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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 7 K 283/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Baden-Württemberg

7 K 283/04

Qualifizierung der Einkünfte bei Fortbildungseinrichtung

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Forschungs- und Bildungseinrichtung in der Rechtsform einer GdbR mit der Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen freiberufliche oder gewerbliche Einkünfte erzielt hat.

Die Klägerin Ziff. 1 ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die in den Jahren 1996 und 1997 (Streitjahre) unter der Bezeichnung "X" Dienstleistungen auf dem Gebiet der Fortbildung und Beratung ausführte. Gesellschafter der X waren die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3, die Eheleute A und B. Der Gesellschaftszweck der in den 80er Jahren durch mündlichen Gesellschaftsvertrag gegründeten X GdbR war die Erbringung von Fortbildungs- und Beratungsleistungen bei der dauerhaften Integration von Problemgruppen in den Arbeitsmarkt.

Die X GdbR war in den Streitjahren ausschließlich für die (damalige) Bundesanstalt für Arbeit (BA) tätig. Grundlage dieser Tätigkeit war der zwischen dem Präsidenten der BA und der X GdbR am 25. Dezember 1990 und 09. Januar 1991 geschlossene Werkvertrag, mit dem sich die X GdbR gegen Zahlung einer jährlich festgelegten Vergütung zur Durchführung spezieller Fortbildungsmaßnahmen für das Ausbildungs- und Betreuungspersonal in den von der BA gemäß § 40c des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) finanzierten Maßnahmen verpflichtete. Die Maßnahmen gemäß § 40c AFG dienten der Förderung der Berufsausbildung von ausländischen Auszubildenden sowie von lernbeeinträchtigten oder sozial benachteiligten deutschen Auszubildenden. Nach dem Werkvertrag und der zugehörigen Leistungsbeschreibung waren Anlass und Ziel der von der X GdbR zu erbringenden Fortbildungsmaßnahmen, die Qualität und Effizienz der ausbildungsbegleitenden Hilfen und der Berufsausbildung in überbetrieblichen Einrichtungen durch eine qualifizierte spezielle Fortbildung der Mitarbeiter zu steigern. Teilnehmer der Veranstaltungen waren vor allem diejenigen Mitarbeiter der sog. Trägereinrichtungen, die mit der (Berufs-) Ausbildung der Benachteiligten befasst waren. Durch die Fortbildung sollten u.a. die Themenbereiche "Zielgruppen, Methodik/Didaktik, Kooperation, curriculare Besonderheiten, Übergang Ausbildung/Beruf, Team" für die praktische Umsetzung in den Ausbildungsalltag aufgearbeitet werden (s. Leistungsbeschreibung, Abschnitt I. "Anlass und Ziel spezieller Fortbildungsmaßnahmen", Behördenakten -Ordner OFD-). Die angebotenen Seminare sollten gewährleisten, dass jedes sog. Ausbildungsteam mindestens einmal in drei Jahren an einer Fortbildung teilnimmt. Es wurde vereinbart, jährlich insgesamt 80 Wochenseminare durchzuführen, davon 40 Seminare für Mitarbeiter von ausbildungsbegleitenden Hilfen sowie 40 Seminare für Mitarbeiter bei der Berufsausbildung in überbetrieblichen Einrichtungen. Weiter sollten für Ausbildungsleiter vier zweitägige Fortbildungsseminare angeboten werden sowie vier zweitägige Seminare für sog. Teamer und Referenten. Die Wochenseminare sahen fünf Seminartage vor. Insgesamt war zu gewährleisten, dass jeweils 400 Seminartage/Jahr stattfinden können. Die Seminare wurden für jeweils 15 Teilnehmer eingerichtet und von zwei sog. Teamern durchgeführt. Die Teamer mussten neben einer umfassenden Kenntnis der Maßnahmeninhalte fundierte Erfahrungen in der erwachsenenpädagogischen Praxis und der Fachpraxis haben. Zu der Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter wird auf die Aufstellung "Qualifikationsprofile des Teamer/innen-Stamms" Bezug genommen (Behördenakten -Ordner OFD- Heftstreifen "Teamer"). Die Teamer sollten bei der regionalen Umsetzung des Seminarangebots die Vorbereitungs-, Gestaltungs- und Auswertungsaufgaben übernehmen. Die X GdbR war verpflichtet, der BA regelmäßig schriftlich über die Durchführung des Werkauftrages zu berichten, wobei die Berichte die angefallenen und erledigten Arbeiten erkennen lassen und Auskunft über die Durchführung der Seminare unter Angabe von Zahl und Ort geben mussten.

Die X GdbR führte für die BA auf dieser Grundlage mit teilweise geänderten Themenstellungen auch in den Streitjahren jeweils rd. 300 Fortbildungsveranstaltungen durch. Auf die von der X GdbR gefertigten Quartalsberichte Ost bzw. West IV/96 einschließlich des Jahresberichts 1996 sowie die Berichte für das 3. Quartal 1997 (Ost und West) einschließlich der Zusammenfassung für die ersten drei Quartale 1997 wird Bezug genommen. Danach fanden in den neuen Bundesländern im Jahr 1996 193 Seminare zuzüglich weiterer Coaching-Seminare statt; insgesamt wurde die für 1996 vertraglich vereinbarte Fortbildungsleistung von 200 Seminarwochen vollständig erbracht. In den alten Bundesländern fanden im Jahr 1996 110 Seminare mit insgesamt 85 Seminarwochen statt. Im Jahr 1997 wurden in den neuen Bundesländern in den ersten drei Quartalen 118 Seminare für das Ausbildungs- und Betreuungspersonal sowie weitere 7 Seminare für das Leitungspersonal und die Teamer durchgeführt; in den alten Bundesländern fanden im Jahr 1997 in den ersten drei Quartalen 66 Seminare statt.

Die X GdbR erzielte in den Streitjahren Gewinne von 4.212.642 DM bzw. 3.081.874 DM. Die Nettoumsätze betrugen 12.785.000 DM bzw. 13.366.000 DM. Die Honorare der eingesetzten freien Mitarbeiter beliefen sich auf 3.763.000 DM bzw. 3.870.000 DM, die Gehälter mit Sozialleistungen betrugen 2.124.000 DM bzw. 2.109.000 DM; es fielen ferner Aushilfslöhne in Höhe von 24.000 DM bzw. 25.000 DM an. Zur Erbringung ihrer Leistungen setzte die X GdbR nach den Feststellungen der Betriebsprüfung 10 hauptberufliche Mitarbeiter und etwa 120 Teamer als freie Mitarbeiter ein. Nach einer Werbebroschüre der X GdbR wurden insgesamt 30 hauptberufliche Mitarbeiter und etwa 250 Teamer beschäftigt.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) ging bis zum Veranlagungszeitraum 1995 davon aus, dass die X GdbR nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Dieses Ergebnis wurde zuletzt in einer Betriebsprüfung im Jahre 1996 bestätigt. Im Anschluss an eine für die Streitjahre durchgeführte Betriebsprüfung kam das FA demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die unterrichtende Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wegen der Vielzahl der eingeschalteten qualifizierten Mitarbeiter nicht mehr als eigenverantwortlich i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu bewerten und die Einkünfte deshalb als gewerbliche Einkünfte zu beurteilen seien. Entsprechend setzte das FA mit Bescheiden vom 24. Oktober 2003 die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge in Höhe von 207.102 DM (1996) und 149.285 DM (1997) fest. Das FA erließ für die Streitjahre ferner am 27. Oktober 2003 entsprechende Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.

Die dagegen erhobenen Einsprüche und der beim FA gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieben ohne Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2004 wird Bezug genommen.

Die Kläger erhoben in der Folge Klage und beantragten beim Finanzgericht ferner die Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Beschluss vom 14. Juli 2004 7 V 52/03 abgelehnt.

Mit der Klage tragen die Kläger vor, die streitgegenständlichen Leistungen seien insgesamt als wissenschaftlich einzustufen. Die durchgeführten Seminare stellten keine besondere Art der unterrichtenden Tätigkeit dar. Es habe sich um Seminare im klassischen "akademischen" Sinn gehandelt. Die Durchführung der Seminare sei integrierter Bestandteil eines wissenschaftlichen Gesamtauftrags gewesen, wonach auf dem Gebiet der Förderung benachteiligter Jugendlicher wissenschaftliche Konzepte zur Benachteiligtenförderung und entsprechende Förderinstrumente zu entwickeln bzw. bereits bekannte Konzepte und Förderinstrumente weiter zu entwickeln waren. Der Zweck der Seminare habe nicht in erster Linie darin bestanden, bestimmte Personen fortzubilden. Die Seminare seien vielmehr Teil der Praxisforschung gewesen und diese Praxisforschung habe den Hauptgegenstand des Vertrages zwischen den Klägern und der BA dargestellt.

Die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 hätten auf alle Seminare eingewirkt. Dies sei in zweifacher Weise geschehen, zum einen, in dem sie die Konzepte entwickelt hätten, zum anderen, in dem sie die einzelnen Seminare ausgewertet hätten. Im Gegensatz zu den vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen sogenannten Schulfällen hätten die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 spezielle Methoden und Konzepte erst entwickeln müssen. Daran seien sie ganz wesentlich persönlich beteiligt gewesen, so dass dadurch jede einzelne Seminarveranstaltung den Stempel der Eigenpersönlichkeit der Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 trage. Die Seminare seien keine reinen Lehrveranstaltungen gewesen, sondern hätten auch der gemeinsamen Erarbeitung neuer Erkenntnisse gedient. Die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 hätten neue sozialpädagogische Konzepte entwickelt und erprobt, so dass sie über die Durchführung der Seminare hinaus erhebliche Mehraufgaben hätten erfüllen müssen. Die Auftragserteilung habe vorausgesetzt, dass die X GdbR über ausreichende Forschungs- und Praxiserfahrungen im Bereich der sozialpädagogisch orientierten Berufsbildung verfüge. Dem wissenschaftlichen Aspekt des Auftrags sei damit entscheidende Bedeutung zugekommen. Dies werde dadurch bestätigt, dass angesichts der besonderen wissenschaftlichen Qualifikation des Klägers Ziff. 2 auf eine formale Ausschreibung seitens der BA verzichtet worden sei.

Auch die hohe Zahl der durchgeführten Seminare führe nicht dazu, dass die Tätigkeit als gewerblich zu qualifizieren sei. Voraussetzung für eine freiberufliche Tätigkeit sei in derartigen Fällen lediglich, dass der Unterricht von der Persönlichkeit des Schulleiters geprägt werde; hierfür sei ausreichend, dass der Schulleiter eigenständig in den Unterricht anderer Lehrkräfte eingreife, indem er die Unterrichtsveranstaltungen mitgestalte und ihnen damit den Stempel seiner Persönlichkeit aufdrücke.

Die Kläger berufen sich außerdem hilfsweise auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Das FA habe im Rahmen einer 1996 abgeschlossenen Außenprüfung, die sich auf die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1995 bezog, nochmals ausdrücklich festgestellt, dass die Kläger nicht gewerblich tätig seien. Die Kläger hätten daher darauf vertrauen können, dass ihre Einkünfte auch in den Folgejahren vom FA als freiberufliche Einkünfte behandelt werden. Dieses Vertrauen sei auch schutzwürdig, da die Kläger auf der Grundlage dieses Vertrauens Dispositionen getroffen hätten. Die Kläger hätten die Möglichkeit gehabt, mit ihrem Auftraggeber eine um die zusätzliche Belastung durch die Gewerbesteuer höhere Vergütung zu vereinbaren.

Die Kläger beantragen, die Gewerbesteuermessbescheide für 1996 und 1997 vom 24. Oktober 2003 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2004 aufzuheben sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1996 und 1997 vom 27. Oktober 2003 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2004 dahin zu ändern, dass die streitigen Einkünfte als freiberufliche Einkünfte festgestellt werden.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Das FA bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung und trägt vor, dass nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Streitfall von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen sei. Es werde nicht verkannt, dass es sich im Streitfall um eine besondere Art der unterrichtenden Tätigkeit handele. Die unterrichtende Tätigkeit stehe jedoch zweifelsfrei im Vordergrund. Nach der Leistungsbeschreibung vom 2. August 1994 seien spezielle Fortbildungsmaßnahmen für das Ausbildungs- und Betreuungspersonal in den von der BA gemäß § 40c AFG finanzierten Maßnahmen durchzuführen gewesen. Aufgabe der X GdbR sei es gewesen, im Zeitraum 1995 bis 1997 jährlich 160 Seminare zu planen, durchzuführen und auszuwerten. Der Umstand, dass ein Teilbereich der Gesamtleistungen als wissenschaftlich einzustufen sei, bedeute nicht, dass dieser Bereich den Schwerpunkt des einheitlichen Auftrags ausmache. Das FA verweist ergänzend auf das Schreiben der Oberfinanzdirektion an die Kläger vom 08. Juni 2003. Entgegen der Auffassung der Kläger liege auch keine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes vor. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in eine fehlerhafte frühere Veranlagungspraxis des FA sei für sich allein nicht schutzwürdig. Im Steuerrecht gelte das Prinzip der Abschnittsbesteuerung.

In der Streitsache wurde am 27. Juli 2007 ein Erörterungstermin durchgeführt. Am 09. November 2007 wurde ein weiterer Erörterungstermin durchgeführt, bei dem die von den Klägern benannten Zeugen Dr. MM und Prof. Dr. NN sowie Frau PP zu Inhalt und Zweck der von der X GdbR durchgeführten Fortbildungsmaßnahmen gehört wurden. Auf die Niederschriften über die Erörterungstermine wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten (Einkommensteuerakten, Rechtsbehelfsakten, Bilanzakten, Betriebsprüfungsakten) sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das FA ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Ziff. 1 in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte erzielt hat. Die im Auftrag der BA durchgeführten Fortbildungsseminare waren in ihrem Schwerpunkt keine wissenschaftliche, sondern eine unterrichtende Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. Satz 2 EStG, bei der die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 wegen der Vielzahl der eingesetzten qualifizierten Mitarbeiter nicht mehr im erforderlichen Umfang eigenverantwortlich tätig waren i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG.

1. Durchführung der Seminare im Schwerpunkt unterrichtende Tätigkeit

a) Eine wissenschaftliche Tätigkeit übt aus, wer grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang setzt (s. hierzu Hutter in Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, § 18 EStG Rz. 89 f, m.w.N.). Dabei muss die Tätigkeit nicht unbedingt schöpferischer oder forschender Art sein (sog. reine Wissenschaft), sie kann auch darin bestehen, dass aus der Forschung hervorgegangenes Wissen und Erkennen auf konkrete Vorgänge angewendet wird (sog. angewandte Wissenschaft). Stets muss die Tätigkeit von der Methode her nachprüfbar und nachvollziehbar sein. Entscheidend für eine wissenschaftliche Tätigkeit ist auch bei Berufen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung die Art der praktischen Berufsausübung . Ärzte, Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer, die eine freiberufliche Praxis betreiben, sind daher i. d. R. nicht wissenschaftlich tätig (BFH-Urteil vom 22. September 1976 IV R 20/76, BStBl II 1977, 31). Erstellen sie allerdings außerhalb ihrer laufenden praktischen Berufstätigkeit Gutachten auf wissenschaftlicher Grundlage, so stellt dies eine getrennt zu beurteilende wissenschaftliche Tätigkeit dar (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1974 IV R 198/71, BStBl II 1975, 476).

Als unterrichtende Tätigkeit ist jede Art der persönlichen Lehrtätigkeit anzusehen, die auf das Vermitteln von bestimmten Fähigkeiten oder Kenntnissen gerichtet ist. Der Gegenstand des Unterrichts ist nicht beschränkt auf Wissensvermittlung, auch das Erlernen von praktischen Fertigkeiten gehört dazu. Wann eine vom Gegenstand her unterrichtende Tätigkeit als gewerbliche Betätigung angesehen werden muss, ist nach allgemeinen Grundsätzen zu entscheiden. Insbesondere muss bei der Beschäftigung von qualifizierten Mitarbeitern noch das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit erfüllt sein. Das bedeutet, dass z. B. der Leiter einer privaten Schule, an der mehrere Lehrkräfte beschäftigt sind, einerseits einen nicht unerheblichen Teil des gesamten an der Schule abgehaltenen Unterrichts selbst bestreiten und andererseits die Lehrtätigkeit der anderen Lehrkräfte in gewissem Umfang kontrollieren und beeinflussen muss (BFH-Urteil vom 1. April 1982 IV R 130/79, BStBl II 1982, 589, zur Sportschule). Dementsprechend ist der Inhaber einer Fahrschule, der sich selbst nicht als Fahrlehrer betätigt, Gewerbetreibender (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1966 I 249/63, BStBl III 1966, 685). Führt er den Unterricht hingegen eigenverantwortlich durch, ist er Freiberufler (BFH-Urteil vom 9. August 1990 V R 87/85, BFH/NV 1991, 848). Eine wissenschaftliche Fachausbildung oder ein formaler Befähigungsnachweis ist für eine unterrichtende Tätigkeit im Allgemeinen nicht erforderlich. Entscheidend ist, dass der Unterrichtende die sein Unterrichtsgebiet betreffenden Kenntnisse und Fertigkeiten besitzt, sowie die Befähigung, diese den Schülern zu vermitteln (BFH-Urteil vom 1. April 1982 IV R 130/79, BStBl II 1982, 589).

b) Nach diesen Maßstäben sind die von der X GdbR im Auftrag der BA durchgeführten Fortbildungsseminare in ihrem Schwerpunkt als unterrichtende Tätigkeit zu beurteilen. Der von der BA erteilte Auftrag ist ein einheitlicher Vertrag, der die X GdbR zur Erbringung verschiedener Leistungen verpflichtete. Die zu erbringende (Haupt-) Leistung war die Durchführung von Fortbildungsseminaren zur flächendeckenden Fortbildung und Qualifizierung des Personals in den Trägereinrichtungen der von der BA gemäß § 40 c AFG finanzierten Maßnahmen. Dies ergibt sich aus dem Werkvertrag und den zugrunde liegenden Leistungsbeschreibungen. Diese Fortbildungstätigkeit ist eine unterrichtende Tätigkeit i. S. v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Dem Unterrichtscharakter steht nicht entgegen, dass die Seminare der Sache nach häufig in Form eines sog. workshops durchgeführt wurden und einen Austauschprozess beinhalteten, bei dem die Lehrgangsleiter die Kenntnisse und Erfahrungen der Seminarteilnehmer einbezogen. Dieser Austauschprozess sollte gleichwohl bewirken, dass die Seminarteilnehmer für ihre praktische Arbeit in den Trägereinrichtungen fortgebildet und qualifiziert wurden.

c) Der Senat konnte sich auch unter Würdigung der Zeugenaussagen nicht davon überzeugen, dass es sich bei den Fortbildungsseminaren entsprechend dem Vortrag der Klägerseite um eine ausschließlich wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen eines wissenschaftlichen Gesamtauftrages für die BA gehandelt hat. Eine derartige Beurteilung widerspräche den geschlossenen Werkverträgen und den zugrunde gelegten Leistungsbeschreibungen sowie den Umständen der tatsächlichen Vertragsdurchführung, wie sie in den vorgelegten Quartalsberichten dokumentiert ist. Dem Vortrag der Kläger ist zwar insoweit zu folgen, als die Fortbildungsseminare auf wissenschaftlich fundierter Grundlage erfolgten und die Konzepte der X GdbR ständig wissenschaftlich erprobt und fortgeschrieben wurden. Dieser Umstand bewirkt jedoch nicht, dass die (praktische) Durchführung der Fortbildungsseminare samt Vor- und Nachbereitung insgesamt und ausschließlich als wissenschaftliche Tätigkeit beurteilt werden könnte. Zweck der Fortbildungsseminare war in erster Linie die Fortbildung und Qualifizierung des Personals der Trägereinrichtungen. Dem entspricht, dass die Zahl der durchzuführenden Seminare und die Zahl der fortzubildenden Betreuungspersonen vorher jeweils detailliert festgelegt wurden. Soweit die Seminare auch dazu dienten, im Rahmen eines Austauschprozesses neue Erkenntnisse zu erarbeiten und diese Erkenntnisse und die Fortbildungsgegenstände in Broschüren, Handlungsanweisungen, Leitfäden etc. zusammenzufassen, waren dies Nebenzwecke, die bei wertender Beurteilung nicht im Vordergrund standen.

2. Keine Freiberuflichkeit wegen Mithilfe einer Vielzahl qualifizierter Mitarbeiter.

a) Eine unterrichtende Tätigkeit ist im Grundsatz eine klassische freiberufliche Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Auch die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte steht der Annahme einer (weiterhin) freiberuflichen Tätigkeit dann nicht entgegen, wenn der Berufsträger auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird (s. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist gewährleistet, dass die eigene Tätigkeit des Freiberuflers immer noch auf seiner persönlichen Arbeitsleistung beruht. Die Merkmale "leitend" und "eigenverantwortlich" haben dabei eine selbständige und sich ergänzende Bedeutung (s. hierzu näher z.B. Hutter in Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, § 18 EStG Rz. 56 f, m. w. N.; s. ferner BFH-Urteil vom 25. November 1975 VIII R 116/74, BStBl II 1976, 155). Beide Merkmale müssen in Bezug auf die gesamte Tätigkeit des Berufsträgers vorliegen. Eine leitende Tätigkeit kann bei der Zuhilfenahme von fachlich vorgebildeten Arbeitskräften durch den Berufsträger und Betriebsinhaber dann angenommen werden, wenn dieser die Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten festlegt, den Arbeitsablauf nach den festgelegten Grundsätzen persönlich überwacht und grundsätzliche Fragen selbst entscheidet (BFH-Urteil vom 1. April 1982 IV R 130/79, BStBl II 1982, 589). Voraussetzung dafür ist, dass sich die eigenen Fachkenntnisse des Betriebsinhabers auf den gesamten Bereich der Berufstätigkeit, die in seinem Betrieb ausgeübt wird, erstrecken. Von einer eigenverantwortlichen Tätigkeit des Betriebsinhabers kann nur dann gesprochen werden, wenn er seine eigene Arbeitskraft so einsetzt, dass er in der Lage ist, für die von seinen Mitarbeitern erbrachten Leistungen die uneingeschränkte fachliche Verantwortung zu übernehmen (BFH-Urteil vom 25. November 1975 VIII R 116/74, BStBl II 1976, 155 m. w. N.). Dazu muss er in ausreichendem Umfang an der praktischen Arbeit teilnehmen; gelegentliche fachliche Überprüfungen der Mitarbeiter genügen nicht (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, BFH/NV 2001, 858). Insbesondere reicht es zur Annahme der Eigenverantwortlichkeit einer Tätigkeit nicht aus, dass der Berufsträger den Auftraggebern gegenüber die bürgerlich-rechtliche Verantwortung übernimmt. Maßgebend ist nach der Rechtsprechung des BFH vielmehr, dass auch die von den qualifizierten Mitarbeitern erbrachten Leistungen oder das zusammen mit diesen Mitarbeitern geschaffene Werk noch "den Stempel der Eigenpersönlichkeit des Berufsträgers" tragen. Das ist nicht mehr der Fall, wenn wegen der Zahl der Aufträge und der Mitarbeiter eine sorgfältige Mitarbeit des Berufsträgers nicht mehr möglich erscheint (BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93, BStBl II 1995, 732 für einen Arzt der Laboratoriumsmedizin). Es ist jedoch nicht möglich, eine allgemeine Grenze für die Freiberuflichkeit in Form eines bezifferten Verhältnisses der Mitarbeiterzahl einerseits und der Zahl der Aufträge oder Untersuchungen andererseits festzulegen; entscheidend sind die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles (BFH-Beschluss vom 29. April 2002 IV B 29/01, BStBl II 2002, 581 m. w. N.). Eine große Zahl fachlich vorgebildeter Mitarbeiter kann ein Indiz für einen Gewerbebetrieb sein (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 1995 IV R 45/94, BFH/NV 96, 463).

b) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall die Voraussetzung des eigenverantwortlichen Tätigwerdens der Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 aufgrund der Mithilfe einer Vielzahl fachlich qualifizierter Mitarbeiter nicht erfüllt. Die Klägerin Ziff. 1 hat jährlich rd. 300 Seminare mit rd. 4.500 Teilnehmern durchgeführt. Insbesondere der Kläger Ziff. 2 hat auf diese Seminare (zwar) in konzeptioneller und organisatorischer Form maßgeblichen Einfluss genommen, er und die Klägerin Ziff. 2 haben aber selbst keine Seminare abgehalten. Die Seminare wurden vielmehr von (mindestens) 130 Referenten und sog. Teamern durchgeführt. Die Vielzahl der durchgeführten Veranstaltungen und die Mithilfe einer so großen Anzahl qualifizierter Mitarbeiter bewirkt im Streitfall, dass die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 nicht mehr eigenverantwortlich tätig waren i. S. § 18 Abs. 1 Satz 3 EStG. Bei wertender Beurteilung der maßgebenden Umstände war die Erfüllung der einzelnen Aufträge nicht mehr den Klägern Ziff. 2 und Ziff. 3 persönlich, sondern ihren qualifizierten Mitarbeitern bzw. der X GdbR als Unternehmen zuzurechnen (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 2005 IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48, m. w. N.).

Als maßgebliche einzelnen Aufträge, bei dem der Berufsträger leitend und eigenverantwortlich tätig werden muss, sind im Streitfall die einzelnen -jährlich rd. 300- Seminare und nicht etwa der zugrunde liegende Werkvertrag zwischen der BA und der Klägerin Ziff. 1 zu betrachten. Diese einzelnen Unterrichtsveranstaltungen wurden jedoch von den jeweiligen Lehrgangsleitern und nicht von den Klägern Ziff. 2 und Ziff. 3 geprägt. Die jährlich rd. 300 Seminare tragen insoweit nicht den nach der Rechtsprechung erforderlichen "Stempel der Eigenpersönlichkeit" der Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3. Eine unterrichtende Tätigkeit wird gekennzeichnet durch eine charakteristische persönliche Beziehung zwischen Unterrichtendem und Schüler. Diese Unterrichtsbeziehung bestand im Streitfall zwischen den einzelnen Dozenten und den Lehrgangsteilnehmern. Dies gilt besonders auch im Hinblick auf den von den Klägern hervorgehobenen Gesichtspunkt, dass die Lehrgangsteilnehmer ihre konkreten Erfahrungen in die Veranstaltungen einbrachten und die Lehrgangsleiter diese Erfahrungen in die Seminare einbezogen. Die Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 haben mithin die praktische und tatsächliche Durchführung der einzelnen Seminare nicht im erforderlichen Umfang eigenverantwortlich gestaltet, sondern dies ihren fachlich vorgebildeten Mitarbeitern überlassen (müssen).

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass insbesondere der Kläger Ziff. 2 als national und international hoch angesehener Wissenschaftler die maßgeblichen Seminarinhalte wissenschaftlich konzipierte und fortschrieb. Der Umstand, dass die Inhalte der Seminare von den Klägern Ziff. 2 und Ziff. 3 maßgeblich geprägt und gestaltet wurden, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die einzelnen Seminare dadurch den Stempel der Eigenpersönlichkeit der Kläger Ziff. 2 und Ziff. 3 tragen. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit kann die eigene praktische Tätigkeit nicht ersetzen. Die einzelnen Seminare wurden als Unterrichtsveranstaltungen in erster Linie von dem jeweiligen Dozenten geprägt, der zu den Lehrgangsteilnehmern in eine persönliche Unterrichtsbeziehung getreten ist und den Seminarstoff kraft eigener hoher Fachkenntnis vermittelt und dabei die von den Teilnehmern eingebrachten Erfahrungen berücksichtigt hat.

3. Das FA war auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, die streitigen Einkünfte in den Streitjahren als gewerblich zu behandeln. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat die Finanzbehörde in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung muss die Finanzbehörde zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Dies ist sogar dann angenommen worden, wenn -wie im Streitfall- die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt worden war oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte. Eine unzutreffende Rechtsauffassung kann danach für sich genommen keinen Vertrauenstatbestand in der Weise begründen, dass die Behörde auch in späteren Veranlagungszeiträumen an die unzutreffende Auffassung gebunden wäre, ohne dass es auf die Länge der Zeit, während derer die Behörde die unzutreffende Auffassung vertreten hat, ankäme (vgl. BFH-Beschluss vom 16. März 1999 IV B 137/97, BFH/NV 1999, 1188, m.w.N.). Die von den Klägern hervorgehobenen Umstände sind nicht so schwerwiegend, dass eine Ausnahme von dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung geboten wäre.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

5. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtsgrundsätze, auf denen diese Entscheidung beruht, sind durch die höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärt (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



Ende der Entscheidung

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