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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.08.2008
Aktenzeichen: 4 K 98/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des zum 31. Dezember 2002 festzustellenden verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer (ESt).

Der Kläger (Kl) war im Streitjahr - wie bereits seit Oktober 2000 - Student an der Fachhochschule X im Studiengang ".......................". Er hatte während seines Studiums am Hochschulort bzw. am Ort des Praxissemesters (Y) Wohnräume wie folgt angemietet:

vom 3. Oktober 2000 bis zum 6. Januar 2001 in der ....str. in X;

vom 6. Januar 2001 bis zum 1. August 2002 in der ....str. in R; danach lebte er einen Monat lang in der elterlichen Wohnung in Z;

von Sept. 2002 bis März 2003 für die Dauer des sechsmonatigen Praxissemesters in der ....str. in Y.

Von März 2003 bis Mitte Juni 2003 absolvierte der Kl einen Auslandsaufenthalt in den USA. Danach wohnte er zunächst wieder in der elterlichen Wohnung in Z. Von Oktober 2003 bis zum Abschluss seines Studiums im Juli 2004 mietete der Kl abermals eine Wohnung in X an.

Während des gesamten Studiums stand für den Kl ein ca. 20 qm umfassendes Zimmer im Haushalt seiner Eltern zur Verfügung, das er während der geschilderten Übergangszeiten vor seinem Praxissemester in Y und nach seinem Auslandsaufenthalt in den USA, während seiner Wochenendaufenthalte in Z sowie in der vorlesungsfreien Zeit, die er weitgehend in Z verbrachte, nutzte. (Miet-)Zahlungen für die Nutzung dieses Zimmers hatte er nicht zu erbringen. Nach dem Abschluss seines Studiums im Juli 2004 lebte der Kl wiederum im Haushalt seiner Eltern, in dem er weiterhin das geschilderte Zimmer nutzte. Bis zum 31. Oktober 2005 war er dann für einen in Y ansässigen Kunden selbständig tätig, wobei er seine Arbeiten teilweise an seinem Wohnsitz in Z und teilweise am Sitz des Kunden in Y erbrachte. Während dieser Zeit unterhielt der Kl keinen Wohnraum in Y oder Umgebung, sondern pendelte mit dem Zug - soweit ein Erscheinen beim Kunden erforderlich war - nach Y und zurück. Vom1. November 2005 bis zum 31. Dezember 2006 war der Kl dann in B selbständig tätig. Ab dem 1. Januar 2007 arbeitet er dort in Festanstellung. Seit der Aufnahme der Tätigkeit in B zum 1. November 2005 hat der Kl eine Wohnung in C, angemietet.

Am 27. Dezember 2005 reichte er die ESt-Erklärung für das Jahr 2002 beim Beklagten (Bekl) ein und beantragte zugleich die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31. Dezember 2002.

Der Erklärung waren u.a. zwei Anlagen N beigefügt, wobei der Kl auf einer Anlage N unter der Bezeichnung "Miete/Student vorweg - Werbungskosten" den Betrag von 3.360 EUR und auf der anderen Anlage N unter der Bezeichnung "Miete/Student vorweg - Werbungskosten Studium - Beginn Oktober 2000" den Betrag von 840 EUR als vorweggenommene Werbungskosten geltend machte.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2006 setzte der Bekl die ESt des Kl für das Jahr 2002 mit 0 EUR fest. Zur Begründung führte der Bekl aus, die Aufwendungen für ein Erststudium an einer Fachhochschule stellten Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) dar und seien "in glaubhaft gemachter Höhe von 1.227 EUR bei auswärtiger Unterbringung in Ansatz gebracht worden".

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 7. März 2006 erhob der Kl Untätigkeitseinspruch, mit dem er weiterhin die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31. Dezember 2002 begehrte. Zur Begründung ließ er ausführen, er habe im Jahr 2002 bereits berufsbezogen studiert. Eine Unterscheidung in Erst-, Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftstudium usw. habe der Bundesfinanzhof (BFH) nicht vorgenommen. Auch handle es sich bei dem Studium des Kl nicht um ein allgemeinbildendes Studium, sondern um ein berufsbezogenes. Die Studienkosten stellten somit unzweifelhaft vorweggenommene Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben dar. Hinzu komme, dass er im Jahr 2004 "im Zusammenhang mit seinen Ausbildungskosten seine ersten Betriebseinnahmen erzielt und erklärt" habe. Soweit der Gesetzgeber meine, "an §§ 91 und 10 EStG wie auch an der zwingenden Vorgabe in der Verfassung zur Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorbei - nur weil der Gesetzgeber (nicht die Bürger) mit den Steuereinnahmen nicht zurechtkomme - den in Ausbildung befindlichen Personen den gesetzlich und durch die Rechtsprechung vorgesehenen Abzug ihrer Werbungskosten im Sinne des § 9 Satz 1 EStG verweigern zu können", bestehe hierfür nicht das geringste Verständnis.

Hinsichtlich der Höhe der begehrten Verlustfeststellung ließ der Kl ausführen, es werde der Abzug von Mietaufwendungen in Höhe von 2.520 EUR (12 Monatsmieten zu je 210 EUR), Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 4.320 EUR (180 Studientage zu je 24 EUR), Aufwendungen für Familienheimfahrten nach Z in Höhe von 720 EUR (36 Wochenendheimfahrten zu je 20 EUR - geschätzt -) sowie Aufwendungen für Arbeitmittel in Höhe von (geschätzten) 600 EUR als vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2007 setzte der Bekl den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf 1.320 EUR fest. Zur Begründung führte er aus, entsprechend dem Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 18. Februar 2005 9 K 211/04, EFG 2005, 860, könnten die Fahrtkosten in Höhe von 720 EUR sowie Aufwendungen für Arbeitsmittel in Höhe von 600 EUR berücksichtigt werden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2007 wies der Bekl den Einspruch, soweit ihm nicht bereits abgeholfen worden war, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, über den bereits berücksichtigten Betrag hinaus seien keine weiteren vorweggenommenen Werbungskosten anzusetzen. Zwar seien nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstünden, Werbungskosten. Im Streitfall habe der Kl aber in Z keinen eigenen Hausstand unterhalten. Denn ein eigener Hausstand liege nicht vor bei Arbeitnehmern, die - wenn auch gegen Kostenbeteiligung - in den Haushalt der Eltern eingegliedert seien oder in der Wohnung der Eltern lediglich ein Zimmer bewohnten (H 43 Abs. 1 - 5 "eigener Hausstand" Lohnsteuer-Handbuch - LStH -). Einer Berücksichtigung solcher Mehraufwendungen als weitere Werbungskosten unter dem Gesichtspunkt einer "unechten doppelten Haushaltsführung" nach R 43 Abs. 5 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) stehe entgegen, dassder Kl die "unechte doppelte Haushaltsführung" bereits im Oktober 2000 begründet habe und die Dreimonatsfrist des R 43 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LStR somit im Streitjahr bereits abgelaufen gewesen sei. Auch die Voraussetzungen von R 43 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LStRseien im Streitfall nicht erfüllt. Die geltend gemachten Mietaufwendungen sowie die Mehraufwendungen für Verpflegung seien folglich nicht zu berücksichtigen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10. April 2007 erhob der Kl Klage, mit der er - über die bereits anerkannten vorweggenommenen Werbungskosten hinaus - zunächst die Anerkennung von Kosten für die Unterkunft am Studienort in Höhe von 2.520 EUR (12 Monate Zimmermiete zu je 210 EUR) und Mehraufwendungen für Verpflegung in Höhe von 540 EUR (180 Studientage zu je 3 EUR) begehrte. Nachdem der Berichterstatter des Senats die Beteiligten auf die Entscheidungen des BFH vom 16. Dezember 2004 IV R 8/04, BStBl II 2005, 475 und vom 20. Juli 2006 VI R 20/04, BFH/NV 2006, 2068 hingewiesen und den Kl aufgefordert hatte vorzutragen, wo er im Streitjahr seinen Lebensmittelpunkt hatte, ob er im Streitjahr beabsichtigt habe, nach Beendigung seines Studiums an seinen bisherigen Wohnsitz bei seinen Eltern zurückzukehren und ob er nach Beendigung seines Studiums dann auch tatsächlich an den bisherigen Wohnsitz bei seinen Eltern zurückgekehrt sei, ließ der Kl ausführen, er mache zunächst geltend, dass der Gesetzgeber nicht befugt sei, rückwirkend irgendwelche Verschärfungen des Steuerrechts zu bestimmen, und zwar weder durch echte Rückwirkung und noch weniger durch unechte Rückwirkung. Das Rückwirkungsverbot sei absolut. Hinzu komme, dass der Gesetzgeber auch nicht einseitig die Auslegung des Grundgesetzes bestimmen könne. Dass sich immer mehr Mitbürger auf die Verfassung beriefen, rechtfertige es keinesfalls, dies als Missbrauch abzutun. Schon eher handle es sich bei solchen Einwendungen um ernstzunehmende Warnzeichen über den Zustand des Rechtsstaates. Der Kl sei tatsächlich an den bisherigen Wohnort zurückgekehrt, was nur möglich gewesen sei, weil er den bisherigen Wohnsitz nicht aufgegeben habe. Das "Gebäude ....str. in Z" sei das Elternhaus des Kl. Es sei während des gesamten Studiums und auch danach nicht klar gewesen, ob und wo der Kl einen Arbeitsplatz finden würde. Er habe zudem auf einen Arbeitsplatz im Umfeld von Z gehofft. Der Kl sei während des gesamten Studiums und auch nach dessen Beendigung von seinen wechselnden Unterkünften regelmäßig an seinen bisherigen Wohnsitz bei seinen Eltern zurückgekehrt.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten unstreitig gestellt, dass dem Kl im Jahr 2002 neben den bereits anerkannten Werbungskosten folgende Aufwendungen entstanden sind:

11 Monatsmieten zu je 210 EUR = 2.310 EUR; Mehraufwendungen für Verpflegung für 65 Tage zu je 24 EUR = 1.560 EUR.

Der Kl beantragt,

den Bescheid zum 31.12.2002 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt vom 19. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2007 dahingehend abzuändern, dass der festgestellte Verlustvortrag von 1.320 EUR auf 5.190 EUR erhöht wird, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen,

hilfsweise

für den Fall des Unterliegens im Hauptantrag die Rechtsscheinwirkung der angefochtenen Verwaltungsakte aufzuheben.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Er verweist zur Erwiderung auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Bekl vom 19. Januar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 8. März 2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kl in seinen Rechten.

Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hiervon werden alle Aufwendungen umfasst, die durch den Beruf veranlasst sind (ständige Rechtsprechung seit Beschluss vom 28. November 1977 GrS 2 - 3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105; vgl. auch BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 25/78, BFHE 129, 149, BStBl II 1980, 75).Eine solche berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Dabei ist es ausreichend, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinn fördern. Der hiernach erforderliche Veranlassungszusammenhang kann bei jedweder berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein (BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764 und vom 26. Juli 2006 VI R 63/05, BFH/NV 2006, 2250, jeweils mit weiteren Nachweisen - m.w.N. -). Dabei kommt es - wenn ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vorliegt - nicht darauf an, ob ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll (BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764 und vom 26. Juli 2006 VI R 63/05, BFH/NV 2006, 2250).

Erzielt der Steuerpflichtige noch keine Einnahmen, können vorab entstandene Werbungskosten vorliegen, die auch bei einer erstmaligen Berufsausbildung anzuerkennen sein können. Voraussetzung hierfür ist, dass die Aufwendungen beruflich veranlasst sind, also in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen aus einer beruflichen Tätigkeit stehen (BFH-Urteile vom 4. Dezember 2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403 m.w.N. und vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884). Dies verlangt weder einen unmittelbaren noch einen bestimmten zeitlichen Zusammenhang mit Einnahmen (BFH-Beschluss vom 19. August 2002 IX B 190/01, BFH/NV 2003, 147; BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 VI R 26/05,BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764 und vom26. Juli 2006 VI R 63/05, BFH/NV 2006, 2250).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, stellen die Studienaufwendungen des Kl grundsätzlich vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit dar. Davon geht auch der Bekl im angefochtenen Bescheid und in der Einspruchsentscheidung aus, wobei er ebenso wie der Kl vom Vorliegen von (vorweggenommenen) Werbungskosten und nicht von (vorweggenommenen) Betriebsausgaben ausgeht. Diese Beurteilung ist im Hinblick auf die nach einer Zwischenphase der Selbständigkeit aufgenommene nichtselbständige Tätigkeit des Kl nicht zu beanstanden. Der notwendige berufliche Zusammenhang mit künftigen steuerbaren Einnahmen ist im Streitfall gegeben, denn eine der Berufsausbildung dienende Bildungsmaßnahme - wie im Streitfall das Studium des Kl - ist regelmäßig auf die Erzielung steuerbarer Einnahmen gerichtet. Der notwendige berufliche Veranlassungszusammenhang fehlt - wofür es im Streitfall keine Anhaltspunkte gibt - nur dann, wenn "gleichsam ins Blaue hinein" studiert wird (BFH-Urteil vom 19. April 1996 VI R 24/95, BFHE 180, 360, BStBl II 1996, 452) oder ansonsten private Gründe für die Aufnahme des Studiums nicht ausgeschlossen werden können (BFH-Urteil vom 26. Januar 2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349; BFH-Beschluss vom 19. Februar 2005 VI B 33/04, BFH/NV 2005, 1056). Im Übrigen ist nach der neuen Rechtsprechung des BFH die Aneignung von Berufswissen auch bei Aufnahme eines Studiums kein Vorgang, der die private Lebensführung berührt (BFH-Urteile vom 20. Juli 2006 VI R 26/05,BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764 und vom 26. Juli 2006 VI R 63/05, BFH/NV 2006, 2250).

Die Abzugsfähigkeit der Mietaufwendungen in der unstreitigen Höhe von 2.310 EUR ergibt sich aus den Grundsätzen über die zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Haushalt unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Bei einem nicht verheirateten Arbeitnehmer hat der BFH einen Hausstand dann als "eigenen" im Sinne der Vorschrift angesehen, wenn er ihn aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzt; der Hausstand muss vom Arbeitnehmer unterhalten oder mitunterhalten werden. Der Arbeitnehmer hat keinen eigenen Hausstand, wenn er lediglich in einen fremden Hausstand eingegliedert ist, z.B. bei den Eltern (BFH-Urteile vom 4. November 2003 VI R 170/99, BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16; vom 20. Juli 2006 VI R 20/04,BFH/NV 2006, 2068; vom 20. Juli 2006 VI R 26/05,BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764 und vom26. Juli 2006 VI R 63/05, BFH/NV 2006, 2250). Da der Kl für das Zimmer in der elterlichen Wohnung keine (Miet-)Zahlungen zu leisten hatte, sondern vielmehr unentgeltlich in den Haushalt seiner Eltern integriert war, ist im Streitfall kein eigener Hausstand des Kl in Z und infolgedessen keine echte doppelte Haushaltsführung gegeben. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Nach der Rechtsprechung des BFH konnten bei einem ledigen Arbeitnehmer, der - wie der Kl - nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG erfüllte, die notwendigen Aufwendungen, die durch die Tätigkeit am auswärtigen Beschäftigungsort entstanden, als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG berücksichtigt werden, wenn er einer auswärtigen Beschäftigung von verhältnismäßig kurzer Dauer nachging, den Mittelpunkt seiner Lebensführung am bisherigen Wohnort beibehielt, dort seine Wohnung aufrechterhielt, nach Beendigung der auswärtigen Beschäftigung voraussichtlich wieder an diesen Wohnort zurückkehrte und ihm deshalb die Aufgabe seiner bisherigen Wohnung nicht zumutbar war (sog. zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung; vgl. BFH-Urteile 10. Februar 1983 VI R 51/79, BFHE 138, 212, BStBl II 1983, 515; vom 10. Oktober 1991 VI R 44/90, BFHE 166, 68, BStBl II 1992, 237 m.w.N. und vom 6. Oktober 1994 VI R 39/93, BFHE 176, 32, BStBl II 1995, 186). Zwar wurde § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (StÄndG 2003) vom 15. Dezember 2003 (BGBl. I 2003, 2645, BStBl I 2003, 710) mit Wirkung für alle materiell und formell noch offenen Veranlagungen [§ 52 Abs. 12 Satz 2 (heute Satz 4)] - also auch mit Wirkung für die Vergangenheit - dahingehend geändert, dass eine doppelte Haushaltsführung nur (Unterstreichung durch den Senat) vorliegt, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt, woraus zum Teil abgeleitet wird, dass seit der Geltung dieser Neuregelung keine Anwendung der Grundsätze über die zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung mehr in Betracht komme (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 8/04, BFHE 209, 73, BStBl II 2005, 475). Doch sind die Grundsätze über die zeitlich beschränkte doppelte Haushaltsführung nach dem BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 VI R 20/04, BFH/NV 2006, 2068 jedenfalls bis zum Veranlagungszeitraum 2003 weiter anzuwenden, da die Finanzverwaltung die bisherige Rechtsprechung des BFH weiterhin angewendet hat (vgl. zuletzt R 43 Abs. 5 LStR 2004;Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Juni 2004 IV C 5 -S 2352- 49/04, BStBl I 2004, 582). Im Interesse der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen ist die Beachtung der Richtlinienregelung in den Veranlagungszeiträumen bis 2003 geboten (BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 VI R 20/04, BFH/NV 2006, 2068;a.A. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2004 IV R 8/04, BFHE 209, 73, BStBl II 2005, 475). Ob durch die Neufassung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG durch das StÄndG 2003 vom 15. Dezember 2003 eine Rechtsänderung eingetreten ist, ist daher im Streitfall nicht zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 2006 VI R 20/04, BFH/NV 2006, 2068).

Im Streitfall sind die Voraussetzungen einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung erfüllt. Denn der Kl behielt - wie sich aus den Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung ergab - während der gesamten Dauer seines Studiums und der damit einhergehenden Unterbringung am Studien- bzw. Praktikumsort das Zimmer im Haushalt seiner Eltern bei und hatte dort auch während des genannten Zeitraums weiterhin den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Die diesbezüglichen Ausführungen des Kl, die vom Bekl nicht bestritten wurden, erscheinen dem Senat schlüssig, nachvollziehbar und glaubhaft. Denn bereits aus dem mehrfachen Wechsel der Unterkunft am Hochschulort sowie aus den Ortsveränderungen aufgrund des Praxissemesters und des Auslandsaufenthalts des Kl in den USA folgt, dass sich am Hochschulort keine stabile Wohn- und Lebenssituation des Kl herausgebildet hat. Auch wird die Verwurzelung des Kl in Z daran deutlich, dass er - wie er ebenfalls glaubhaft ausführte - die vorlesungsfreie Zeit soweit möglich in Z verbrachte, in der jeweils ca. einmonatigen Zwischenphase vor dem Praxissemester in Y sowie nach dem Auslandsaufenthalt in den USA wieder im Haushalt seiner Eltern wohnte, auch nach dem Abschluss seines Studiums zunächst dorthin zurückkehrte und von dort aus seiner zunächst selbständigen Tätigkeit nachging bzw. - falls erforderlich - zu seinem Auftraggeber nach Y pendelte.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat auch davon überzeugt, dass der Kl während des Studiums die - später auch realisierte - Absicht hatte, nach der Beendigung des Studiums zunächst nach Z zurückzukehren. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass der Kl - wie er ebenfalls im Rahmen seiner persönlichen Anhörung glaubhaft ausführte - ein großes Interesse hatte, einen Arbeitsplatz in der Nähe von Z zu finden, was sich aber nicht realisieren ließ.

Nach Auffassung des Senats ist auch das Merkmal der Kurzfristigkeit der Unterbringung des Kl am Studienort im Sinne der Rechtsprechung des BFH zur zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung zu bejahen. Dies ergibt sich daraus, dass der Aufenthalt am Studienort typischerweise - jedenfalls vorbehaltlich einer eventuellen späteren Entscheidung zum Verbleib - für einen überschaubaren Zeitraum zur Verwirklichung eines bestimmten Zwecks, nämlich des Erreichens des Studienabschlusses, erfolgt. Auch ist es angesichts nicht unerheblicher vorlesungsfreier Zeiten sowie der Erforderlichkeit bzw. Üblichkeit von Praktika und Auslandsaufenthalten ein geradezu typischer Umstand, dass - wie im Streitfall - keine nennenswerte Verwurzelung des Studierenden am Studienort erfolgt. Im Übrigen erscheint es sachgerecht, ein Hochschulstudium, wenn es - wie im Streitfall - innerhalb einer üblichen Studienzeit von ca. 8 Semestern abgeschlossen wird, einem Ausbildungsdienstverhältnis, bei dem es nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. R 43 Abs. 5 Nr. 2b LStR 2002 und H 43 Abs. 2 LStH 2002) auf die Dauer der Beschäftigung gar nicht ankommt, gleichzuachten.

Ebenfalls als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen sind die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen in der unstreitigen Höhe von 1.560 EUR.

Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung dürfen Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen den Gewinn nicht mindern, soweit in den folgenden Sätzen nichts anderes bestimmt ist. Die folgenden Sätze bestimmen: Wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt

a) 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 24 Euro,

b) weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 12 Euro,

c) weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von 6 Euro abzuziehen (Satz 2, 1. Hs.).

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG beschränkt sich der pauschale Abzug nach Satz 2 auf die ersten drei Monate. Die Abzugsbeschränkung nach Satz 1, die Pauschbeträge nach den Sätzen 2 bis 4 sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 5 gelten auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung (Satz 6, 1. Hs.). Gemäß § 9 Abs. 5 EStG gilt die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG für Werbungskosten sinngemäß. Diese Regelungen sind bei einer zeitlich beschränkten doppelten Haushaltsführung gleichermaßen anzuwenden (vgl. auch R 43 Abs. 8 LStR).

Da der Kl im Zusammenhang mit der Aufnahme seines sechsmonatigen Praxissemesters im September 2002 für die Dauer dieses Praxissemesters in Y eine Wohnung angemietet hat, begann die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG erneut zu laufen.

Der Höhe nach waren - nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Zahl der Tage, an denen sich der Kl in der Dreimonatsfrist nach Anmietung der Wohnung in Y dort aufgehalten hat, unstreitig gestellt haben - Verpflegungsmehraufwendungen für 65 Tage zu je 24 EUR anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3; 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11; 711 bzw. 709 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, da dem Verfahren ein Sachverhalt zugrundelag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war und die fachkundige Geltendmachung des Begehrens des Kl deshalb die Vertretung durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erfordert hat.

Ende der Entscheidung

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