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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: 6 K 83/07
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 26a Abs. 2 S. 1
EStG § 33 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 K 83/07

Tatbestand:

Streitig ist Höhe der zumutbaren Belastung bei Durchführung einer getrennten Veranlagung.

Der Kläger ist verheiratet und lebt im Güterstand der Gütertrennung. In den Streitjahren 2001 und 2002 erzielte er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Seine am 11. März 2003 verstorbene Mutter, A.B. (geb. am 24. Dezember 1916) bedurfte wegen ihrer Herzschwäche der ständigen Pflege und wurde im März 2000 ausschließlich aufgrund ihrer Krankheit in ein Pflegeheim eingewiesen und ihr eigener Haustand aufgelöst. Aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit wurde sie gem. §§ 14, 15 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) zugeordnet. Da die eigenen Einkünfte der Mutter - zusammen mit dem Pflegegeld - nicht ausreichten, die Heimkosten zu decken, beantragte die Mutter Sozialhilfe. Diese wurde zunächst gewährt, jedoch ab April 2002 mit dem Hinweis, der unterhaltsverpflichtete Kläger habe aufgrund seines Einkommens für diese Mehrkosten aufzukommen, wieder abgelehnt. Mit Schreiben vom 13. September 2001, auf das wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 16 f. der ESt- Akten -getrennte Veranlagung-), zog das Sozialamt der Stadt X. aufgrund der vorübergehend gewährten Sozialhilfezahlungen den Kläger als einzigen seiner Geschwister zum Unterhalt für seine Mutter heran. Die der Mutter gewährten Sozialhilfezahlungen wurden bis einschließlich März 2002 durch die Unterhaltsaufwendungen des Klägers in voller Höhe ersetzt. Ab April 2002 entrichtete der Kläger die durch die eigenen Einkünfte und Bezüge der Mutter nicht gedeckten Heimkosten direkt an das Pflegeheim. Die Mutter erzielte in den beiden Streitjahren eigene Einkünfte und Bezüge, die sie für ihren Unterhalt einsetzte und die sowohl über den Regelsätzen nach dem Bundessozialhilfegesetz der betreffenden Jahre als auch über dem von der Verwaltung als Haushaltsersparnis anzusetzenden Wert lagen. Die Zahlungen des Klägers an das Sozialamt bzw. an das Heim in Höhe von 15.548,66 DM in 2001 sowie in Höhe von 6.900 EUR in 2002 wurden ausschließlich für krankheitsbedingte Aufwendungen (Unterbringung, Pflegeleistungen und Verpflegung) seiner Mutter verwendet.

Zusammen mit selbstgetragenen Krankheitskosten entstanden dem Kläger in 2001 außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 16.148 DM in 2001 sowie von 6.954 EUR in 2002.

Aufgrund der am 5. April 2002 beim beklagten Finanzamt (Beklagter -FA-) eingegangenen Einkommensteuer(ESt-)erklärung führte das FA für das Streitjahr 2001 mit Bescheid vom 29. Mai 2002 zunächst eine Zusammenveranlagung für den Kläger und dessen Ehefrau durch. Auf deren gemeinsamen Einspruch hin hob das FA den Zusammenveranlagungsbescheid wieder auf und veranlagte den Kläger auf dessen Antrag mit Bescheid vom 29. Juli 2002 getrennt. Hierbei ermittelte das FA den Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers mit 90.301 DM, legte der Berechnung der zumutbaren Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG jedoch die Summe der Gesamtbeträge der Einkünfte beider (getrennt veranlagter) Ehegatten von 177.578 DM zugrunde.

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 26. August 2002 Einspruch mit der Begründung, die Berechnung der zumutbaren Belastung dürfe im Hinblick auf Art. 6 Grundgesetz (GG) lediglich auf der Grundlage des Gesamtbetrags der Einkünfte des getrennt veranlagten Ehegatten, nicht aber aus der Addition der Einkünfte beider Ehegatten, erfolgen. Ansonsten werde der Kläger gegenüber einem alleinstehenden Steuerpflichtigen benachteiligt.

Aufgrund der im April 2003 eingereichten ESt-Erklärung 2002 führte das FA mit Bescheid vom 22. Mai 2003 für das Streitjahr 2002 ebenfalls eine getrennte Veranlagung durch, in der es die zumutbare Belastung aus der Summe der Gesamtbeträge der Einkünfte beider Ehegatten (83.734 EUR) berechnete. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 11. Juni 2003 Einspruch.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 wies das FA die Einsprüche für beide Streitjahre mit Hinweis auf den Wortlaut des § 26a Abs. 2 EStG zurück.

Mit seiner am 24. Mai 2004 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Änderung der ESt-Bescheide für 2001 und 2002 mit der Maßgabe, die Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen der getrennten Veranlagung ausschließlich auf der Basis seines eigenen Gesamtbetrags der Einkünfte vorzunehmen. Das FA habe § 26a EStG unzutreffend ausgelegt. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift könne nicht entnommen werden, wie die zumutbare Belastung zu berechnen sei. Durch die Aufwendungen des Klägers für die Heimunterbringung seiner Mutter sei die Ehefrau nicht berührt und lediglich die Leistungsfähigkeit des Klägers beeinträchtigt. Werde die Berechnung der zumutbaren Belastung wie bei einer Zusammenveranlagung vorgenommen, so würden dadurch die getrennt veranlagten Ehegatten gegenüber Alleinstehenden benachteiligt. Dies verbiete Art. 6 GG. Die Auffassung des FA könne auch nicht auf das Argument gestützt werden, Eheleute seien als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten verpflichtet, füreinander einzustehen, denn diese Verpflichtung treffe auch Nicht-Verheiratete, die eine Lebensgemeinschaft bilden.

Trotzdem dürften diesen bei der Berechnung der zumutbaren Belastung nicht die Summe der Gesamtbeträge beider nicht verheirateter Partner zugrunde gelegt werden.

Der Kläger beantragt,

1. die ESt-Bescheide für 2001 vom 29. Juli 2002 und für 2002 vom 22. Mai 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. April 2004 dahingehend abzuändern, dass die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG in 2001 mit 6 vom Hundert aus 90.301 DM sowie in 2002 mit 6 vom Hundert aus 43.959 EUR berücksichtigt wird,

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des FA müsse im Falle einer getrennten Veranlagung die Berechnung der zumutbaren Belastung wie bei einer Zusammenveranlagung vorgenommen werden, um zu vermeiden, dass getrennt veranlagte Eheleute besser gestellt werden als zusammen veranlagte. Der Vom-Hundert-Satz der zumutbaren Belastung bei Anwendung der Grundtabelle sei ein anderer wie bei Anwendung der Splittingtabelle.

Die Sach- und Rechtslage wurde vor der Berichterstatterin des Senats ausführlich erörtert. Auf die Niederschrift vom 28. März 2007 wird ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die angegriffenen ESt-Bescheide für die Streitjahre sind rechtswidrig, soweit das FA die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Gesamtbetrags der Einkünfte der getrennt veranlagten Ehefrau des Klägers berechnet.

Die Vorschriften der §§ 33 Abs. 3 und 26a Abs. 2 Satz 1 EStG müssen verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass im Falle einer getrennten Veranlagung die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich aus dem Gesamtbetrag der Einkünfte des Klägers errechnet wird. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der getrennt veranlagten Ehefrau hat hierbei außer Betracht zu bleiben. Die Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gebieten diese Auslegung.

1. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dem Kläger u.a. wegen der krankheitsund pflegebedürftigkeitsbedingten Unterbringung seiner Mutter (Pflegestufe I) in einem Pflegeheim in 2000 Aufwendungen in Höhe von 16.148 DM und in 2002 in Höhe von 6.954 EUR entstanden sind. Diese Aufwendungen sind außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG.

a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die ESt auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen für die durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit bedingte Unterbringung in einem Altenpflegeheim stets außergewöhnliche Belastungen (BFH-Urteile24. Februar 2000 III R 80/97, BStBl II 2000, 294vom 22. August 1980 VI R 138/77, BFHE 131, 381, BStBl II 1981, 23, und VI R 196/77, BFHE 131, 378, BStBl II 1981, 25, undvom 10. August 1990 III R 2/86, BFH/NV 1991, 231). Unerheblich ist, ob der Kranke oder Pflegebedürftige die außergewöhnlichen Aufwendungen selbst trägt, oder ob diese ein unterhaltsverpflichteter Dritter übernimmt (BFH-Urteile in BFH/NV 1991, 231; in BFHE 182, 64 , BStBl II 1997, 387, unter 1. b der Gründe).

b) Zu berücksichtigen sind zwar nur die durch die Krankheit bzw. Pflegebedürftigkeit zusätzlich verursachten Kosten, die sich durch Vergleich mit den Aufwendungen entsprechender gesunder Personen ermitteln lassen. Wo die Grenze zwischen den üblichen Kosten eines normalen Haushalts und den Mehrkosten für die Heimunterbringung zu ziehen ist, kann im Streitfall dahinstehen. Denn der Kläger begehrt nur die Berücksichtigung des Teils der Unterbringungskosten als außergewöhnliche Belastung, der ohne jeden Zweifel als krankheitsbedingter Zusatzaufwand im vorstehenden Sinn bezeichnet werden kann. Die Mutter, die im Zusammenhang mit ihrer Übersiedlung in das Heim ihren bisherigen Haushalt auflöste, hatte nach unbestrittenem Vortrag des Klägers in den Streitjahren eigene Einkünfte und Bezüge, die sie für ihren Unterhalt einsetzte und die sowohl über den Regelsätzen nach dem Bundessozialhilfegesetz der betreffenden Jahre als auch über dem von der Verwaltung als Haushaltsersparnis anzusetzenden Wert lagen.

2. Bei der Berechnung der zumutbaren Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG sind die Aufwendungen um 6% des Gesamtbetrags der Einkünfte des Klägers zu kürzen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der getrennt veranlagten Ehefrau bleibt bei der Berechnung dieser zumutbaren Belastung außer Betracht.

a) Das ergibt sich aus dem Grundsatz, dass Steuerermäßigungen grundsätzlich personenbezogen ermittelt werden. Entsprechend der individuellen Zurechnung der bezogenen Einkünfte gemäß § 26a Abs. 1 Satz 1 EStG werden auch die personenbezogenen Aufwendungen grundsätzlich dem Ehegatten zugerechnet, der sie wirtschaftlich getragen hat. § 26a EStG entspringt der Vorstellung der eingeschränkten Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft von Ehegatten, die den ehelichen Güterstand der Gütertrennung gewählt haben (siehe Pflüger in: Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG-Kommentar, Loseblatt, Stand Januar 2007, § 26a Rn. 6).

Nach diesem Grundsatz kann der Steuerpflichtige, der die Aufwendungen wirtschaftlich getragen hat, diese auch steuermindernd geltend machen. Die zumutbare Belastung kann dann auch nur aus dem individuellen Einkommen des getrennt veranlagten Ehegatten, der die Aufwendungen getragen hat, berechnet werden.

b) Aus § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach außergewöhnliche Belastungen "in Höhe des bei einer Zusammenveranlagung in Betracht kommenden Betrags" abgezogen werden, ergibt sich nichts Anderes. Das FA schließt aus dieser Vorschrift zu Unrecht, dass die zumutbare Belastung aus der Summe der Gesamtbeträge beider Ehegatten errechnet wird.

Eine solche Auslegung des § 26a Abs. 2 EStG führte dazu, dass beim Kläger, der sich zusammen mit seiner Ehefrau für eine getrennte Veranlagung entschieden hat, eine individuelle Berücksichtigung seiner tatsächlich von ihm allein geleisteten Unterhaltsleistungen an seine Mutter nicht mehr möglich ist. Das ist ein Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip und damit gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Kläger allein ist seiner Mutter gegenüber unterhaltsverpflichtet; seine Ehefrau trifft diese Unterhaltspflicht nicht. Die Ehe kann nun nicht dazu führen, dass der Kläger einen deutlich geringeren Teil seiner ihm zwangsläufig erwachsenen Aufwendungen steuermindernd geltend machen kann, als wenn er nicht verheiratet oder aber dauernd getrennt lebend wäre.

Sinn und Zweck des § 26a EStG ist als Steuerbegrenzungsvorschrift sicherzustellen, dass getrennt veranlagte Ehegatten durch zweimaliges Geltendmachen von Steuervergünstigungen keine unberechtigten Vorteile gegenüber der Zusammenveranlagung erlangen (siehe Pflüger in: Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG-Kommentar, Loseblatt, Stand Januar 2007, § 26a Rn. 6). Die Vorschrift darf nach Auffassung des Senats aber nicht dazu führen, dass getrennt veranlagte Ehegatten gegenüber dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder eheähnlichen Gemeinschaften benachteiligt werden. Wenn nun aber im vorliegenden Fall der Kläger seine allein von ihm getragenen außergewöhnlichen Belastungen aufgrund der Tatsache, dass seine getrennt veranlagte Ehefrau ebenfalls Einkünfte erzielt hat, in deutlich höherem Maße mindern müsste, als wenn er nicht verheiratet wäre, so wird er damit durch die Ehe benachteiligt. Diese Ungleichbehandlung ist ein Verstoß gegen Art. 6 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Senat ist der Ansicht, dass dieser Verstoß nicht unter Hinweis auf die sog. Einheitstheorie gerechtfertigt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (v.a.Entscheidung vom 25. Januar 1972 1 BvL 30/69, BVerfGE 32, 260 ff.) und des BFH (Urteil vom 3. August 2005 XI R 76/03; BFHE 211,128 , BStBl II 2006, 121 ff. für Sonderausgaben; vom 24. Januar 1958 VI 9/56 S, BFHE 66, 107, BStBl III 1958, 77 ff. für Sonderausgaben und außergewöhnlich Belastungen) sind - auch bei getrennter Veranlagung - Ehegatten bzw. deren Aufwendungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG als Einheit zu betrachten. Auch bei einer getrennten Veranlagung mache es aufgrund des § 26a Abs. 2 EStG keinen Unterschied, wer von den Ehegatten die einzelnen außergewöhnlichen Belastungen getragen hat, da die Aufwendungen des einen Ehegatten zugleich als solche des anderen gelten.

Die Einheitstheorie basiert auf der Erwägung, dass die Aufwendungen grundsätzlich nicht personensondern ehebezogen geleistet werden (siehe Pflüger in: Herrmann/ Heuer/ Raupach, EStG-Kommentar, Loseblatt, Stand Januar 2007, § 26a Rn. 52). Dies trifft auf die Aufwendungen des Klägers aber gerade nicht zu. Seine Aufwendungen für die Mutter gründen in seiner persönlichen Unterhaltsverpflichtung und sind daher höchst personenbezogen und gerade nicht ehebezogen.

Nach Auffassung des Senats ist die Einheitstheorie daher nicht geeignet, die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Die Einheitstheorie kann daher nur angewendet werden, wenn die Tatbestandsmerkmale für die Inanspruchnahme des § 33 Abs. 1 EStG von beiden Ehegatten erfüllt werden (siehe Arndt in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG-Kommentar, Loseblatt, Stand Januar 2001, § 33 Rn. B6). Dies ist im vorliegenden Fall gerade nicht der Fall. Die Unterhaltsverpflichtung trifft ausschließlich den Ehemann.

c) Art 6 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gebieten daher, die Vorschriften des § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG sowie des § 33 Abs. 3 EStG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass in Fällen, in denen der Ehegatte, der die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 EStG in seiner Person verwirklicht und die Aufwendungen auch tatsächlich wirtschaftlich getragen hat, bei der Bemessung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ausschließlich der Gesamtbetrag der Einkünfte dieses Ehegatten zugrunde zu legen ist. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der getrennt veranlagten Ehefrau hat hierbei außer Betracht zu bleiben.

3. Nicht zu entscheiden war die Rechtsfrage, aufgrund welcher Vorschrift der Satz von 6 vom Hundert im Rahmen der Ermittlung der zumutbaren Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG anzuwenden ist. Im vorliegenden Einzelfall kann dahinstehen, ob die 6 vom Hundert aufgrund des § 33 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a (mittlere Spalte) EStG oder - entgegen seinem Wortlaut - aufgrund des § 33 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b (rechte Spalte) EStG anzuwenden sind. Es liegt jedoch nahe, bei Ablehnung der sog. Einheitstheorie den Vomhundertsatz im Fall der getrennten Veranlagung nach dem Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a EStG unter Anwendung des Gesamtbetrags der Einkünfte des jeweils getrennt veranlagten Ehegatten zu ermitteln.

4. Ebenfalls nicht zu entscheiden war über die Frage, ob in den Fällen, in denen die außergewöhnlichen Belastungen nicht erkennbar von dem getrennt veranlagten Ehegatten geleistet wurden, der sie in seiner ESt-Erklärung geltend macht, der Einheitsgedanke des § 26a Abs. 2 Satz 1 EStG dazu führen muss, dass er diese Aufwendungen nicht abziehen kann. Im vorliegenden Fall war nur der Kläger gegenüber seiner Mutter unterhaltsverpflichtet - nicht aber seine getrennt veranlagte Ehefrau - und nur er hat die Aufwendungen für den Heimaufenthalt der Mutter in seiner Steuererklärung geltend gemacht.

II. Der Beklagte hat als unterliegende Partei gem. § 135 Abs. 1 FGO die Kosten zu tragen.

III. Die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 709 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Abwendungsbefugnis resultiert aus § 711 ZPO. Insoweit folgt der Senat zur Frage, ob bei Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit die Sicherheitsleistung auch dem Fiskus obliegt, der Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg im Urteil vom 26. Februar 1991 4 K 23/90 (Entscheidungen der Finanzgericht - EFG - 1991, 338), auf das wegen der Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird.

IV. Da der Senat mit seiner Entscheidung in einer Rechtsfrage vom Urteil des Finanzgerichts München vom 8. November 2006 9 K 3675/04 - veröffentlicht in [...] - abweicht, ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO (Abweichung) die Revision zuzulassen. Eine Entscheidung des BFH zur Frage der Höhe der zumutbaren Belastung im Falle einer getrennten Veranlagung ist zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich.

Ende der Entscheidung

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