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Gericht: Finanzgericht Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.06.2008
Aktenzeichen: 9 K 342/04
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 191 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Der Haftungsbescheid vom 21. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. September 2004 wird aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe der für ihn festgesetzten Kostenerstattung leistet.

IV. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Der Kläger (Kl) initiierte seit Mitte der neunziger Jahre die Gründung einer Reihe von Unternehmen - überwiegend in der Rechtsform einer GmbH -, die zur sog. "B -Gruppe" mit insgesamt nicht mehr als 14 Mitarbeitern zusammengefasst waren. Das Stammkapital übernahmen bei der Mehrzahl der Gesellschaften C. B ., Ehefrau des Kl, oder die beiden 1989 bzw. 1993 geborenen Söhne E. und F.. Als Geschäftsführer wurden der Kl aber auch in der Unternehmensgruppe beschäftigte Mitarbeiter bestellt.

Die Gründung der am 03.06.1998 in das Handelsregister eingetragenen X -GmbH (im Weiteren X -GmbH) erfolgte bereits mit Vertrag vom 23.05.1997. Das Stammkapital i.H. von 50.000 DM hielt nach dem am selben Tag abgeschlossenen Treuhandvertrag der alleinige Gesellschafter P.M. in Höhe von 45.000 DM treuhänderisch für die beiden minderjährigen Söhne des Kl. Der am 07.05.1970 in GÄ geborene, gelernte Koch, ein seit 1992 in der B -Gruppe als Kraftfahrer und zuletzt als Disponent beschäftigter Mitarbeiter, übernahm auch formell die Funktion des Geschäftsführers.

Für die X -GmbH war in den Jahren 2000 und 2001 auch U.G. als freier Mitarbeiter tätig, der dort jedoch ausschließlich unter dem Aliasnamen "X A" auftrat. G. arbeitete bis zu seiner Freistellung am 09.05.2001 hauptberuflich im Werk Z. der ... AG (im Weiteren Y-AG) im Bereich der Frachtenplanung. Seinem Ausscheiden ging eine Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31.08.2001 voraus.

Entgegen der Firmenbezeichnung und dem im Gesellschaftsvertrag angegebenen Unternehmensgegenstand vermittelte die X -GmbH keine Transporte, sondern handelte seit Oktober 1999 ausschließlich mit fabrikneuen Pkw der Marke Q. Die X -GmbH und drei weitere Gesellschaften der B Gruppe erwarben zu diesem Zweck in den Jahren 1999 bis 2001 von der Y-AG mit erheblichen Preisnachlässen ca. 1.800 Neufahrzeuge. Die vertragliche Grundlage bildeten sog. Mengenrabattabkommen, in denen sich die Gesellschaften u.a. dazu verpflichteten, die erworbenen Pkw nicht vor Ablauf einer Haltezeit von 6 Monaten weiter zu veräußern. Die Kaufverträge wurden jeweils durch das Autohaus ... in U (im Weiteren Autohaus H), einem vom Hersteller autorisierten Vertragshändler, vermittelt. Die gelieferten Pkw, die häufig eine Zusatzausstattung für den Verkauf nach Fernost aufwiesen, veräußerten diese vier Gesellschaften der B -Gruppe unter Verletzung der Haltevereinbarung umgehend weiter.

Die X -GmbH bezog von der Y-AG insgesamt 1.060 Fahrzeuge und verkaufte davon im Zeitraum Juli 2000 bis Juli 2001 u.a. 478 Pkw an die am 16.03.1999 gegründete ... (im Weiteren W-GmbH) mit formellem Sitz in V/Österreich. Sie war im Firmenbuch des Handelsgerichts K unter der Nummer 123.. eingetragen. Deren Geschäfte führten bis zu ihrer Auflösung am 16.01.2002 neben dem in der Türkei geborenen Alleingesellschafter und formellen Geschäftsführer Ü.Ä., wohnhaft in Ö, im Wesentlichen der in P ansässige, mehrfach vorbestrafte R.R.. Das Büro des Unternehmens befand sich in einem Wohn- und Geschäftshaus in der Altstadt von V und war lediglich mit einer fest angestellten Mitarbeiterin und einer Aushilfskraft besetzt. Die Fahrzeuge wurden im Auftrag und für Rechnung der W-GmbH von der Spedition GM-GmbH mit Sitz in KE im Werk DA der Y-AG oder beim Autohaus H in U abgeholt und unstrittig unmittelbar zu den Kunden AB C-GmbH bzw. AB D-GmbH der abnehmenden Firma C.H. aus OP bei KO transportiert, die die Pkw überwiegend über den Hamburger Freihafen an Käufer außerhalb der Europäischen Gemeinschaften (EU) verschifften. Zur Verschleierung der tatsächlichen Fahrstrecken stellte der Geschäftsführer der Spedition GM-GmbH, Z.GM., unrichtige Lieferscheine und Verbringungsnachweise aus.

Die X -GmbH behandelte die Umsätze mit der W-GmbH als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Die vom Geschäftsführer P.M. unterzeichneten Umsatzsteuern (USt)-Voranmeldungen für das III. Kalendervierteljahr 2000, I. Kalendervierteljahr 2001 und die Monate April bis Juli 2001 führten jeweils zu hohen Vorsteuer-Erstattungen zwischen x.xxx.xxx DM (I. Kalendervierteljahr 2001) und xxx.xxx DM (Juli 2001). Am 10.09.2001 leitete die Steuerfahndungsstelle des Beklagten (Bekl) u.a. gegen den Kl und P.M. ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ein. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft GT ließ am 29.11.2001 eine Vielzahl von Durchsuchungsmaßnahmen vornehmen. Die X -GmbH stellte hierauf ihren Geschäftsbetrieb ein. Das Amtsgericht KA wies mit Beschluss vom 15.03.2004 den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X GmbH mangels Masse ab.

Die 11. Große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts GT verurteilte den Kl und P.M. am 11.08.2003 jeweils wegen B etrugs in 3 Fällen zu Lasten der Y-AG und wegen USt-Hinterziehung in 8 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 bzw. 3 Jahren. Die Strafkammer führte in ihrem Urteil u.a. aus, die Angeklagten hätten zumindest damit gerechnet, dass die von ihnen an die W-GmbH verkauften Fahrzeuge von den Abholorten DA und U nicht nach V verbracht würden und deshalb der USt zu unterwerfen seien. In Absprache und mit Einverständnis des Kl, der tatsächlicher Mitgeschäftsführer gewesen sei, habe P.M. in insgesamt 8 USt-Voranmeldungen des Zeitraums III. Kalendervierteljahr 2000 bis August 2001 bei Verkäufen im Umfang von xx.xxx.xxx DM fälschlicherweise erklärt, es handele sich um umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Während der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 09.06.2004 5 StR 136/04 die Angeklagten vom Vorwurf des Betrugs auf Kosten der Staatskasse freisprach, bestätigte er ohne Angabe von Gründen die 8 Einzelstrafen wegen USt-Hinterziehung und verwies die Sache lediglich zur Neufestsetzung der Gesamtstrafen an eine andere Strafkammer zurück.

Die von der 10. Strafkammer des Landgerichts GT - Wirtschaftsstrafkammer - neu gebildete Gesamtstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten hatte keinen Bestand. In einem zweiten Revisionsverfahren hob der B GH das Urteil vom 04.03.2005 mit Beschluss vom 11.08.2005 auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts GT zurück. Die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer verurteilte den Kl hierauf am 07.07.2006 rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten.

R.R. wurde von der 4. Strafkammer des Landgerichts P I am 18.09.2006 wegen Steuerhinterziehung in 19 sachlich zusammentreffenden Fällen rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Als faktischer Geschäftsführer der W-GmbH und der ebenfalls in V ansässigen LH GmbH hatte der geständige Angeklagte im Zeitraum März 1999 bis März 2003 von verschiedenen Lieferanten mindestens 1.390 Neuwagen der Marke Q in Deutschland angekauft und ohne Verbringung nach Österreich unmittelbar an deutsche Abnehmer weitergeliefert. Durch diese Vorgehensweise verkürzte R.R. USt in Höhe von mindestens x.xxx.xxx EUR.

Ü.Ä. ist weiterhin flüchtig und hält sich mutmaßlich in der Türkei auf.

Der Bekl erließ aufgrund eines Zwischenberichts der Steuerfahndung vom 26.11.2001 bereits am 28.12.2001 Bescheide über die geänderte Festsetzung der angeführten USt-Voranmeldungen. Die X GmbH legte gegen die geänderten USt-Vorauszahlungsbescheide Einspruch ein und trug u.a. vor, die buch- und belegmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) seien erfüllt. Aufgrund der Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG sei es irrelevant, ob die Pkw nach Österreich verbracht worden seien. Weder der Kl noch P.M. hätten davon gewusst, dass die Fahrzeuge direkt nach MT gelangten. Sowohl die W-GmbH als auch die Spedition GM hätten stets die tatsächliche Verbringung der Fahrzeuge nach V versichert. Auch die Verbringungsnachweise der von der W-GmbH beauftragten Spedition GM-GmbH lägen vor. B ei den USt- Außenprüfungen habe es insoweit keine Beanstandungen gegeben.

Am 24.11.2003 erging der endgültige Bericht über die Steuerfahndungsprüfung bei der X -GmbH. Nach Auffassung der Steuerfahnder waren die gesamten, in den Jahren 2000 und 2001 an die W-GmbH erfolgten Verkäufe der USt zu unterwerfen. Die Verbringungsnachweise seien nicht ausreichend, da sie nur aus Gefälligkeit ausgestellt worden seien. Die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG komme daher nicht in B etracht.

Nach Ergehen des geänderten, endgültigen USt-Bescheids 2000 vom 19.07.2004 und des erstmaligen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden USt-Bescheids 2001 vom 06.08.2004 wies der Bekl die von der X -GmbH eingelegten Einsprüche mit Entscheidung vom 11.11.2004 als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Lieferungen an die W-GmbH greife die Vertrauensschutzregelung des § 6 a Abs. 4 UStG nicht ein. Die durch ihre Geschäftsführer A.B . und P.M. vertretene X -GmbH habe zumindest damit gerechnet und billigend in Kauf genommen, dass die an die W-GmbH verkauften Fahrzeuge nicht nach Österreich verbracht würden und somit die Verbringungsnachweise unrichtig seien. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Strafurteil des Landgerichts GT verwiesen.

Der von der X -GmbH am 01.12.2004 wegen USt 2000 und 2001 erhobenen Klage 9 K 408/04 gab das Gericht mit Urteil vom 09.06.2008 ganz überwiegend statt. Die Lieferungen an die W-GmbH erachtete es in vollem Umfang als von der USt befreit.

Der Bekl nahm den Kl und P.M. mit Bescheiden vom 21.03.2003 für rückständige USt-Vorauszahlungen der X -GmbH der Voranmeldungszeiträume II. und III. Kalendervierteljahr 2000, I. Kalendervierteljahr 2001, Monate April bis Juli 2001 gemäß § 71 der Abgabenordnung (AO) i.H. von x.xxx.xxx EUR (Steuerschuld x.xxx.xxx EUR, Säumniszuschläge xxx.xxx EUR) in Haftung und forderte sie gemäß § 219 der Abgabenordnung (AO) zur Zahlung bis spätestens 30.04.2003 auf. Durch die Abgabe falscher Voranmeldungen habe die X -GmbH zu Unrecht die Auszahlung von Vorsteuerüberschüssen bewirkt. In den Steuererklärungen hätten die Haftungsschuldner steuerfreie "Ausfuhrlieferungen" vorgetäuscht.

Der Kl legte rechtzeitig Einspruch ein und trug vor, Steuerschulden der X -GmbH bestünden nicht. Vielmehr lägen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vor. Die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung beruhe auf unrichtigen Angaben des Abnehmers, die auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht zu erkennen gewesen seien. Es widerspreche Treu und Glauben, Verbringungsnachweise zu bemängeln, die der Bekl in der Vergangenheit akzeptiert habe. P.M. sei laufend im Gespräch mit der Behörde gewesen, welche Nachweise von wem und wie zu erbringen seien. Der Kl habe vor allem keine USt hinterzogen. Die Annahme einer faktischen Geschäftsführereigenschaft sei abwegig. Der Kl sei weder für die laufenden Geschäfte noch für die USt-Voranmeldungen der X -GmbH zuständig gewesen. Auch habe er zu keinem Zeitpunkt Kenntnis davon gehabt, dass die Pkw entgegen der von der Spedition GM-GmbH ausgestellten Bescheinigungen nicht nach Österreich gegangen seien. Jedenfalls habe kein Haftungsbescheid erlassen werden dürfen. Es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Die Finanzbehörde habe grob fahrlässig gehandelt. Den Bekl treffe ein erhebliches Mitverschulden am Steuerausfall.

Der Einspruch hatte nur in geringem Umfang Erfolg. Mit Entscheidung vom 15.09.2004 nahm der Ag davon Abstand, den Kl wegen rückständiger USt-Vorauszahlung für das II. Kalendervierteljahr 2000 in Haftung zu nehmen und setzte den Haftungsbetrag auf x.xxx.xxx,xx EUR herab, wies jedoch den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Behörde führte in der Einspruchsentscheidung u.a. aus, nach § 71 AO hafte derjenige, der eine Steuerhinterziehung begehe, für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile. Im Haftungszeitraum seien durch den Kl als faktischem Geschäftsführer und P.M. als formellem Geschäftsführer unrichtige Voranmeldungen abgegeben und in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken USt hinterzogen worden. Die Lieferungen der Fahrzeuge an die W-GmbH erfüllten nicht die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a UStG. Eine tatsächliche körperliche Verbringung der Pkw nach Österreich habe nicht stattgefunden. Aufgrund der ihnen bekannt gewordenen Umstände und der Intensität der Geschäftsbeziehungen mit der W-GmbH könne davon ausgegangen werden, dass die Geschäftsführer über den tatsächlichen Lieferweg informiert gewesen seien. In der Korrespondenz sei mehrfach von einer Verschiffung der Fahrzeuge in MT die Rede gewesen. Da nach der Ausstattung der Pkw ein Großteil für den Markt in Fernost bestimmt gewesen sei, wäre ein Transport zuerst nach V und dann nach MT sinnlos gewesen.

Der Kl hafte im Übrigen auch nach § 69 AO. Als faktischer Geschäftsführer sei er gemäß § 35 AO für die steuerlichen Pflichten der X -GmbH verantwortlich gewesen.

Die Inanspruchnahme des Kl sei nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt. Vollstreckungsversuche bei der X -GmbH hätten keinen Erfolg gehabt. Ein die Haftung ausschließendes Mitverschulden des Bekl habe nicht vorgelegen. Die Geschäftsführer seien sich über die inhaltliche Unrichtigkeit der Verbringungsnachweise im Klaren gewesen und hätten sich im Kontakt mit dem Bekl lediglich darum bemüht, äußerlich korrekte Nachweise vorzulegen. Von einem besonders schwer ins Gewicht fallenden Verschulden des Finanzamts und einem lediglich geringen Verschulden des Kl könne daher nicht ausgegangen werden.

Der Kl erhob fristgerecht Klage und trägt vor, da nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 09.06.2008 9 K 408/04 keine Hauptschuld gegeben sei, scheide auch die mit dieser korrelierenden Haftungsinanspruchnahme aus. Der Bekl habe zu Unrecht die Umsatzsteuerfreiheit der mit der W-GmbH getätigten Umsätze verneint. Dies habe die Beweisaufnahme des erkennenden Senats am 20.04.2007 im Klageverfahren des X -GmbH eindeutig ergeben. Zu Gunsten der X -GmbH greife der Vertrauenstatbestand des § 6a Abs. 4 UStG ein. Für ihre Organe, Mitarbeiter, Gesellschafter und deren gesetzliche Vertreter habe kein greifbarer Anhaltspunkt dafür bestanden, dass die Transporte nicht nach Österreich gingen. Es sei ihnen verborgen geblieben, dass die Pkw deutsches Gebiet nicht verließen, obwohl sie sich in persönlichen Gesprächen mit den Verantwortlichen der Erwerberin über die tatsächliche Verbringung nach Österreich vergewissert und zudem vor Ort bei der W-GmbH kundig gemacht hätten.

Der Zeuge P.S., der sich um die Bearbeitung der Fahrzeugakten und deren Organisation, wie z.B . um die Vorlage der Verbringungsnachweise und deren Ablage gekümmert habe, habe auch auf mehrfaches insistierendes Befragen bestätigt, dass für ihn hinsichtlich der Beförderung der Fahrzeuge nach V keine Zweifel bestanden hätten. Nach seiner Aussage seien in Unterredungen mit Vertretern der W-GmbH anderweitige Transporte mit keinem Wort thematisiert worden. Selbst aus gelegentlichen Gesprächen mit den Fahrern der Spedition GM-GmbH habe er hierfür keine Hinweise entnehmen können.

Sogar der Zeuge R.R. habe ausgesagt, zunächst von der Spedition getäuscht worden zu sein und später die Machenschaften des GM nur deshalb gedeckt zu haben, um seiner Verpflichtung zur Vorlage ordnungsgemäßer Verbringungsnachweise nachkommen zu können. R.R. habe auf mehrfaches Befragen ausdrücklich bestätigt, dass er die Organe der X -GmbH nicht über die ihm später bekannt gewordenen anderweitigen Transportwege informiert habe. Er habe auf insistierendes Befragen nochmals hervorgehoben, dass weder der Geschäftsführer P.M. noch der Kl in die Kunden- bzw. Transportabläufe involviert gewesen seien. Der Beweiswert der Aussage des Zeugen R.R. sei keineswegs gering. Er habe sehr wohl einen glaubwürdigen Eindruck gemacht. Er sei rechtskräftig verurteilt worden und der Ausgang der vor dem Finanzgericht anhängigen Verfahren sei für ihn ohne B elang.

Auch im Strafverfahren gegen U.G. vor dem Amtsgericht OL habe sich kein auch nur entfernter Anhaltspunkt für eine Mitwisserschaft der Organe der X -GmbH ergeben.

Es stehe somit fest, dass die Verantwortlichen der X -GmbH davon ausgegangen seien, die Spedition GM GmbH führe die Fahrten tatsächlich so durch, wie sie von ihr in den lückenlos ausgehändigten und unterschriebenen Verbringungsnachweisen dokumentiert worden seien.

Die rechtskräftige Verurteilung des Kl wegen Steuerhinterziehung präjudiziere keineswegs eine Haftung nach § 71 AO. Die Anknüpfung des Haftungstatbestandes an eine Straftat setze deren Feststellung nach steuerrechtlichen Verfahrensregeln voraus. B ei dem Strafurteil des Landgerichts GT handele es sich um ein krasses Fehlurteil, das sich nur auf Vermutungen stütze und im anhängigen Verfahren nicht berücksichtigungsfähig sei. Die Indizien der Strafkammer des Landgerichts GT, die zu einer gegenteiligen Würdigung führten, seien keineswegs zwingend. Die betrieblichen Verhältnisse der W-GmbH seien der X GmbH nicht bekannt gewesen. Allerdings habe das Unternehmen davon Kenntnis gehabt, dass unweit des Betriebssitzes der W-GmbH auf einem Freigelände beim bayerischen Grenzort FA laufend Neufahrzeuge zum Zwecke der Weiterlieferung eingestellt worden seien. Die Zeugen J.W. und U.Ü. hätten im Strafprozess bestätigt, dort mehrere Hundert Fahrzeuge übergeben zu haben, nachdem sie mit eigener Antriebskraft nach Österreich verbracht worden seien. Von R.R. und Ü.Ä. sei in persönlichen Unterredungen auf ausdrückliche Nachfrage wiederholt bestätigt worden, dass alles seine Ordnung habe. Die Fahrzeuge würden ausnahmslos nach Österreich verbracht. Dort würden sie aus zolltechnischen Gründen benötigt, da sie später in Drittländer exportiert würden. Das Telefax der W-GmbH an den Mitarbeiter der X -GmbH P.S. vom 19.04.2001, in dem auf die reservierten Schiffsverladeplätze Bezug genommen werde, enthalte keinen Hinweis auf einen konkreten Transportweg. Innerhalb von drei Tagen sei es durchaus möglich, die Pkw von DA bzw. U zuerst nach V und dann nach MT zu verbringen. Die bei der Beschlagnahme im Wohnhaus des Kl vorgefundenen Blanko-Verbringungsnachweise der Spedition EU habe die X -GmbH zur beschleunigten Abwicklung der innergemeinschaftlichen Lieferungen, einem Massengeschäft, benötigt, da die Spediteure die Formulare oftmals nicht richtig ausgefüllt hätten. Nur so sei es auch möglich gewesen, die vom Bekl verlangten Nachbesserungen kurzfristig zu erbringen.

Völlig verfehlt seien die Mutmaßungen des Bekl, die X -GmbH habe wegen der Implikationen auf dem sog. Graumarkt ein eigenes Interesse daran gehabt, dass die Fahrzeuge nie nach V gelangten. Durch den Verbleib im Inland sei die Gefahr einer Aufdeckung der Vorgänge viel größer gewesen. Für die X -GmbH habe auch bei Vorliegen innergemeinschaftlicher Lieferungen kein besonderes wirtschaftliches Risiko bestanden. Die Sach- und Preisgefahr sei bei Verlassen des Werktores der Y-AG bzw. dem Autohaus H auf die Erwerber übergegangen. Auch habe sich die X -GmbH das Eigentum an sämtlichen Fahrzeugen bis zur vollständigen Bzahlung vorbehalten.

Die Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns habe die Gesellschaft nicht verletzt. Sie habe die Unrichtigkeit der Verbringungsnachweise nicht erkennen können, zumal die Transportvorgänge ihre Betriebsstätte nicht berührt hätten. Die X -GmbH sei insbesondere nicht gehalten gewesen, bezüglich der Transportvorgänge zusätzliche Nachforschungen anzustellen. Sie habe keinen Anlass zu irgendwelchen Recherchen gehabt. Die Organe der X -GmbH und ihre vermeintlichen Haftpersonen seien vielmehr selbst Opfer von Täuschungshandlungen geworden. Ihr dürfe nicht das Risiko eines steuerunehrlichen Verhaltens ihres Vertragspartners aufgebürdet werden. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 27.09.2007 C-409/04 -Teleos. Der EuGH habe judiziert, dass die Fiskalbehörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt seien, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise (hier: Verbringungsnachweise) vorgelegt habe, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellten, jedoch nicht erwiesen sei, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit dieser alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu einer Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt. Auch bei Beachtung der Sorgfaltsmaßstäbe, die für einen ordentlichen Kaufmann gelten, hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Fahrzeuge nicht nach Österreich verbracht wurden.

Eine andere Wertung verstoße gegen das Bestimmungslandprinzip des Art. 28 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, wonach der Abnehmer seinen Warenbezug primär in demjenigen EU-Mitgliedstaat als umsatzsteuerpflichtigen Umsatz zu behandeln habe, in den der Gegenstand verbracht werde. Dem Fiskus des Erwerberlandes obliege die steuerliche Kontrolle und dieser trage gemeinsam mit dem Erwerber das Steuerausfallrisiko. Der Bekl bürde jedoch entgegen dem Bestimmungslandprinzip der X -GmbH und damit dem Kl als Haftungsschuldner das Risiko auf.

§ 6a Abs. 4 UStG greife auch dann ein, wenn die belegmäßig nachgewiesenen Warenbewegungen in der ausgewiesenen Art und Weise nicht stattfanden. Nur für den Fall der nachträglichen Beibringung eines falschen Verbringungsnachweises durch den Erwerber versage der Bundesfinanzhof (B FH) den Gutglaubensschutz. Der X -GmbH hätten jedoch bis auf wenige Einzelfälle im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen die Verbringungsnachweise vorgelegen. Die B uchnachweise, die USt-Identifikationsnummer der Abnehmer sowie die schriftlichen Versicherungen der beauftragten Personen i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 4 der USt-Durchführungsverordnung (UStDV) seien durchweg vorhanden gewesen. Soweit nachträgliche Verbringungsnachweise erstellt worden seien, beruhe dies auf den Anweisungen des Bekl, dem die vorgelegten Nachweise nicht genügt hätten.

Es dürfe auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei völlig gleichgelagertem Sachverhalt andere Lieferanten der W-GmbH unbehelligt geblieben seien. Offenbar würden für den Fiskus hinsichtlich der Beurteilung des Gutglaubensschutzes unterschiedliche Maßstäbe gelten.

Der Kl macht ferner geltend, die Y-AG sei von sich aus an die B -Gruppe mit dem Anerbieten herangetreten, auf dem sog. Parallelmarkt unter Umgehung der Vertriebsbindungen Absatzgeschäfte als Zwischenhändler zu tätigen. Alle operativen Abläufe habe die Y-AG durch den Einsatz von U.G. gesteuert. Dieser sei als Herr des Unternehmens und faktischer Geschäftsführer derjenige gewesen, der alle Fäden in der Hand gehalten habe. G. habe die gesamte Geschäftsabwicklung zugleich für seinen eigentlichen Dienstherrn Y-AG dirigiert und nach freiem Ermessen gehandelt. Alle Investitionen (B üromöbel, Fuhrpark, Reisen, Werbung etc.) seien von ihm alleinverantwortlich getätigt worden. Er habe die Mitarbeiter eingestellt und entlassen, sowie deren Gehälter festgelegt. Auch die Mietvertragsverhandlungen seien von ihm geführt worden. G. habe die Bestellungen der Pkw veranlasst und den Weitervertrieb festgelegt. Alle Liefer- und Verkaufsverträge seien auf seine Weisung hin geschlossen worden, wobei er die Details (Menge, Ausstattung, Preise, etc.) vorgegeben und die maßgeblichen Gespräche mit den Vertretern der W-GmbH, R.R. und Ü.Ä., geführt habe. Er habe für den gesamten Zahlungsverkehr und die Begleichung der Lieferantenrechnungen verantwortlich gezeichnet. So habe er z.B . auf der Aushändigung gedeckter Schecks für die Vorlieferanten der X -GmbH bestanden. Als Zahlstelle des von der Y-AG gewünschten und eröffneten Parallelmarktes habe U.G., der über eine verdeckte Treuhand auch zu 45% an der X -GmbH beteiligt gewesen sei, jedoch nicht in Erscheinung treten dürfen.

Demgegenüber sei der Kl nicht faktischer Geschäftsführer der X -GmbH gewesen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH sei hierfür ein für die Geschicke der Gesellschaft maßgebliches Handeln mit Außenwirkung notwendig, das die Tätigkeit des formellen Geschäftsführers nachhaltig präge. Hierfür bestünden im Streitfall keine Anhaltspunkte. Soweit der Kl die Konditionen des Ankaufs der Pkw mit der YAG und dem Autohaus H vereinbart habe, sei dies als gesetzlicher Vertreter seiner beiden Söhne geschehen, denen 90% der Gesellschaftsanteile zugestanden hätten. Dieses Grundsatzgeschäft habe der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft. Der Kl habe jedoch keine Kreditverhandlungen geführt und auch keine Verfügungen getroffen, die im Zusammenhang mit Anschaffungen, Löhnen, Versicherungen, Reparaturen etc. standen. Von ihm seien lediglich als Verrichtungshilfe ohne eigenen Entscheidungsspielraum aufgrund einer ihm erteilten Bankvollmacht in Vertretung des verhinderten Geschäftsführers Schecks - zumal nur wenige - unterschrieben worden, um die Zahlungen an die Y-AG sicherzustellen. Es handele sich hierbei um reine Vollzugshandlungen, die in Unternehmen vergleichbarer Art auch von untergeordneten Sachbearbeitern erledigt würden. Auf den Geschäftsführer habe er keinen Einfluss genommen und die Geschicke der X -GmbH nicht bestimmt. Der Kl habe an keinen über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Entscheidungen mitgewirkt, die die Begründung von Rechten und Pflichten auslösten. Insbesondere gebe es keine rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen mit Geschäftspartnern der X -GmbH, an denen er direkt oder indirekt mitgewirkt habe. Der Kl habe solche nicht unterzeichnet oder in irgendeiner Weise beeinflusst. Weisungsbefugt gegenüber dem Geschäftsführer P.M. sei der Kl nach Maßgabe des § 37 GmbHG nur als gesetzlicher Vertreter der minderjährigen Gesellschafter der X -GmbH gewesen. Hieraus könne jedoch ebenso wenig eine faktische Geschäftsführerstellung abgeleitet werden, wie aus dem Eindruck des Zeugen P.S., der Kl habe nicht nur die X -GmbH, sondern die gesamte Unternehmensgruppe verkörpert.

Mit Steuerangelegenheiten sei der Kl niemals befasst gewesen. P.M. habe für die X -GmbH in ausschließlicher Verantwortlichkeit alle USt-Voranmeldungen und -Erklärungen abgegeben.

Der Kl betont, die Strafkammer habe keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, nach denen er an USt- Hinterziehungen mitwirkte bzw. diese bewusst duldete und forderte und hierbei als faktischer Geschäftsführer auftrat. Er habe sich durch keine wie auch immer geartete Handlung an der steuerlichen Vorgehensweise der X -GmbH beteiligt und keinen Einfluss auf den Geschäftsführer ausgeübt. Ebenso scheide eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen aus. Er habe keine Garantenstellung innegehabt, die gegenüber den Organen der X -GmbH eine Interventionspflicht hätte begründen können. Zudem sei ihm verborgen geblieben, dass die Spedition GM-GmbH die Fahrzeuge nicht nach Österreich beförderte. Die Verurteilung durch das Landgericht GT beruhe allein auf Annahmen bzw. Indizien, die durch tatsächliche Feststellungen nicht unterlegt seien.

Der Kl beantragt,

den Haftungsbescheid vom 21.03.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 15.09.2004 aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der B ekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Behörde trägt vor, der Kl hafte nach § 71 AO als Mittäter für die durch den formellen Geschäftsführer der X -GmbH begangene Steuerhinterziehung. Er und P.M. hätten in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken die Umsätze gegenüber dem Bekl als umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt, obwohl die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit fehlten. Der Kl und der formelle Geschäftsführer hätten zumindest damit gerechnet, dass die Fahrzeuge nicht nach Österreich gelangten. Der Bekl halte die Feststellungen der Strafkammer und die hieraus von ihr gezogenen Schlussfolgerungen für zutreffend und mache sie sich zu eigen.

Auch wenn keine Verpflichtung des Finanzgerichts bestehe, sich tatsächliche Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen eines Strafgerichts zu eigen zu machen, sei das Urteil der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts GT doch ein Beweismittel von einigem Gewicht. Demgegenüber ergäben sich aus den Aussagen der Zeugen P.S. und R.R. keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids. P.S. sei nur das Faktotum bei der X -GmbH gewesen. Er habe Fragen nur ausweichend beantwortet und sei offensichtlich bemüht gewesen, dem Kl nicht zu schaden. Der Beweiswert der Aussage von R.R. sei gering. R.R. habe durch sein eingeschränktes Geständnis vor der 4. Strafkammer des Landgerichts P I mit der Urteilsabsprache nicht nur eine mildere Strafe erlangt, sondern auch den Vorteil, dass er zu den Teilnehmern an dem mutmaßlichen Umsatzsteuerkarussell und den Tatbeiträgen dieser Personen keine Angaben habe machen müssen. Dies habe die weitere Folge, dass R.R. bei Aussagen in Verfahren gegen andere Personen der Lieferkette nicht festgelegt sei. R.R. könne in diesen Verfahren so aussagen, dass diesen Personen weiterhin kein Schaden entstehe und zwar ohne ein sonderlich hohes Risiko, wegen eventueller Falschaussage zur Verantwortung gezogen werden zu können. Angesichts der Vorstrafen R.R. und seiner Funktion im realen Umsatzsteuerkarussell halte deshalb der Bekl die Angaben R.R. zur Beteiligung des Kl an den Fahrzeuglieferungen der X -GmbH an die W-GmbH für falsch.

Zu berücksichtigen sei zudem, dass die X -GmbH ein eigenes Interesse daran gehabt habe, dass die Pkw nie nach V gelangten. Für das Unternehmen hätte sonst die Gefahr bestanden, dass der Bruch der Haltevereinbarung mit der Y-AG früher offenbar geworden wäre. Auch hätten eventuelle Gläubiger der W-GmbH auf Pkw, die sich nun in deren Eigentum befunden hätten, zugreifen können. Auch deutschen Finanzämtern wäre es dann bei einem Auffliegen des Umsatzsteuerkarussells, an dem die W-GmbH beteiligt gewesen sei, möglich gewesen, die Pkw beim Transport durch Deutschland in Arrest zu nehmen und zu verwerten. Der X -GmbH habe schon bei nur einer Lieferung schnell ein Schaden von xxx.xxx bzw. xxx.xxx DM entstehen können, falls die bezogene B ank die Einlösung der von der W-GmbH ausgestellten Schecks verweigert hätte.

Für die begangene Umsatzsteuerhinterziehung sei es irrelevant, dass sich der Kl gegenüber dem Finanzamt im Hintergrund gehalten und die USt-Voranmeldungen nicht selbst unterschrieben habe. Aufgrund seiner Stellung im Unternehmen habe er mit der Abgabe der falschen Erklärungen gerechnet und diese billigend in Kauf genommen.

Die Haftung werde auch auf § 69 i.V. mit § 35 AO gestützt. Der Kl sei als faktischer Geschäftsführer für die eingereichten USt-Voranmeldungen mitverantwortlich gewesen. Er habe die Richtlinien der Geschäftspolitik der B -Gruppe festgelegt und bestimmenden Einfluss auf die Geschäfte der X -GmbH ausgeübt. An den tatsächlichen Dispositionen des Unternehmens sei er sowohl nach außen als auch nach innen wesentlich beteiligt gewesen. Der Kl habe maßgeblich die Verhandlungen mit der Y-AG geführt und Einzelvollmacht über das Firmenkonto besessen. Auch der Zeuge P.S. habe in ihm seinen Chef erkannt. Für das Tatbestandsmerkmal "Auftreten nach außen" reiche schon das Handeln in einer begrenzten Öffentlichkeit aus.

B ei Gericht ist am 13.08.2008, 2 Monate nach der mündlichen Verhandlung, noch ein weiterer, 23 Seiten umfassender Schriftsatz des Bekl eingegangen, hinsichtlich dessen Inhalts auf B l. 284 ff der FG-Akten verwiesen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Aufgrund der Akzessorietät der Haftungsschuld gegenüber der Steuerschuld muss letztere entstanden und darf bis zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über die Inhaftungnahme nicht erloschen sein (vgl. ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, z.B . BFH- Urteil vom 25.05.2004 VII R 29/02, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2005, 3 Tz. II.4.b.). Für die Voranmeldungszeiträume III. Kalendervierteljahr 2000, I. Kalendervierteljahr 2001 sowie April bis Juli 2001 besteht jedoch keine Steuerforderung des B ekl. Die Behörde hat zu Unrecht die Umsatzsteuerfreiheit der Lieferungen der Pkw durch die X -GmbH an die W-GmbH verneint. Zugunsten der X -GmbH greift der in § 6a Abs. 4 UStG geregelte Schutz des guten Glaubens der Steuerpflichtigen ein. Das Gericht verweist insoweit auf das den Beteiligten bereits vorliegende, ausführlich begründete Urteil des erkennenden Senats vom 09.06.2008 9 K 408/04.

Der Schriftsatz der Bekl vom 13.08.2008 enthält keine Ausführungen, die eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung für geboten erscheinen ließen. Der Senat hat den dargelegten Streitstoff, soweit er für die bereits getroffene Entscheidung von Relevanz ist, bei der Beratung umfassend gewürdigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11, 709, 711 der Zivilprozessordnung.

Die vom Kl beantragte Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als schwierig zu beurteilen ist. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtkundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen.

Ende der Entscheidung

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