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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.11.2006
Aktenzeichen: 4 K 413/01
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10e Abs. 6
EStG § 21
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

4 K 413/01

Tatbestand:

Streitig ist die Berücksichtigung von Reparaturaufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung, die Grundförderung für eine eigengenutzte Wohnung (§ 10e Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG -) und der Abzug von Aufwendungen vor Bezug (§ 10e Abs. 6 EStG).

Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 29. Juni 1993 erwarb der Kläger (Kl) von seinen 68 Jahre (Mutter) bzw. 69 Jahre (Vater) alten Eltern das mit einem Mehrfamilienhaus bebaute Grundstück Flst.-Nr. ..., ..., in A, das vier vermietete Wohnungen und eine vermietete Gewerbeeinheit enthielt. Die Eltern behielten sich in dem genannten Vertrag ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vor. Zugleich vereinbarten die Vertragsparteien, dass für den Nießbrauch die gesetzlichen Bestimmungen gelten sollten, jedoch mit der Abweichung, dass die Nießbraucher - im Verhältnis zum Eigentümer - verpflichtet seien, auch alle außerordentlichen Aufwendungen für den Vertragsgegenstand, insbesondere für Instandhaltung, Instandsetzung, Verbesserung, Umgestaltung oder Erneuerung, ersatzlos zu tragen. Die Entscheidung, ob und wann Maßnahmen, die außerordentliche Kosten im vorstehenden Sinne verursachten, durchgeführt würden, oblag nach Ziffer 2 des Schenkungsvertrags den Nießbrauchern.

Die Übergabe des - so die Formulierung in Ziffer 4 des Vertrages - "tatsächlichen Besitzes" sollte an dem Tag erfolgen, an dem der vorbehaltene Nießbrauch vollständig erlischt. Am Tag der Besitzübergabe sollten auch Nutzen, Lasten, Gefahrtragung und gesetzliche Haftpflicht auf den Erwerber übergehen. Die laufenden öffentlichen Abgaben übernahm der Erwerber mit Wirkung ab dem Tag der Besitzübergabe. Die Abrechnung unter den Vertragsbeteiligten sollte auf diesen Stichtag vorgenommen werden. Der Kl verpflichtete sich im Vertrag den Veräußerern gegenüber, über den Vertragsgegenstand nicht ohne ausdrückliche (schriftliche) Zustimmung der Veräußerer durch Belastung oder Veräußerung - ganz oder teilweise - zu verfügen. Den Veräußerern blieb aufgrund entsprechender Vereinbarung im Vertrag das Recht vorbehalten, vom Schenkungsvertrag zurückzutreten und die Rückübertragung des Eigentums am Vertragsgrundstück auf die Schenker zu verlangen,

a) wenn der Erwerber der obigen Verpflichtung zuwider durch Veräußerung oder Belastung über den Vertragsgegenstand ganz oder teilweise verfügt,

b) wenn Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zulasten des Vertragsgrundstücks eingeleitet werden (insbesondere bei Eintragung von Sicherungs-Zwangs-Hypotheken oder bei Einleitung des Zwangsversteigerungs- oder -verwaltungsverfahrens),

c) wenn über das Vermögen des Erwerbers das Konkurs- oder gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet oder der Konkurs wegen Massemangels abgelehnt wird.

Im Jahr 1994 baute der Kl die Dachgeschoss(DG-)wohnung des Objekts aus und renovierte das Gebäude umfassend. Seit dem 1. Dezember 1994 nutzten die Kl die DG-Wohnung zu eigenen Wohnzwecken. Die Kosten für den Ausbau der DG-Wohnung beliefen sich auf 344.236 DM. Die Renovierungskosten für das übrige Gebäude betrugen im Jahr 1994 insgesamt 104.383 DM.

Der Vater des Kl ist am 15. August 1994, die Mutter des Kl am 1. Februar 1995 verstorben.

In der gemeinsamen Einkommensteuer(ESt)-Erklärung der Kl für das Jahr 1994 machte der Kl für die DG-Wohnung einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 19.800 DM geltend. Hinsichtlich der Renovierungskosten für das restliche Gebäude (104.383 DM) begehrte der Kl die Verteilung auf fünf Jahre, weshalb in der ESt-Erklärung 1994 1/5 der Aufwendungen, also 20.876 DM, als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht wurden. Von den Finanzierungskosten in Höhe von 9.443,06 DM setzte der Kl 80%, also 7.555 DM, als Werbungskosten an, während 20%, also 1.890 DM, als auf die eigengenutzte Wohnung entfallend geltend gemacht wurden. Hiervon erklärten die Kl 11/12, also 1.732 DM, als Aufwendungen vor Bezug im Sinne des § 10e Abs. 6 EStG.

Im ESt-Bescheid für 1994 vom 2. Januar 1997 lehnte der Beklagte (Bekl) sowohl die Anerkennung der vom Kl geltend gemachten Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung als auch die beantragte Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG sowie den Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG ab.

Mit Schreiben vom 11. Januar 1997 legten die Kl Einspruch gegen den ESt-Bescheid 1994 ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen Folgendes vor:

Seit Abschluss des Schenkungsvertrages sei der Kl Eigentümer "des Hauses" ... in A. Die Schenkung sei vorgenommen worden, um Erbauseinandersetzungen zwischen dem Kl und seiner Schwester auszuschließen. Sinn der Nießbrauchsbestellung sei es gewesen, die Eltern des Kl durch die Mieteinnahmen weiterhin finanziell abzusichern. Auch habe ein Verkauf der "Häuser" ohne Zustimmung der Eltern nicht möglich sein sollen. Ansonsten sei der Kl sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich Eigentümer des Grundstücks gewesen, zumal seine Eltern überhaupt nicht mehr in der Lage gewesen seien, das Haus zu verwalten. Der Vater des Kl sei bereits seit vielen Jahren ein Pflegefall gewesen und habe das Haus ... vielleicht im Jahre 1990 letztmals gesehen. Aber auch die Mutter des Kl sei bereits im Jahr 1994 schwer herzkrank gewesen, weshalb sie das Haus in diesem Jahr lediglich zwei bis drei Mal betreten habe. Aus diesen Gründen habe die gesamte wirtschaftliche Verwaltung beim Kl gelegen, weshalb auch die gesamten Um- und Ausbauarbeiten vom Kl veranlasst worden seien. Er habe sämtliche Verträge abgeschlossen und sämtliche Kosten getragen. Ebenso habe der Kl die Darlehensverträge mit den Banken abgeschlossen, obwohl diese vom Nießbrauch der Eltern des Kl gewußt hätten. Der Kl könne deshalb den Rechtsstandpunkt des Bekl nicht nachvollziehen, wonach einzig und allein aufgrund der Nießbrauchsbestellung die gesamten von ihm - dem Kl - nachweislich vorgenommenen Zahlungen und finanziellen Verpflichtungen steuerlich keine Rolle spielen sollten. Zwar sei dem Kl als Richter und langjährig auch in Steuersachen tätig gewesenem Staatsanwalt bekannt, dass formale Aspekte eine große Rolle spielten, aber Sinn und Zweck von Vorschriften und Erlassen sollten dabei nicht unbeachtet bleiben, zumal die Investitionen nachweislich durch den Kl erfolgt seien und es keine Probleme gegeben hätte, wenn er die Baumaßnahmen im Jahre 1995 durchgeführt hätte.

Weiter ließ der Kl über seinen Prozessbevollmächtigten vortragen, die Voraussetzungen des § 10e EStG hätten im Streitjahr allesamt vorlegen. Die Wohnung sei zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden, und der Kl sei sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks gewesen. Daran ändere auch die Nießbrauchsbelastung nichts. Auch nach Ziffer 2 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 31. Dezember 1994 betreffend die Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnungen im eigenen Haus nach § 10e EStG gehöre zum begünstigten Personenkreis der bürgerlich-rechtliche oder der wirtschaftliche Eigentümer. Weitere Anforderungen würden zu Recht nicht gestellt, da es keinen Unterschied machen könne, ob z.B. eine Wohnung dinglich mit einer Grundschuld oder einem Nießbrauch belastet sei. In beiden Fällen ändere sich an der tatsächlichen Eigentümerstellung des Berechtigten nichts. Auch nach Auffassung der Finanzverwaltung - Ziffer 5 des Nießbrauchserlasses - erwerbe ein Nießbraucher kein wirtschaftliches Eigentum.

Auch die vom Kl geltend gemachten vorweggenommenen Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung seien anzuerkennen. Die Renovierungsaufwendungen im Jahr 1994 seien im Hinblick auf die zukünftig - nach Wegfall des Nießbrauchs - zu erzielenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung getätigt worden und seien unaufschiebbar gewesen. Die Hausfassade habe aus Buntsandstein bestanden, der aufgrund von Umweltbelastungen ganz erheblich geschädigt gewesen sei. Die Fassade habe bereits begonnen abzubröckeln. Um seiner Verkehrssicherungspflicht zu genügen, sei ein unverzügliches Tätigwerden des Kl erforderlich gewesen. Aufgrund des Alters der Nießbraucher sowie - insbesondere - des Gesundheitszustandes des Vaters des Kl sei absehbar gewesen, dass der Vorbehaltsnießbrauch nicht mehr lange bestehen würde. Die Nießbraucher selbst seien finanziell nicht in der Lage gewesen, die erheblichen Renovierungsmaßnahmen zu finanzieren. Außerdem habe es in ihrem Ermessen gestanden, ob sie überhaupt Renovierungsmaßnahmen hätten durchführen wollen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2001 wies der Bekl den Einspruch der Kl als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung könnten nicht anerkannt werden, da der Kl im Streitjahr nicht Träger von Rechten und Pflichten eines Vermieters gewesen sei. Aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs der Eltern des Kl habe der Kl auf die Erzielung von Einnahmen verzichtet. Aus diesem Grund scheide bei ihm mangels Einnahmeerzielungsabsicht während der Dauer der Nießbrauchsverpflichtung ein Werbungskostenabzug zwingend aus. Insoweit bezog sich der Bekl auf den Erlass des BMF vom 24. Juli 1998, veröffentlicht in BStBl I 1998, 914 Rz. 45. Diese Auffassung habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 31. Mai 2000, veröffentlicht in BFH/NV 2001, 24, erneut bestätigt. Demnach sei bei Investitionen, die ein Eigentümer auf einem Grundstück tätige, das mit einem lebenslangen Nutzungsrecht eines Dritten belastet sei, ein Werbungskostenabzug zu versagen, da ein Ende der Nutzung durch den Nießbraucher noch nicht abzusehen sei. Unerheblich seien in diesem Zusammenhang die sonstigen Umstände wie Renovierungsbedürftigkeit des Hauses sowie Alter, Krankheit und Vermögenslage der Nießbraucher. Denn die voraussichtliche Lebensdauer der Nutzenden sei keinesfalls ein absehbares Ende der Nutzung. Das Alter der Nießbrauchsberechtigten sei nach Ansicht des BFH nicht geeignet, einen zeitlichen Zusammenhang mit möglichen späteren Einkünften nach dem Erlöschen des Nießbrauchs herzustellen, weshalb eine Berücksichtigung als vorweggenommene Werbungskosten ausscheide.

Auch die vom Kl begehrte Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG sei zurecht versagt worden, da er die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Der Kl sei im Streitjahr zwar bürgerlich-rechtlicher Eigentümer des Grundstücks ... gewesen. Aufgrund des seinen Eltern eingeräumten Nießbrauchsrechts habe er die von den Kl bewohnte Wohnung jedoch nicht aus eigenem Recht nutzen können. Denn der Eigentümer eines mit einem Vorbehaltsnießbrauch belasteten Grundstücks nutze die Wohnung nicht kraft eigenen Rechts als Eigentümer, sondern aufgrund der unentgeltlichen Überlassung durch den Vorbehaltsnießbraucher. Die Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG sei daher ausgeschlossen.

Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 9. November 2001 erhoben die Kl Klage, zu deren Begründung sie im Wesentlichen das Folgende vortragen lassen:

Die vom Kl geltend gemachten Erhaltungsaufwendungen seien als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig. Die Erhaltungsaufwendungen und die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Finanzierungskosten seien vom Kl im Hinblick auf die zukünftig von ihm zu erzielenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung getätigt worden. Nach den Ausführungen in Schmidt-Drenseck, Kommentar zum EStG, 20. Aufl. 2001, § 21 Rz. 46, könne der Eigentümer trotz eines vereinbarten unentgeltlichen Nießbrauchs in Sonderfällen zum Werbungskostenabzug berechtigt sein. Insbesondere bei Erhaltungsaufwendungen oder Umbauaufwendungen, die gegen Ende der Nutzungszeit getätigt würden und sich im Wesentlichen erst nach Beendigung des unentgeltlichen Nutzungsverhältnisses wirtschaftlich auswirkten, könnten vorab entstandene Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung vorliegen. Zu Unrecht habe der Bekl nur auf die lebenslängliche Dauer des eingeräumten Nutzungsrechts abgestellt. Vielmehr hätten sämtliche Umstände ermittelt und berücksichtigt werden müssen, die für oder gegen den Entschluss des Kl hätten sprechen können, Mieteinkünfte zu erzielen. Im Zeitpunkt der Nießbrauchsbestellung seien die Eltern des Kl 69 bzw. 68 Jahre alt gewesen. Der Vater des Kl sei bereits sei vielen Jahren ein Pflegefall gewesen. Auch die Mutter des Kl sei bereits im Jahr 1994 schwer herzkrank gewesen. Ein Ende der Nutzung durch die Nießbraucher sei demnach absehbar gewesen. Das Alter der nießbrauchsberechtigten Eltern sowie deren Gesundheitszustand stelle den (zeitlichen) Zusammenhang mit den vom Kl nach Erlöschen des Nießbrauchs zu erzielenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung her. Wie bereits im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ausgeführt, seien die Renovierungsarbeiten zudem unaufschiebbar gewesen. Aufgrund des Alters der Eltern des Kl sowie ihres Gesundheitszustandes seien sie nicht mehr in der Lage gewesen, die Renovierungsarbeiten selbst in Auftrag zu geben und zu überwachen. Ebensowenig seien die Eltern in der Lage gewesen, die erheblichen Renovierungsmaßnahmen zu finanzieren. Nach Auffassung der Kl lägen damit alle Voraussetzungen vor, um die genannten Aufwendungen als vorweggenommene Werbungskosten zu qualifizieren.

Auch die Voraussetzungen für die Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG lägen nach Klägerauffassung vor. Der Kl sei seit 1994 Eigentümer des Grundstücks ... gewesen. Er sei außerdem dessen wirtschaftlicher Eigentümer gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung sei der Vorbehaltsnießbraucher nur dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn sich seine rechtliche und tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks von der normalen Position eines Nießbrauchers so deutlich unterscheide, dass er die tatsächliche Herrschaft über das nießbrauchsbelastete Grundstück ausübe. Im Streitfall habe sich die rechtliche und tatsächliche Stellung der nießbrauchsbegünstigten Eltern des Kl gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer des Grundstücks nicht so deutlich von der Stellung eines Nießbrauchers unterschieden, dass sie - abweichend vom Normalfall - als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks anzusehen gewesen wären. Im Streitjahr sei der Kl daher nicht nur zivilrechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer gewesen mit der Folge, dass ihm der Förderbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zustehe.

Die Kl beantragen sinngemäß,

den ESt-Bescheid 1994 vom 2. Januar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Bekl vom 10. Oktober 2001 dahingehend abzuändern, dass das zu versteuernde Einkommen um Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung von 20.876 DM, um Finanzierungskosten von 7.555 DM, um die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 19.800 DM sowie um Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 1.732 DM vermindert wird.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert, entgegen der Auffassung der Kl liege im Streitfall ein zum Werbungskostenabzug berechtigender "Sonderfall" bezüglich der Erhaltungsaufwendungen nicht vor. Dieser "Sonderfall" sei laut Schmidt-Drenseck, Kommentar zum EStG, 20. Aufl. 2001, § 21 Rz. 46, dann gegeben, wenn bei einem unentgeltlichen Nießbrauch Erhaltungsaufwendungen gegen Ende der Nutzungszeit vom Eigentümer getätigt würden. Dies bedeute aber, dass der Nießbrauch zeitlich befristet sein müsse. Ansonsten sei das Ende der Nutzungszeit durch den Nießbraucher nicht abzusehen. Sei das Grundstück wie im Streitfall mit einem lebenslänglichen Nießbrauchsrecht belastet, sei ein Ende der Nutzungszeit - auch wenn der Nießbraucher bereits ein hohes Alter habe - aber gerade nicht absehbar. Insoweit verweist der Bekl auf das BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BStBl II 1983, 660. Die Renovierungsbedürftigkeit des Hauses sei im Streitfall ohne Belang, da ein Werbungskostenabzug bereits aus den vorstehenden Gründen ausscheide. Im Übrigen seien die Eltern des Kl als Nießbraucher entsprechend dem Schenkungs- und Nießbrauchsvertrag vom 29. Juni 1993 verpflichtet gewesen, sämtliche Grundstücksaufwendungen, insbesondere auch Instandhaltungskosten, selbst zu tragen. Unerheblich sei, dass die Eltern nach dem Vortrag der Kl die Renovierungskosten nicht selbst hätten bezahlen können. Denn zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung sei die von den Kl behauptete Renovierungsbedürftigkeit des Gebäudes mit Sicherheit bereits erkennbar gewesen. Trotzdem hätten sich die Eltern zum Tragen eventuell anfallender Aufwendungen verpflichtet und mit gleichem Vertrag ein weiteres Grundstück an ihre Tochter unentgeltlich übertragen. Sie hätten somit die Problematik der Renovierungskosten und der Vermögenslosigkeit selbst bewusst herbeigeführt. Auf der anderen Seite habe der Kl, obwohl er sowohl die Renovierungsbedürftigkeit des Hauses als auch die finanzielle Lage seiner Eltern gekannt habe, den Vertrag unterzeichnet und damit bewusst auf Einnahmen einerseits und den Werbungskostenabzug andererseits verzichtet.

Auch die von den Kl begehrte Förderung nach § 10e Abs. 1 EStG sei für das Streitjahr zurecht versagt worden. Entgegen der Ansicht der Kl sei die Frage des wirtschaftlichen Eigentums im Streitfall ohne Bedeutung. Entscheidend sei vielmehr, dass die Nutzung der Wohnung nicht aus eigenem Recht des Kl als Eigentümer, sondern vielmehr aufgrund eines von den Eltern als Nießbrauchern abgeleiteten Nutzungsrechts erfolgt sei. Nach der Rechtsprechung des BFH beginne die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung "aufgrund seines Eigentumsrechts" bewohne. Sei die Wohnung mit einem dinglichen Nutzungsrecht (Nießbrauch, Wohnrecht) belastet und werde sie dem Eigentümer vom Nutzungsberechtigten ganz oder teilweise zur unentgeltlichen Nutzung überlassen, liege darin keine auf Eigentum beruhende Eigennutzung, sondern eine von dem Nutzungsberechtigten abgeleitete Fremdnutzung. Es handle sich nicht um eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken", sondern um eine Fremdnutzung. Im Streitfall sei deshalb eine Nutzung der Eigentumswohnung durch den Kl zu eigenen Wohnzwecken nicht erfolgt. Nutzungsberechtigte seien die Eltern geblieben, weil sie sich bei der Schenkung des Grundstücks an den Kl den Nießbrauch vorbehalten hätten. Dadurch sei ihnen die Verfügungs- und Nutzungsmöglichkeit verblieben. Der Kl habe nur belastetes Eigentum erlangt, da seine Verfügungsmacht im Sinne des § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von Anfang an beschränkt gewesen sei. Das bedeute, dass die Nießbraucher allein zum Besitz der Sache (§ 1036 BGB) berechtigt gewesen seien und den Kl als Eigentümer für die Dauer des Nießbrauchs von der Nutzung der Wohnung hätten ausschließen können. Ergänzend verweist der Bekl zur Erwiderung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2001.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Dem Kl steht für das Streitjahr weder die Anerkennung vorweggenommener Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung noch die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG oder der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG zu.

1) Die vom Kl getragenen Reparaturaufwendungen für die vermieteten Räumlichkeiten stellen keine vorweggenommenen Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung dar.

Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG können zwar bereits anfallen, bevor Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart zufließen. Voraussetzung dieser sog. vorab entstandenen Werbungskosten ist aber, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen ihnen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BStBl II 1979, 401, 402; BFH-Urteil vom 8. Dezember 1982 VIII R 87/81, Juris; BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BStBl II 1991, 761, 762; BFH-Urteil vom 31. Mai 2000 IX R 6/96, BFH/NV 2001, 24, 25, jeweils mit weiteren Nachweisen - m.w.N. -).

Dieser Zusammenhang ist im Streitfall nicht gegeben, weil im Streitjahr noch nicht ausreichend sicher absehbar war, wann der Kl aufgrund Wegfalls des Nießbrauchsrechts seiner Eltern Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG erzielen würde. Das Alter der nießbrauchsberechtigten Eltern im Streitjahr schafft allein noch keinen ausreichend bestimmten (zeitlichen) Zusammenhang mit möglichen späteren Einkünften nach dem Erlöschen des Nießbrauchs, denn auf das Ende des Nießbrauchs kann auch nicht ohne weiteres aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung des Berechtigten geschlossen werden (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1982 VIII R 87/81, Juris). Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus dem - unbestrittenen - Vorbringen der Kl, aufgrund der schweren Erkrankungen der Eltern des Kl sei im Streitfall von einem zeitlich nahe liegenden Wegfall des Nießbrauchsrechts auszugehen gewesen, denn nach der Rechtsprechung des BFH ist der Abzug von Aufwendungen, die während der Zeit des Bestehens einer Nießbrauchsbelastung getätigt wurden, auch dann zu versagen, wenn ein Ende der Nutzung im konkreten Fall absehbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Juni 1998 IX B 47/98, BFH/NV 1998, 1346 m.w.N.).

Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an, da auch bei schwerster Erkrankung bzw. Pflegebedürftigkeit von Nießbrauchern ein ausreichend konkreter Zeitpunkt des Eintritts des Todes und damit des Wegfalls des Nießbrauchsrechts ex ante nicht festgestellt werden kann.

2) Dem Kl steht für das Streitjahr die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG nicht zu.

Die Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG kann - unter weiteren Voraussetzungen - in Anspruch nehmen, wer ein im Inland belegenes eigenes Haus oder eine im Inland belegene eigene Eigentumswohnung angeschafft oder hergestellt und diese im Streitjahr zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

Der Begriff "eigen" bedeutet, dass der Steuerpflichtige Eigentümer des begünstigten Objekts im Sinne des § 39 Abs. 1 oder Abs. 2 Abgabenordnung (AO) sein muss. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum nicht übereinstimmen, ist der wirtschaftliche Eigentümer zur Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 EStG berechtigt (BFH-Urteil vom 21. Mai 1992 X R 61/91, BStBl II 1992, 944, 945; BFH-Urteil vom 27. November 1996 X R 92/92, BStBl II 1998, 97, 98; BFH-Urteil vom 12. April 2000 X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331, 1332). Eine vom bürgerlichen Recht abweichende Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums kommt nur in Betracht, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ein anderer als der rechtliche Eigentümer die tatsächliche Herrschaft ausübt und den nach bürgerlichem Recht Berechtigten auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO), so dass der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder kein Herausgabeanspruch besteht (BFH-Urteil vom 21. Dezember 1978 III R 20/77, BStBl II 1979, 466 - 468; BFH-Urteil vom 27. Februar 1991 XI R 14/87, BStBl II 1991, 628, 630, BFH-Urteil vom 12. September 1991 III R 233/90, BStBl II 1992, 182 - 184, BFH-Urteil vom 12. April 2000 X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331, 1332; BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 IX R 64/04, Juris, jeweils m.w.N).

Der Kl war hiernach im Streitjahr nicht nur zivilrechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks und damit auch der von ihm (und der Klin) bewohnten Wohnung im DG.

Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass derjenige, der die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG begehrt, die Nutzungsbefugnis kraft seiner Stellung als Eigentümer hat und sie nicht nur von einem anderen - z.B. einem Nießbraucher - ableitet. Für § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG ist damit eine auf dem Eigentum beruhende Eigennutzung im Sinne des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG erforderlich (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 1995 4 K 1653/94, EFG 1995, 1016, 1017; vgl. auch Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl. 2001, § 4 Rn. 5, zu § 4 EigZulG). Die Nutzung aufgrund fremden Rechts steht der Annahme einer eigenen Wohnnutzung grundsätzlich entgegen (BFH-Urteil vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160, 162 unter 3d)). Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem ein Ehegatte die Wohnung aufgrund seines eigenen oder des Eigentumsrechts des anderen Ehegatten bewohnt (BFH-Urteil vom 28. Mai 1998 X R 21/95, BStBl II 1998, 563, 564 unter 1 c) bb)).

Im Streitfall liegt indes eine von den Nutzungsberechtigten abgeleitete Fremdnutzung vor. Nutzungsberechtigte sind die bisherigen Eigentümer geblieben, weil sie sich bei der schenkweisen Übertragung des Grundstücks an den Kl den Nießbrauch vorbehalten haben. Dadurch ist die Nutzungsmöglichkeit bei den Veräußerern geblieben. Der Erwerber - der Kl - hat nur belastetes Eigentum erlangt. Seine Verfügungsmacht (§ 903 BGB) war von Anfang an beschränkt, denn die Nießbraucher allein waren zum Besitz des übertragenen Grundstücks berechtigt (§ 1036 BGB) und konnten den Kl für die Dauer des Nießbrauchs von der Nutzung des Grundstücks - und damit auch von der von ihm ausgebauten DG-Wohnung - ausschließen (vgl. hierzu FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 1995 4 K 1653/94, am angegebenen Ort - a.a.O. -). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 5. September 2001 X R 29/00, BStBl II 2002, 380, dem aufgrund des Umstands, dass der zivilrechtliche und zugleich wirtschaftliche Eigentümer und die Nießbraucherin zusammenlebende Ehegatten waren, eine - vorliegend nicht gegebene - Sondersituation zugrundelag.

3) Die geltend gemachten Aufwendungen vor Bezug der Wohnung sind nicht als Vorkosten im Sinne des § 10e Abs. 6 EStG abzugsfähig.

Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG können Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung zu Wohnzwecken entstehen, unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazugehörenden Grund und Bodens zusammenhängen, nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung gehören und die im Fall der Vermietung und Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten, wie Sonderausgaben abgezogen werden. Gemäß § 10e Abs. 6 Satz 2 EStG können die Aufwendungen jedoch dann nicht wie Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Wohnung bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vermietet oder zu eigenen beruflichen oder eigenen betrieblichen Zwecken genutzt wird und die Aufwendungen Werbungkosten oder Betriebsausgaben sind.

§ 10e Abs. 6 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH ein eigenständiger Begünstigungstatbestand, der von der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 bis 5 a EStG unabhängig ist. Denn in Abs. 6 wird nicht gefordert, dass die Kosten für eine nach § 10e Abs. 1 bis 5 a EStG begünstigte Wohnung aufgewendet wurden, sondern es wird nur das Entstehen der Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer "Wohnung im Sinne des Absatzes 1" zu eigenen Wohnzwecken verlangt. Dies führt in den Fällen, in denen der Eigentümer wegen Objektverbrauchs, wegen räumlichen Zusammenhangs der Wohnung mit einem begünstigten Objekt (§ 10e Abs. 4 EStG) oder wegen Überschreitens der maßgeblichen Einkunftsgrenze (§ 10e Abs. 5 a EStG) keine Grundförderung erhält, dazu, dass er gleichwohl die vor Bezug entstandenen Aufwendungen im Rahmen des § 10e Abs. 6 EStG abziehen kann (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 2001 X R 29/00, BStBl II 2002, 380; BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 113/89, BStBl II 1992, 886 - aufgegeben nur insoweit als der unentgeltliche Erwerb als "Anschaffung" im Sinne des § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG beurteilt worden war: vgl. hierzu BFH-Urteil vom 11. September 1996 X R 46/93, BStBl II 1998, 94, unter II. 3., m.w.N. -).

Da ein solcher (Ausnahme)Fall nicht gegeben ist und die von den Kl ab dem Streitjahr genutzte DG-Wohnung mangels Nutzung auf der Grundlage des Eigentumsrechts des Kl keine "Wohnung im Sinne des Absatzes 1" darstellt, steht dem Kl ein Vorkostenabzug im Sinne des § 10e Abs. 6 EStG nicht zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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