz 1 AO bewirken könnten, wurden vom Kl nicht substantiiert vorgetragen und sind nach Aktenlage auch nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Die Revision war mangels Gründen im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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