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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.03.2009
Aktenzeichen: 5 K 118/09
Rechtsgebiete: AStG, AO


Vorschriften:

AStG § 1 Abs. 1
AO § 164 Abs. 2
AO § 173 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Klägerin (Kl) ist als Büroangestellte nichtselbständig tätig. Sie beteiligte sich im Rahmen der Gründung am 18. August 1998 zunächst mit 97%, ab 27. Mai 1999 mit 100% am Stammkapital der ungarischen Kapitalgesellschaft ................ (im Folgenden: X Das Stammkapital beträgt umgerechnet 65.000 EUR. Geschäftsführer der X Ist der geschiedene Ehemann der Klin, Herr V.A.. Die Gesellschaft hat auf einem ihr gehörenden Grundstück in Ungarn ein Fabrik- und Verwaltungsgebäude errichtet, das verpachtet wird. Zur Finanzierung der Gebäudeherstellung gab die Klin der X Ende 1998 ein unverzinsliches Finanzplandarlehen in Höhe von 370.500 DM.

Der Beklagte (Bekl) wendete auf diese Darlehenshingabe § 1 Abs. 1 Außensteuergesetz (AStG) an und setzte in am 19. Januar 2004 nach § 173 Abs.1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) bzw. nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuer-(ESt)-Bescheiden für 1999 und 2000 geschätzte fiktive Zinseinnahmen in Höhe von 22.230 DM (6 v.H. von 370.500 DM) an. Im Streitjahr 2001 erfolgte eine entsprechende Erhöhung der Einnahmen aus Kapitalvermögen im erstmaligen ESt-Bescheid 2001 am 19. Januar 2004.

Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage begehrt die Klin die Kürzung der Einnahmen aus Kapitalvermögen in den streitbefangenen ESt-Bescheiden um die hinzugerechneten Zinseinnahmen. Sie trägt zur Begründung vor, § 1 Abs. 1 AStG sei nicht anwendbar, da die Hingabe des zinslosen Finanzplandarlehens keine Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 AStG zwischen ihr und der X begründet habe. Denn Voraussetzung einer Geschäftsbeziehung in diesem Sinne sei, dass ein selbständiges Leistungsaustauschverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bestehe. Vorgänge hingegen, die im privaten Bereich oder im Gesellschaftsverhältnis begründet seien, seien nicht nach § 1 Abs. 1 AStG zu behandeln.

Die zinslose Darlehenshingabe habe sie im Streitfall nicht als Partnerin eines Austauschverhältnisses, sondern in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin hingegeben. Sie habe die Freiheit, selbst zu bestimmen, ob und in welcher Höhe sie ihrer Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zuführe. Es stehe ihr auch frei, eine Mischform zu wählen. Sie habe sich hier für die Hingabe eines sog. Finanzplandarlehens entschieden, um die X funktionsgerecht mit Kapital auszustatten. Ansonsten hätte die Gebäudeherstellung nicht durchgeführt werden können.

Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz der Klin vom 6. Juli 2005 (AS. 29 ff. FG-Akte) verwiesen.

Die Klin beantragt,

1. die geänderten ESt-Bescheide 1999 und 2000 vom 19. Januar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2005 aufzuheben,

2. den ESt-Bescheid 2002 vom 19. Januar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2005 dahingehend zu ändern, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen um 22.230 DM herabgesetzt werden,

3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären sowie

hilfsweise

4. die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt zur Begründung unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung vor, eine Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 AStG sei dann anzunehmen, wenn die Beziehung auf einer schuldrechtlichen Vereinbarung beruhe und damit keine gesellschaftsrechtliche Beziehung darstelle. Darauf, ob mir einer Darlehenshingabe ein eigenkapitalersetzender Zweck verfolgt werde, komme es nicht an. Auch die Hingabe eines zinslosen Darlehens sei deshalb als schuldrechtliche Vereinbarung einzustufen.

Mangels anderer geeigneter Anhaltspunkte sei zur Erfassung der Einkünfte eine Schätzung nach § 162 Abgabenordnung (AO) durchzuführen gewesen.

Beide Beteiligte haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter anstelle des Senats entscheidet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat der Bekl bei der Klin aus der zinslosen Darlehensgewährung an die X fiktive Zinseinnahmen nach § 1 Abs. 1 AStG zugerechnet. Die zinslose Hingabe eines Finanzplandarlehens begründet keine Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 AStG.

Nach § 1 AStG sind, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhält, seine Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen für Zwecke der Besteuerung abweichend von der tatsächlich angefallenen Höhe anzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um ein Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen, hier der Klägerin, auf die § 1 AStG anzuwenden ist und ihr nahestehenden Personen, hier der ungarischen X, bei der in den Streitjahren die Klin alleinige Anteilseignerin war, geht.

Weiter muss dieses Verhältnis als Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs.4 AStG qualifiziert werden können (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 29. November 2002, I R 85/99, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2002, 720). Dies ist dann zu bejahen, wenn die den Einkünften zugrunde liegende Beziehung entweder beim inländischen Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf welche die §§ 13, 15, 18 und 21 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde.

Diese Vorschrift will nur Vorgänge erfassen, die als Leistungsaustausch zu qualifizieren sind und nicht solche, die im privaten Bereich angesiedelt oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BFH aus den dort genannten Gründen an (BFH, Urteil vom 27. August 2008, I R 28/07, BFH/NV 2009, 123).

Die Hingabe eines zinslosen Finanzplandarlehens ist nicht durch einen schuldrechtlichen Leistungsaustausch, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Es stellt eine Form der Unternehmensfinanzierung dar, die die Gesellschafterin im Rahmen ihrer Finanzierungsfreiheit gewählt hat (FG Düsseldorf, Urteil vom 19. September 2008 17 K 894/05 E, EFG 2008, 449; FG München, Urteil vom 1. Juli 2008 10 K 1639/06, EFG 2009, 226).

Demgemäß liegt im Streitfall keine korrigierbare Geschäftsbeziehung im Sinne von §§ 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 AStG vor. Die ESt-Änderungsbescheide 1999 und 2000 vom 19. Januar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2005 waren daher aufzuheben. Der ESt-Bescheid 2001 vom 19. Januar 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2005 ist dahingehend zu ändern, dass die Einnahmen aus Kapitalvermögen um 22.230 DM herabgesetzt werden. Die Neuberechnung der ESt wird gemäß § 100 Abs. 2 FGO dem Bekl übertragen.

Da die Klin somit in vollem Umfang obsiegt hat, sind dem Bekl nach § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung die Kosten aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 709, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Das Gericht hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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