Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 18.06.2008
Aktenzeichen: 1 K 1286/04 B
Rechtsgebiete: AuslInvestmG, EGV, EStG, KAGG


Vorschriften:

AuslInvestmG § 17
EGV Art. 56
EStG § 3 Nr. 40
KAGG § 40
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

1 K 1286/04 B

Einkommensteuer 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Juni 2008

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001 vom 13. Juni 2006 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2004 dahin gehend abgeändert, dass der Besteuerung Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 43.937,- DM zugrunde gelegt werden.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Kapitalvermögen. Nach seiner im September 2002 vorgelegten Einkommensteuererklärung vereinnahmte er insgesamt 42.048 DM Kapitaleinkünfte aus ausländischen Quellen. Davon entfielen 22.801,90 DM auf Aktiendividenden, der Restbetrag auf Ausschüttungen verschiedener Investmentfonds mit Sitz in ... und ..., von denen teilweise im Ausland Quellensteuer einbehalten wurde.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2001 mit Bescheid vom 22.Oktober 2002 auf 42.125 DM fest. Dabei legte er Kapitaleinkünfte in Höhe von 64.968 DM einschließlich der vollständigen Auslandseinnahmen zu Grunde. Der Kläger legte am 29. Oktober 2002 Einspruch ein und machte geltend, die im Ausland erzielten Dividenden seien nach dem Halbeinkünfteverfahren zu behandeln. Daraufhin erging am 23. Dezember 2002 ein auf § 172 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung -AO- gestützter Änderungsbescheid, mit dem die Einkommensteuer 2001 auf 36.599 DM herabgesetzt wurde. Der Beklagte legte der Besteuerung nunmehr Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 53.561 DM zu Grunde. Nach den Erläuterungen des Bescheides sollte dieser den Rechtsbehelf erledigen. Der Kläger legte am 24. Januar 2003 auch hiergegen Einspruch ein und äußerte nunmehr Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung seiner ausländischen Investmentfondserträge. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 7. April 2003 setzte der Beklagte die Einkommensteuer aus hier nicht in Rede stehenden Gründen auf 37.725 DM fest.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2004 zurück. Die Einkünfte aus ausländischen Investmentfonds seien nach den im Streitjahr gültigen Vorschriften zutreffend ermittelt worden. Zwar treffe es zu, dass Einkünfte aus ausländischen Investmentfonds gegenüber solchen aus deutschen Investmentfonds ungleich behandelt würden, doch finde die ab 2004 geltende Neuregelung der Besteuerung von Auslandsfonds durch das Investmentsteuergesetz für die Vorjahre keine Anwendung.

Der Kläger hat am 30. Juni 2004 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die von ihm aus ausländischen Investmentfonds erzielten Einkünfte seien nach dem Halbeinkünfteverfahren zu besteuern. In den Einkünften aus Kapitalvermögen seien 19.247 DM Dividenden aus ausländischen Investmentfonds enthalten. Während seine Inlandseinkünfte nur zur Hälfte mit Steuern belastet würden, müsse er die Einnahmen aus diesen ausländischen Fonds aufgrund des Auslandsinvestmentgesetzes in voller Höhe versteuern. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, die gegen Europarecht verstoße. Namentlich die Kapitalverkehrsfreiheit sei berührt. Es könne zu einer ungleich höheren Besteuerung ausländischer Investmentfonds gegenüber inländischen kommen, die zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs führen könne. Ein Anleger werde nämlich eher auf Inlandsinvestmentbeteiligungen zurückgreifen und müsse zur Vermeidung der erhöhten Steuerlast seine ausländischen Anteile verkaufen. Darüber hinaus stehe die Regelung auch nicht mit Art. 39 und Art. 294 EG-Vertrag -EGV- in Einklang und verstoße der durch § 17 Auslandinvestmentgesetz -AuslInvestmG- bewirkte Ausschluss vom Halbeinkünfteverfahren gegen Art. 3 Grundgesetz -GG-. Die unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Investmenteinkünften sei mangels rechtfertigenden Grundes willkürlich. Das sei schon daran erkennbar, dass für Dividendenzahlungen auf ausländische Aktien das Halbeinkünfteverfahren gelte. Weiter könne die Europarechtswidrigkeit nicht deshalb verneint werden, weil der Gesetzgeber zwischenzeitlich neue Regelungen geschaffen habe. Die dabei umgesetzte Richtlinie stamme aus dem Jahr 2002 und habe für das hier zur Entscheidung stehende Jahr keine Bedeutung. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe im Übrigen in anderer Sache bereits entschieden, dass die deutsche Besteuerung von Auslandsdividenden europarechtswidrig (gewesen) sei.

Der Kläger beantragt,

den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001 vom 13. Juni 2006 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 2004 dahin gehend abzuändern, dass der Besteuerung Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 43.937,- DM zugrunde gelegt werden, sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vermag keinen Verstoß gegen Verfassungs- oder Europarecht zu erkennen. Die Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sei bei der einzuräumenden Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Erträgen aus Investmentfonds noch nicht überschritten. Die europaweit angestrebte Harmonisierung der nationalen Investmentregeln habe eine Überprüfung und Änderung des Bundesrechts erfordert. Die entsprechenden Richtlinien seien fristgerecht umgesetzt worden. Dass die neuen Vorschriften für Zeiträume vor dem 1. Januar 2004 nicht anzuwenden seien, führe nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.

Der Beklagte änderte den Einkommensteuerbescheid 2001 im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens wiederholt, zuletzt mit Bescheid vom 13. Juni 2006, und setzte die Einkommensteuer 2001 aus anderen Gründen auf zuletzt 4.309 DM fest.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug auf die Gerichtsakte und die Steuervorgänge des Beklagten genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Der Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001 vom 13. Juni 2006 war antragsgemäß abzuändern, denn die Auslandseinkünfte des Klägers aus Investmentvermögen müssen nach den allgemeinen Regeln, insbesondere § 3 Nr. 40 d) Einkommensteuergesetz -EStG-, behandelt werden. Dies führt zu einer Reduzierung der zu berücksichtigenden Kapitaleinkünfte auf 43.937 DM. Die dem entgegenstehende Regelung des § 17 AuslInvestmG findet keine Anwendung, denn sie steht mit höherrangigem Recht - konkret: Art. 56 EGV nicht in Einklang.

Nach § 17 Abs. 1 AuslInvestmG in der Fassung des Streitjahres gehören die Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile sowie die von einem Vermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 AuslInvestmG (ausländisches Investmentvermögen) vereinnahmten, nicht zur Kostendeckung oder Ausschüttung verwendeten Zinsen, Dividenden, Erträge aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sowie sonstigen Erträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Weiter bestimmt § 17 Abs. 1 AuslInvestmG, dass auf diese Einkünfte § 3 Nr. 40 EStG keine Anwendung findet. Das führt dazu, dass Ausschüttungen auf ausländische Investmentanteile steuerlich anders behandelt werden als Ausschüttungen auf inländische Investmentanteile. Für diese ist in § 40 Abs. 1, 2, § 40 a Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften - KAGG - gerade ausdrücklich angeordnet, dass die Regelung über das Halbeinkünfteverfahren in § 3 Nr. 40 EStG anzuwenden ist.

Der Beklagte ist entsprechend der deutschen Gesetzeslage im Streitjahr davon ausgegangen, dass § 17 AuslInvestmG auf die Besteuerung der Erträge der Auslandsinvestmentanteile anzuwenden ist, denn die vom Kläger gehaltenen Fondsanteile (Fidelity, Templeton, Pioneer) erfüllten die damals noch geltenden Anforderungen des § 17 Abs. 3 AuslInvestmG; es handelte sich um sogenannte "weiße Fonds". Ausgehend von dieser gesetzlichen Regelung hat der Beklagte der Besteuerung des Klägers im Streitjahr ungeschmälerte Einkünfte aus ausländischem Investmentvermögen zugrunde gelegt. § 17 AuslInvestmG steht jedoch insoweit, als darin die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für Erträge aus ausländischen Investmentanteilen ausgeschlossen wird, mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang. Demzufolge darf § 17 AuslInvestmG bei der Besteuerung des Klägers insoweit keine Anwendung finden.

Europäisches Gemeinschaftsrecht, wozu insbesondere die verschiedenen Verträge über die Begründung der Europäischen Gemeinschaften zählen, geht nach Art. 23 Abs. 1 GG, Art. 10, 249 EGV dem einfachen deutschen Gesetzesrecht vor (statt vieler: Geiger, EUV/EGV, 4.A., Art. 10 Rn. 27ff. m.w.N.; Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, 1994, S.100; Gräber/Koch, FGO, 6.A., § 33 Rn. 7). Bundesrecht, das nicht im Einklang mit Europarecht steht, darf nicht angewendet werden. Ob Bundesrecht gegen Europarecht verstößt, hat das erkennende Gericht in eigener Zuständigkeit zu prüfen, wobei es von dem in Art 234 EGV geregelten Vorlageverfahren zum EuGH Gebrauch machen kann, um Zweifel über die Auslegung des Vertrages in einem Zwischenverfahren klären zu lassen. Anders als im Bereich von Art. 100 GG steht die Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 Abs. 2 EGV im Ermessen des erkennenden Gerichts und bedarf es der Einholung einer Vorabentscheidung nur dann, wenn die inmitten stehende europarechtliche Frage nicht schon eindeutig auf der Grundlage der bislang ergangenen Rechtsprechung des EuGH geklärt ist, so dass für Zweifel vernünftigerweise kein Raum bleibt (vgl. BFH, Urteil vom 19. Dezember 2007 II R 65/06, BFH/NV 2008, 693;Beschluss vom 25. November 1997 VII B 176/97, BFH/NV 1998, 755). Davon ausgehend kann der Senat über die Vereinbarkeit von § 17 AuslInvestmG mit Europarecht selbst entscheiden. Die bereits ergangene Rechtsprechung des EuGH führt im vorliegenden Fall zu der eindeutigen Feststellung, dass die in § 17 AuslInvestmG vorgesehene, von der Behandlung der ausgeschütteten Erträge deutscher Investmentfonds abweichende, Besteuerung der ausgeschütteten Erträge ausländischer Investmentfonds durch den Ausschluss des Halbeinkünfteverfahrens mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang steht (vgl. dazu nur Brinkhaus in: Brinkhaus/Scherer, KAGG, AuslInvestmG, § 17 AuslInvestmG Rn. 17, 20ff. m.w.N.; Schmidt/Heinicke, EStG, 23. A., § 20 Rn. 121f. m.w.N.). Im Einzelnen:

Nach Art. 56 Abs. 1 EGV sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten. Eine solche Beschränkung ist stets dann gegeben, wenn eine gesetzliche Regelung einen Steuerpflichtigen im Ergebnis davon abhält, Kapital in Gesellschaften anzulegen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Umgekehrt wirkt sich eine solche Regelung auch gegenüber den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften beschränkend aus, weil sie diese daran hindert, im Inland Kapital zu sammeln (vgl. EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 - Verkooijen - Slg 2000 I-4071, Rz. 34, 35; vom 15. Juli 2004 C-315/02 - Lenz - Slg. 2004 I-7063, Rz. 20, 21; vom 7. September 2004 C-319/02 - Manninen - Slg. 2004 I-7477, Rz. 22, 23; vom 6. März 2007 C-292/04 - Meilicke - Slg. 2007 I-1835, Rz. 23, 24). Die so definierte Kapitalverkehrsfreiheit gilt - wie sich schon ohne weiteres aus dem Wortlaut des Art. 56 EGV ergibt - nicht nur innerhalb der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und des EWR, sondern uneingeschränkt auch im Verhältnis zu Drittstaaten (vgl. EuGH, Urteile vom 18. Dezember 2007 C-101/05 - A. - HFR 2008, 295, Rz. 31 ff. ("in demselben Artikel und mit den gleichen Worten"), 40-43; vom 20. Mai 2008 C-194/06 -Orange European Smallcap Fund NV - [...], Rz. 87, 88). Ausgehend von diesem Maßstab führt § 17 AuslInvestmG zu einer Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, denn Investmenterträge aus anderen Mitgliedsstaaten bzw. aus Drittstaaten - hier konkret aus ... und ... - werden steuerlich weniger günstig behandelt als solche aus dem Inland. Letztere werden nämlich bei der Einkommensbesteuerung in Anwendung der Halbeinkünfteregelung aus § 3 Nr. 40 EStG, die nach § 40 KAGG anzuwenden ist, nur zur Hälfte berücksichtigt, während ausländische Erträge in voller Höhe belastet werden. Dass dafür im Gegenzug im Zusammenhang mit den Erträgen stehende Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten abgezogen werden können, während dies bei Inlandseinkünften nur in hälftiger Höhe der Fall ist (§ 3c Abs. 2 EStG) und auch Verluste in voller Höhe abgezogen werden können, führt zu keiner anderen Betrachtung. Ein Steuerpflichtiger wird Kapitalanlagen in der Regel nach der erzielbaren - positiven - Rendite beurteilen, die aber unmittelbar durch die Ausschüttungen und deren - hier ungleiche - steuerliche Behandlung beeinflusst wird, nicht aber nach den Möglichkeiten des Werbungskosten- oder Verlustabzugs.

Die darin liegende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs kann auch nicht im Lichte der weiteren Bestimmungen des EG-Vertrages und des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt werden. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Beschränkungen im Verhältnis zu Drittstaaten unter anderen Voraussetzungen möglich sind als solche gegenüber Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 C-101/05 - A. - HFR 2008, 295, Rz. 60 ff.) ist der Ausschluss des Halbeinkünfteverfahrens in § 17 AuslInvestmG insgesamt unzulässig.

Allerdings berührt Art. 56 EGV nach Art. 58 Abs. 1 a) EGV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Diese Ausnahmevorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH im Lichte des Art. 58 Abs. 3 EGV strikt in dem Sinne auszulegen, dass eine steuerliche Unterscheidung nach dem Anlageort nur dann zulässig ist, wenn darin weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs liegt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2004 C-315/02 - Lenz - Slg. 2004 I-7063, Rz. 26) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. März 2004 C-334/02 - Kommission/ Frankreich - Slg. 2004 I-2229, Rz. 28). In diesem Sinne sind Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit nur dann zulässig, wenn die in § 17 AuslInvestmG enthaltene, letztlich am Kapitalanlageort anknüpfende unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Investmenterträgen darauf zurückgeführt werden kann, dass die beiden Situationen objektiv unterschiedlich oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind. Letzteres ist der Fall, wenn die unterschiedliche Besteuerung die Koheränz der Steuerregelung gewährleisten oder der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und der Sicherstellung wirksamer steuerlicher Kontrollen dienen soll (vgl. EuGH, Urteile vom 4. März 2004 C-334/02 - Kommission/Frankreich - Slg. 2004 I-2229, Rz. 27; vom 6. Juni 2000 C-35/98 - Verkooijen - Slg. 2000 I-4071, Rz. 43), sofern die konkrete gesetzliche Regelung geeignet ist, das erstrebte Ziel zu erreichen und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht. Solche Gründe sind vorliegend nicht gegeben. Weder knüpft die in § 17 AuslInvestmG vorgesehene Differenzierung an objektiv nicht vergleichbare Situationen an, noch ist sie durch zwingende Gründe des allgemeinen Interesses, insbesondere die Kohärenz der Steuerregelung gerechtfertigt. Vielmehr handelt es sich um eine unzulässige Diskriminierung.

Das in § 3 Nr. 40 EStG geregelte Halbeinkünfteverfahren dient dem Zweck, bei der Besteuerung der Beteiligungseinkünfte des Anteilseigners die Körperschaftsteuervorbelastung auf der Ebene der Körperschaft zu berücksichtigen, um eine doppelte Besteuerung des Gewinns zu vermeiden. Die Anwendung dieses Verfahrens führt im Bereich der inländischen Investmentfonds typisierend dazu, dass Erträge von Kapitalgesellschaften nur auf der Ebene der diese Erträge erzielenden Gesellschaften der Körperschaftsteuer unterliegen, während die (zwischengeschaltete) Ebene des Fonds steuerbefreit ist (§ 38 Abs. 1 KAGG) und auf der Ebene des Anlegers die Hälfte der Bezüge steuerfrei bleiben (§ 40 Abs. 2 KAGG i.V.m. § 3 Nr. 40 d) EStG).

Davon ausgehend, liegt eine die Differenzierung des § 17 AuslInvestmG rechtfertigende objektiv nicht vergleichbare Situation nicht vor. Die Doppelbelastung einmal erzielter Gewinne mit Körperschaft- und Einkommensteuer, die mit dem Halbeinkünfteverfahren gemildert bzw. behoben werden soll, trifft in gleicher Weise auch auf im Ausland erzielte Investmentbezüge zu, die aus dort erzielten Gewinnen resultieren und die dort ebenfalls regelmäßig der Körperschaftsteuer unterliegen.

Ebenso wenig kann der Ausschluss des Halbeinkünfteverfahrens aus Gründen der Kohärenz gerechtfertigt werden. Der Aspekt der Kohärenz kommt dann in Betracht, wenn die Anknüpfungstatsachen, die einerseits zu einer steuerlichen Belastung und andererseits zu deren Ausgleich durch einen Steuervorteil führen, in der Person desselben Steuerpflichtigen gegeben sind (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Juni 2000 C-35/98 - Verkooijen - Slg. 2000 I-4071, Rz. 57, 58). Vorliegend geht es dem Gesetzgeber jedoch um zwei getrennte Besteuerungen zweier (dreier) Rechtssubjekte (Anteilseigner - Investmentfonds - Kapitalgesellschaft). Im Übrigen würde das Ziel der Milderung der Doppelbesteuerung auch dann erreicht, wenn die Besteuerung der Ausschüttungen einheitlich ohne Differenzierung nach dem Ort der Investmentanlage erfolgen würde (in diesem Sinne zu Dividendenausschüttungen: EuGH, Urteil vom 15. Juli 2004 C-315/02 - Lenz - Slg. 2004 I-7063, Rz. 38). Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber das Halbeinkünfteverfahren auch für Ausschüttungen auf ausländisches Aktienvermögen eingeführt hat.

Anderes ergibt sich auch nicht aus der amtlichen Begründung zur Änderung des § 17 AuslInvestmG, mit der die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG im Zuge der Neugestaltung der Dividendenbesteuerung ausgeschlossen wurde (BT-Drs. 14/2683 S. 132). Danach ging der Gesetzgeber davon aus, dass kein Anlass bestehe, ausgeschüttete oder thesaurierte Dividenden beim Anteilsinhaber nur zur Hälfte zu besteuern, weil das ausländische Investmentvermögen durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens nicht belastet, sondern unter Umständen sogar günstiger gestellt werde. Über dieser Betrachtung der Ebene der ausschüttenden Gesellschaft vernachlässigte der Gesetzgeber aber die - wie vorstehend dargelegt - gerade europarechtlich beachtliche Ebene des Anteilseigners (Brinkhaus in: Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 17 AuslInvestmG Rn. 17 m.w.N.). Allerdings lässt sich der amtlichen Begründung auch entnehmen, dass jedenfalls Gründe der Durchsetzung des staatlichen Steueranspruchs oder der Aufsicht für die gesetzliche Regelung nicht maßgeblich waren. Vielmehr dürfte hinter der gesetzlichen Regelung vor allem die Sorge gestanden haben, durch die Anwendung des - damals neu eingeführten - Halbeinkünfteverfahrens auf ausländische Investmenterträge erhebliche Steuerausfälle zu riskieren. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH kein Argument, das geeignet sein könnte, die Kapitalverkehrsfreiheit zu beschränken (vgl. Urteil vom 6. Juni 2000 C- 35/98 - Verkooijen - Slg. 2000 I-4071, Rz. 59).

Soweit im Verhältnis zu Drittländern auch Gründe die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit rechtfertigen können, die gegenüber Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft nicht angeführt werden dürfen (zum insoweit unterschiedlichen Maßstab: EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 C-101/05 - A. - HFR 2008, 295, Rz. 60 ff.), sind solche nicht zuletzt mit Blick auf die sich aus den Materialien ergebende gesetzgeberische Intention ("keine Notwendigkeit") schon nicht erkennbar.

Schließlich kommt eine Rechtfertigung auch nicht im Hinblick auf die mit der hiesigen Regelung in Zusammenhang stehende Umstellung des Besteuerungssystems vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren in Betracht, die unter anderem eine verbesserte "Europatauglichkeit" der Besteuerung bezweckte. Abgesehen davon, dass es sich bei dem Ausschluss des Halbeinkünfteverfahrens für Bezüge aus Auslandsinvestmentfonds nach der Intention des Gesetzgebers schon nicht um eine Übergangsvorschrift handelt, wäre auch eine solche an Art. 56 EGV zu messen. Ein insoweit möglicherweise bestehender Spielraum findet seine Grenze ebenfalls in der Kapitalverkehrsfreiheit. Selbst wenn die Regelung in § 17 AuslInvestmG dem reibungslosen Übergang vom alten zum neuen System gedient haben sollte, was sich aus den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen lässt, könnte dies die Ungleichbehandlung zu Lasten der Anlage in ausländischen Investmentfonds nicht rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. Dezember 2007 C-436/06 - Gronfeldt - Rz. 32, 33, HFR 2008, 294).

Die Europarechtswidrigkeit der durch § 17 AuslInvestmG vorgenommenen Beschränkung wird im Übrigen durch die weitere Entwicklung belegt. Der Gesetzgeber ist selbst zu der Auffassung gelangt, dass der Ausschluss des Halbeinkünfteverfahrens durch § 17 AuslInvestmG europarechtswidrig ist. So ist der Begründung des Investmentmodernisierungsgesetzes (BR-Drs. 609/03, S. 295), das u.a. das Auslandinvestmentgesetz durch das Investmentsteuergesetz abgelöst hat, zu entnehmen, dass inländische und ausländische Investmentvermögen nunmehr grundsätzlich steuerlich gleichgestellt werden sollten, um der Kapitalverkehrsfreiheit zu genügen. Danach sollte insbesondere § 3 Nr. 40 EStG auch auf Ausschüttungen ausländischer Investmentvermögen Anwendung finden.

Dass § 17 AuslInvestmG durch den Ausschluss der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, wird nicht dadurch unbeachtlich, dass der Gesetzgeber später die gesetzlichen Regelungen geändert hat, ohne für die Vorjahre entsprechende Übergangsvorschriften zu erlassen. Damit bleibt es nämlich gerade im Streitjahr bei der Feststellung, dass die der Besteuerung des Klägers zugrunde zu legenden Vorschriften in einem wesentlichen Punkt nicht europarechtskonform waren. Der Hinweis des Beklagten, der Gesetzgeber habe mit dem Investmentmodernisierungsgesetz seinen aus den Richtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) folgenden europarechtlichen Pflichten innerhalb des ihm gesetzten Zeitraumes genügt, weswegen der vorherige Rechtszustand nicht als europarechtswidrig beurteilt werden könne, geht fehl. Abgesehen davon, dass die Richtlinien erst nach dem hier streitigen Jahr beschlossen wurden, betreffen sie schon nicht Fragen der Besteuerung von Investmentvermögen.

Findet § 17 Abs. 1 AuslInvestmG mangels Vereinbarkeit mit Europarecht vorliegend keine Anwendung, müssen die Ausschüttungen der verschiedenen Auslandsfonds entsprechend den Regelungen für inländische Fonds besteuert werden (§§ 38 ff. KAGG), mit der Folge, dass das Halbeinkünfteverfahren auf die Bezüge in Höhe von 19.247 DM anzuwenden ist. Dementsprechend war der der Besteuerung zugrunde zu legende Betrag der Einkünfte aus Kapitalvermögen um 9.623,50 DM zu mindern.

Soweit der Kläger noch auf Art. 39 (gemeint ist wohl Art. 43) und Art. 294 EGV abstellt, bedarf beides keiner näheren Betrachtung. Vorliegend geht es letztlich um Portfolioentscheidungen, nicht aber um Fragen der Niederlassung. Im Übrigen würde Art. 43 EGV für die im Drittland ... erzielten Ausschüttungen ohnehin nicht anzuwenden sein. Zudem hat Art. 294 EGV gegenüber den Grundfreiheiten keine eigenständige Bedeutung mehr (Bröhmer in: Calliess/Ruffert, EUV, EGV, 3. A., Art. 294 EGV Rn. 1).

Ob auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben ist, kann in Anbetracht der "Europarechtsunverträglichkeit" der inmitten stehenden Vorschrift auf sich beruhen.

Die Nebenentscheidungen beruhen wegen der Kosten auf § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO und wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -. Die Revision war zuzulassen, weil die vorliegend entschiedenen Fragen trotz der zwischenzeitlichen Rechtsänderung noch für eine unüberschaubare Zahl von Verfahren von Bedeutung ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rn. 35).

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.



Ende der Entscheidung

Zurück