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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 1 K 1170/03 B
Rechtsgebiete: Zollkodex


Vorschriften:

Zollkodex Art. 236
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

1 K 1170/03 B

Einfuhrumsatzsteuer; Rückerstattung von Zoll

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Februar 2007

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger meldete am 01.12.1995 beim seinerzeit zuständigen Hauptzollamt L..., Zollamt M..., einen PKW Mercedes-Benz 190 SL, Baujahr 1960, aus den USA als gebrauchten PKW mit der Code-Nr. 8703 2390 000 zur Überführung in den freien Verkehr an. Das Zollamt folgte dem Antrag, setzte für den PKW 10% Zoll und 15% Einfuhrumsatzsteuer fest und forderte insgesamt 5.328,94 DM Einfuhrabgaben zur Zahlung an. Die Abgaben wurden entrichtet. Mit Schreiben vom 17.11.1998 beantragte der Kläger beim nunmehr zuständigen Hauptzollamt L...-Süd, den Bescheid im Hinblick auf die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. C 127 vom 30.04.1996 veröffentlichte Änderung der Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur -KN- zur Einreihung von Kraftfahrzeugen als Sammlungsstücke zu ändern. Nachdem der Kläger ein Sachverständigengutachten beigebracht hatte, in dem u.a. die Verwendung von Karosserieteilen und Nägeln aus Aluminium hervorgehoben wurde, lehnte das Hauptzollamt den Antrag mit Bescheid vom 12.06.2001 ab. Für die begehrte Einreihung des Fahrzeugs als Sammlungsstück in die Position 9705 KN müsse das Fahrzeug eine mit einem vergangenen Zeitabschnitt zusammenhängende Besonderheit aufweisen, nämlich dass es einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentiere oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschauliche. Der Kläger habe keine Merkmale am Fahrzeug dargelegt, die eine besonders kennzeichnende Veränderung -eine bloße Variation (Vereinfachung, Verbesserung) des bisherigen genüge nicht -im Bereich des Automobilbau aufzeige.

Dagegen richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass die Anforderungen des Zolltarifs so hoch stilisiert werden würden, dass eine im Handel befindliche Ware niemals als Sammlungsstück eingereiht werden könne. Im Übrigen sei bei diesem Autotyp erstmals eine Ponton-Karosserie sowie die Bodengruppe der Großserienlimousinen 180, 190 bzw. 219 verwendet worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Für das strittige Fahrzeug sei keine Dokumentation eines charakteristischen Schritts in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften bzw. eines Abschnitts dieser Entwicklung erkennbar. Außerdem fehle es an der erforderlichen Seltenheit des Fahrzeugs. Es seien 25.881 Exemplare produziert und verkauft worden, von denen eine hohe Anzahl noch existieren dürfte. Allein in Deutschland seien mehr als 1.200 Stück dieses Fahrzeugs beim Kraftfahrtbundesamt registriert.

Am 16.05.2003 ist Klage erhoben worden, mit der der Kläger die Einreihung des Fahrzeugs in die Position 9705 KN und die daraus resultierende anteilige Rückzahlung der geleisteten Abgaben begehrt. Der Beklagte habe sich mit der Tatsache der Plattformverwendung nicht auseinander gesetzt. Außerdem seien diese Fahrzeuge als sehr selten einzustufen. Dass 40 Jahre nach Einstellung der Produktion immer noch relativ viele Fahrzeuge existierten, beruhe darauf, dass Fahrzeuge dieser Art bereits zur Zeit der Produktion einen hohen Seltenheitswert und exklusiven Charakter gehabt hätten. Diese Fahrzeuge seien von Beginn an durch Sammler und Liebhaber dergestalt gepflegt worden, dass sich ein relativ hoher Bestand erhalten habe. Der Mercedes 190 SL habe durch die Verwendung wesentlicher Bauteile der Großserie in einer Sportwagenkleinserie den Automobilbau geprägt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12.06.2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 zu verpflichten, dem Änderungsantrag des Klägers insoweit stattzugeben, als das fragliche Fahrzeug in die Position 9705 des Zolltarifs eingereiht wird und ein entsprechender Abgabenbescheid erlassen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt weiterhin die in seiner Einspruchsentscheidung erläuterte Auffassung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 12.06.2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 17.04.2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat rechtsfehlerfrei den Erlass eines Änderungsbescheides abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Einfuhrabgaben nach Art. 236 Zollkodex -ZK-, denn der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das strittige Fahrzeug in die vom Kläger angegebene Position 9705 KN einzureihen. Diese vom Kläger für zutreffend gehaltene Position bezeichnet u.a. Sammlungsstücke von geschichtlichem Wert. Die bei der Abfertigung angewendete Unterposition 8703 2390 KN bezeichnet demgegenüber gebrauchte Personenkraftwagen mit Hubkolbenverbrennungsmotor mit Fremdzündung mit einem Hubraum von 1500 cm bis 3000 cm.

Der Mercedes-Benz 190 SL ist bei der Abfertigung am 01.12.1995 fehlerfrei in die Unterposition 8703 2390 KN für gebrauchte Kraftfahrzeuge eingereiht worden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs C-121/95 , EuGHE 1996, I-3047 Rz. 13; BFH-Urteil v. 18.11.2001, VII R 78/00) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH-Urteil vom 09.12.1997, Rs C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rz. 14). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH-Urteile v. 14.11.2000, VII R 83/99, BFH/NV 2001, 499 und v. 05.10.1999 VII R 42/98, BFH/NV 2000, 404).

Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware -hier des Fahrzeugs Mercedes- Benz 190 SL Baujahr 1960 -sprechen nach Überzeugung des Gerichts für die vom Beklagten bei der Abfertigung vorgenommene Einreihung. In seinem Urteil vom 03.12.1998 (C-259/97, juris) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Position 9705 der Kombinierten Nomenklatur dahin auszulegen ist, dass ein historischer oder völkerkundlicher Wert bei Kraftfahrzeugen vermutet wird, die sich im Originalzustand -ohne wesentliche Änderungen des Fahrgestells, des Steuersystems oder Bremssystems des Motors u.s.w. -befinden, 30 Jahre oder älter sind und einem nicht mehr hergestellten Modell oder Typ entsprechen. Fahrzeuge, die diese Voraussetzungen erfüllen, sind jedoch nicht von geschichtlichem oder völkerkundlichen Wert, wenn die zuständige Behörde nachweist, dass sie keinen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentieren oder keinen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichen können.

Darüber hinaus müssen die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entwickelten Kriterien in Bezug auf die Eigenschaften erfüllt sein, die für die Aufnahme eines Kraftfahrzeugs in eine Sammlung erforderlich sind. Danach muss das Fahrzeug Gegenstand des Spezialhandels sei, es darf normalerweise nicht gemäß dem ursprünglichen Verwendungszweck genutzt werden und es muss verhältnismäßig selten sowie von hohem Wert sein. Dem folgend hat der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 19.12.2000 (VII R 30/99, BFH/NV 2001, 821) entschieden, dass bei der Beurteilung, ob einer Ware ein geschichtlicher Wert zukommt, den Besonderheiten des jeweiligen Bereiches Rechnung zu tragen ist. So ist zum Beispiel im Automobilbau zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Kraftfahrzeug um einen Gegenstand handelt, der grundsätzlich zum Zwecke des Gebrauchs und nicht als Erinnerungsstück entsprechend den technischen Möglichkeiten seiner Zeit gebaut wird. Dabei obliegt es der Behörde, Tatsachen vorzutragen, die gegen einen geschichtlichen Wert sprechen. Liegen derartige Tatsachen vor, ist es Sache des Einführers, diesen Vortrag substantiiert zu bestreiten. Dieser Rechtsprechung folgt der Senat.

Nach dem unstreitigen Sachverhalt des Streitfalls kann davon ausgegangen werden, dass sich das eingeführte Fahrzeug jedenfalls nahezu im Originalzustand befindet. Es ist auch älter als 30 Jahre und wird nicht mehr gebaut. Das Gericht kann es offenlassen, ob das Fahrzeug normalerweise nicht mehr entsprechend seinem ursprünglichen Verwendungszweck eingesetzt wird. Bereits zum Zeitpunkt seiner Herstellung war es weder als Familienauto noch als Reiselimousine einzusetzen, sondern diente als eleganter Sportwagen in wesentlichem Umfang dem Fahrspaß und der Eigendarstellung seines Besitzers, der damit durch die Stadt oder über die Landstraßen "flanieren" konnte. Ähnliches ist mit dem strittigen Fahrzeug heutzutage insoweit vorgesehen, als es zu Veranstaltungen oder Oldtimertreffen eingesetzt werden soll. Man findet Wagen dieses Typs aber auch bei Autovermietungen, wo sie tage- oder wochenweise ausgeliehen werden können.

Jedenfalls ist das Fahrzeug nicht von geschichtlichem Wert, da es keine mit einem vergangenen Zeitabschnitt zusammenhängenden Besonderheiten aufweist und keinen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften -hier des Automobilbaus -dokumentiert oder veranschaulicht. Es verkörpert insbesondere nicht exemplarisch einen epochemachenden Entwicklungsstand im Sportwagenbau (im Ergebnis ebenso für diesen Fahrzeugtyp: FG München, Urteil vom 26.06.2001 3 K 4740/98, juris).

Es handelt sich um ein kleineres Sportwagenmodell als der etwa zeitgleich, aber in wesentlich geringerer Anzahl gebaute Mercedes-Benz 300 SL mit Flügeltüren. Für ein Fahrzeug diesen Typs aus dem Baujahr 1956 hat der Bundesfinanzhof den geschichtlichen Wert verneint, da es nicht exemplarisch einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der Technik des Automobilbaus verkörpere (BFH-Beschluss vom 19.12.2000, a.a.O.). Die Flügeltüren seien lediglich technische oder stilistische Varianten, aber keine Verkörperung charakteristischer Schritte in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften.

Ähnliches gilt für das streitgegenständliche Fahrzeug. Dass es sich dabei um ein Cabriolet handelt, begründet keinen geschichtlichen Wert. Cabrios wurden von Mercedes- Benz -wie auch von anderen Herstellern -schon lange vor dem Zeitraum, innerhalb dessen der streitgegenständliche Fahrzeugtyp hergestellt wurde, gebaut. Die technischen Neuerungen, die den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp auszeichnen, rechtfertigen nicht die Zuerkennung von geschichtlichem Wert. Bodengruppe und Motor entstammen dem Limousinentyp von Mercedes-Benz. Ihre Verwendung in einer Sportwagenkleinserie veranschaulicht keinen charakteristischen Schritt in der Geschichte der menschlichen Errungenschaften. Der zum Teil erfolgte Einbau von Aluminiumteilen kann auch kein anderes Ergebnis rechtfertigen, denn Aluminiumkarosserien wurden bereits vor dem zweiten Weltkrieg gebaut. Inwieweit diese Maßnahme den Automobilbau geprägt haben soll, erschließt sich dem Senat auch aus dem Vortrag des Klägers nicht. Gleiches gilt für den Einbau einer selbsttragenden Ponton-Karosserie, die Mercedes bereits zuvor für herkömmliche Limousinen verwendet hatte (www.wikipedia.de zu Mercedes-Benz W 120). Auch dem vom Kläger vorgelegten Gutachten ist nichts Weiterführendes zu diesen technischen Details des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps zu entnehmen.

Die Fahrzeuge des Typs Mercedes-Benz 190 SL sind auch nicht verhältnismäßig selten.

Bei der Frage, ob ein Fahrzeug verhältnismäßig selten ist, kann nicht auf die Relation zum gesamten Automobilbestand abgestellt werden. Vielmehr muss die Relation zwischen der Zahl der von einem bestimmten Typ produzierten Fahrzeuge und dem aktuellen Bestand der Fahrzeuge aus dieser Baureihe betrachtet werden. Da angesichts der ursprünglich produzierten Menge von ca. 25.000 Stück von diesem Modell offensichtlich noch eine vierstellige Anzahl -etwa 10 v.H. -existiert, kann nicht von einem verhältnismäßig seltenen Fahrzeug gesprochen werden. Dagegen spricht auch, dass diese Fahrzeuge nicht nur in technischen Museen und im Spezialhandel zu finden sind, sondern auch auf normalem Wege gehandelt sowie als Mietfahrzeuge genutzt werden. So waren zum Beispiel in der 7. Kalenderwoche 2007 allein beim Internet-Auktionshaus ebay 25 Fahrzeuge dieses Typs zu verkaufen.

Inwieweit das Fahrzeug einen hohen Wert verkörpert, wogegen einiges spricht (das Fahr zeug hat heutzutage einen Liebhaberwert, der inflationsbereinigt und im Hinblick auf den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten monatlichen Durchschnittsverdienst der Angestellten von etwa 273 Euro im Jahr 1960 und 3.538 Euro im Jahr 2005 den seinerzeitigen Neupreis bei weitem nicht erreicht), kann der Senat im Ergebnis offenlassen.

Soweit sich der Kläger auf eine mögliche Rückwareneigenschaft des Fahrzeugs beruft, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sowohl an der erforderlichen Nämlichkeitssicherung sowie am Nachweis der Ursprungseigenschaft der Europäischen Union fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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