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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: 6 K 431/04
Rechtsgebiete: KStG, AO, FGO


Vorschriften:

KStG § 47 Abs. 1
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 K 431/04

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Umfang der Änderung bestandskräftiger Bescheide des Jahres 1992 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO -.

Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 5. Juni 1991 gegründet. Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung innovativer Produkte und Anwendungen ...... Werkstoffe, insbesondere die Herstellung, Be- und Verarbeitung von sowie der Handel mit technischen Produkten wie ... und .............. Produkten, ........ und .......... Das Stammkapital der Klägerin betrug im Streitjahr 20 Mio. DM. Alleinige Gesellschafterin war die X-AG. Im Streitjahr wurde der Sitz der Klägerin von T nach C verlegt und ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September eingeführt, so dass es sich beim Streitjahr um ein Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. September 1992 handelt.

Die Klägerin reichte am 15. November 1993 die Körperschaftsteuererklärung 1992 sowie die Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz -KStG -beim beklagten Finanzamt -FA -ein, woraufhin am 10. Juni 1994 die entsprechenden Bescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO ergingen.

Am 7. März 1994 wurden geänderte Erklärungen eingereicht, weshalb das FA am 25. Juli 1994 gemäß § 164 Abs. 2 AO unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Bescheide erließ.

Gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1992 legte die Klägerin Einspruch ein, welchem durch geänderten Bescheid vom 11. November 1994 abgeholfen wurde.

Ab 14. Dezember 1995 wurde durch das Finanzamt für Konzernprüfung T eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für das Veranlagungsjahr 1991 durchgeführt. Im Betriebsprüfungsbericht vom 9. November 2000 wurde durch den Prüfer insbesondere festgestellt, dass hinsichtlich der Organgesellschaft -Z-GmbH -bei der Klägerin als Organträgerin ein aktiver steuerlicher Ausgleichsposten in Höhe von insgesamt 743.817 DM in der Bilanz zum 31. Dezember 1991 zu bilden ist.

In der beim FA für das Streitjahr eingereichten Bilanz war ein aktiver steuerlicher Ausgleichsposten unstreitig nicht ausgewiesen.

Ab 5. Mai 1998 wurde durch die Zentrale Konzern- und Großbetriebsprüfungsstelle für den Oberfinanzbezirk .... eine Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Veranlagungsjahre 1993 bis 1996 durchgeführt. Im Betriebsprüfungsbericht vom 21. Januar 2001 wurde der im Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts für Konzernprüfung T vom 9. November 2000 zum 31. Dezember 1991 gebildete aktive steuerliche Ausgleichsposten in Höhe von 743.817 DM unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderabführungen durch die Z-GmbH für die Folgejahre fortgeschrieben. Hierbei wurde für 1992 eine unstreitige Minderabführung in Höhe von 242.500 DM berücksichtigt.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2001 an die Zentrale Konzern- und Großbetriebsprüfungsstelle für den Oberfinanzbezirk .... nahm die X-AG Bezug auf die Feststellungen im Prüfungsbericht vom 9. November 2000 und wies darauf hin, dass die nachträgliche Berichtigung der Bilanzansätze zum 31. Dezember 1991 bei der Klägerin zu einer Änderung der Anfangsbilanz des Jahres 1992 führe, weshalb die Veranlagung 1992 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berichtigen sei. Daraufhin forderte das FA mit Schreiben vom 6. März 2001 die Klägerin über die X-AG dazu auf, geänderte Steuererklärungen für das Jahr 1992 einzureichen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin am 14. Mai 2001 nach.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2001 wies das FA darauf hin, dass ausgehend von den Feststellungen im Prüfungsbericht vom 9. November 2000 neben einem steuerlichen Ausgleichsposten in Höhe von 743.817 DM die Minderabführung in 1992 in Höhe von 242.500 DM zum Bilanzstichtag 30. September 1992 zu berücksichtigen sei und forderte die Klägerin unter Fristsetzung zur Einreichung einer korrigierten Steuerbilanz zum 30. September 1992 auf.

Nach fruchtlosem Fristablauf erließ das FA jeweils am 23. Oktober 2001 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG sowie einen geänderten Bescheid zum 30. September 1992 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG. Hierbei wurde das erklärte negative Einkommen in Höhe von 1,618 Mio. DM auf ein negatives Einkommen in Höhe von 1.009.535 DM reduziert. Darüber hinaus erging erstmals am 2. November 2001 ein Bescheid auf den 31. Dezember 1992 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer.

Gegen den Bescheid über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG und den Bescheid zum 30. September 1992 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG legte die X-AG namens der Klägerin mit Schreiben vom 16. November 2001 Einspruch ein unter anderem mit der Begründung, dass für die Veranlagung 1992 keine Verjährung eingetreten sei, soweit es die Änderung der Anfangsbilanz auf den 1. Januar 1992 betreffe. Die Bilanzansätze auf den 30. September 1992 könnten hingegen nicht mehr korrigiert werden, weshalb der Steuerbilanzverlust um 986.317 DM zu erhöhen sei.

Bezüglich nicht streitgegenständlicher Positionen ergingen am 15. Februar 2002 Teilabhilfebescheide, wobei das FA auch einen geänderten Bescheid auf den 31. Dezember 1992 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer erließ. Die X-AG erhob mit Schreiben vom 12. März 2002 gegen sämtliche am 15. Februar 2002 ergangenen Bescheide -explizit auch gegen den Verlustfeststellungsbescheid -den außergerichtlichen Rechtsbehelf des Einspruchs. Auf Hinweis des FA vom 15. März 2002, dass die Einsprüche unbegründet seien, da die geänderten Bescheide gemäß § 365 Abs. 3 Satz 1 AO zum Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens würden, wurde vom Vertreter der Klägerin mit Schreiben vom 20. März 2002 darum gebeten, das Einspruchsschreiben vom 12. März 2002 als Antrag auszulegen, die dort genannten Steuerbescheide zum Gegenstand des aktuellen Einspruchsverfahrens zu machen.

Am 24. Juli 2002 ergingen weitere Teilabhilfebescheide, wobei im Körperschaftsteuerbescheid nunmehr eine negative Körperschaftsteuer festgesetzt wurde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 22. November 2004 wurde der Einspruch im Übrigen zurückgewiesen, wobei über den Einspruch gegen den Bescheid auf den 31. Dezember 1992 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer hierin nicht entschieden wurde. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH -vom 19. August 1999 IV R 73/98 führt das FA in der Einspruchsentscheidung aus, dass die nachträgliche Berichtigung eines Bilanzpostens in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 1991 zu einer Änderung der Anfangsbilanz 1992 und damit auch zur Berichtigung der bestandskräftigen Veranlagung des Jahres 1992 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führe. Da Bilanzwerte zu Beginn und Ende eines Wirtschaftsjahres lediglich Rechnungsposten für die Gewinnermittlung seien, seien diese, wenn die Steuerveranlagung verfahrensrechtlich abänderbar sei, uneingeschränkt überprüf- und abänderbar.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 8. Dezember 2004 Klage. Zur Begründung führt sie an, dass die durchgeführten Betriebsprüfungen nicht zu einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO im Streitjahr 1992 geführt hätten. Das FA habe die Änderung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids 1992 ausschließlich auf die Änderungsnorm des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO stützen können. Diese Änderungsnorm ermögliche aber lediglich eine punktuelle Korrektur und keine Gesamtaufrollung des Steuerfalls. Als rückwirkendes Ereignis komme ausschließlich die Änderung der Schlussbilanz der Klägerin zum 30. September 1991 (korrekterweise: 31. Dezember 1991) in Betracht, die entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Änderung der Anfangsbilanz zum 1. Oktober 1991 (korrekterweise: 1. Januar 1992) rechtfertige. Demgemäß sei vorliegend als rückwirkender Sachverhalt ausschließlich die Anfangsbilanz zum 1. Oktober 1991 (korrekterweise: 1. Januar 1992) anzupassen. Die Schlussbilanzwerte seien hingegen nicht änderbar. Denn die Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 1992 richte sich nach der steuerlichen Wirksamkeit des Ereignisses, dem steuerliche Wirkung für die Vergangenheit beigemessen werde. Da die Änderung der Anfangsbilanz der Klägerin zum 1. Oktober 1991 (korrekterweise: 1. Januar 1992) lediglich eine punktuelle Änderung der Steuerfestsetzung erlaube, könne eine Weiterentwicklung des steuerlichen Ausgleichspostens zum 30. September 1992 -wie durch das FA in Höhe von 242.500 DM vorgenommen -nicht erfolgen. Die Schlussbilanz der Klägerin zum 30. September 1992 sei wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr änderbar, so dass der Ausgleichsposten zum 30. September 1992 entgegen der Auffassung des FA nur 743.817 DM betrage. Die Anpassung der Anfangsbilanz zum 1. Oktober 1992 (korrekterweise: 1. Januar 1992) sowie die steuererhöhende Erfassung der Minderabführung 1992 in Höhe von 242.500 DM seien zwei verschiedene Sachverhalte, die jeweils getrennt voneinander verfahrensrechtlich zu beurteilen seien. Mit den Steuerbescheiden vom 31. Mai 1999 habe das FA die bei der Organgesellschaft Z-GmbH unter anderem für das Veranlagungsjahr 1992 durchgeführte Betriebsprüfung ausgewertet. Es habe sich für 1992 unstreitig eine Minderabführung von 242.500 DM ergeben, welche mittels Mitteilung für den Organträger gegenüber der Klägerin bekanntgegeben worden sei. Eine Rechtsgrundlage für eine Änderung der streitgegenständlichen Steuerbescheide 1992 gegenüber der Klägerin infolge der geänderten Mitteilung vom 31. Mai 1999 über das nunmehr um 242.500 DM erhöhte Einkommen der Z- GmbH sei nicht ersichtlich. MitUrteil vom 28. Januar 2004 I R 84/03 (Bundessteuerblatt -BStBl -II 2004, 539) habe der BFH entschieden, dass eine nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ergangene "Mitteilung für den Organträger" nicht mehr durch das für die Steuerveranlagung des Organträgers zuständige Finanzamt ausgewertet werden könne. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO scheide vorliegend aus, da der Vorbehalt entfallen sei. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sei -so der BFH in derEntscheidung vom 28. Januar 2004 I R 84/03 -ebenfalls nicht einschlägig. Eine Änderung der der Klägerin gegenüber ergangenen Steuerfestsetzung könne auch nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützt werden, da das hierfür erforderliche rückwirkende Ereignis unter den im Sachverhalt zu beurteilenden Gegebenheiten -Vorliegen einer geänderten Mitteilung für den Organträger für 1992 -nicht vorliege. Die geschilderten Zusammenhänge bei der Ermittlung des Einkommens von Organträger und Organgesellschaft im Organkreis verdeutlichten vielmehr, dass das Einkommen der Organgesellschaft trotz seiner für sich genommen selbständigen Ermittlung nach Zurechnung zum Einkommen des Organträgers nur als unselbständiges Besteuerungsmerkmal in dessen Veranlagung eingehe. Spätere Änderungen dieses zugerechneten Einkommens wirkten sich also nicht anders als sonstige Änderungen der Besteuerungsmerkmale beim Organträger aus. Sie offenbarten -so der BFH in derEntscheidung vom 28. Januar 2004 I R 84/03 -möglicherweise einen Ermittlungsfehler, der jedoch steuerlich nicht zurückwirke. Die geänderte Einkommensermittlung bei der Organgesellschaft stelle auch keine neue Tatsache dar, welche eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO rechtfertigen könne. Die Tatsache, dass eine gewinnerhöhende Berücksichtigung der Minderabführung nach der Rechtsprechung des BFH nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ausgeschlossen sei, führe konsequenterweise zu einem Ausschluss der Bilanzberichtigung zum 30. September 1992. Andernfalls würde dieses dem Rechtsfrieden in besonderem Maße dienende Rechtsinstitut der Korrekturnormen auf dem Umweg der Bilanzberichtigung aus den Angeln gehoben.

Die Bescheide vom 24. Juli 2002 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG für 1992, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 30. September 1992 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 1992 wurden in nicht streitgegenständlichen Punkten erneut mit den Bescheiden vom 11. Mai 2005 geändert, wobei im Körperschaftsteuerbescheid 1992 weiterhin eine negative Körperschaftsteuer festgesetzt wurde.

Die Klägerin beantragt,

1. Den Bescheid für 1992 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG und den Bescheid zum 30. September 1992 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG jeweils vom 11. Mai 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 22. November 2004 zu ändern und ein negatives Einkommen von 1.288.679 DM festzustellen.

2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt es Bezug auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beim FA beigezogenen Steuerakten und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig.

Auch wenn vorliegend im Körperschaftsteuerbescheid 1992 vom 11. Mai 2005 keine Steuerschuld festgesetzt wurde, ist die Klage hiergegen zulässig, da dennoch für die Klägerin eine Beschwer im Sinne des § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO -besteht.

Gemäß § 47 Abs. 2 KStG 1991 in der Fassung, die er durch das Steueränderungsgesetz 1992 (Bundesgesetzblatt -BGBl. -I 1992, 297) erfahren hat, welche erstmals für den Veranlagungszeitraum 1992 anzuwenden ist, ist der Körperschaftsteuerbescheid Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 47 Abs. 1 KStG unter anderem hinsichtlich des zu versteuernden Einkommens, der Tarifbelastung und der Minderung und Erhöhung der Körperschaftsteuer nach § 27 KStG und für den Bescheid über die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 3 Einkommensteuergesetz -EStG -hinsichtlich des Einkommens.

Aufgrund dieser für den Verlustfeststellungsbescheid und für Zwecke der Gliederungsrechnung bindenden Einkommensfeststellung bleibt die alleinige Anfechtung eines Körperschaftsteuerbescheids, in welchem wie im vorliegenden Fall -keine Steuerschuld festgesetzt wurde, zulässig (vgl. BFH-Urteile vom 16. März 1988 I R 188/84, BStBl II 1988, 683, vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BStBl II 1988, 463 undvom 8. November 1989 I R 174/86, BStBl II 1990, 91; BFH-Beschluss vom 18. Mai 1983 I R 263/82, BStBl II 1983, 602; Urteil des Finanzgerichts -FG -Köln vom 22. Juni 2005 13 K 5304/04, Entscheidungen der FG -EFG -2005, 1623; 103a Körperschaftsteuer-Richtlinien 1990).

II. Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid für 1992 über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG und der Bescheid zum 30. September 1992 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG jeweils vom 11. Mai 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 22. November 2004 verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das FA hat zu Recht im Rahmen der Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO eine Minderabführung im Streitjahr in Höhe von 242.500 DM gewinnerhöhend berücksichtigt.

1. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).

a) Mit Urteil vom 19. August 1999 IV R 73/98 (BStBl II 2000, 18) hat der BFH entschieden, dass die Korrektur eines Wertansatzes, welcher für das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres maßgebend ist und der sich auf die Höhe des Gewinns des Folgejahres auswirkt, hinsichtlich der Veranlagung für das Folgejahr ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung darstellt. Denn nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt sich, dass bei der Gewinnermittlung des Folgejahres von dem Betriebsvermögen auszugehen ist, auf dem die Veranlagung des Vorjahres beruht, solange diese Veranlagung nicht geändert worden ist. Das Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ist nämlich materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal des Steueranspruchs für das Folgejahr und damit Teil des Sachverhalts, der der Steuerfestsetzung zugrunde liegt.

b) In derEntscheidung vom 15. März 2000 VIII R 34/96 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV -2001, 297) führt der BFH unter Bezugnahme auf dieEntscheidung vom 19. August 1999 IV R 73/98 aus, dass die Auflösung einer Rückstellung in der Schlussbilanz eines Jahres zur Folge hat, dass die Anfangsbilanz des folgenden Jahres, aber auch gegebenenfalls die Schlussbilanz des Folgejahres nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend zu korrigieren ist.

c) Schließlich hat der BFH mit Urteil vom 30. Juni 2005 IV R 11/04 (BStBl II 2005, 809) entschieden, dass der Durchbrechung der Bestandskraft im Rahmen der Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs nicht entgegensteht. Entscheidend ist, dass der materielle Bilanzenzusammenhang es gebietet, den berichtigten Wertansatz bei der Gewinnermittlung zugrunde zu legen. Dies hat zur Folge, dass unterlassene Anpassungen in Zwischenjahren zu berücksichtigen sind. Die Änderung der Veranlagung des Folgejahres ist nur in dem Umfang rechtens, in dem sie es wäre, wenn auch für Zwischenjahre eine Änderung vorgenommen worden wäre. Alle im Zusammenhang mit der korrigierten Bilanzposition vorzunehmenden Änderungen sind durchzuführen. Auf diese Weise erhält das Verfahrensrecht Vorrang vor dem Ziel der Erfassung eines richtigen Totalgewinns. Es geht insoweit nicht um die mit dem Schlagwort "formeller Bilanzenzusammenhang" gekennzeichnete Frage, in welcher Veranlagung ein in bestandskräftig veranlagten Jahren aufgetretener Bilanzierungsfehler gewinnwirksam zu korrigieren ist, sondern um die Frage, in welcher Weise die Bilanzen der Folgejahre an die Bilanzkorrektur eines Vorjahres anzupassen sind. Die Fälle unterscheiden sich insoweit, als für die zweite Fallgruppe nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Möglichkeit besteht, die Bestandskraft der Veranlagungen der Folgejahre zu durchbrechen. Das FA hat demnach -anders als in den Fällen des formellen Bilanzenzusammenhangs -die Möglichkeit, alle Folgebilanzen -unabhängig von der inzwischen eingetretenen Rechtskraft -anzupassen und auf diese Weise periodengerechte Ergebnisse zu erzielen. Unterbleibt eine Anpassung für ein Zwischenjahr und lässt sie sich infolge zwischenzeitlich eingetretener Verjährung nicht mehr nachholen, so tritt die gleiche Wirkung ein, wie wenn in anderen Fällen eine zutreffende Veranlagung wegen Ablaufs der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist nicht mehr möglich ist. Der materielle Bilanzenzusammenhang gebietet es, den geänderten Bilanzansatz des Vorjahres auch den Veranlagungen der Folgejahre zugrunde zu legen. Die Lehre vom materiellen Bilanzenzusammenhang ist indessen dadurch gekennzeichnet, dass stets der materiell zutreffende Bilanzansatz zu wählen ist und dass sich die Konsequenzen, die sich für nicht mehr änderbare Veranlagungen ergeben, allein nach dem Verfahrensrecht der AO richten.

d) Der erkennende Senat folgt diesen den Beteiligten bekannten Entscheidungen und nimmt vollinhaltlich darauf Bezug. Für die Streitsache ergibt sich hieraus:

aa) Als Ergebnis der Betriebsprüfung des Finanzamts für Konzernprüfung T für das Veranlagungsjahr 1991 war zum 31. Dezember 1991 ein steuerlicher Ausgleichsposten zu bilden. Diese Änderung des Jahresendvermögens zum 31. Dezember 1991, die durch den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1991 vom 30. Januar 2001 manifestiert wurde, ist bezogen auf den bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheid 1992 vom 11. November 1994 ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, denn zum Zeitpunkt des Ergehens des Körperschaftsteuerbescheids 1992 am 11. November 1994 konnte das FA das erst Jahre später durch die Betriebsprüfung neu ermittelte Jahresendvermögen zum 31. Dezember 1991 noch nicht berücksichtigen.

bb) Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide vom 23. Oktober 2001 war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

(a) Die Festsetzungsfrist für die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beginnt gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(b) Das maßgebende Ereignis in diesem Sinne ist vorliegend das geänderte Betriebsvermögen aufgrund der durch die Betriebsprüfung geänderten Bilanzansätze in der Bilanz zum 31. Dezember 1991. Dieser Vorgang wurde wirksam mit der Bekanntgabe des geänderten Körperschaftsteuerbescheids 1991 vom 30. Januar 2001. Die Festsetzungsfrist begann somit mit Ablauf des 31. Dezember 2001 und endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des 31. Dezember 2005, so dass zum Zeitpunkt des Ergehens der angefochtenen Bescheide am 23. Oktober 2001 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war.

cc) Aufgrund der geänderten Schlussbilanz zum 31. Dezember 1991 war daher gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO die Anfangsbilanz zum 1. Januar 1992 anzupassen und der im Rahmen der Betriebsprüfung zum 31. Dezember 1991 gebildete aktive steuerliche Ausgleichsposten in Höhe von 743.817 DM zu übernehmen. Nach der Lehre des materiellen Bilanzenzusammenhangs und der periodengerechten Gewinnermittlung war aber nicht nur die Anfangsbilanz zum 1. Januar 1992 zu korrigieren, sondern die gesamte Veranlagung 1992 durch Fortentwicklung des steuerlichen Ausgleichspostens im Streitjahr anzupassen und somit der Gewinn um die damit im Zusammenhang stehende Minderabführung der Z- GmbH in Höhe von 242.500 DM zu erhöhen. Der insoweit von der Klägerin zu Unrecht bestrittene Zusammenhang zwischen dem rückwirkenden Ereignis in der Form des steuerlichen Ausgleichspostens und der Minderabführung ergibt sich bereits daraus, dass auch Ursprung des von der Betriebsprüfung erstmalig gebildeten Ausgleichspostens die bei der Klägerin als Organträgerin zu berücksichtigenden Gewinnänderungen der Z-GmbH als Organgesellschaft war.

e) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des BFH vom 28. Januar 2004 I R 84/03 (BStBl II 2004, 539 ). Diese ist vorliegend nicht einschlägig.

Die Klägerin weist zwar insoweit zutreffend darauf hin, dass eine Rechtsgrundlage für eine Änderung der streitgegenständlichen Steuerbescheide 1992 infolge der geänderten Mitteilung vom 31. Mai 1999 über das nunmehr um 242.500 DM erhöhte Einkommen der Z-GmbH nicht ersichtlich ist. Hierauf kommt es vorliegt aber auch nicht an. Denn im Gegensatz zum Sachverhalt, der der Entscheidung des BFH vom 28. Januar 2004 I R 84/03 zugrunde lag, ist vorliegend nicht die isolierte Änderung des dem Organträger zuzurechnenden Einkommens der Organgesellschaft und eines jener gegenüber ergangenen Körperschaftsteuerbescheids Grundlage für eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, sondern der Umstand, dass Wertansätze in der Schlussbilanz eines Vorjahres geändert werden und hierdurch als rückwirkendes Ereignis eine Anpassung der Wertansätze in der Anfangsbilanz des Folgejahres und nach der Lehre des materiellen Bilanzenzusammenhangs und der periodengerechten Gewinnermittlung eine Fortentwicklung der geänderten Bilanzposition vorzunehmen ist. Im Unterschied zu der Entscheidung des BFH vom 28. Januar 2004 I R 84/03 stellt vorliegend nicht die geänderte Mitteilung für den Organträger das rückwirkende Ereignis dar, sondern die Bildung eines aktiven steuerlichen Ausgleichspostens in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 1991. 41 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. 42 3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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