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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 08.01.2007
Aktenzeichen: 6 K 299/06
Rechtsgebiete: FlurbG


Vorschriften:

FlurbG § 15 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 K 299/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein im Rahmen eines zu erfassen ist.

Die Kläger werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wobei er seinen Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt. Die Klägerin ist Hausfrau.

Mit Vertrag vom 18. Mai 1983/10. Mai 1987 verzichtete der Kläger im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens auf Zuteilung seines Anspruchs im Block I mit 89,49 ar zu Gunsten der Gemeinde -X- gegen Wertausgleich bei später eintretender besonderer Verwertbarkeit.

Mit Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 übereignete der Kläger das in das Flurbereinigungsverfahren einbezogene, im Block I gelegene und zu seinem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörende Flurstück I mit einer Größe von 89,13 ar unentgeltlich an die Klägerin. In § 8 des Schenkungsvertrages ist hierzu ausgeführt:

"...Dem Erwerber ist bekannt, dass er mit dem Erwerb als neuer Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren eintritt und das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch oder bis zur Anmeldung des Erwerbs durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen muss. ... Eventuelle weitere Lasten des Flurbereinigungsverfahrens sind vom Erwerber zu tragen. Ein eventueller Rückerstattungsanspruch des Veräußerers für die geleisteten Beiträge wird an den Erwerber hiermit abgetreten, welcher diese Abtretung annimmt. ... Zwischen Veräußerer und Erwerber findet diesbezüglich ein Ausgleich nicht statt."

Den aufgrund der unentgeltlichen Übertragung des Flurstücks erzielten Entnahmegewinn versteuerte der Kläger im Wirtschaftsjahr 1994/1995.

Das Eigentum an den aufgrund des Flurbereinigungsverfahrens neu zugeteilten Grundstücken ging am 14. Juli 1997 auf die Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens über.

Am 18. Februar 1999 wurde der Bebauungsplan bestandskräftig. Die besondere Verwertbarkeit trat damit ein.

Die Klägerin klagte am 4. September 2001 den Wertausgleich vor dem Verwaltungsgericht -A- ein, wobei der Kläger vorsorglich seine Ansprüche an die Klägerin abtrat. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren endete am 7. April 2003 durch Vergleich, in dem sich unter anderem die Gemeinde -X- dazu verpflichtete, an die Klägerin 230.081,34 EUR (450.000,00 DM) zu bezahlen.

Auf der Grundlage einer am 3. November 2005 begonnenen Außenprüfung erließ das beklagte Finanzamt - FA - am 15. Dezember 2005 einen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - geänderten Einkommensteuerbescheid 1999, wobei es einen auf das Streitjahr entfallenden Wertausgleich in Höhe von 225.000,00 DM den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft hinzurechnete.

Hiergegen legte der Steuerberater der Kläger mit Schreiben vom 16. Dezember 2005 Einspruch ein.

Dieser wurde mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2006 unter Hinweis auf § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und § 4 BewG mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Anspruch auf den Wertausgleich als aufschiebend bedingte Forderung erst im Jahr des Eintritts der Bedingung, nämlich mit Bestandskraft des Bebauungsplans, im Betriebsvermögen zu erfassen sei. Der Wertausgleich sei ein vom Grund und Boden losgelöstes Recht, über welches gesondert verfügt werden könne. Mit Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 sei nur das Flurstück I (neu II) nicht aber der Wertausgleich übertragen worden. Soweit auch die Schenkung des zu erwartenden Wertausgleichs vorgesehen gewesen wäre, hätte dies in den Vertrag aufgenommen werden müssen. Dass die Klägerin selbst den Wertausgleich eingeklagt habe, stehe dem nicht entgegen, da der Kläger laut Klageschrift vom 4. September 2001 alle Entschädigungsansprüche an die Klägerin abgetreten habe.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2006 wurde hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung wurde angeführt, dass durch den Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 sämtliche Ansprüche aus dem Flurbereinigungsverfahren auf die Klägerin übergegangen seien, wozu auch der Ausgleichsanspruch gehöre. Das Flurstück I sei im Zuge des Vollzuges des Schenkungsvertrages aus dem Betriebsvermögen des Klägers entnommen und versteuert in das Privatvermögen der Klägerin übergeführt worden. Wenn der Ausgleichsanspruch nicht auf die Klägerin übergegangen sei, befände er sich im Privatvermögen des Klägers.

Die Kläger beantragen,

den geänderten Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15. Dezember 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung -,

1. die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

2. für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beim FA beigezogenen Steuerakten und die Niederschriften über den Erörterungstermin vom 14. November 2006 und der mündlichen Verhandlung vom 8. Januar 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid für 1999 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 15. Dezember 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2006 ist rechtswidrig und verletzt dadurch die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Wertausgleich unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG - nicht der Einkommensteuer; er ist insbesondere im Streitjahr nicht bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers zu erfassen.

1. Der Wertausgleich ist gemäß § 15 Satz 1 Flurbereinigungsgesetz - FlurbG - kraft Gesetzes durch die unentgeltliche Übertragung des in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachten Flurstücks I mit Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 auf die Klägerin übergegangen.

Gemäß § 15 FlurbG muss nämlich derjenige, der ein Grundstück erwirbt, das im Flurbereinigungsgebiet liegt, das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch oder bis zur Anmeldung des Erwerbs durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen, d.h. der Erwerber eines solchen Grundstücks tritt kraft Gesetzes mit allen Rechten und Pflichten als neuer Teilnehmer in das Flurbereinigungsverfahren ein (Seehusen/Schwede, FlurbG-Kommentar, 7. Auflage 1997, § 15 Rn. 2; Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Erl. § 15 Rn. 4).

Die Klägerin hat mit Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 nicht das aufgrund des Flurbereinigungsverfahrens neu zuzuteilende Flurstück II, sondern das in das Flurbereinigungsverfahren eingebrachte Flurstück I unentgeltlich vom Kläger erworben, denn bis zum Eintritt des im Flurbereinigungsplan vorgesehenen neuen Rechtszustandes, welcher vorliegend gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG vorzeitig am 14. Juli 1997 erfolgt ist, sind noch die alten (eingeworfenen) Grundstücke Gegenstand des Rechts- und Grundbuchverkehrs (Seehusen/Schwede, a.a.O., § 15 Rn. 4). Die Klägerin ist damit Teilnehmerin des Flurbereinigungsverfahrens geworden und muss deshalb alle rechtserheblichen Erklärungen des Rechtsvorgängers, welche dieser im Flurbereinigungsverfahren abgegeben hat, gegen sich gelten lassen (vgl. Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs - VGH - vom 13. Juli 2004 13 A 02.542, juris-Datenbank).

Im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens hatte der Kläger mit Vertrag vom 18. Mai 1983/10. Mai 1987 auf die Zuteilung seines Anspruchs im Block I mit 89,49 ar verzichtet gegen Zuteilung eines neuen Grundstücks außerhalb von Block I und Wertausgleich in Geld bei besonderer Verwertbarkeit des eingebrachten Grundstücks. An diese Erklärung ist die Klägerin gebunden. Da sie andererseits aber auch hinsichtlich aller im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens entstandener Rechte in die Rechtsnachfolge eintritt, ist auch der Abfindungsanspruch, welcher sich vorliegend aus dem neuen Grundstück II und dem Wertausgleich wegen besonderer Verwertbarkeit zusammensetzt (vgl. hierzu auch Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 9. März 1989 7 S 1484/88, AgrarR 1990, 299), auf sie übergegangen (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 16. August 1995 11 C 21/94, Buchholz 424.01 § 15 FlurbG Nr. 4).

Aufgrund der nach § 15 FlurbG kraft Gesetzes eintretenden Rechtsfolge teilt der Anspruch auf Wertausgleich bei besonderer Verwertbarkeit das Schicksal des übertragenen Grundstücks, so dass es im Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 insoweit auch keiner expliziten Erwähnung bedurfte.

2. Durch die unentgeltliche Übertragung des Flurstücks I auf die Klägerin am 21. Dezember 1994 wurde dieses aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb des Klägers entnommen und der Besteuerung im Wirtschaftsjahr 1994/1995 unterworfen. Der Anspruch auf Wertausgleich bei besonderer Verwertbarkeit war als aufschiebend bedingte Forderung gemäß § 158 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht entstanden, da die für seine Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen noch nicht gesetzt wurden und mit der künftigen zivilrechtlichen Entstehung dieses Anspruchs - im Gegensatz zum Anspruch auf Zuteilung eines Grundstücks als Ersatz für das eingebrachte Grundstück - noch nicht fest gerechnet werden konnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. April 1995 I R 92/94, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1995, 594; BFH-Urteil vom 17. September 1992 I R 24/92, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1994, 578 m.w.N.), weshalb auch eine Entnahme insoweit nicht in Betracht kommt.

Der Anspruch auf Wertausgleich bei besonderer Verwertbarkeit befand sich zum Zeitpunkt seiner Entstehung mit Eintritt der Bedingung gemäß § 158 BGB, also mit Bestandskraft des Bebauungsplans im Jahre 1999, aufgrund Übergehens auf die Klägerin kraft Gesetzes gemäß § 15 FlurbG im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung des Flurstücks I durch Schenkungsvertrag vom 21. Dezember 1994 im Privatvermögen der Klägerin, so dass sich der Zufluss des Wertausgleiches in Höhe von 230.081,34 EUR im Jahre 2003 auf der privaten Vermögensebene der Klägerin zugetragen hat und damit - insbesondere im Streitjahr - nicht der Einkommensteuer unterliegt.

3. Aber auch wenn man abweichend hiervon der Auffassung des VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 9. März 1989 7 S 1484/88, a.a.O.) folgt, wonach der flurbereinigungsrechtliche Abfindungsanspruch ein eigentumsrechtliches Anwartschaftsrecht begründet, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. Für diesen Fall wurde der im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Klägers entstandene Anspruch auf Wertausgleich zusammen mit dem unentgeltlich übertragenen Grundstück, dessen Schicksal er teilt, in 1994 entnommen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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