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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: 6 V 382/07
Rechtsgebiete: StPO, AO, FGO


Vorschriften:

StPO § 94
StPO § 98
StPO § 108 Abs. 1 S. 1
StPO § 108 Abs. 1 S. 2
AO § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
AO § 399 Abs. 1
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 76 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

6 V 382/07

Tatbestand:

I. Die Antragstellerin mit Sitz in -A-, B-Str.111, wurde im April 1995 gegründet und handelt mit Plastikartikeln wie z.B. Benzinkanistern und mit Maschinen. Bis November 2005 war Frau F.G. Geschäftsführerin und Herr L.G. faktischer Geschäftsführer; seither ist Herr G. alleiniger Geschäftsführer.

Herr G. war in den Streitjahren außerdem faktischer Geschäftsführer der Firma Y-GmbH, ebenfalls mit Sitz in -A-, B-Str.111. Geschäftsführer der Firma Y-GmbH ist Herr H.T., -Z-.

Am 5. März 2003 erging in dem Ermittlungsverfahren gegen H.T. wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung wegen Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für die Zeiträume Januar bis Dezember 2002 Umsatz-, Gewerbe- und Körperschaftsteuerhinterziehung 2000 - 2001 durch Nichtabgabe der Steuererklärungen zugunsten der Firma Y-GmbH ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts (AG) -R- (Az...), in dem u.a. die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume der Fa. Y-GmbH sowie die Beschlagnahme diesbezüglicher Unterlagen angeordnet wurde.

Die Durchsuchung fand am 13. März 2003 ab 9 Uhr u.a. durch den Steuerfahnder S. statt. Bei der Durchsuchung des Büros der Fa. Y-GmbH wurde festgestellt, dass sich dort in größerem Umfang auch Buchhaltungsunterlagen der Antragstellerin befanden und Herr G. faktischer Geschäftsführer beider Firmen war. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Antragstellerin für die Veranlagungszeiträume 2000 und 2001 keine Steuererklärungen, die Eheleute G. seit 1998 keine Einkommensteuererklärungen mehr abgegeben. Die Steuerfahndung leitete gegen die Eheleute G. das Steuerstrafverfahren ein, gab ihnen dies ausweislich des Durchsuchungsberichts (handschriftlicher Vermerk) bekannt und nahm auch die Unterlagen bzgl. der Antragstellerin mit.

Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts (FA) -R- wertete die Unterlagen bzgl. der Antragstellerin aus und kam in den Berichten vom 4. April 2005 bzw. 22. August 2006 zu dem Schluss, dass die Antragstellerin am 30. April 1996 ein Bankkonto auf ihren Namen bei der .... eröffnet, in der Folgezeit die Geldbewegungen dieses Kontos aber nicht in der Buchführung erfasst habe. Die Geldzuflüsse von Kunden auf diesem Konto wurden zu Unrecht nicht als Betriebseinnahmen erfasst.

Der Antragsgegner folgte den Steuerfahndungsberichten und erließ auf den Bericht vom 4. April 2005 hin am 12. Juli 2005 geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer für 1996 bis 1998 die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) zum 31.12.1996, 31.12.1997 und 31.12.1998 die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den31.12.1996, 31.12.1997, und 31.12.1998 den Gewerbesteuermessbetrag für 1996 bis 1998 sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1996, 31.12.1997 und 31.12.1998.

Gegen diese Bescheide legte der damalige steuerliche Berater mit Schreiben vom 25. Juli 2005 bzw. 3. August 2005 (Gewerbesteuermessbetrag für 1996 bis 1998) Einspruch ein und beantragte jeweils die Aussetzung der Vollziehung (AdV).

Nachdem die AdV-Anträge im Schriftsatz vom 6. Dezember 2005 wiederholt worden waren, wurde ihnen im Bescheid vom 19. Januar 2006 nicht entsprochen.

Dagegen legte der damalige Antragstellervertreter mit Schreiben vom 1. Februar 2006 Einspruch ein. Im Anschluss daran und nach Eingang einer Stellungnahme seitens der Umsatzsteuerprüfung erstellte die Steuerfahndungsstelle des FA -R- einen geänderten Bericht vom 22. August 2006, in dem das bisher ermittelte Mehrergebnis für die Veranlagungszeiträume 1996 und 1997 herabgesetzt, bzgl. 1998 erhöht und hinsichtlich 1999 erstmals ein Mehrergebnis ausgewiesen wurde.

Der Antragsgegner erließ am 15. September 2006 Änderungsbescheide bzgl. der o.g. Änderungsbescheide vom 12. Juli 2005 sowie erstmals Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer für 1999 die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1999 die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1999 den Gewerbesteuermessbetrag für 1999 sowie - die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999.

...

Dagegen legte die Antragstellerin selbst mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 Einspruch ein.

Die Einsprüche in der Hauptsache wurden mittels Einspruchsentscheidung vom 22. März 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage vom 24. April 2007, die bei Gericht an demselben Tage einging und unter dem Az. 6 K 281/07 anhängig ist.

Die Einsprüche "wegen Ablehnung der AdV vom 19.01.2006" wurden vom Antragsgegner in der Einspruchsentscheidung vom 15. Mai 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Am 14. Juni 2007 beantragte die Antragstellerin AdV gemäß § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Bescheide beruhten auf der Verwertung von Unterlagen, die anlässlich der Durchsuchung der Firmenräume der Fa. Y-GmbH rechtswidrig beschlagnahmt worden seien. Die Voraussetzungen für die Durchsuchung der Unterlagen der Antragstellerin hätten mangels Anhaltspunkten für verfolgbare Steuerstraftaten der Eheleute G. zugunsten der Antragstellerin nicht vorgelegen. Allein die Tatsache, dass jemand faktischer Geschäftsführer einer Gesellschaft sei, bezüglich derer der Verdacht einer Steuerstraftat bestehe, sei noch kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass dieser Steuern zugunsten einer anderen Gesellschaft hinterzogen habe, deren faktischer Geschäftsführer er ebenfalls sei. Die Steuerfahndung -R- habe die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Unterlagen entsprechend dem Beschluss des AG -R- vom 5. März 2003 auf die Fa. Y-GmbH beschränken müssen. Die beschlagnahmten Unterlagen unterlägen einem Verwertungsverbot.

Im Übrigen bestehe laut dem Durchsuchungsbericht der Steuerfahndung vom 13. März 2003 lediglich der Verdacht der Steuerhinterziehung ab 2000. Unterlagen für die Jahre 1996 bis 1999 hätten somit keinesfalls beschlagnahmt werden dürfen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer für 1996 bis 1998 die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1996, 31.12.1997 und 31.12.1998 die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1996 und 31.12.1997 sowie den Gewerbesteuermessbetrag für 1996 und 1998, jeweils vom 15. September 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2007, auszusetzen,

hilfsweise

Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.

Ein steuerliches Verwertungsverbot bestehe nicht. Die Antragstellerin habe keinen Rechtsschutz gegen die Mitnahme der Unterlagen vor dem zuständigen AG eingeholt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne sie dann nicht einwenden, die Maßnahme sei rechtswidrig gewesen (BFHUrteil vom 27. Juli 1983 I R 210/79, Bundessteuerblatt (BStBl) II 1984, 285).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 15. November 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II. Der Antrag ist begründet.

1. a) Nach § 69 Abs. 3 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung eines Steuerverwaltungsakts unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO ganz oder teilweise aussetzen. Die Vollziehung soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

b) Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Steuerverwaltungsakts aufgrund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhalts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit bei der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl 1967 III, 182, 183; ebenso BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 162-163/76, BStBl II 1977, 765; BFH-Urteil vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BStBl II 1978, 579, 580; BFH-Beschluss vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BStBl II 1986, 656; Gräber/Koch, FGO, § 69 Rn. 86 ff., jeweils m.w.N.). Die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, Sammlung der Entscheidungen des BFH (BFHE) 183, 174, m.w.N.). Sie kann sogar dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (BFH-Beschluss vom 23. August 2004 IV S 7/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2005, 9).

c) Der Grundsatz, dass das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), gilt für das Beschlussverfahren der AdV nur eingeschränkt. Die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheids bestehen, ist aufgrund des vorliegenden Prozessstoffs zu entscheiden (Beschluss des BFH II B 17/68 vom 23. Juli 1968, BFHE 92, 440, BStBl II 1968, 589); es obliegt den Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen glaubhaft zu machen (vgl. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Sind die für die Entscheidung der Hauptsache erheblichen Tatsachen im Rahmen dieses Verfahrens nicht aufklärbar, genügt es zur Begründung ernstlicher Zweifel und damit zur AdV, dass die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen die vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsfolge als ernstlich möglich erscheinen lassen (Beschluss des BFH vom 19. Juni 1968 I S 4/68, BFHE 92, 326, BStBl II 1968, 540; Gräber/Koch, FGO, § 69 Rn. 92); Entsprechendes gilt für den glaubhaft zu machenden Sachverhalt bei Fehlen oder Nichtausreichen tatsächlicher Feststellungen.

2. Im Rahmen einer summarischen Prüfung haben sich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verwaltungsakte ergeben, die eine Aussetzung geboten erscheinen lassen. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die bzgl. der Antragstellerin gewonnenen Erkenntnisse verwertet werden dürfen, da bzgl. der von der Steuerfahndung mitgenommenen Unterlagen keine richterliche Entscheidung eingeholt wurde.

a) Das Einbehalten der Unterlagen betreffend die Antragstellerin, ohne nach der Mitnahme eine richterliche Bestätigung einzuholen, war rechtswidrig.

aa) Die Steuerfahndung war zum Zeitpunkt der Mitnahme als Strafverfolgungsbehörde tätig (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Den Eheleuten G. war zuvor die Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben worden. Somit wurde die Steuerfahndung nach außen objektiv und eindeutig erkennbar im Strafverfahren tätig (Klein/Rüsken, Abgabenordnung (AO), § 208 Rn. 24, 24 a). Die rechtliche Beurteilung ihrer Maßnahmen richtet sich nach der Strafprozessordnung (StPO); hierüber waren sich die Beteiligten im Erörterungstermin vom 15. November 2007 auch einig.

bb) Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 StPO sind Gegenstände einstweilen in Beschlag zu nehmen, die bei Gelegenheit einer Durchsuchung gefunden werden und zwar in keiner Beziehung zu der Untersuchung stehen, aber auf die Verübung einer anderen Straftat hindeuten. Der Staatsanwalt - bzw. im Streitfall gemäß § 399 Abs. 1 AO die Straf- und Bußgeldsachenstelle - ist hiervon in Kenntnis zu setzen, § 108 Abs. 1 Satz 2 StPO. Letzteres ist nach Aktenlage unterblieben.

cc) Nach der Mitnahme der Unterlagen hätten diese von der Steuerfahndung der Straf- und Bußgeldsachenstelle zur Verfügung gestellt werden müssen. Diese hätte die Beschlagnahme nach §§ 94, 98 StPO herbeiführen oder freigeben müssen (Meyer-Goßner, StPO, § 108 Rn. 7). Da Gefahr in Verzug in derartigen Fällen nicht mehr besteht, ordnet die Beschlagnahme der nunmehr zuständige Ermittlungsrichter der neuen Sache an. Die einstweilige Beschlagnahme muss aufgehoben und die Sache muss freigegeben werden, wenn die Staatsanwaltschaft (hier : Straf- und Bußgeldsachenstelle) es unterlässt, in angemessener Frist ein neues Verfahren einzuleiten und die endgültige Beschlagnahme zu beantragen (Meyer-Goßner, § 108 Rn. 7 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)).

Diese Vorgaben haben die Finanzbehörden allesamt missachtet. Bereits im März 2003 hätten sie die endgültige Beschlagnahme beantragen müssen.

b) Dieser fehlerhafte Verfahrensablauf im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist im Besteuerungsverfahren nicht von vornherein unbeachtlich. ImBeschluss vom 11. Juli 1979 I B 10/79 (BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704) entschied der BFH, dass die Verwertung nicht nur bei rechtskräftiger Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Prüfungsanordnung verboten ist, sondern auch, wenn nur bestimmte im Verlauf einer Betriebs- oder Steuerfahndungsprüfung vorgenommene Handlungen -im dortigen Streitfall die Durchsuchung von Räumen und die Beschlagnahme von Akten- von einem Gericht für rechtswidrig erklärt worden sind.

c) Er führt aber auch nicht zwangsläufig zu einem steuerrechtlichen Verwertungsverbot. Nach den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung besteht im Besteuerungsverfahren ein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt wurden, nicht (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461;vom 23. Januar 2002 XI R 10, 11/01, BFHE 198, 7, BStBl II 2002, 328 - betreffend unterlassene Belehrung, m.w.N. der Rechtsprechung). Es gibt daher auch kein allgemeines steuerrechtliches Verwertungsverbot aufgrund einer "Verletzung der steuerrechtlichen Pflichten bei der Informationsgewinnung". Der Gesetzgeber wollte vielmehr die Entwicklung steuerrechtlicher Verwertungsverbote der Rechtsprechung überlassen (vgl. Bundestags-Drucksache (BTDrucks) 7/4292 Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf einer Abgabenordnung, Begründung S. 25; ferner BFH-Urteil vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285). Diese Frage kann daher nur anhand des jeweiligen Verfahrensverstoßes beantworten werden, wobei dem Schutzzweck der verletzten Norm besondere Bedeutung zukommt (BFHUrteil vom 23. Januar 2002 XI R 10/01, XI R 11/01, BStBl II 2002, 328; BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594).

d) Ein Verwertungsverbot bezüglich der sichergestellten Beweismittel ist nach diesen Grundsätzen ernstlich möglich.

aa) In die Abwägung ist der verfassungsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1999 2 BvR 1820/92, BStBl II 2000, 158) einzustellen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verlangt für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden (BFH-Urteil vom 23. Januar 2002 XI R 10/01, XI R 11/01, BStBl II 2002, 328). Zu diesem Zweck werden von Verfassungs wegen erhöhte Anforderungen an die Steuerehrlichkeit der Steuerpflichtigen gestellt (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654).

bb) Dagegen lösen Verstöße gegen Grundrechte und Verstöße gegen Vorschriften, die Ausfluss von Grundrechten sind, ein Verwertungsverbot aus (Tipke, in : Tipke/Kruse, AO, § 88 Rn. 16; Söhn, in : Hübschmann/ Hepp/Spitaler (HHSp), § 88 AO, Tz. 309, 311). Dazu zählen auch die Vorschriften der §§ 94 ff. StPO. Die Beschlagnahme stellt einen Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen dar (Seer, in : Tipke/Kruse, AO, § 208 Rn. 78). Der BFH hat esim Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94, BStBl II 1998, 461 für grundsätzlich möglich gehalten, dass "schwerwiegende sonstige Verstöße, z.B. grundgesetzwidrige Aufklärungsmethoden, - ausnahmsweise - die Ermittlungsergebnisse einem materiell-rechtlichen (endgültigen) Beweisverwertungsverbot unterwerfen".

cc) aaa) Allerdings besteht das Verwertungsverbot nur, wenn das Ermittlungsergebnis auf einem Verstoß gegen das Beweisverbot beruht; es besteht nicht, wenn das gleiche Ermittlungsergebnis auch bei legaler Ermittlung erzielt worden wäre (ebenso Tipke, in Tipke/Kruse, § 88 Rn. 17; Söhn, in HHSp. § 88 Tz. 303 zur Verletzung von Verfahrensvorschriften).

Es ist somit, da seitens der Steuerfahndung keine Entscheidung des Ermittlungsrichters veranlasst wurde, inzidenter zu prüfen, ob die Beschlagnahme vom zuständigen Ermittlungsrichter im Frühjahr 2003 bestätigt worden wäre (für eine Inzidenterprüfung in noch weiterem Ausmaß : Söhn, in HHSp, § 88 AO, Rz. 328). Dessen Prüfung hätte sich nur darauf erstreckt, ob die Beschlagnahme zur Zeit der Prüfung gerechtfertigt war. Der Prüfung unterliegt aber, ob Gefahr im Verzug vorlag und ob somit die Kompetenz der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen für die Beschlagnahmeanordnung gegeben war (Meyer-Goßner, § 98 Rn. 17).

bbb) Inhaltlich hätte die gerichtliche Anordnung die Feststellung erfordert, dass die zu beschlagnahmende Sache als Beweismittel benötigt wurde (Meyer-Goßner, § 98 Rn. 9). Die potentielle Beweisbedeutung des Gegenstandes ist erforderlich und ausreichend. Letztlich ist entscheidend, ob die Steuerfahndung bzgl. der Antragstellerin und der Streitjahre aufgrund eines hinreichenden strafrechtlichen Anfangsverdachts tätig geworden ist (Meyer-Goßner, § 94 Rn. 6, 8; Seer, in : Tipke/Kruse, AO, § 208 Rn. 77).

ccc) Letzteres ist nach summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft. Die Steuerfahndung hat bei der YGmbH bzgl. der Jahre ab 2000 durchsucht und Unterlagen betreffend die Antragstellerin hinsichtlich der Streitjahre 1996 bis 1999 mitgenommen. Somit treten neben Umständen, die für einen hinreichenden strafrechtlichen Anfangsverdacht sprechen (Personenidentität der Geschäftsführer, Lagerung der Buchführungsunterlagen in dem selben Raum), gewichtige Gründe zutage, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit bei der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken.

3. Dass die Mitnahme der Unterlagen nicht vom zuständigen Ermittlungsrichter für rechtswidrig erklärt wurde, ändert nichts daran, dass ein Verwertungsverbot ernstlich möglich ist.

a) aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dürfen rechtswidrig erlangte Prüfungsfeststellungen nur dann nicht verwertet werden, wenn der Steuerpflichtige in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen die Rechtswidrigkeit der betreffenden Prüfungsmaßnahme vorgegangen ist (BFH-Urteile vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285;vom 9. Mai 1985 IV R 172/83, BFHE 143, 506, BStBl II 1985, 579). Solange die Prüfungsanordnung oder sonstige Ermittlungsmaßnahme nicht aufgehoben ist, ist der Steuerpflichtige gehindert, sich mit Erfolg auf ein Verwertungsverbot zu berufen (BFH-Urteile vom 16. April 1986 I R 32/84, BFHE 147, 14, BStBl II 1986, 736;vom 16. Dezember 1986 VIII R 123/86, BFHE 148, 426, BStBl II 1987, 248;vom 20. Februar 1990 IX R 83/88, BFHE 160, 391, BStBl II 1990, 789, 790).

bb) Die Steuergerichte sind nach der BFH-Rechtsprechung nicht befugt, die Rechtswidrigkeit einer Durchsuchungsanordnung und Beschlagnahme im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens zu prüfen (BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594). Dem steht einmal die unterschiedliche Rechtswegzuständigkeit entgegen. Die Frage kann sich auch nicht als Vorfrage stellen; denn die Steuergerichte haben die von anderen Gerichten getroffenen Entscheidungen zu beachten, gleichviel, ob sie rechtmäßig sind oder nicht. Zum zweiten kann ein Verwertungsverbot, das aus der Rechtswidrigkeit einer verfahrensmäßig gesondert zu beurteilenden Ermittlungsmaßnahme hergeleitet werden soll, nur eingreifen, wenn diese Maßnahme in dem für sie vorgesehenen Verfahren für rechtswidrig erklärt wird (BFH-Beschluss vom 10. März 1992 X B 18/91, BFH/NV 1992, 367).

cc) Wird daher im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung die Durchsuchung sowie die Beschlagnahme angeordnet, so obliegt die Prüfung der Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen nicht dem FG, sondern dem AG und im Beschwerdeverfahren dem nach § 304 der StPO zuständigen Landgericht (LG). Wird der Beschluss des AG nicht angefochten oder die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen, entfaltet eine Durchsuchungsanordnung Tatbestandswirkung mit der Folge, dass den Steuergerichten eine (nochmalige) Überprüfung des Durchsuchungsbeschlusses verwehrt ist und sie für das Steuerfestsetzungsverfahren von der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung auszugehen haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. März 1992 X B 18/91, BFH/NV 1992, 367;vom 15. Mai 2002 V B 74/01, BFH/NV 2002, 1279).

Umgekehrt kann -in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH zu den Ergebnissen einer (rechtswidrigen) Außenprüfung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. Juni 1973 V R 64/72, BFHE 109, 500, BStBl II 1973, 716)- ein Verwertungsverbot aus der Rechtswidrigkeit einer verfahrensmäßig gesondert zu beurteilenden -d.h. anfechtbaren- Ermittlungsmaßnahme nur dann abgeleitet werden, wenn die Maßnahme in dem dafür vorgesehenen Verfahren für rechtswidrig erklärt worden ist (BFH-Beschluss vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749, unter III. 3. a aa; ferner BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 1995 I B 118/94, BFHE 177, 242, BStBl II 1995, 497, unter II. 5.; in BFH/NV 1992, 367, unter 1.;vom 11. Juli 1979 I B 10/79, BFHE 128, 170, BStBl II 1979, 704, 705; BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 284/81, BFH/NV 1985, 14, unter 3.).

b) Im Streitfall sind diese Grundsätze nicht anwendbar. Hier hat es die Steuerfahndung unterlassen, überhaupt eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Im Gegensatz zu den Sachverhalten, die den zitierten Rechtsprechungsgrundsätzen zugrunde liegen, geht es hier nicht darum, einen vom AG erlassenen Beschlagnahmebeschluss im nachhinein inzidenter auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Vielmehr liegt eine solche Entscheidung noch gar nicht vor. Im vorliegenden Fall obliegt der Finanzgerichtsbarkeit inzidenter die Entscheidung, wie der Ermittlungsrichter vor fünf Jahren zu entscheiden gehabt hätte.

Der Einwand des Antragsgegners, die Betroffenen hätten es versäumt, analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die richterliche Entscheidung zu beantragen, greift nicht durch. Dies würde die Umkehrung des von der StPO vorgesehenen, letztlich auf verfassungsrechtlichen Vorgaben beruhenden Verfahrens bedeuten.

4. Die AdV erfolgt ohne Sicherheitsleistung (§ 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116); es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (Tipke/Kruse, § 69 FGO Tz. 123, m.w.N.). Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss (z.B. BFHBeschluss vom 29. Juni 1977 VIII S 15/76, BFHE 122, 516, BStBl II 1977, 726, unter III., und Beschluss in BFH/NV 1998, 987) und der Steuerpflichtige ggf. Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. Januar 1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512, undvom 23. August 2000 VII B 145, 146/00, BFH/NV 2001, 75, unter II. 3.).

Das FA hat nicht dargetan, weshalb der Steueranspruch durch die AdV gefährdet würde. Ohne Angabe dazu kann aber keine Sicherheitsleistung angeordnet werden (BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809;vom 24. März 2004 I B 203/03, BFH/NV 2004, 959).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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