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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.07.2009
Aktenzeichen: 9 K 251/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

I) Streitig ist die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2004 zur Einkommensteuer.

Der Kläger (Kl) ist Architekt und Landwirt, der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt wird. In der beim Beklagten (Bekl) am 21. April 2006 eingereichten Einkommensteuererklärung 2004 teilte der Kl mit, dass er das in seinem Alleineigentum befindliche Grundstück, X Straße a.A. in Y, mit notariellem Vertrag vom 22. Dezember 2003 mit Wirkung zum 30. Dezember 2003 zum Preis von x.xxx.xxx EUR verkauft habe. Bei dem Grundstück handelte es sich um einen Verbrauchermarkt, den der Kl in den Vorjahren an die Firma O vermietet hatte.

In diesem Zusammenhang wies der Kl darauf hin, dass auf dem Grundstück zum Veräußerungszeitpunkt noch Schulden in Höhe von x.xxx.xxx EUR gelastet hätten. Hierbei handelte es sich um insgesamt 8 Darlehen bei der Raiffeisenbank Y.

Die Darlehen wiesen zum 31. Dezember 2003 folgende Stände auf:

1) Darlehensnr. ....: xxx.xxx EUR

2) Darlehensnr. ...: xxx.xxx EUR

3) Darlehensnr. ...: xxx.xxx EUR

4) Darlehensnr. ...: xxx.xxx EUR

5) Darlehensnr. ...: xx.xxx EUR

6) Darlehensnr. ...: xx.xxx EUR

7) Darlehensnr. ...: xx.xxx EUR

8) Darlehensnr. ...: xx.xxx EUR

Der Kl verwendete den Verkaufserlös von x.xxx.xxx EUR in Höhe von xxx.xxx EUR zusammen mit einem weiteren Betrag von x.xxx EUR zur Tilgung der auf dem Grundstück, X Straße a.A. in Y, lastenden Schulden (Die Darlehen 3, 4, 5 und 8 wurden insoweit vollständig getilgt, auf das Darlehen 1 erfolgte eine Tilgung in Höhe von xxx.xxx EUR). Hiernach verblieben von den ursprünglichen Darlehen für den O-Markt noch xxx.xxx EUR (Darlehen 1 in Höhe von xxx.xxx EUR, Darlehen 2 sowie die Darlehen 6 und 7).

Die verbliebenen Darlehen widmete der Kl wie folgt um:

1) xxx.xxx EUR verwendete er, um ein in gleicher Höhe bestehendes Darlehen bei der Einkunftsart Gewerbebetrieb abzulösen (nachträgliche Sonderbetriebsausgaben aus der Beteiligung an der P Wohnbau KG)

2) xx.xxx EUR verwendete er zur vollständigen Tilgung zweier bestehender Darlehen bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bezüglich des Objekts Z-Straße in Y (Darlehensnrn. ... sowie...).

3) xxx.xxx EUR verwendete er zur erstmaligen Finanzierung von Baukosten für ein Wasserkraftwerk (Einkunftsart Gewerbebetrieb).

4) Den Restbetrag von xxx.xxx EUR verwendete er zur Tilgung privater Darlehen.

In der Einkommensteuererklärung 2004 setzten die Kl nach der oben beschriebenen Darlehensumwidmung folgende Schuldzinsen an:

1) x.xxx EUR bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb als nachträgliche Sonderausgaben für die frühere Beteiligung an der P Wohnbau KG

2) x.xxx EUR bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beim Objekt z-Straße in Y

3) x.xxx EUR bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb für den Bau des Wasserkraftwerks.

Am 24. Juli 2006 erließ der Bekl den Einkommensteuerbescheid 2004. In ihm berücksichtigte er nur die Schuldzinsen für den Bau des Wasserkraftwerks, nicht aber für die frühere Beteiligung an der P Wohnbau KG sowie für das Vermietungsobjekt Z-Straße, weil durch eine Umwidmung der Restdarlehen aus der bisherigen Einkunftsquelle auf bereits bestehende Darlehen keine steuerrechtliche Zuordnung erfolgen könne. Die Umwidmung der Darlehen für den Bau des Wasserkraftwerks sei hingegen möglich. Der Kl finanziere dadurch eine X Einkunftsquelle. Da sich bei den Kl der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Berücksichtigung eines Verlustvortrags in Höhe von xx.xxx EUR auf 0 EUR belief, setzte der Bekl die Einkommensteuer 2004 mit 0 EUR fest und erließ am 24. Juli 2006 für den Kl noch einen Verlustfeststellungsbescheid. In diesem wurde der zum 31. Dezember 2004 verbleibende Verlustvortrag mit xxx.xxx EUR festgestellt.

Gegen den Verlustfeststellungsbescheid legte der steuerliche Berater des Kl am 21. August 2006 Einspruch ein. Die vom Bekl vorgenommene Unterscheidung zwischen alten und neuen Einkunftsquellen sei nicht haltbar.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 wies der Bekl den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der erstmaligen Verwendung der Darlehensvaluta werde die Darlehensverbindlichkeit einem bestimmten Zweck unterstellt. Dieser bestehe, sofern das Darlehen nicht vorher abgelöst werde, solange fort, bis die Tätigkeit oder das Rechtsverhältnis im Sinne der angesprochenen Einkunftsart ende. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne eine Umwidmung von Darlehensmitteln nur anerkannt werden, wenn das kreditfinanzierte Wirtschaftsgut in anderer Weise als bisher zur Erzielung von Einkünften verwendet werde (BFH-Beschluss vom 04. Juli 1990, Bundessteuerblatt - BStBI - II 1990, 817) oder der Erlös aus der Veräußerung des Wirtschaftsgutes zum Erwerb einer neuen einkommensteuerlichen Einkunftsquelle diene (BFH-Urteil vom 07. Juli 1998, BStBl II 1999, 209)

Bezüglich der umgeschuldeten Darlehensvaluta für die Unternehmensbeteiligung und das Vermietungsobjekt Z-Straße habe der Kl keine neue Einkunftsquelle angeschafft, sondern "nur" bestehende Darlehen durch andere, zinsgünstigere ersetzt.

Gegen die ablehnende Entscheidung des Bekl reichte der Kl am 26. April 2007 Klage ein. Er verwies nochmals auf seine Argumentation im Einspruchsverfahren.

Der Kl beantragte,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2004 vom 24. Juli 2006 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag von xxx.xxx EUR auf xxx.xxx EUR erhöht und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt wird.

Der Bekl beantragte,

die Klage abzuweisen.

Er verwies vollumfänglich auf die ergangene Einspruchsentscheidung sowie die im finanzgerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätze.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, sowie die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten Bezug genommen (§ 71 Abs. 2 FGO).

Entscheidungsgründe:

I) Die zulässige Klage ist begründet.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG sind Schuldzinsen (und sonstige Kreditkosten) als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Sie müssen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sein, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften verwendet worden ist (z.B. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 04. Juli 1990 GrS 2-3/88, Entscheidungen des BFH - BFHE - 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., und vom 08. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B. I. 1. und 2.; BFH-Urteil vom 09. Juli 2002 IX R 65/00, BFHE 199, 430). Das ist beispielsweise der Fall, wenn mit dem den Schuldzinsen zugrunde liegenden Darlehen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudes oder Gebäudeteils finanziert werden (vgl. BFH-Urteile vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, und vom 23. Oktober 2001 IX R 65/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2002, 341).

Allerdings sind diese Schuldzinsen nach Veräußerung des Gebäudes keine nachträglichen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Sie stehen nicht mehr mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG. Der wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung besteht nur, solange das mit Kredit finanzierte Gebäude Vermietungszwecken gewidmet ist (BFH-Urteile vom 12. November 1991 IX R 15/90, BFHE 166, 219, BStBl II 1992, 289; vom 16. September 1999 IX R 42/97 BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528; ebenso z.B. von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr. C 60 f.; B. Meyer, Die steuerliche Betriebsprüfung 1995, 30, 32 f.). Reicht der Veräußerungserlös nicht zur Tilgung des zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgenommenen Kredits aus, sind die vom Steuerpflichtigen zu zahlenden Zinsen Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das aufgrund eines nicht steuerbaren Verlustes im privaten Vermögensbereich nicht mehr der Erzielung von Einkünften dient (BFH-Urteil vom 16. September 1999 IX R 42/97, BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528).

Allerdings kann auch eine steuerlich anzuerkennende Umwidmung eines Darlehens stattfinden, soweit es einer anderen einkommensteuerlichen Einkunftsquelle zugeordnet wird. Es kommt insoweit allein auf den Veranlassungszusammenhang an (BFH-Urteile vom 01. Oktober 1996 VIII R 68/94, BFHE 182, 312, BStBl II 1997, 454; vom 24. April 1997 VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682; vom 07. Juli 1998 VIII R 5/96, BFHE 186, 526, BStBl II 1999, 209). Ein solcher Zusammenhang besteht z.B. dann, wenn ein mit Darlehensmitteln angeschafftes Grundstück veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkünfteerzielung eingesetzt wird, nicht aber wenn der Erlös zur Tilgung privater Verbindlichkeiten Verwendung findet.

Die Darlehensmittel müssen aber - tatsächlich - einem bestimmten Wirtschaftsgut zugeordnet werden (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2001 IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341; vom 08. April 2003 IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706; vom 28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642). Dazu bedarf es mehr als einer bloßen Willensentscheidung des Steuerpflichtigen. Eine "willkürliche" Zuordnung eines Darlehens zu einem anderen Wirtschaftsgut ist nicht zulässig. Mit dieser Maßgabe ist ein Austausch der Finanzierungsgrundlagen ohne vorherige Lösung des ursprünglichen wirtschaftlichen Zusammenhangs steuerrechtlich nicht möglich (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. April 1997 VIII R 48/95, BFH/NV 1998, 20, unter 1.b der Gründe, m.w.N.; vom 24. April 1997 VIII R 12/95, BFH/NV 1998, 290, unter 1.b der Gründe, m.w.N.; vom 12. November 1997 XI R 98/96, BFHE 184, 502, BStBl II 1998, 144; vom 28. März 2007 X R 15/04, BFHE 217, 507, BStBl II 2007, 642).

Nach diesen Grundsätzen sind die Schuldzinsen für die frühere Beteiligung an der Wohnbau P KG und das Vermietungsobjekt Z-Straße a.A. in Y in dem vom Kl begehrten Umfang vom Bekl zu berücksichtigen.

Der Kl hat nach der Veräußerung des O-Marktes mit Wirkung zum 30. Dezember 2003 die auf diesem Objekt verbliebenen Darlehensmittel in Höhe von xxx.xxx EUR nicht nur gedanklich, sondern konkret anderen Einkunftsquellen - mit Ausnahme der Tilgung privater Verbindlichkeiten - zugeordnet. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Raiffeisenbank Y bezüglich des Vermietungsobjekts Z-Straße in Y zwei Darlehen (...,...) und der früheren Beteiligung an der Wohnbau P KG ein Darlehen (...) vollständig mit dem Verkaufserlös tilgte und damit die jeweiligen Darlehensschulden zum Erlöschen brachte.

Der erkennende Senat zieht - genauso wenig wie die Beteiligten - auch nicht in Zweifel, dass diese Maßnahmen in direktem Veranlassungszusammenhang mit den Einkunftsarten Vermietung und Verpachtung bzw. Gewerbebetrieb standen. Der Kl hat als homo oeconomicus eine sinnvolle Umschuldung vorgenommen und teurere Kredite durch zinsgünstigere ersetzt. Auch der Bekl partizipiert hieran wirtschaftlich. Hätte der Steuerpflichtige den Veräußerungserlös ausschließlich zur Tilgung aller Darlehen aus dem O-Markt eingesetzt, wäre der Schuldzinsenabzug bei einer unterbliebenen Umschuldung insgesamt höher ausgefallen.

Wenn der Bekl den BFH-Urteilen vom 24. April 1997 (VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682 ), vom 07. Juli 1998 (VIII R 57/96, BFH/NV 1999, 594) und vom 08. April 2003 (IX R 36/00, BFHE 202, 280, BStBl II 2003, 706) den Grundsatz entnehmen will, dass eine Umschuldung nur dann steuerlich zu berücksichtigen ist, wenn der Steuerpflichtige eine X Einkunftsquelle anschafft, verkennt er, dass diesen Urteilen an anderer Sachverhalt zugrunde lag. In den dort entschiedenen Fällen erzielten die Steuerpflichtigen aus der Veräußerung einer Einkunftsquelle nach Abzug der jeweiligen Darlehensverbindlichkeiten allesamt Überschüsse. Diese setzten sie nun - unter Übertragung der Darlehen aus der früheren Einkunftsquelle - nur zum Teil zum Erwerb einer neuen einkommensteuerlich relevanten Einkunftsquelle ein. Streitig war in den vom BFH entschiedenen Fällen einzig und allein, in welchem Verhältnis bei der neuen Einkunftsquelle die Darlehenszinsen aus dem übertragenen Darlehen Berücksichtigung finden konnten.

So liegt der hier zu beurteilende Sachverhalt jedoch nicht. Der Kl erwirtschaftete aus dem Verkauf des OMarktes einen Verlust und führte nach Ansicht des erkennenden Senats eine steuerlich anzuerkennende Umschuldung durch.

Nach alledem ist die Kl begründet.

II) Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III) Da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO normierten Revisionszulassungsgründe ersichtlich ist, lässt das Gericht gegen das Urteil die Revision zum BFH nicht zu.

IV) Die Klägerseite beantragte, die Zuziehung des Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der erkennende Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

V) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO i.V.m. § 151 FGO.

Ende der Entscheidung

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