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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 29.03.2007
Aktenzeichen: 8 K 172/03
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 32b Abs. 1 | |
EStG § 34 Abs. 2 |
Finanzgericht Baden-Württemberg
Tatbestand:
Streitig ist die Berechnung der tariflichen Einkommensteuer beim Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften im Sinne des § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften im Sinne des § 32b Abs. 1 EStG.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2000 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Dipl. Physiker und war im Streitjahr 62 Jahre alt. Er erhielt im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitgeber eine Abfindung von DM 375.000 und bezog DM 24.949 Arbeitslosengeld. Außerdem erzielte er DM 53.669 Einkünfte aus der Vermietung eines Wohnhauses in Frankreich.
Zunächst erging ein Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 2001, gegen den die Kläger unter anderem wegen der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 EStG in Verbindung mit dem zu berücksichtigenden Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG Einspruch einlegten.
Einvernehmen besteht zwischen den Beteiligten darin, dass das gesamte zu versteuernde Einkommen nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG tarifbegünstigt ist und dass sowohl das Arbeitslosengeld als auch die in Frankreich bezogenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr.1 a bzw. Nr. 2 EStG unterliegen. Streitig ist jedoch die Art und Weise der Berechnung des Steuersatzes bzw. der tariflichen Einkommensteuer.
Das beklagte Finanzamt setzte entsprechend H 34.2 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) bzw. Einkommensteuerhinweise (EStH) und dem in der Finanzverwaltung verwendeten EDV-Programm das zu versteuernde Einkommen mit einem Fünftel an, addierte hierzu das Arbeitslosengeld und die ausländischen Einkünfte, sodass sich hieraus das zur Errechnung des Steuersatzes maßgebliche zu versteuernde Einkommen ergab und errechnete unter Zuhilfenahme der Splittingtabelle den vorliegend anzuwendenden Steuersatz.
Die Kläger hingegen vertreten die Auffassung, dass nicht nur das zu versteuernde Einkommen mit einem Fünftel zu berücksichtigen sei, vielmehr müssten auch die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nur mit jeweils einem Fünftel berücksichtigt werden, sodass sich ein wesentlich niedrigerer Steuersatz ergebe.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2003 wurde der Einspruch im hier noch allein streitigen Punkt als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Steuer auf DM 45.180 herabgesetzt wurde.
Dagegen erhob der Kläger form- und fristgerecht Klage und verfolgt sein bisheriges Begehren bezüglich der Berechnung der Steuer weiter. Zur Begründung führt er aus, dass nach der Methode der Finanzverwaltung ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens um 100% der Progressionseinkünfte erhöht und daraus ein überhöhter Steuersatz errechnet werde. Damit werde der Grundsatz der gleichmäßigen Steuerverteilung im Hinblick auf die Besteuerung nach § 34 EStG durchbrochen. Folgerichtig sei, nur ein Fünftel der Progressionseinkünfte dem um ein Fünftel gekürzten, zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen. Der besondere Steuersatz nach § 32b Abs. 1 EStG sei aus diesem maßgebenden, zu versteuernden Einkommen zu ermitteln. Dieser besondere Steuersatz sei auf ein Fünftel des tatsächlichen, zu versteuernden Einkommens anzuwenden. Danach sei der sich daraus ergebende Steuerbetrag um das fünffache wieder zu erhöhen.
Die Berechnung des beklagten Finanzamtes werde von der Gesetzesvorschrift des § 32 b Abs. 2 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 34 EStG so nicht gefordert. Durch die Methode der Finanzverwaltung werde der besondere Steuersatz im Ergebnis aus 500% der Progressionseinkünfte errechnet, weil der besondere Steuersatz nochmals um das fünffache multipliziert werde. Es trete daher eine ungleichmäßige Besteuerung gegenüber begünstigten Einkünften nach § 34 EStG ohne Progressionseinkünfte ein.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den zuletzt ergangenen Einkommensteuerbescheid 2000 vom 31. Mai 2002 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2003 zuletzt geändert durch Bescheid vom 1. Februar 2005 in der Weise herabzusetzen, dass nur ein Fünftel der Progressionseinkünfte dem um ein Fünftel gekürzten, zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt es sinngemäß aus, die Methode der Finanzverwaltung entspreche der Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG, die hier maßgebend sei. Danach betrage die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das fünffache des Unterschiedsbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte. Sei das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so betrage die Einkommensteuer das fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.
Im Streitfall sei das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ. Dadurch sei das gesamte zu versteuernde Einkommen nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG negativ. Bei der Berechnung des darauf entfallenden Steuerbetrages sei der Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Eine Fünftelung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte komme nach den gesetzlichen Regelungen hierbei nicht in Betracht. Die Progression werde nur durch den niedrigen Ausgangswert, nicht jedoch durch die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte gemildert. Diese seien daher in voller Höhe anzusetzen.
Nach dem Gesetzeszweck des §§ 34 EStG solle die progressionsbedingte Mehrbelastung von Einkünften verringert werden, deren Zufluss sich normalerweise auf mehrere Jahre verteilt hätte. Die Tarifermäßigung nach Absatz 1 der Vorschrift gelte allerdings nur für diese "außerordentlichen" Einkünfte. Daher sei bei der Ermittlung des durch die Fünftelung begünstigten Steuersatzes der Progressionsvorbehalt ohne Fünftelung zu berücksichtigen. Eine anderweitige Regelung bestehe nach § 32 b EStG nicht. Ein Fehler im Rechenprogramm der Finanzverwaltung liege nicht vor.
Am 1. Februar 2005 wurde aufgrund einer Mitteilung über eine Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft der Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) geändert. Danach beträgt das zu versteuernde Einkommen nunmehr DM 203.788 und der Gesamtbetrag der Einkünfte DM 214.522.
Die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten stellen sich rechnerisch wie folgt dar:
Berechnung | laut Finanzamt | Berechnung | laut Kläger |
Zu versteuerndes Einkommen | DM 203.788 | Zu versteuerndes Einkommen | DM 203.788 |
Davon 1/5 = | DM 40.757 | Davon 1/5 | DM 40.757 |
+ Arbeitslosengeld | + | 1/5 Arbeitslosengeld | DM |
DM 24.949 | 4.989 | ||
+ Ausländische Einkünfte | + DM 53.669 | 1/5 Ausländische Einkünfte | DM 10.733 |
Maßgebliches zu versteuerndes Einkommen = | DM 119.375 | Maßgebliches zu versteuerndes Einkommen | DM 56.479 |
Abgerundet auf Eingang Tabellensprung | DM 119.340 | Abgerundet auf Eingang Tabellensprung | DM 56.376 |
Steuer laut Splittingtabelle | DM 27.796 | Steuer laut Splittingtabelle | DM 7.594 |
Ermittlung Durchschnittssteuersatz | 27.796 x 100 119.340 | Ermittlung Durchschnittssteuersatz | 7.594 x 100 56.376 |
Durchschnittssteuersatz = | 23,2914% | Durchschnittssteuersatz = | 13,4702 % |
Steuersatz auf Eingang Tabellenstufe DM 40.716 x 23,2914% = | DM 9.483 | Steuersatz auf Eingang Tabellenstufe DM 40.716 x 13,4702% = | DM 5.484 |
Multipliziert mit Faktor 5 = | DM 47.415 | Multipliziert mit Faktor 5 = | DM 27.420 |
Die Beteiligten haben nach § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren.
2. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
a) Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung beträgt die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um die außerordentlichen Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte (sog. Fünftelregelung). Ist das verbleibende zu versteuernde Einkommen negativ und das zu versteuernde Einkommen positiv, so beträgt die Einkommensteuer gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG das Fünffache der auf ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens entfallenden Einkommensteuer.
§ 34 Abs. 1 EStG erhielt die seit 1999 geltende Fassung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (StEntlG 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402, BStBl I 1999, 304 ). Zuvor wurden die außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. bis zu einem bestimmten Höchstbetrag mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert, der die Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes betrug, welcher sich ergeben hätte, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen gewesen wäre (sog. halber Steuersatz). Die sog. Fünftelregelung wurde eingeführt, weil die bisherige Regelung Steuerpflichtige, die regelmäßig dem Spitzensteuersatz unterlagen, übermäßig begünstigte; auch wurde die bisherige Regelung aufgrund unterschiedlicher Entlastung der außerordentlichen Einkünfte und der Einkünfte aus mehrjähriger Tätigkeit für zu kompliziert gehalten (vgl. BFH unter Hinweis auf die Begründung zum Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, BTDrucks 14/23, 183; BFH-Beschluss vom 07. März 2003 IV B 163/02 BFH/NV 2003, 777).
Im Streitfall ist die Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG zu berechnen, da das verbleibende zu versteuernde Einkommen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG negativ ist:
Zu versteuerndes Einkommen | DM 203.788 |
abzüglich der darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte | - DM 214.552 |
= | - DM 10.764 |
b) Nach § 32 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 EStG ist der besondere Steuersatz nach § 32b Abs. 1 der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen um die Leistungen und Einkünfte nach § 32b Abs. 1 EStG vermehrt oder vermindert wird.
Die Rechtsfrage, ob bei Berechnung des für außerordentliche Einkünfte anzuwendenden Steuersatzes (§ 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 des EStG) auch Lohnersatzleistungen i.S. des § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen sind, hatte der BFH als nicht von grundsätzlicher Bedeutung erachtet (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2003, XI B 140/02, BFH/NV 2003, 772). § 32b EStG führt nicht zur Besteuerung steuerfreier Einkünfte. Dies ergibt sich eindeutig aus § 32b Abs. 1 EStG, wonach der sich aus dieser Vorschrift ergebende besondere Steuersatz auf das nach § 32a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen, also nicht auf steuerfreie Einnahmen, anzuwenden ist (BFH-Urteil vom 27. September 1990 I R 181/87, BFHE 162, 284 , BStBl II 1991, 84). Ferner hat der BFH für die vergleichbare Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG in der bis einschließlich 1998 geltenden Fassung entschieden, dass auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen bzw. auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich 1/3 der Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit jeweils die allgemeinen Tarifvorschriften einschließlich § 32b Abs. 1 Nr. 1 EStG Anwendung finden (BFH-Urteil vom 18. Mai 1994 I R 99/93, BFHE 174, 433, BStBl II 1994, 845; BFH-Beschluss vom 17.02.2003 XI B 140/02 BFH/NV 2003, 772).
c) In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, wie die Einbeziehung des Progressionsanstiegs in die Ermittlung des Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG rechnerisch vorzunehmen ist (Schmidt/Glanegger/Seeger, Einkommensteuergesetz, 25. Auflage, 2006, § 34 Rn. 57).
aa) Die Berechnungsmethode der Finanzverwaltung (ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 9. September 2004, 15 K 6843/01 E, EFG 2005, 49; Revision XI R 48/04 wurde nach Rücknahme am 10. Oktober 2006 eingestellt; FG Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2002, 2 K 3118/00, EFG 2003, 395, rkr) ist abzulehnen, da sie -wie im Streitfall -zu Ergebnissen führt, die dem Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 32b, 34 EStG sowie dem Gebot der Besteuerung entsprechend der steuerlichen Leistungsfähigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG widersprechen. Im Streitfall wäre die Steuer niedriger, wenn die Einkünfte und Leistungen im Sinne des § 32b Abs. 1 EStG nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig wären. Dies ergibt sich aus folgender Vergleichsberechnung:
Berechnung der Einkommensteuer, wenn die Einkünfte im Sinne des § 32b Abs. 1 EStG steuerpflichtig wären:
zu versteuerndes Einkommen | DM 203.788 |
Erhöht um die Lohnersatzleistungen | + DM 24.949 |
und die ausländischen Vermietungseinkünfte bei Annahme einer Steuerpflicht | + DM 53.669 |
= (fiktives) zu versteuerndes Einkommen | DM 282.406 |
x 0,2 (ein Fünftel gem. § 34 Abs. 1 S. 3 EStG) | DM 56.481 |
Einkommensteuer lt. Splittingtabelle | DM 6.676 |
x 5 (gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG) = Einkommensteuer | DM 33.380 |
Im Streitfall vom Beklagten festgesetzte Einkommensteuer laut Einkommensteuerbescheid vom 1. Februar 2005 DM 44.060
Es ist zwar im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG unbedenklich, dass Steuerpflichtige, die Leistungen oder Einkünfte im Sinne des § 32b Abs. 1 EStG bezogen haben, bei gleichem zu versteuerndem Einkommen eine höhere Einkommensteuer leisten als Steuerpflichtige, die keine derartigen Leistungen bezogen haben. Es darf aber beim Bezug von (steuerfreien) Leistungen oder Einkünften nicht zu einer höheren Steuerlast kommen als bei einem entsprechenden Bezug von (steuerpflichtigen) Einnahmen. Aus diesem Grund ist die Berechnungsmethode der Finanzverwaltung abzulehnen (ebenso FG Sachsen, Urteil vom 14. Februar 2002, 2 K 2084/00, EFG 2002, 1095; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff/Sieker, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 34 Rn. D 36; Schmidt/Glanegger/Seeger, Einkommensteuergesetz, 25. Auflage, 2006, § 34 Rn. 57;Littmann/Pust/Bitz, Einkommensteuergesetz, § 34 Rn. 34; Siegel/Korezkij, DStR 2005, 577 m.w.N.).
Weder dem Wortlaut, noch dem Sinn und Zweck der Vorschriften, noch ihrer systematischen Stellung kann im Übrigen ein irgendwie gearteter Vorrang des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG im Verhältnis zu der Vorschrift des § 32b Abs. 2 EStG entnommen werden, der zu einer Verbindung der Berechnungsschritte in der Weise zwingen würde, wie dies die Finanzverwaltung wohl annimmt.
bb) Die völlige Außerachtlassung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen und Einkünfte (so etwa FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Mai 2001, 1 K 5072/00 E, EFG 2002, 1454; Revision XI R 15/02 wurde in der Hauptsache für erledigt erklärt) ist nach der Auffassung des erkennenden Senats hingegen bereits mit dem Wortlaut der Vorschrift des § 32b EStG nicht vereinbar.
cc) Das Sächsische Finanzgericht hat in einem vergleichbaren Fall (FG Leipzig, Urteil vom 14. Februar 2002, 2 K 2084/00, EFG 2002, 1095; die Revision VI R 35/02 wurde zurückgenommen) die für die Zwecke der Steuersatzermittlung einzubeziehenden steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte hingegen -in gleicher Weise wie vom Kläger begehrt -nur mit einem Fünftel berücksichtigt. Diese Regelung führt zwar zu Ergebnissen, die dem Sinn und Zweck der §§ 34, 32b EStG grundsätzlich entsprechen, allerdings sind Fallkonstellationen möglich, bei denen diese Fünftel-Regelung zu verzerrten Ergebnissen führt (vgl. Siegel, Koretzkij, DStR 2005, S. 577 (580)).
dd) In der Literatur wird schließlich vorgeschlagen, die Vorschriften der §§ 34, 32b EStG zunächst getrennt anzuwenden und die jeweiligen steuererhöhenden und steuerermäßigenden Wirkungen anschließend auszugleichen (sog. Additive Methode, Siegel/Korezkij, DStR 2005, 577 m.w.N.). Diese Methode stellt sich rechnerisch wie folgt dar:
Zu versteuerndes Einkommen | DM 203.788 | |
Einkommensteuer laut Splitting-Tabelle | DM 63.168 | DM 63.168 |
Isolierte Berechnung der steuererhöhenden Wirkung des Progressionsvorbehalts gemäß § 32b EStG | ||
Zu versteuerndes Einkommen | DM 203.788 | |
Zuzüglich der Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen | + DM 24.949 + DM 53.669 | |
= | DM 282.406 | |
Abgerundet | DM 282.312 | |
Einkommensteuer laut Splitting-Tabelle | DM 102.828 | |
Ermittlung Durchschnittssteuersatz | 102.828 x 100 282.312 | |
= | 36,4235% | |
203.788 DM x 36,4235% = | DM 74.226 | |
abzüglich Einkommensteuer Zeile 3 | - DM 63.168 | |
= steuererhöhende Wirkung des Progressionsvorbehalts | DM 11.058 | + DM 11.058 |
Der Senat folgt dieser Auffassung. Die Lösung ist mit dem Wortlaut des § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG und des § 32b Abs. 2 EStG vereinbar. Dem Wortlaut dieser Vorschriften kann -wie bereits ausgeführt -nicht entnommen werden, dass es nicht zulässig wäre, sie jeweils zunächst isoliert anzuwenden und anschließend aus der Summe ihrer steuererhöhenden und steuermindernden Wirkungen die festzusetzende Einkommensteuer zu ermitteln. Die additive Berechnung verhindert, dass eine der Vorschriften in ihrer Wirkung stärker berücksichtigt wird als die andere und verwirklicht damit deren Sinn und Zweck in ausgewogener Weise. Außerdem hat sie den Vorteil größerer Transparenz für sich.
2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Ist der Streitwert wie im Streitfall nicht ungewöhnlich hoch, so ist die Vorschrift anwendbar, wenn einer der Beteiligten weniger als 5 v.H. der Kosten zu tragen hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133 und BFH- Beschluss vom 22. Februar 1994 VII B 114/92, BFH/NV 1994, 822). So liegt der Streitfall. Gemessen am Streitwert von (DM 47.415 -DM 27.420 =) DM 19.995 unterliegen die Beklagten mit (DM 28.028 -DM 27.420 =) DM 608, das entspricht (DM 608 x 100 : DM 19.995 =) rund 3 v.H. des Streitwerts.
3. Nachdem die streitige Frage in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedlich beantwortet wird und hierzu -soweit ersichtlich -keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, war die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Fall FGO zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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