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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 29.08.2007
Aktenzeichen: 1 K 1711/05
Rechtsgebiete: ZK VO 2913/92


Vorschriften:

ZK VO 2913/92 Art. 71 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

1 K 1711/05

Einfuhrabgaben

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. August 2007 und nachfolgender Beratung

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 12. August 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2005 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Die Klägerin meldete am 14. April 2004 20.010 kg gefrorene Putenbrust aus Polen beim Zollamt ... zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr unter Anwendung des Präferenzzollsatzes an. Sie deklarierte das Fleisch als "Zubereitungen, ausschließlich nicht gegartes Fleisch von Truthühnern enthaltend, mind. 57 GHT Fleisch: tk gewürzte Putenbrust" und ordnete es der Warennummer 1602 3111 00 0 KN zu. Das Zollamt entnahm eine Probe, überließ die Ware und setzte die Einfuhrabgaben auf Null fest.

Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) ... kam in einem auf einer chemischen Analyse beruhenden Einreihungsgutachten vom Juni 2004 zu dem Schluss, es handele sich bei der eingeführten Ware um "Teile von Truthühnern (Putenbrüste), gefroren, entbeint", die als ungewürzte Ware nach 0207 2710 00 0 KN einzureihen sei. Daraufhin setzte der Beklagte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 12. August 2004 17.028,51 EUR ZollAgrar nach Art. 220 Abs. 1 Zollkodex -ZK- gegen die Klägerin fest.

Die Klägerin legte am 16. August 2004 Einspruch ein. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens legte sie ein Gutachten des ...-Instituts für Bakteriologie und Hygiene vom 20. September 2004 vor.

Der Gutachter Prof. Dr. ... kam darin zu dem Ergebnis, das ihm überlassene Stück Fleisch schmecke leicht salzig und leicht nach Pfeffer. Die analytische Ermittlung habe einen Kochsalzgehalt von 0,3% sowie einen unterhalb der Nachweisgrenze, die im Gutachten mit 10 mg/kg angegeben wird, liegenden Piperinwert ergeben. Allerdings liege die Nachweisgrenze der verwendeten Methodik (UV-Photometrie) oberhalb der sensorisch wahrnehmbaren Geschmackseindrücke. Insgesamt handele es sich um leicht gewürztes Geflügelfleisch. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 22. September 2005 zurück. Er hielt daran fest, dass die eingeführte Putenbrust ungewürzt gewesen sei. Eine Würzung liege vor, wenn Gewürzpartikel mit bloßem Auge wahrnehmbar auf allen Flächen des Fleisches verteilt gewesen oder in das Innere eingedrungen und deutlich durch Geschmack wahrnehmbar seien. Das sei jedoch nicht der Fall gewesen. Zwar habe die ZPLA aus hygienischen Gründen auf eine sensorische Geschmacksprüfung des Fleisches verzichtet, doch sei die von ihr angewendete analytische Methode nach L. 53.05-1 zu § 35 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) in gleicher Weise geeignet, den Pfeffergehalt des Fleischs zu bestimmen. Dieser habe unter der Nachweisgrenze gelegen. Dies stehe auch nicht im Widerspruch zu dem Gutachten des ...-Instituts. Die dort festgestellte leichte Würzung sei keine deutlich wahrnehmbare Würzung im Sinne der Tarifierungsvorschriften, zumal auch das Institut zu dem Schluss gekommen sei, dass der Piperingehalt des Fleisches unterhalb der analytischen Nachweisgrenze gelegen habe.

Die Klägerin hat am 25. Oktober 2005 Klage erhoben. Sie macht geltend, es müsse nach § 71 Abs. 2 Zollkodex -ZK -verfahren werden. Das Einreihungsgutachten der ZPLA sei unverwertbar. Der Beklagte habe die gezogene Fleischprobe nicht sachgerecht untersucht. Nach der Zusätzlichen Anmerkung 6 a) zu Kapitel 02 der Kombinierten Nomenklatur sei als gewürzt dasjenige Fleisch anzusehen, bei dem die Würzstoffe ins Innere eingedrungen und deutlich durch Geschmack wahrnehmbar seien. Dass dies vorliegend der Fall sei, könne das Gutachten der ZPLA nicht ausschließen. Die Mitarbeiter der ZPLA hätten die Putenbrust nicht probiert. Dass die ZPLA Piperin analytisch nicht habe feststellen können, stelle die Würzung nicht infrage. Die Nachweisgrenze liege deutlich höher als bei einer sensorischen Prüfung. Überhaupt gehe es bei der Zusätzlichen Anmerkung allein um den Geschmack des Fleisches. In diesem Sinne könne auch eine leichte Würzung deutlich wahrnehmbar sein. Eine Analyse könne die Geschmacksprüfung nicht ersetzen, es sei denn, diese komme zu eindeutigen Aussagen. Das sei vorliegend nicht der Fall. Schon der Umstand, dass die Prüfer des ...-Instituts trotz gegenteiliger chemischer Analyse einen Pfeffergeschmack feststellen konnten, belege die Schwäche der analytischen Methode. Im Übrigen könne es für die Frage der Einreihung nicht allein maßgeblich auf das Gutachten der ZPLA ankommen.

Die Klägerin beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 12. August 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2005 aufzuheben und

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise

die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsachen, dass

1. Pfeffer in Fleisch auch unterhalb eines Piperingehaltes von 10 mg/kg Fleisch deutlich durch Geschmack wahrnehmbar ist und

2. Pfeffer im Fleisch auch unterhalb eines Gehaltes von 1500 mg/kg Fleisch deutlich durch Geschmack wahrnehmbar ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er weist darauf hin, dass das Gutachten des ...-Instituts nicht erkennen lasse, ob die Würzung von außen auf allen Flächen des Erzeugnisses verteilt gewesen sei. Komme es danach maßgeblich auf den Geschmack an, sei allerdings zutreffend, dass die ZPLA das Putenfleisch nicht verkostet habe. Dennoch sei das Einreihungsgutachten verwertbar. Die methodisch einwandfrei gewonnenen Ergebnisse seien geeignet, die Verkostung zu ersetzen. Die chemische Analyse dürfe Geschmackstests nur ersetzen, wenn sie eindeutige Rückschlüsse ermögliche. Das sei vorliegend der Fall. Die chemische Analyse habe keinen Nachweis einer Würzung erbracht. Die von der Klägerin vertretene Ansicht, die chemische Nachweisgrenze für Piperin liege oberhalb der sensorisch wahrnehmbaren Geschmackseindrücke, stehe dem nicht entgegen. Diese Ansicht sei widerlegt. Ein nachträglich (mit anderem Fleisch) auf der Grundlage der nach § 64 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch -LFGB- bzw. § 35 LMBG anerkannten technischen Standards (hier: L 00.90-7) durchgeführter Dreiecksversuch habe ergeben, dass die Feststellung der Würzung erst ab Konzentrationen von 1500 mg Pfeffer pro Kilogramm Fleisch zweifelsfrei möglich sei. Schon bei einem Pfeffergehalt von 1000 mg/kg werde die Würzung nicht mehr zweifelsfrei erkannt. Im Hinblick darauf, dass die analytische Nachweisgrenze für Pfeffer ausgehend von einem Piperingehalt von 4% bei 7,5 mg/kg liege, ergebe sich, dass die analytische Nachweisgrenze über hundertmal niedriger liege als sensorisch wahrnehmbar sei. Insofern könne das Putenfleisch nicht derart gepfeffert gewesen sein, dass die Würzung ins Innere eingedrungen sei und müsse es bei den Ergebnissen des Einreihungsgutachtens bleiben. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gutachten des ...-Instituts. Die dort angenommene Nachweisgrenze von 10 mg/kg Piperin entspreche bei einem Piperingehalt von 4% einer Würzung von 250 mg Pfeffer pro Kilogramm Fleisch. Auch diese liege deutlich unterhalb der Geschmacksgrenze. Dass die Prüfer des Instituts dennoch eine leichte Pfeffernote geschmeckt hätten, könne nur an deren spezieller Ausbildung liegen. Maßgeblich sei aber nicht der Geschmackseindruck bei speziell geschulten Personen, sondern derjenige bei ungeschulten Verbrauchern. Im Übrigen komme es nach der Rechtsprechung etwa des FG München für die Frage der Widerlegung der Beschaffenheitsvermutung des Art. 70 Abs. 1 ZK auf die Beschaffenheit der Rückstellprobe nicht an. Zudem stütze sich die Zusätzliche Anmerkung auf die Intensität des Geschmacks. Eine leichte Würzung sei nicht deutlich wahrnehmbar.

Der Senat hat Beweis zur Frage der Würzung der eingeführten Putenbrust erhoben durch Vernehmung des Herrn Professor Dr. ... und des Herrn Dr. ... als sachverständige Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Der Einfuhrabgabenbescheid des Beklagten vom 12. August 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 22. September 2005 sind aufzuheben, denn sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Der Einfuhrabgabenbescheid vom 12. August 2004 ist rechtswidrig und damit aufzuheben, denn der Abgabenerhebung sind nach Art. 71 Abs. 2 ZK die Angaben aus der Zollanmeldung zugrunde zu legen. Ist das eingeführte Fleisch danach in die Warennummer 1602 3111 00 0 KN einzureihen, schuldet die Klägerin keine Einfuhrabgaben, denn der auf Waren dieser Beschaffenheit erhobene Eingangsabgabensatz betrug Null.

Nach Art. 71 Abs. 1 ZK werden die Ergebnisse der Überprüfung der Anmeldung der Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren zugrunde gelegt. Sofern eine Überprüfung nicht stattfindet, werden nach Art. 71 Abs. 2 ZK die in der Anmeldung enthaltenen Angaben für die Anwendung des Zollverfahrens zugrunde gelegt. Letzteres ist auch dann der Fall, wenn zwar eine Überprüfung der Anmeldung stattgefunden hat, diese aber an solchen Mängeln leidet, dass die dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden können. In diesem Fall bleibt es grundsätzlich bei der von der Anmelderin vorgenommenen Eintarifierung (vgl. BFH, Urteil vom 14. Mai 1996 VII R 98/95, BFH/NV 1997, 85), sofern nicht dem Hauptzollamt in Anwendung allgemeiner Verfahrensregeln auf andere Weise der Beweis gelingt, dass die Anmeldung unzutreffend war (Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, Kommentar, 3. A., Art. 71 ZK Rn. 13; Witte/Henke, Zollkodex, Kommentar, 3. A., Art. 71 Rn. 9). Vorliegend kann das Ergebnis der von der Grenzzollstelle vorgenommenen Teilbeschau nicht zu Grunde gelegt werden (dazu 1.) und ist der Inhalt der Anmeldung auch nicht durch andere Beweismittel widerlegt (dazu 2.).

1. Das Ergebnis der von der Grenzzollstelle durch Teilbeschau nach Art. 70 Abs. 1 ZK durchgeführten Überprüfung der Zollanmeldung darf vorliegend der Eintarifierung der eingeführten Ware nicht zu Grunde gelegt werden. Das im Zuge der Teilbeschau angefertigte Einreihungsgutachten der ZPLA, auf das sich der Beklagte maßgeblich stützt, leidet an einem zu seiner Unverwertbarkeit führenden, erheblichen Mangel. Die ZPLA hat sich vorliegend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ohne rechtfertigenden Grund und in bewusster Abkehr von den sich aus den Zusätzlichen Anmerkungen zum Zolltarif ergebenden gesetzlichen Vorgaben entschieden, auf eine sensorische Prüfung der hier in Rede stehenden Fleischprobe zu verzichten. Ein Einreihungsgutachten muss regelmäßig darauf gerichtet sein, die objektive Beschaffenheit der eingeführten Ware festzustellen, um die Ware einer bestimmten Zolltarifnummer nachprüfbar zuordnen zu können. Die dabei maßgeblichen, für die Einreihung verbindlichen Tarifierungskriterien ergeben sich neben dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen des Gemeinsamen Zolltarifs aus weiteren Vorschriften zu den Abschnitten und Kapiteln des Zolltarifs. Auf diese Weise kann der Gemeinschaftsgesetzgeber Zweifelsfragen der Einreihung bereits im Rahmen der Zolltarifvorschriften verbindlich klären. Diese im Interesse der Rechtssicherheit und leichten Nachprüfbarkeit liegende Befugnis erstreckt sich auch auf die bei der Einreihung anzuwendenden Methoden. Vorliegend hat der Rat zur Abgrenzung von Waren des Kapitels 16 KN (Zubereitungen von Fleisch u.a.) zu Waren des Kapitels 02 KN (Fleisch und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse) die Zusätzliche Anmerkung 6a) zu Kapitel 02 KN in den Zolltarif aufgenommen (vgl. zur wortgleichen Vorgängervorschrift EuGH, Urteil vom 8. Februar 1990 C-233/88, Slg 1990 I, 265). Diese stellt verbindlich klar, dass nicht gegartes, gewürztes Fleisch zu Kapitel 16 KN gehört und legt weiter fest, dass als gewürzt nicht gegartes Fleisch gilt, bei dem die Würzstoffe in das Innere eingedrungen oder auf allen Flächen des Erzeugnisses verteilt und mit bloßem Auge oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sind. Die Vorschrift zerfällt in zwei Bestandteile, nämlich zum einen die Regelung, wie die Würzung vorgenommen worden sein muss und zum anderen Bestimmungen darüber, wie diese Würzung festzustellen ist. Fleisch gilt demnach als gewürzt, wenn Würzstoffe auf der gesamten Oberfläche verteilt sind oder die Würzstoffe in das Innere eingedrungen sind. Um dies bejahen zu können, muss die Würzung entweder mit bloßem Auge erkennbar oder deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sein. Deutlich durch Geschmack wahrnehmbar ist eine Würzung dann, wenn diese in einem gesteigerten Maße wahrnehmbar ist (vgl. BFH, Urteil vom 1. März 2001 VII R 791/99, BFH/NV 2002, 229). Dahinter steht der Gedanke, dass aus Gründen der Praktikabilität Grenzfälle zwischen Würzung und nicht Würzung Letzterem zugeordnet werden sollen (vgl. BFH, Urteil vom 5. April 1990 VII R 133/87, HFR 1991, 108). Insofern schreibt die Vorschrift in Abgrenzung zu denkbaren laborgestützten Nachweismethoden vor, eine etwaige Würzung sensorisch (nämlich optisch und gustatorisch) festzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Februar 1990 C-233/88, a.a.O., Ziff. 11). Die Zusätzliche Anmerkung 6a) legt allerdings keine bestimmte sensorische Untersuchungsmethode verbindlich fest, sondern knüpft an in den Mitgliedsstaaten praktizierte standardisierte Verfahren der sensorischen Analyse an (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Februar 1990 C-233/88, a.a.O., der auf die DIN 10954 bzw. ISO 4120 verweist). Ein solches Verfahren findet sich in der heute geltenden DIN ISO 4120, die die Dreiecksprüfung als sensorisches Prüfverfahren zur Untersuchung von Lebensmitteln vorgibt, und lebensmittelrechtlich anerkannt ist (L 00.90-7 zu § 64 LFGB bzw. zuvor § 35 LMBG). Das genannte Verfahren ist - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - regelmäßig auch unter zolltariflichen Aspekten geeignet festzustellen, ob eine in gesteigertem Maße wahrnehmbare Würzung vorhanden ist. Diesen Anforderungen genügt das Einreihungsgutachten der ZPLA nicht, denn eine Prüfung des Geschmacks ist unterblieben, ohne dass dies gerechtfertigt gewesen wäre.

1.1 Allerdings hat die ZPLA zunächst beanstandungsfrei eine optische Prüfung vorgenommen, die zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Putenfleischproben nicht derart gewürzt waren, dass Gewürzpartikel auf allen Flächen des Erzeugnisses verteilt und mit bloßem Auge wahrnehmbar waren. Diese durch Lichtbilder nachvollziehbare Feststellung wird durch das Zeugnis von Prof. Dr. ... zur Beschaffenheit der Rückstellprobe bestätigt. Dieser hat bekundet, auch die amtliche Rückstellprobe sei nicht allumfänglich, sondern lediglich mit einzelnen Partikeln an einzelnen Stellen gewürzt gewesen. 1.2 Das Einreihungsgutachten der ZPLA enthält keine verwertbaren Aussage dazu, ob Würzstoffe vorliegend so in das Innere des Fleisches eingedrungen sind, dass sie deutlich durch Geschmack wahrnehmbar sind. Die ZPLA hat die Fleischprobe keiner Geschmacksprüfung unterzogen. Vielmehr hat sie ein in den lebensmittelrechtlichen Vorschriften für die Bestimmung des Piperingehaltes von Pfeffern und Pfefferextrakten vorgesehenes Verfahren mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) zur Bestimmung des Piperingehalts im Fleisch angewendet (L 53.05 zu § 64 LFGB). Das von der ZPLA verwendete Verfahren erfüllt ersichtlich nicht die oben dargestellten Anforderungen einer sensorischen Analyse, die sich aus den Zolltarifvorschriften für die Feststellung der Würzung ergeben. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass auch das von der ZPLA gewählte Verfahren lebensmittelrechtlich vorgesehen ist. Zum einen ist das Verfahren ursprünglich nicht für die Bestimmung des Piperingehaltes in anderen Stoffen als Pfeffer vorgesehen und hat der Zeuge Prof. Dr. ... allgemein über Probleme bei der Übertragung gerade dieser Analysemethode auf andere Stoffe als Pfeffer bzw. Gewürzmischungen berichtet. Zum anderen bestimmt sich die Prüfung der Beschaffenheit einer Ware wegen der unterschiedlichen Zielsetzungen der Vorschriften nicht nach lebensmittelrechtlichen, sondern allein nach zollrechtlichen Kriterien, die deckungsgleich sein können, aber nicht müssen. Sehen die zollrechtlichen Vorschriften - wie hier - eine sensorische Prüfung vor, kann davon grundsätzlich nicht abgesehen werden.

1.3 Das von der ZPLA gewählte Analyseverfahren durfte auch nicht ausnahmsweise verwendet werden. Eine Abweichung von der vorgeschriebenen sensorischen Prüfung ist allenfalls dann zulässig, wenn eine Geschmacksprüfung im Einzelfall ausgeschlossen ist, wobei weiter feststehen muss, dass der anstelle der sensorischen Analyse durchgeführte Test allgemein anerkannt ist und zu mit der sensorischen Analyse deckungsgleichen Ergebnissen führt. Letztlich kann offen bleiben, ob die von der ZPLA Berlin ohne rechtliche Grundlage und außerhalb der Weisungslage praktizierte Hausmethode, die nach Angabe des Zeugen Dr. ... von keinem anderen deutschen Zolllaboratorium verwendet und auch innerhalb der EU nicht eingesetzt wird, tatsächlich zu mit der sensorischen Analyse vergleichbaren Ergebnissen führen kann. Allerdings bestehen daran vor dem Hintergrund Zweifel, dass eine allgemein anerkannte, in mg Pfeffer/kg Fleisch ausdrückbare, Grenze des noch deutlich durch Geschmack Wahrnehmbaren fehlt und die vom Beklagten durchgeführte nachträgliche Referenzuntersuchung an anderem Fleisch mit nur zwei Testreihen schon mangels hinreichender Breite kaum letztverbindliche Aussagen zu treffen geeignet ist. Jedenfalls fehlt es an einem rechtfertigenden Grund, von der vorgeschriebenen sensorischen Prüfung abzuweichen. Ein solcher Rechtfertigungsgrund ist gegeben, wenn eine Geschmacksprüfung im Einzelfall aus objektiv nachprüfbaren Gründen nicht durchführbar war. Ein solcher Grund liegt nur dann vor, wenn das jeweilige Objekt der Prüfung verdorben oder sonst schlechthin ungenießbar ist. Das kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Soweit sich aus dem Einreihungsgutachten erkennen lässt, dass das zu untersuchende Stück Putenfleisch in einem hygienisch bedenklichen Zustand gewesen sein soll, schloss dies eine Verkostung nicht aus. Den Angaben des Zeugen Dr. ..., an denen zu zweifeln Anlass nicht besteht, ist insoweit zu entnehmen, dass seinerzeit sämtliche bei der ZPLA eingehenden Fleischproben, die wegen der Probennahme nicht mehr originalverpackt waren, als hygienisch bedenklich eingestuft und nicht verkostet wurden.

Dies geschah nach den Bekundungen des Zeugen wegen der seinerzeit bestehenden generellen Weigerung der Mitarbeiter das Fleisch zu verkosten, nicht aber, weil etwa in jedem Fall erkennbar gewesen wäre, dass das Fleisch zum Verzehr gänzlich ungeeignet gewesen wäre. Demnach bestand bei der ZPLA eine nicht mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang zu bringende Übung, die auch nicht mit dem nachträglichen Hinweis auf einen möglichen Gefrierbrand an Teilen des hier in Rede stehenden Fleischstückes gerechtfertigt werden kann. Denn die diesbezüglichen Angaben des Zeugen Dr. ... stützen sich nicht auf Feststellungen bei der damaligen Verprobung, sondern resultieren - in dem Bemühen die Handlungsweise des ZPLA im vorliegenden Einzelfall begreiflich zu machen - aus der nachträglichen Betrachtung der bei den Akten befindlichen Fotografien. Im Übrigen wäre das Putenfleisch durch einen an einzelnen Teilen vorliegenden Gefrierbrand auch nicht automatisch verdorben gewesen, sondern hätte nach Herausschneiden der betroffenen Stellen verkostet werden können.

2. Der Beklagte hat den Inhalt der Zollanmeldung auch nicht auf andere Weise widerlegt. Das von der Klägerin beigebrachte Gutachten des ...-Instituts sowie die sachverständige Zeugenaussage des Herrn Prof. Dr. ... bezüglich der Würzung der amtlichen Rückstellprobe, auf die sich der Beklagte nicht beruft, sind dazu nicht geeignet. Legt man die auf die Rechtsprechung des Finanzgerichts München (Urteil vom 9. Juli 2003 3 K 4999/00, ZfZ 2004, 174, zustimmend Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 70 Rn. 8) gestützte Ansicht des Beklagten zu Grunde, wonach es regelmäßig auf die Beschaffenheit der Rückstellprobe nicht ankommt, wären die genannten Beweismittel schon unergiebig, weil es allein auf die - hier ungeklärte - Frage der Beschaffenheit der Hauptprobe ankäme. Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, ob er einem solchen Verständnis der Art. 70, 71 ZK würde folgen können. Jedenfalls belegen weder das Gutachten noch die Zeugenaussage mit hinreichender Sicherheit, dass die importierte Putenbrust entgegen der Zollanmeldung ungewürzt war. Nach dem Inhalt des Gutachtens des ...-Instituts ergab die dort durchgeführte sensorische Prüfung einschließlich Verkostung, dass Pfeffer "sensorisch wahrnehmbar" und das Fleisch als "leicht gewürzt" anzusehen gewesen sei. Entsprechend diesen Feststellungen hat der sachverständige Zeuge Prof. Dr. ... in der mündlichen Verhandlung bekundet, er sowie eine weitere institutsangehörige Testerin hätten einen leichten Pfeffergeschmack festgestellt. Diese vom sachverständigen Zeugen wiederholt bekräftigte Feststellung wird nicht dadurch entwertet, dass er selbst seine Feststellung dadurch relativiert hat, dass er nicht hat angeben können, aus welchem Teil des Fleischstücks die verkosteten Portionen stammten. Der sachverständige Zeuge hat nicht auszuschließen vermocht, dass er nur Fleisch aus dem (auch optisch erkennbar gewürzten) Oberflächenbereich probiert hat. Daraus ergibt sich für die hier in Rede stehende Fragestellung nichts weiter. Selbst wenn dies so gewesen wäre, würde es nichts darüber aussagen, ob die Würzung in das Fleischinnere eingedrungen war. Auch die weitere vom sachverständigen Zeugen vorgenommene Einschränkung, die Pfefferkonzentration sei wohl so gering gewesen, dass sie für einen nicht geschulten Menschen kaum feststellbar gewesen sein dürfte, belegt letztlich nicht, dass das Fleisch ungewürzt war. Zum einen handelt es sich nur um eine - wenn auch sachverständige - allgemeine Einschätzung, die aber nicht übersehen lassen kann, dass der sachverständige Zeuge selbst Pfeffergeschmack eindeutig wahrgenommen hat. Zum anderen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch das Gutachten des ...-Instituts nicht entsprechend den Anforderungen nach DIN ISO 4120 angefertigt worden ist. Der sachverständige Zeuge Prof. Dr. ... hat bekundet, er habe mit einer weiteren Mitarbeiterin das Fleisch in Würfel geschnitten, sodann gekocht bzw. gebraten und verkostet. Einen Dreiecksversuch entsprechend den technischen Regeln hat er nicht durchgeführt. Müssen aber die sich aus der DIN ISO 4120 ergebenden Anforderungen für die sensorische Analyse der Hauptprobe eingehalten werden, kann für die Untersuchung der Rückstellprobe nichts anderes gelten. Insofern können auch die Ergebnisse des ...-Instituts letztlich nicht verwertet werden und muss es damit bei dem Inhalt der Zollanmeldung bleiben.

Einer Entscheidung über die hilfsweise gestellten Beweisanträge bedurfte es nicht, denn die Klage hatte schon mit dem Hauptantrag Erfolg. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 135 Abs. 1 FGO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 151 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung. Gründe, aus denen die Revision zugelassen werden könnte, sind nicht erkennbar, § 115 Abs. 2 FGO.

Der Beschluss zur Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren folgt aus § 139 Abs. 3 S. 3 FGO.



Ende der Entscheidung

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