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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.06.2009
Aktenzeichen: 7 K 65/06
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 124 Abs. 1
AO § 249 Abs. 1
AO § 254 Abs. 1
AO § 309 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Pfändungsverfügung wirksam und rechtmäßig ist.

Der Kläger ist Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten (das Finanzamt -FA-) wegen Steuerschulden ausgesetzt. Der Kläger ist als Physiotherapeut bei der GmbH (GmbH) angestellt. Weitere Arbeitnehmerin der GmbH ist die Ehefrau des Klägers. Der Kläger und seine Ehefrau sind zugleich die Gesellschafter der GmbH. Das FA pfändete mit Pfändungsverfügung vom 26. Januar 2006 die gegenwärtigen und künftigen Forderungen des Klägers aus Arbeitseinkommen einschließlich etwaiger Ansprüche aus dem Lohnsteuerjahresausgleich gegen die GmbH. In der Pfändungsverfügung ist u.a. angegeben, dass der Kläger dem FA Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 52.663,74 EUR schuldet (s. Vollstreckungsakten Bd. III -VollstrA- Bl. 1). Im Rahmen der Pfändung wurde dem Kläger eine Ausfertigung der Pfändungsverfügung zugestellt. Dieser Ausfertigung war eine Aufstellung beigefügt, in der die Steuerrückstände des Klägers im Einzelnen aufgeführt sind. Im Adressfeld dieser Aufstellung sind indes der Kläger und seine Ehefrau aufgeführt ("Herrn und Frau A. und B.X. ...", s. Finanzgerichtsakten -FG-A.- Bl. 10).

Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2006 beanstandete der Kläger die Pfändungsverfügung und beantragte beim FA, die Pfändungsverfügung zurückzunehmen. Der Kläger erklärte, die der Pfändung zugrunde liegenden Steuerbescheide seien nicht wirksam zugestellt worden. Außerdem habe die Pfändungsverfügung zu Unrecht die Eheleute X. und damit auch Frau X. als Steuerschuldnerin benannt. Frau X. sei jedoch unstreitig keine Steuerschuldnerin. Das FA teilte dem Kläger mit Schriftsatz vom 13. Februar 2006 mit, dass die Pfändungsverfügung nur gegen den Kläger ergangen sei. Lediglich in der (Forderungs-)Aufstellung, die der Ausfertigung der Pfändungsverfügung für den Kläger beigelegen habe, sei in der Anschrift auch die Ehefrau des Klägers erwähnt worden. Eine Vollstreckung gegen die Ehefrau des Klägers liege nicht vor. Die Vollstreckung sei im Übrigen zulässig, da in Bezug auf die Steuerbescheide keine Aussetzung gewährt worden sei. Eine Rücknahme der Pfändung komme zum derzeitigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Der Kläger räumte gegenüber dem FA mit Schriftsatz vom 25. Februar 2006 ein, dass in der Pfändungsverfügung nur der Kläger als Vollstreckungsschuldner bezeichnet werde. Das FA mache aber eine gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute zur Grundlage der Pfändungsverfügung, was sich aus Forderungsaufstellung, die der Pfändungsverfügung beilag, ergebe. Ferner wies der Kläger wiederholend darauf hin, dass ihm die der Pfändung zugrunde liegenden Steuerbescheide nicht wirksam bekannt gegeben worden seien.

Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2006 teilte das FA dem Kläger mit, dass die Pfändung vom 26. Januar 2006 nicht zurückgenommen werde. Die Ehefrau des Klägers sei nicht Vollstreckungsschuldnerin. In Bezug auf die Bekanntgabe der Steuerbescheide nahm das FA Bezug auf den bereits geführten Schriftverkehr, insbesondere auf das Schreiben vom 13. Juli 2005. Das FA teilte ferner mit, die Aufstellung der Steuerrückstände, die der Mehrfertigung der Pfändungsverfügung an den Kläger beigefügt war, sei nicht Grundlage der Pfändungsverfügung. In dieser Aufstellung sei der Name der Ehefrau des Klägers versehentlich nicht gestrichen worden. Dieser Fehler werde nunmehr korrigiert und der Name der Ehefrau im Adressfeld gestrichen. Entsprechend hat das FA dem Kläger eine berichtigte Aufstellung der Steuerrückstände zugesandt.

Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Pfändungsverfügung. Ferner begehrt der Kläger die Feststellung, dass die der Pfändungsverfügung zugrunde liegenden Steuerbescheide für 1995 bis 2001 rechtswidrig sind.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Pfändungsverfügung vom 26. Januar 2006 aufzuheben sowie festzustellen, dass die der Pfändungsverfügung zugrunde liegenden Steuerbescheide rechtswidrig sind.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt vor, in der Pfändungsverfügung sei lediglich der Kläger als Schuldner genannt worden. Die Aufstellung der Steuerrückstände mit der fehlerhaften Aufnahme der Ehefrau des Klägers im Adressfeld sei demgegenüber nicht Bestandteil der Pfändungsverfügung und sie sei auch lediglich der Mehrfertigung der Pfändungsverfügung für den Steuerschuldner beigefügt gewesen. Dem Drittschuldner werde die Zusammensetzung der Rückstände aus Gründen des Steuergeheimnisses nie mitgeteilt. Das FA weist ferner darauf hin, dass die der Pfändung zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide dem (früheren) Steuerberater des Klägers unter Beachtung der vorliegenden Empfangsvollmacht zugesandt worden sind. Dem Kläger seien außerdem Kopien der Steuerbescheide zugesandt worden. Da der Steuerberater mit Schreiben vom 1. März 2004 gegen die der Vollstreckung zugrunde liegenden Steuerbescheide Einspruch eingelegt habe, sei der Beweis der tatsächlichen Bekanntgabe erbracht. Der Kläger sei mit Schreiben vom 30. Juni 2005 darauf hingewiesen worden, dass die Bescheide dem Steuerberater zugesandt worden sind. Auf das Schreiben vom 30. Juni 2005 habe der Kläger mit Schreiben vom 12. Juli 2005 reagiert. Dies bedeute, dass spätestens damit der Zugang der Bescheide bewiesen sei.

Der Kläger hatte gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2001 durch seinen früheren Steuerberater Klage erhoben. In den Streitsachen wurde am 2. September 2004 ein Erörterungstermin durchgeführt, an dem der Kläger und sein früherer Steuerberater teilnahmen. In dem Erörterungstermin wurden die Klagen zurückgenommen. Auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 2. September 2004 in den Finanzstreitsachen 7 K 117/04 bis 7 K 123/04 wird Bezug genommen (s. FG-A. 7 K 117/04 bis 7 K 123/04).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten zahlreichen Anlagen sowie auf die Behördenakten (Rechtsbehelfsakten, Vollstreckungsakten) und die Gerichtsakten 7 K 129/05 und 7 V 12/06 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die streitgegenständliche Pfändungsverfügung vom 26. Januar 2006 und die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2001 sind wirksam und rechtmäßig.

1. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 können die Finanzbehörden Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Hierzu bestimmt § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, dass die Vollstreckung, soweit nichts anderes bestimmt ist, erst beginnen darf, wenn die Leistung fällig, der Vollstreckungsschuldner zur Leistung aufgefordert und seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist. Das Leistungsgebot, d.h. die Aufforderung zur Leistung, kann mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Wegen der Säumniszuschläge bedarf es keines gesonderten Leistungsgebotes, wenn diese zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Nach diesen Bestimmungen müssen zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein, ehe mit der Vollstreckung begonnen werden darf: Es muss ein vollstreckbarer Verwaltungsakt als Grundlage der Vollstreckung vorliegen (§ 249 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) und die Leistung muss fällig und angefordert worden sein: d.h. es muss ein Leistungsgebot im Sinn des § 254 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ergangen sein. Die Rechtsprechung hat ferner klargestellt, dass der zu vollstreckende Verwaltungsakt wirksam geworden sein muss (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977); denn nur mit einem wirksamen Verwaltungsakt kann eine Leistung gefordert werden. Ein unwirksamer Verwaltungsakt entfaltet keine Rechtswirkungen, insbesondere nicht die, dass eine Leistung geschuldet wird, die vollstreckt werden könnte (s. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. Oktober 2002 VII R 56/00 (BStBl II 2003, 109, m.w.N.).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die (konkludent angefochtene) Pfändungsverfügung vom 26. Januar 2006 wirksam und darüber hinaus rechtmäßig.

a) Die Pfändungsverfügung vom 26. Januar 2006 ist wirksam. Eine Unwirksamkeit der Pfändungsverfügung läge selbst dann nicht vor, wenn die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2001 dem Kläger nicht bekannt gegeben worden und damit nicht wirksam geworden wären. Denn nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist eine Pfändungsverfügung, der ein mangels Bekanntgabe nicht wirksam gewordener Steuerbescheid und damit kein wirksamer Vollstreckungstitel und kein Leistungsgebot zugrunde liegt, nicht nichtig, sondern lediglich (anfechtbar) rechtswidrig (s. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2002 VII R 56/00, BFH/NV 2003, 221, m.w.N.).

b) Die angefochtene Pfändungsverfügung ist ferner rechtmäßig. Es lag insbesondere bei Beginn der Vollstreckung ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vor. Denn die der Pfändungsverfügung zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2001 vom 3. Februar 2004 sind dem Kläger bei Würdigung der maßgeblichen Umstände tatsächlich zugegangen und wirksam geworden (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Der Umstand, dass der frühere Steuerberater des Klägers gegen die Steuerbescheide mit Schreiben vom 1. März 2004 Einspruch erhoben hat, ist ein Indiz dafür, dass die Steuerbescheide dem Steuerberater auch tatsächlich bekannt gegeben wurden (s. Schriftsatz des FA vom 20. März 2006, FG-A. Bl. 22). Diese Beurteilung wird durch den eigenen Vortrag des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers in den Klageverfahren betreffend Einkommensteuer 1995 bis 2001 bestätigt. Der Kläger hatte gegen die Einkommensteuerbescheide vom 3. Februar 2004 und die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 16. April 2004 am 15. Mai 2004 Klage erhoben. Die Klagen wurden in der Folge zurückgenommen. In der Klageschrift hatte der (frühere) Prozessbevollmächtigte jeweils erklärt, dass das FA "am 03.02.2004 einen geänderten Einkommensteuerbescheid erstellt (hat) und die Bekanntgabe erfolgte an den Prozessvertreter". Im Übrigen hat das FA den Kläger mit Schreiben vom 30. Juni 2005 -unter Übersendung von Kopien der Bescheide- darauf hingewiesen, dass die Einkommensteuerbescheide dem früheren Steuerberater unter Beachtung der vorliegenden Empfangsvollmacht zugesandt wurden. Da der Kläger hierauf mit Schreiben vom 12. Juli 2005 reagiert hat, steht fest, dass der Kläger die Bescheide spätestens zu diesem Zeitpunkt erhalten hat.

c) Der Umstand, dass das FA dem Kläger zusammen mit der für ihn bestimmten Ausfertigung der Pfändungsverfügung zunächst eine Aufstellung der Steuerrückstände zugestellt hat, die im Adressfeld auch den Namen der Ehefrau des Klägers enthielt, führt ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit oder gar zur Nichtigkeit der Pfändungsverfügung. Die dem Kläger übersandte Aufstellung der Steuerrückstände ist nicht Bestandteil der Pfändungsverfügung. Für die Rechtmäßigkeit der Pfändungsverfügung ist insoweit erforderlich (s. BFH-Urteil vom 18. Juli 2000 VII R 101/98, BStBl II 2001, 5, m.w.N.) und ausreichend, dass in der Pfändungsverfügung selbst der beizutreibende Geldbetrag in einer Summe und ohne Angabe der Steuerarten und der Zeiträume, für die er geschuldet wird, bezeichnet ist (vgl. § 309 Abs. 2 Satz 2 AO 1977). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Unabhängig davon hat das FA den Namen der Ehefrau des Klägers in der Folge in der dem Kläger übersandten berichtigten Aufstellung gestrichen und damit den zunächst unterlaufenen Fehler jedenfalls geheilt im Sinne des § 126 AO 1977.

3. Der Antrag auf Feststellung, dass die der Pfändungsverfügung vom 26. Januar 2006 zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2001 rechtswidrig sind, konnte ebenfalls keinen Erfolg haben. Dabei kann dahinstehen, ob die Klage überhaupt zulässig ist. Der Kläger hatte gegen die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 2001 Anfechtungsklage erhoben und diese Klagen in der Folge in einem gerichtlichen Erörterungstermin zurückgenommen. Eine (neuerliche) Anfechtungsklage wäre daher nach § 72 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht mehr zulässig und dieser Einwand könnte auch für die -bei Geltendmachung von Bekanntgabemängeln- neben der Anfechtungsklage grundsätzlich wahlweise statthafte Feststellungsklage gelten (vgl. BFH-Beschluss vom 16. September 2004 VII B 20/04, BFH/NV 2005, 231, m.w.N.). Die Feststellungsklage ist aber jedenfalls in der Sache unbegründet. Die Einkommensteuerbescheide sind wirksam geworden. Die Einkommensteuerbescheide sind dem früheren Prozessbevollmächtigten nach dessen eigener Erklärung bekannt gegeben worden (s. o. II. 2. b). Sonstige Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide sind im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

5. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (vgl. § 115 Abs. 2 FGO).

6. Diese Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung (s. §§ 79a Abs. 3 und Abs. 4, 90 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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