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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.09.2006
Aktenzeichen: 7 K 71/02
Rechtsgebiete: AO 1977, EStG


Vorschriften:

AO 1977 § 163
AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 11
EStG § 22 Nr. 3
Ertragsteuerliche Behandlung steuerpflichtiger Bestechungsgelder bei nachträglicher Abführung an den geschädigten Arbeitgeber - Keine vom Prinzip der Abschnittsbesteuerung abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO.
Finanzgericht Baden-Württemberg

7 K 71/02

Tatbestand:

Der Kläger war bis Oktober 1998 bei der "I GmbH" als Bereichsleiter für Projektentwicklung/Baumanagement nicht selbständig tätig. In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft X gegen den Bauunternehmer S stellte sich heraus, dass der Kläger für verschiedene Projekte Schmiergelder erhalten hatte. Von S erhielt er im Jahr 1996 für das Objekt "B-Netz D" 1.450.000 DM, im Jahr 1997 für das Objekt "B-Netz K" 800.000 DM und im Jahr 1998 für das Objekt "B-Cargo M" 500.000 DM. Weiterhin erhielt er von Herrn W für das Objekt "B-Netz H" im Jahr 1998 Schmiergelder in Höhe von 50.000 DM und im Jahr 1999 weitere 200.000 DM.

Am 4. April 2000 eröffnete die Staatsanwaltschaft X ein Strafverfahren gegen den Kläger. Er erhoffte sich, durch Abführung der Schmiergelder an seine Arbeitgeberin eine Strafmilderung zu erhalten. Am 14. Juli 2000 zahlte der Kläger deshalb einen Betrag von 2.400.862,10 DM an die B AG. Diesen Betrag errechnete er wie folgt:

 erhaltene Schmiergelder2.930.000,00 DM
abzüglich 16% Mehrwertsteuer404.137,90 DM
abzüglich Einbehalt125.000,00 DM
Restbetrag2.400.862,10 DM

Am 1. März 2001 zahlte der Kläger weitere 410.000 DM und am 5. Juli 2001 200.000 DM an die B AG.

Der Kläger wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt, die er Ende 2001 antrat. Im offenen Strafvollzug konnte er seiner im Jahr 1999 begonnenen nichtselbständigen Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Y GmbH weiter nachgehen (Einnahmen 1999: 313.337 DM; 2000: 473.520 DM; 2001: 397.520 DM; 2002: 93.042 EUR; 2003: 92.040 EUR).

Die Schmiergelder waren in den Steuererklärungen 1996 bis 1998 nicht erklärt worden. Nachdem das beklagte Finanzamt (FA) durch die Steuerfahndung X von den Zahlungen Kenntnis erlangt hatte, änderte es am 17. Dezember 2001 die Einkommensteuerbescheide der betreffenden Jahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und versteuerte die Schmiergeldzahlungen als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Ebenso wurden Guthabenzinsen aus der Anlage der Schmiergelder auf einem Schweizer Konto geschätzt. Es kam zu Nachzahlungen von insgesamt 1.979.712,14 DM (Einkommensteuer 1.588.773 DM, Solidaritätszuschlag 278.912 DM, Nachzahlungszinsen 112.027,14 DM). Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 jeweils Einspruch ein, über die vom FA noch nicht entschieden wurde.

Bei der Veranlagung für das Jahr 2000 machte der Kläger einen Betrag von 2.405.490 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA setzte den an die B AG abgeführten Betrag als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG an. In dieser Höhe bestehe ein verrechenbarer Verlust, der gemäß § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum zurückgetragen oder in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden könne. Aufgrund der gesetzlichen Verlustverrechnungsbeschränkung, nach der Verluste i.S. des § 22 Nr. 3 EStG nur mit Einnahmen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG verrechnet werden dürften, sei eine Verrechnung des entstandenen Verlusts mit anderen Einkünften des Klägers nicht möglich. Der im Jahr 2000 entstandene Verlust wurde dementsprechend zunächst in Höhe von 200.000 DM in das Jahr 1999 zurückgetragen. Den verbleibenden Verlust von 2.205.490 DM stellte das FA auf den 31. Dezember 2000 gesondert fest.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2001 stellte der Kläger beim FA einen Antrag, im Billigkeitswege aus sachlichen, hilfsweise auch aus persönlichen Gründen von der Anwendung des Zu- und Abflussprinzips abzusehen und bei den Veranlagungen der Jahre 1996 bis 1998 die im Jahr 2000 abgeführten Gelder als Werbungskosten bzw. negative Einnahmen bei den sonstigen Einkünften anzusetzen, so dass es zu keiner Nachzahlung komme.

Diesen Antrag lehnte das FA am 16. Mai 2001 ab. Den hiergegen eingelegten Einspruch vom 1. Juni 2001 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führt es aus, bei den Schmiergeldern handele es sich um Einnahmen aus wiederkehrenden sonstigen Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Die Abführung der Schmiergelder an den Arbeitgeber sei im Abflusszeitpunkt im Jahr 2000 steuermindernd zu berücksichtigen. Die Verlustverrechnung sei zutreffend durchgeführt worden. Eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen scheide aus. Das steuerliche Ergebnis folge dem Zu- und Abflussprinzip, dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung und dem abschnittübergreifenden Nettoprinzip und entspreche somit der Systematik des Einkommensteuergesetzes. Der Verlust könne nach der neu geregelten Vorschrift des § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG zeitlich unbegrenzt vorgetragen und in späteren Jahren verrechnet werden. Zwar sei ein Verlustausgleich im Jahr 2000 nicht möglich. Dieser Nachteil liege aber im Wesen der Abschnittsbesteuerung begründet und rechtfertige keine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen. Es könne im Streitfall nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in späteren Veranlagungszeiträumen positive Einkünfte aus Leistungen beziehe und deshalb eine sachliche Unbilligkeit entfalle. Ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen scheide wegen der fehlenden Erlasswürdigkeit des Klägers, der eine Steuerhinterziehung begangen habe, aus.

Hiergegen richtet sich die am 26. März 2002 bei Gericht eingegangene Klage. Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, die Anwendung des Zu- und Abflussprinzips lasse das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie das bei sämtlichen Einkunftsarten geltende Nettoprinzip unbeachtet. Er habe aus den Schmiergeldgeschäften keinen Überschuss erzielt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seinemBeschluss vom 23. Januar 1990 1 BvL 4, 5, 6, 7/87 (Bundessteuerblatt -BStBl- II 1990, 483; unter B I. 3) ausgeführt, dass es mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unvereinbar sei, einen vollständig abgeschöpften Gewinn mit einer zusätzlichen steuerrechtlichen Belastung zu verbinden. Es erscheine im Streitfall auch höchst zweifelhaft, ob sich die Aufwendungen in der Folgezeit steuermindernd auswirken würden, weil nicht absehbar sei, welche Einkünfte er in der Zukunft erzielen werde. Stehe fest, dass eine Einkunftsquelle dauerhaft zu keinem Gewinn oder Überschuss geführt habe und auch zukünftig nicht führen werde, könnten weder das Zu- und Abflussprinzip noch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung einen Steueranspruch begründen. Vielmehr sei dann ein Billigkeitserlass geboten. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) erkenne in seinemUrteil vom 31. Mai 2000 IX R 73/96 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2001, 25; unter II.1.c) dies für einen ähnlich gelagerten Sachverhalt an. Ein Festhalten an der Besteuerung würde seine Existenz vernichten und ihn zum Sozialhilfeempfänger machen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das beklagte FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16. Mai 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 zu verpflichten, im Wege der sachlichen Billigkeit gemäß § 163 AO von der Anwendung des Zu- und Abflussprinzips abzusehen und bei den Einkommensteuer-Veranlagungen des Klägers der Jahre 1996 bis 1998 die in den Jahren 2000 und 2001 abgeführten Gelder als negative Einnahmen oder Werbungskosten steuermindernd zu berücksichtigen,

2. hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das beklagte Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Dabei hält es im Wesentlichen an den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung fest. Zudem führt es aus, dem Gesetzgeber sei bei der Einführung der Verlustausgleichsregelung des § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BStBl I, 304) die steuerlich Handhabung von Schmiergeldzahlungen bekannt gewesen. Er habe die sich hieraus ergebenen Rechtsfolgen in Kauf genommen.

Es sei jedoch vertretbar, die Grundsätze des BFH-Urteils vom 26. Januar 2000 IX R 87/85, BStBl II 2000, 396 zum Verlustverrechnungsverbot des § 22 Nr. 3 EStG im Falle des Klägers anzuwenden. Dies bedeute, die negativen Einkünfte des Klägers aus den Jahren 2000/2001 könnten uneingeschränkt mit anderen positiven Einkünften auch aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Im Jahr 2000 ergebe sich nun eine steuerliche Auswirkung und der Verlust könne nach § 10 d EStG zeitlich unbegrenzt vorgetragen und in späteren Jahren mit positiven Einkünften verrechnet werden. Für einen darüber hinausgehenden Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen der Jahre 1996 bis 1998 sei jedoch nach wie vor kein Raum. Sofern durch die sofortige Betreibung der Steuerschulden die wirtschaftliche Existenz des Klägers gefährdet würde, könne dem durch andere Maßnahmen (z.B. Ratenzahlungsvereinbarung mit der Vollstreckungsstelle) entgegen gewirkt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die dem Senat vorliegenden einschlägigen Steuerakten verwiesen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO).

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Ablehnung des beantragten Erlasses durch abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO der Einkommensteuern 1996, 1997 und 1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des FA, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden. Die Entscheidung darf gerichtlich (nur) daraufhin überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 102 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Gleichwohl kann das Finanzgericht ausnahmsweise eine Verpflichtung des FA zum Erlass aussprechen (vgl. § 101 FGO), wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (vgl. zur sog. Ermessensreduzierung auf Null: BFH-Urteil vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BStBl II 1993, 3). Für die gerichtliche Überprüfung ist der Zeitpunkt der letzten Einspruchsentscheidung maßgeblich (BFH-Urteil vom 16. September 1966 III 138/65, BStBl III 1967, 49). Das Gericht ist im Ermessenbereich grundsätzlich weder zu eigenen Tatsachenermittlungen noch zur eigenen Ermessensausübung befugt, weil es letztlich seine Erwägungen an die Stelle der hier allein maßgeblichen Ermessenserwägungen der Verwaltung setzten würde (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 X R 24/95, BStBl II 2000, 514).

Das FA hat ermessensfehlerfrei entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen für ein Billigkeitserlass weder aus sachlichen noch aus persönlichen Gründen vorliegen.

1. Zunächst hat es zutreffend die Voraussetzungen für einen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen dargelegt. Danach ist die Festsetzung einer Steuer dann sachlich unbillig, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Falle derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint (BFH-Urteil vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BStBl II 1993). Sachliche Gründe sind danach gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt -, im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BVerfG-Beschluss vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BStBl II 1978, 441). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes bewusst in Kauf genommen hat, rechtfertigen dagegen einen Billigkeitserlass nicht (BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BStBl II 1985, 489).

a) Zwar ist im Billigkeitsverfahren nicht darüber zu entscheiden, ob die Steuerfestsetzung rechtmäßig ist (Klein/Rüsken, AO, Kommentar, 8. Auflage, 2003, § 163 Tz. 2). Dennoch ist es nicht zu beanstanden, dass das FA in der Einspruchsentscheidung zum Billigkeitsverfahren darauf hingewiesen hat, dass die Festsetzung der Einkommensteuern in den noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden den gesetzlichen Regelungen entspricht. Die Ausführungen des FA sind auch zutreffend:

aa) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird. Hierzu gehört auch das einem Arbeitnehmer von Dritten gezahlte Bestechungsgeld; es ist - da es ohne Wissen und entgegen den Interessen des Arbeitgebers gezahlt wurde - nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst und deshalb kein steuerbarer Arbeitslohn, wohl aber Einnahme i.S. des § 22 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396).

Die an den Kläger in den Streitjahren geleisteten Zahlungen stellen Schmiergeldzahlungen in diesem Sinne dar. Die sonstige Leistung des Klägers bestand darin, dass die Auftragsvergabe nicht nach objektiven Kriterien wie Leistungsfähigkeit und Preis, sondern aufgrund der Bereitschaft zu Schmiergeldzahlungen erfolgte. Die Schmiergeldzahlungen an den Kläger sind im Jahr des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) der Einkommensbesteuerung zu unterwerfen.

bb) Die vom Kläger getätigten Aufwendungen sind erst im Zeitpunkt des jeweiligen Abflusses der Beträge (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG), d.h. im Jahr 2000 steuermindernd zu berücksichtigen.

Die der Einkommensteuer unterliegenden sonstigen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ergeben sich aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 EStG). Die Grundlagen für die Einkommensbesteuerung sind jeweils für ein Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG i.V.m. § 25 EStG). Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ausgaben sind für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Einnahmen und Ausgaben müssen zwar - wie sich aus den Ausnahmeregelungen in § 11 Abs. 1 und 2 EStG ergibt - nicht vollständig nach einem strengen Zu- und Abflussprinzip erfasst werden. Ausnahmen können sich jedoch nur aus einer abweichenden gesetzlichen Regelung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916), der gesetzlichen Definition des Besteuerungsgegenstandes (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 97/92, BStBl II 1994, 287 zu § 16 Abs. 2 EStG) oder zwangsläufig aus der Art einmaliger Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG ergeben (BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 X R 91/90, BStBl II 1992, 1017). Nach der Rechtsprechung des BFH bestehen bei den im Streitfall vorliegenden wiederkehrenden sonstigen Leistungen jedoch keine Gründe für ein Abweichen vom Zu- und Abflussprinzip (BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396). In gleicher Weise hat der BFH in seinen neueren Urteilenvom 4. Mai 2006 (VI R 17/03 BFH/NV 2006, 1744; VI R 19/03 BFH/NV 2006, 1577) entschieden, dass zurückgezahlter Arbeitslohn erst im Zeitpunkt seinen Abflusses steuermindernd zu berücksichtigen ist.

Zutreffend hat es das FA auch abgelehnt, die Zahlungen in den Jahren 2000 und 2001 an die B AG als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu werten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Beschluss vom 19. Juli 1993 - GrS 2/92 - BStBl II 1993, 897, 901) richtet sich die Beantwortung der Frage, wann einem bestimmten Ereignis Rückwirkung i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zukommt, nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen des jeweils einschlägigen (Einzel-)Steuergesetzes, im vorliegenden Fall also nach § 22 Nr. 3 EStG i.V. mit § 11 EStG. Diese Bestimmungen messen aber einer späteren Schadensersatzzahlung an den Arbeitgeber gerade keine Rückwirkung zu; vielmehr ist diesem Vorgang durch eine Korrektur im Rückzahlungsjahr Rechnung zu tragen. Im Streitfall handelt es sich um zwei getrennt zu beurteilende Vorgänge, nämlich zum einen den Leistungsaustausch zwischen dem Schmiergeldgeber und dem Kläger und zum anderen die Zahlung von Schadensersatz an die Arbeitgeberin des Klägers. Die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz ist aber erst im Jahr 2000 entstanden, als die Arbeitgeberin den Anspruch geltend gemacht hat. Eine Rückbeziehung in die Jahre 1996 bis 1998 scheidet demnach aus.

b) Das FA ist des Weiteren ermessenfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Abweichung von diesem Ergebnis aus sachlichen Billigkeitsgründen nicht Betracht kommt.

aa) Der Gesetzgeber hat die sich aus der Anwendung des Zu- und Abflussprinzips des § 11 EStG bzw. aus dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung ergebenden Rechtsfolgen bewusst in Kauf genommen. Durch die Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum - bei der Anwendung des Einkommensteuersatzes als Folge der Steuerprogression oder wegen der fehlenden tatsächlichen Ausgleichsmöglichkeit negativer Einkünfte in einem späteren Veranlagungszeitraum - kann es zu steuerlichen Zufallsergebnissen kommen, die gegebenenfalls zu einer erheblichen steuerlichen Be- oder Entlastung führen. Eine zeitabschnittsbezogene Steuerermittlung bewirkt typischerweise bei progressiven Steuersätzen Unterschiede der Steuerbelastung zwischen den verschiedenen Abschnitten (BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396).

bb) Gründe für eine abweichende Steuerfestsetzung ergeben sich auch nicht aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Verbot der Übermaßbesteuerung. Die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ist auf den jeweils zu beurteilenden Einkommensermittlungszeitraum (Veranlagungszeitraum) zu beziehen (BFH-Urteil vom 17. April 1996 I R 78/95, BStBl II 1996, 571). Dies folgt aus der auf den jährlichen Besteuerungsabschnitt bezogenen steuerlichen Ermittlungstechnik für die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer in ihrer Ausgestaltung als Jahressteuer (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 - 2 BvL 77/92 - BStBl II 1997, 518). Die Leistungsfähigkeit war beim Kläger in den Jahren1996 bis 1998 erhöht, da ihm Schmiergelder zugeflossen waren.

cc) Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob es der Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebietet, die Zahlungen an die B AG in den Jahren 2000 und 2001 im Zeitpunkt des jeweiligen Abflusses der Beträge unter Außerachtlassung der einschränkenden Regelungen des § 22 Nr. 3 Sätze 3 und 4 EStG zum Verlustausgleich und Verlustabzug auch mit anderen Einkunftsarten zuzulassen (bejahend für den Fall, dass der Schmiergeldempfänger diese in einem späteren Veranlagungszeitraum an den die Schmiergelder Leistenden zurückbezahlt, BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BStBl II 2000, 396). Das FA ist im Laufe des Klageverfahrens dementsprechend verfahren (vgl. Schriftsatz des FA vom 5. Februar 2004 und die gemäß § 10 d Abs. 1 Satz 5 EStG geänderten Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 vom 21. Januar 2004). Hieraus ergaben sich Verluste bei den sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Diese wurden vom FA - unter Anwendung der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2 Abs. 3 EStG - teilweise mit positiven Einkünften des Klägers aus nicht selbständiger Arbeit ausgeglichen. Des Weiteren wurde ein Verlustbetrag in das Jahr 1999 zurückgetragen. Die hieraus resultierenden Erstattungsbeträge wurden mit den Steuerforderungen aus dem Jahr 1996 verrechnet. Dadurch haben sich für die Festsetzung der Einkommensteuern der Streitjahre 1996 bis 1998 aber keine Auswirkungen ergeben, da ein Verlustrücktrag nur für den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum - d.h. für das Jahr 1999 - möglich war (§ 10 d Abs. 1 Sätze 1 und 5 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2000 gültigen Fassung). Die vom FA im Laufe des Klageverfahrens durchgeführten Änderungen der Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 blieben also ohne Auswirkungen auf das Klageverfahren.

dd) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des BFH vom 31. Mai 2000 IX R 73/96, BFH/NV 2001, 25 berufen. Denn dort konnte der BFH die Frage eines Billigkeitserlasses gemäß § 163 AO gerade nicht entscheiden (unter II. 1c der Gründe). Schließlich ist auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des BVerfG vom 23. Januar 19901 BvL 4, 5, 6, 7/87, BStBl II 1990, 483 nicht einschlägig, da dort über die steuerliche Behandlung einer Geldbuße (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG) unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu befinden war.

2. Auch hat das FA in nicht zu beanstandender Weise einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen verneint. Der Kläger hat durch die Nichtversteuerung der Schmiergeldzahlungen und der daraus resultierenden Zinsen gravierend gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen. Damit scheidet mangels Erlasswürdigkeit ein Billigkeitserlass aus. Soweit der Kläger auf seine finanzielle Situation verweist ist zu berücksichtigen, dass er seine Argumente dann nicht vorbringen könnte, wenn er die Schmiergelder von Anfang an erklärt und versteuert hätte. Denn bei Erlass der erstmaligen Einkommensteuerbescheide 1996 am 22. Januar 1999, 1997 am 9. Juli 1999 und 1998 am 3. November 1999 wäre der Kläger zur Abführung der entstandenen Einkommensteuern in der Lage gewesen. Schließlich hat das FA im Klageverfahren darauf hingewiesen, dass einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers durch andere Maßnahmen (z.B. Ratenzahlungsvereinbarung mit der Vollstreckungsstelle) entgegen gewirkt werden könne.

Nach allem war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung (vgl. § 115 Abs. 2 FGO) lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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