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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Gerichtsbescheid verkündet am 24.07.2006
Aktenzeichen: 6 K 164/04
Rechtsgebiete: DBA LUX, EStG 1997


Vorschriften:

DBA LUX Art. 20 Abs. 2 S. 3
DBA LUX Art. 20 Abs. 3
DBA LUX Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
DBA LUX Art. 2 Abs. 2
EStG 1997 § 20 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Gerichtsbescheid

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg am 24. Juli 2006 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ... Richter am Finanzgericht ... Richter am Amtsgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid für 2000 vom 23. März 2004 wird abgeändert. Dem beklagten Finanzamt wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit geändertem Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob Erträge aus einer stillen Beteiligung an einer Luxemburger Gesellschaft nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 23. August 1958 (DBA-Luxemburg) dem Freistellungsverfahren oder nach Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg dem Anrechnungsverfahren unterliegen.

Die Klägerin, eine i.S. von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 DBA-Luxemburg in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft, hat mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 1997 - vgl. Bl. 42 ff. der FG-Akten [...-Vertrag] - zusammen mit der -Y- einer i.S. von Art. 3 Abs. 5 Satz 1 DBA-Luxemburg in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft, die -X- -X- - gegründet. Der Sitz und die Geschäftsleitung der Gesellschaft befinden sich - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - in Luxemburg. Das Kapital der Gesellschaft betrug im Streitjahr nach Art. 3 ...- Vertrag ... DM, geteilt in Aktien á 100 DM, von dem die Klägerin ... Aktien (= ... DM) und die -Y- ... Aktien (= ... DM) übernommen hat. Das Gesellschaftskapital ist voll eingezahlt (Art. 11 ...-Vertrag).

Ebenfalls am 19. Dezember 1997 hat die Klägerin mittels privatschriftlichen Vertrags mit der -X- eine stille Gesellschaft gegründet, auf die ausschließlich Luxemburger Rechts anzuwenden ist (vgl. Bl. 37 ff. der FG-Akten - GV-Still). Die Klägerin hat sich mit einer Einlage i.H. von ... DM an der stillen Gesellschaft beteiligt. Die Geschäftsführung der stillen Gesellschaft obliegt dem Verwaltungsrat der -X- (vgl. Tz. 4 GV-Still, Art. 4, 5 ...-Vertrag).

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass sie von einer typisch stillen Gesellschaft ausgehen.

Die Klägerin hat in den Jahren 1998, 1999 und 2000 Gewinnanteile aufgrund ihrer stillen Beteiligung von dem Inhaber des Handelsgeschäfts ausbezahlt erhalten. Auf die Bruttobeträge wurde in Luxemburg jeweils eine Quellensteuer i.H. von 10 v.H. einbehalten. Für das Streitjahr 2000 betrug der Gewinnanteil brutto ... DM; nach Abzug der Luxemburger Quellensteuer i.H. von 10 v.H. (= ... DM) wurden an die Klägerin ... DM ausbezahlt.

Die Klägerin hat in der Körperschaftsteuer-Erklärung für das Streitjahr den Bruttobetrag des Gewinnanteils als steuerfrei erklärt; im ursprünglichen Körperschaftsteuer-Bescheid für 2000, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) erging, ist das beklagte Finanzamt -FA- der Erklärung gefolgt.

In der Zeit vom März 2003 bis Oktober 2003 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt, die sich u.a. auf die Körperschaftsteuer der Jahre 1997 bis 2000 erstreckte (vgl. Bericht über die Betriebsprüfung vom 12. Dezember 2003). Der Betriebsprüfer griff den o.a. Sachverhalt auf und vertrat die Auffassung, dass die Gewinnanteile aus der Luxemburger stillen Gesellschaft nach Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg in der Bundesrepublik unter Anrechnung der ausländischen Steuer gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 34 c Abs. 6 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) - jeweils in der im Streitjahr gültigen Fassung - zu besteuern sei.

Das FA schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und erließ für das Streitjahr mit Datum 23. März 2004 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Steuerbescheid.

Gegen diesen Körperschaftsteuerbescheid hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. April 2004, der ebenfalls am 16. April 2004 bei Gericht eingegangen ist, Sprungklage nach § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erhoben. Der Klageschriftsatz ist dem FA mit Schreiben der Geschäftsstelle des Finanzgerichts vom 14. Mai 2004, das ausweislich des Empfangsbekenntnisses dem FA am 19. Mai 2004 zugestellt wurde, übersandt worden. Das FA hat mit Schriftsatz vom 3. Juni 2004, der am 7. Juni 2004 bei Gericht eingegangen ist, der Sprungklage zugestimmt.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen Folgendes vor: Für die Besteuerung der Einkünfte aus einer typischen stillen Beteiligung nach dem DBA-Luxemburg sie die Regelung in Nr. 11 des Schlussprotokolls, nach der derartige Einkünfte als Dividenden zu behandeln sein, nicht nur für die Anwendung der Verteilungsnorm des Art. 13 DBA-Luxemburg, sondern auch für den Methodenartikel des Art. 20 DBA-Luxemburg maßgebend mit der Folge, das die streitigen Einkünfte in der Bundesrepublik von der inländischen Besteuerung freizustellen seien.

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,

den Bescheid über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und gesonderte Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG vom 23. März 2004 dahingehend abzuändern, einen Betrag von ... DM von der Besteuerung freizustellen

Das FA hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Wesentlichen wird vorgetragen, dass die streitigen Einkünfte nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 DBA-Luxemburg in der Bundesrepublik unter Anrechnung der in Luxemburg entrichteten Steuer zu versteuern seien. Bei der Regelung in Nr. 11 des Schlussprotokolls handele es sich lediglich um eine Zuteilungsnorm.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, sowie die vom FA vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

1. Die Klägerin ist als juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbH-Gesetz) eine Person i.S. des DBA-Luxemburg - vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 DBA-Luxemburg -, die in einem der beiden Vertragsstaaten (= Bundesrepublik) ansässig ist (Art. 3 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 DBA-Luxemburg), da sich der Ort der Leitung (Art. 3 Abs. 6 Satz 1 DBA-Luxemburg; vgl. § 10 AO) = Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in der Bundesrepublik befindet (Bundesfinanzhof - BFH- Urteil vom 19. November 2003 I R 3/02, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2004, 932).

Zwar weist das DBA-Luxemburg keine dem Art. 1 des Musterabkommens für ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ertrag und Kapital der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- Schreiben vom 18. Februar 2004, BStBl I 2004, 286) entsprechende Bestimmung auf; dennoch ist in der Literatur unstreitig - und der Senat folgt dieser Auffassung -, dass das Abkommen - unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Person - jedenfalls auf diejenigen Personen anwendbar ist, die in einem der beiden Vertragsstaaten im Sinne des Abkommens ansässig sind (vgl. Vogel/Prokisch, DBA - Doppelbesteuerungsabkommen, 4. Aufl., 2003, Art. 1 Randziffer 56). Hinzu kommt, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit i.S. des DBA-Luxemburg besitzt (Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 DBA-Luxemburg). Demnach ist die Klägerin abkommensberechtigt.

2. a) Nach Art. 13 Abs. 1 DBA-Luxemburg hat der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht für Dividenden, wenn eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragstaaten aus dem anderen Staate Dividenden bezieht. Davon unberührt bliebt das Recht des Quellenstaates zur Erhebung einer Quellensteuer (Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg). Die Höhe der Quellensteuer regeln Art. 13 Abs. 3 und 4 DBA-Luxemburg.

b) Der Ausdruck "Dividenden" wird - im Gegensatz zu Art. 10 Abs. 3 OECD-Musterabkommen - im DBA-Luxemburg selbst nicht definiert, so dass auf die Auslegungsregel des Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg auszuweichen ist. Danach hat bei der Anwendung des Abkommens durch einen der Vertragstaaten - einschließlich seiner Behörden und Gerichte - jeder Begriff, der nicht in diesem Abkommen bestimmt worden ist, die Auslegung zu erfahren, die sich aus den Gesetzen ergibt, die in dem Vertragstaat (= Bundesrepublik) in Kraft sind und (kumulativ) sich auf Steuern im Sinne dieses Abkommens beziehen, falls der Zusammenhang keine andere Auslegung erfordert (vgl. Art. 2 Abs. 2 letzter Halbsatz DBA-Luxemburg). Unter Berücksichtigung der Bestimmung in Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 DBA-Luxemburg ist der Ausdruck "Dividenden" nach den Definitionen im deutschen Einkommensteuergesetz (EStG) und im deutschen Körperschaftsteuergesetz (KStG) auszulegen.

Das Abkommen ist - wie sich aus dem Bundesgesetzblatt (BGBl) I 1959, 1279 ergibt - nur in deutscher Sprache abgefasst; es existiert keine fremdsprachliche Fassung des Abkommens.

c) Da das Abkommen im Jahre 1958 abgeschlossen wurde und im vorliegenden Verfahren die Körperschaftsteuer des Jahres 2000 streitig ist, stellt sich die Frage, ob bei der Auslegung des Abkommens das EStG bzw. KStG des Jahres der Unterzeichnung des Abkommens (1958) oder des Jahres der Anwendung (2000) heranzuziehen ist. Ausgehend von der Erstreckungsregelung in Art. 1 Abs. 3 DBA-Luxemburg ist der erkennende Senat der Auffassung, dass für die Auslegung des Begriffs "Dividenden" im Streitfall das EStG und das KStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung maßgebend ist.

Geht man von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG aus, so sind unter "Dividenden" zu verstehen " Gewinnanteile (Dividenden), Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Aktien, Kuxen, Genussrechten, mit denen das Recht am Gewinn und Liquidationserlös einer Kapitalgesellschaft verbunden ist, ...". Demnach sind Dividenden Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften, ungeachtet der Tatsache, dass der Begriff "Gewinnanteile" auch im Zusammenhang mit Personengesellschaften im deutschen Steuerrecht verwandt wird (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Der Begriff der Kapitalgesellschaft wird für das deutsche Steuerrecht in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG abschließend geregelt; hierunter fallen u.a. die Aktiengesellschaft i.S. des Aktiengesetzes und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung i.S. des GmbH-Gesetzes.

3. Hinsichtlich der Dividendenbesteuerung regelt der Methodenartikel, Art. 20 DBA-Luxemburg, folgendes:

a) Nach der allgemeinen Grundregel des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 DBA-Luxemburg besitzt der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht, sofern er nach den vorhergehenden Artikeln für Einkünfte oder Vermögensteile das Besteuerungsrecht hat. Von dieser Grundregel bleibt allerdings das Quellensteuerrecht des Quellenstaates nach Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg unberührt (Art. 20 Abs. 1 Satz 2 DBA-Luxemburg).

b) In Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg ist die Freistellung mit Progressionsvorbehalt geregelt (§ 32 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2 EStG; BFH Urteil vom 19. Dezember 2001 I R 63/00, BStBl II 2003, 302). Voraussetzung hierfür ist, dass nach den vorhergehenden Artikeln der Belegenheitsstaat (= der Vertragsstaat, der nicht Wohnsitzstaat ist) das Besteuerungsrecht besitzt (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und 2 DBA-Luxemburg).

c) Soweit es sich um sog. internationale Schachteldividenden handelt, beinhaltet Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg ein Schachtelprivileg;

Notwendige Voraussetzung für das Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg ist, dass

> eine Kapitalgesellschaft in einem Vertragsstaat (hier: Luxemburg)

> an eine Kapitalgesellschaft im anderen Staat (hier: Klägerin),

> die an der zahlenden Kapitalgesellschaft zu mindestens 25 v.H. beteiligt ist,

> Dividenden zahlt.

Alle in Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg verwandten Begriffe sind nicht im Abkommen selbst definiert, so dass über die Auslegungsregel des Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg - wie bereits oben ausgeführt - das deutsche Steuerrecht gilt.

Der Begriff der Kapitalgesellschaft wird für das deutsche Steuerrecht in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG abschließend geregelt. Danach stellen - wie oben ausgeführt - u.a. Gesellschaften mit beschränkter Haftung i.S. des GmbH-Gesetzes Kapitalgesellschaft dar; diese Voraussetzung des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg wird von der Klägerin erfüllt.

"Ausschüttende" Gesellschaft ist ein Luxemburger ... (-X-). Hierbei handelt es sich unstreitig um eine Aktiengesellschaft luxemburgischen Rechts, die auch nach luxemburgischem Zivilrecht eine juristische Person darstellt.

Ausländische juristische Personen sind nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts auch im Inland grundsätzlich als rechtsfähige Gebilde anzuerkennen (unter Aufgabe der früheren Sitztheorie nunmehr sowohl Bundesgerichtshof -BGH- als auch BFH zumindest für den Bereich der EU- und EWR-Staaten der Gründungstheorie folgend; vgl. Wilke, Die Gründungstheorie in der Rechtsprechung der obersten Gerichte in Deutschland, der Schweiz und Österreich, IWB Nr. 16/2005, Fach 10 Gruppe 2 Seite 1891).

Hat die Gesellschaft - wie im Streitfalle - nach dem Recht des Sitzstaates Rechtsfähigkeit und befindet sich die Geschäftsleitung im Sitzstaat, so ist zu prüfen, ob sie dem Typ nach einem der unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KStG fallenden Kapitalgesellschaften oder sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts entsprechen (sog. Typenvergleich; BFH Urteil vom 23. Juni 1992 IX R 182/87, BStBl II 1992, 972; vom 23. Juni 1993 I R 31/92, BFH/NV 1994, 661; vom 16. Dezember 1998 I R 138/97, BStBl II 1999, 437; vom 19. März 2002 I R 15/01, BFH/NV 2002, 1411, eine Zusammenfassung derjenigen ausländischer Gesellschaften, die den deutschen Kapitalgesellschaften entsprechen, findet sich im BMF-Schreiben vom 24. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1076, Anhang Anlage IV Tabelle 1, 2). Dies bedeutet dass für die steuerliche Beurteilung der Frage, ob die ausländische juristische Person eine Kapitalgesellschaft darstellt, die Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft nicht allein ausschlaggebend ist. Es kommt vielmehr auch darauf an, ob die ausländische Gesellschaft nach rechtlichem Aufbau und wirtschaftlicher Gestaltung einem der Rechtsgebilde entspricht, die selbst körperschaftsteuerpflichtig sind; nur dann, wenn die leitenden Gedanken des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts gegen eine Mitunternehmerschaft sprechen, ist das KStG anzuwenden (Reichsfinanzhof -RFH- Urteil vom 12. Februar 1930 VI A 899/27 Reichssteuerblatt -RStBl- S. 444, - sog. Venezuela-Fall -; BFH Urteil vom 6. November 1981 IV R 182/77, BStBl II 1981, 220; vom 3. Februar 1988 I R 134/84, BStBl II 1988, 588).

Diese Voraussetzungen sind für die -X- zu bejahen, sie ist somit Kapitalgesellschaft im Sinne des Abkommens.

Auch die Beteiligungsvoraussetzung - mittelbare oder unmittelbare Beteiligung in Höhe von mindestens 25 v.H. an der "ausschüttenden" Gesellschaft - ist seitens der Klägerin erfüllt.

4. a) Unstreitig flössen die Einnahmen der Klägerin nicht aus einer Beteiligung an einer in Luxemburg ansässigen Kapitalgesellschaft i.S. des Aktiengesetzes oder des GmbH-Gesetzes, sondern flössen aus der stillen Beteiligung am Handelsgewerbe der -X- Nach der übereinstimmend und nachdrücklich vertretenen Auffassung der Beteiligen handelt es sich um eine typisch stille Beteiligung i.S. des deutschen Rechts, einer Wertung, welcher der Senat - ungeachtet gewisser Vorbehalte gegen diese Rechtsauffassung - folgt.

Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts handelt es sich bei Einkünfte aus einer typisch stillen Beteiligung um Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz EStG.

Derartige Einkünfte unterliegen - sofern sie aus Luxemburg stammen - nach Art. 14 DBA-Luxemburg grundsätzlich der Besteuerung im Wohnsitzstaat (= Bundesrepublik). Zwar lautet die Überschrift dieses Artikels im DBA-Luxemburg "Zinsen", aber der Ausdruck wird in Art. 14 Abs. 3 DBA-Luxemburg definiert; hierzu zählen u.a. - sinngemäß Art. 11 Abs. 3 OECD-Musterabkommen entsprechend - " ... sowie alle anderen Einkünfte, die nach dem Steuerrecht des Staates, aus dem sie stammen [= Luxemburg], den Einkünften aus Darlehen gleichgestellt sind ." Nach dem Luxemburger Einkommensteuerrecht (impot sur le revenue des la personnes physique) werden die Einkünfte des typisch stillen Gesellschafters - ebenso wie die Einkünfte aus Darlehen - als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt.

Dies würde dann weiter bedeuten, dass auf derartige Einkünfte die Grundregel des Art. 20 Abs. 1 DBA-Luxemburg anzuwenden ist: Ausschließliches Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaats.

b) Nun regelt Nr. 11 des Schlussprotokolls zum DBA-Luxemburg vom 23. August 1958, BGBl. II, 1959, S. 1277 - aber Folgendes: "Wie ein Unternehmer wird ein stiller Gesellschafter behandelt, wenn mit seiner Beteiligung eine Beteiligung am Vermögen des Unternehmens verbunden ist [= grundsätzliche Besteuerung nach Art. 5 DBA-Luxemburg]. Ist dies nicht der Fall, so werden die Einkünfte aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter als Dividenden (Artikel 13) behandelt ." Dieses Schlussprotokoll ist wiederum nur in deutscher Sprache abgefasst, d.h. es existiert keine fremdsprachige Fassung.

Diese abkommensrechtliche Regelung bezüglich der Einkünfte aus einer (typischen) stillen Beteiligung und deren Qualifizierung als Dividenden entspricht der zur Zeit der Unterzeichnung des DBA-Luxemburg allgemein gültigen Fassung und Rechtsauffassung im internationalen Steuerrecht und ist in einer Reihe von Abkommen aus der damaligen Zeit zu finden:

A. Art. 10 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 (BGBl. II 1969, 18 - DBA-Belgien);

B. Art. 9 Abs. 6 Satz 2 Buchstabe b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl. II 1961, 398 - DBA-Frankreich);

C. Art. VI Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 (BGBl. II 1966, 359 - DBA-Großbritannien);

D. Art. II Abs. 1 Buchstabe (h) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie bei der Gewerbesteuer vom 17. Oktober 1962 (BGBl. II 1964, 267 - DBA-Irland);

E. Art. 2 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Staates Israel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Einkommen und bei der Gewerbesteuer vom 9. Juli 1962 (BGBl. II 1966, 330 - DBA-Israel).

c) Für die Auslegung des Schlussprotokolls zum DBA-Luxemburg zieht der Senat - neben den üblichen Auslegungsmethoden - auch die Auslegungsregel des Art. 31 der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl. II 1985, 926 - Wiener Vertragsrechtskonvention (WÜVR) -, heran, obwohl dieses Abkommens streng genommen nur auf Abkommen anwendbar ist, die nach dem Abschluss der WÜVR unterzeichnet wurden (vgl. BFH Urteil vom 14. März 1989 I R 20/87, BStBl. II 1989, 649). Andererseits ist in der völkerrechtlichen Literatur unbestritten, dass die WÜRV insoweit nur schon seit langem bestehendes Völkergewohnheitsrecht kodizifiert hat.

Bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags ist dessen Ziel und Zweck - einschließlich dem Wortlaut -, der systematische Zusammenhang sowie die Modalitäten des Abschlusses und der späteren Durchführung zu berücksichtigen. Dabei ist die historische Auslegung insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn sich seit dem Abschluss der völkerrechtlichen Vereinbarung die Vertragspraxis gegenüber der Vertragspraxis zur Zeit des Vertragsabschlusses geändert hat, und die Vertragsparteien ungeachtet dessen an dem ursprünglichen Vertragstext festhalten.

Geht man von den vorstehenden Grundsätzen aus, so ist der Senat der Auffassung, dass die Bestimmung in Ziffer 11 Satz 2 des Schlussprotokolls dahingehend auszulegen ist, dass die Einkünfte aus einer stillen Beteiligung uneingeschränkt den Dividenden gleichgestellt sind, d.h. als Dividenden im Sinne des Abkommens gelten. Demnach sind sie auch wie Dividenden zu besteuern, und kommt demnach auch die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg zur Anwendung, sofern die übrigen Voraussetzungen - wie im Streitfalle - erfüllt sind. Es ist kein Grund ersichtlich, dass der Begriff der Dividenden in Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg anders auszulegen ist als etwa in Art. 13 DBA-Luxemburg oder in Nr. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls. Somit existiert - entgegen den vorstehenden Ausführungen - zumindest für einen Teilbereich der Dividenden eine abkommensrechtliche Definition, die von den Vertragsparteien zu beachten ist.

Die vorstehende Begriffserläuterung entspricht den Abkommensbestimmungen in den anderen oben genannten Abkommen aus der damaligen Zeit und ist somit nach Auffassung des Senats historisch zutreffend.

Dass heute angesichts des OECD-Musterabkommens in der Form des Update 2003 die Praxis hinsichtlich der Besteuerung der Einkünfte aus einer stillen Beteiligung eine andere ist, verkennt der Senat nicht. Wenn aber die Vertragsparteien das DBA-Luxemburg an die aktuelle Rechtsauffassung anzupassen wünschen, ist der in der WÜRV und im Abkommen selbst vorgesehene Weg zu beschreiten und das Abkommen zu kündigen oder durch ein Revisionsabkommen zu ersetzen (vgl. BFH Urteil vom 11. Januar 1990 I R 63/88, BFH/NV 1990, 705 unter 1. a) der Entscheidungsgründe, sowie Urteil vom 1. Februar 1989 I R 74/86, BStBl II 1990, 4). Dass dieser Weg den Vertragsparteien bekannt ist und von ihnen auch schon beschriften wurde, ergibt sich aus der Revision des Schlussprotokolls durch das Ergänzungsprotokoll vom 15. Juni 1973. Zu diesem Zeitpunkt hafte sich im internationalen Steuerrecht hinsichtlich der Besteuerung von Einkünften aus einer stillen Beteiligung bereits die neuere Rechtsauffassung durchgesetzt; ungeachtet dessen haben die Vertragsparteien eine Änderung der Nr. 11 des Schlussprotokolls oder eine Klarstellung nicht vereinbart. Daraus ist zu schließen, dass sie an der historischen Rechtslage auch für die Zukunft festhalten.

Da völkerrechtliche Verträge zu beachten sind - vgl. Art. 26 WÜRV - und ein einseitiges Lossagen vom Vertrag unter Berufung auf innerstaatliches Recht ausgeschlossen ist - vgl. Art. 27 Satz 1 WÜRV - muss die Bundesrepublik, wenn sie die vom FA weisungsgemäß vertretene Rechtsauffassung als vertragsgemäß umsetzen will, ggf. den Weg des Art. 26 Abs. 3 DBA-Luxemburg gehen. Diesen ist sie aber bis heute nicht gegangen, so dass auch aus diesem Grunde der Senat die oben dargestellte Rechtsauffassung vertritt. Demgemäß war der Klage in vollem Umfange statt zu geben.

5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 FGO.

6. Die Revision wird nach § 115 Abs. Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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