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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: 10 K 10320/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 74 Abs. 1
EStG § 74 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 10. Senat -

ohne mündliche Verhandlung am 02. April 2009

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

die ehrenamtliche Richterin ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2006, geändert durch Bescheid vom 22.01.2007, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.06.2007 verpflichtet, die Klägerin über ihren Antrag auf Abzweigung von Kindergeld an sie für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 20% der Klägerin und zu 80% dem Beklagten auferlegt. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die im Jahre 1984 geborene Klägerin studierte seit dem Wintersemester 2003/2004 an der Universität C und lebte im hier streitigen Zeitraum Mai bis Dezember 2006 nicht mehr im Haushalt ihrer beigeladenen kindergeldberechtigten Mutter. Mit Schreiben vom 24./29.4.2006 beantragte die Klägerin, das Kindergeld an sie auszuzahlen, weil ihre Mutter keinen Unterhalt für sie leiste. Nachdem die Beigeladene für den Monat Mai 2006 Bankbelege zur Überweisung von Unterhalt in Höhe von 64,52 EUR sowie eines Abzahlungsteilbetrages für den Kauf eines Laptops in Höhe von 66,00 EUR vorgelegt hatte, lehnte der Beklagte den Abzweigungsantrag durch Bescheid vom 08.06.2006 mit der Begründung ab, die Beigeladene sei ihrer Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin nachgekommen. Im nachfolgenden Einspruchsverfahren bemühte sich der Beklagte um Klärung der Frage, welchen Unterhaltsbedarf die Klägerin habe und inwieweit die Beigeladene unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei. Bis Dezember 2006 zahlte der Beklagte das Kindergeld weiterhin an die Beigeladene aus. Schließlich ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2007 die Abzweigung von Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR an die Klägerin ab Januar 2007 an. Den für die Monate Mai bis Dezember 2006 aufrecht erhaltenen Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 20.06.2007 mit der Begründung zurück, es gestalte sich für die Familienkasse äußerst schwierig, im Einzelfall die unterhaltsrelevanten Verhältnisse festzustellen. Könne die Familienkasse anhand der vorliegenden Unterlagen bzw. Nachweise nicht objektiv feststellen, dass die Abzweigungsvoraussetzungen erfüllt seien, habe es der betroffene Antragsteller hinzunehmen, dass der Abzweigungsantrag abgelehnt werde. Im Übrigen sei eine Abzweigung nicht möglich, wenn das Kindergeld, wie hier, bereits ausgezahlt worden sei.

Im Klageverfahren räumte die Klägerin unter Vorlage von Kontoauszügen ein, dass die Beigeladene ihr in den Monaten Mai bis September 2080 jeweils 64,52 EUR und in den Monaten Oktober bis Dezember 2008 jeweils 32,00 EUR Unterhalt überwiesen habe. Die Beträge lägen weit unter dem Betrag des Kindergeldes, das dem Kind zugute zu kommen habe und nicht der Alimentierung der Eltern diene. Angesichts der vom Beklagten inzwischen selbst festgestellten Leistungsfähigkeit der Beigeladenen habe diese dauerhaft und keineswegs nur unwesentlich ihre Unterhaltspflicht verletzt. Behauptete weitere Unterhaltsleistungen, auch in Form von Naturalunterhalt, seien von der Klägerin nicht erbracht worden.

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid über die Ablehnung der Abzweigung des Kindergeldes 08.06.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.06.2007 aufzuheben, soweit die Abzweigung von Kindergeld für die Zeit vom 01.05. bis 31.12.2006 abgelehnt wurde, und die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin auch für diese Zeit das Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe abzuzweigen.

Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Familienkasse erst nach umfangreichen Bemühungen um Aufklärung des Sachverhalts dem Abzweigungsantrag der Klägerin im Januar 2007 habe stattgeben können. Bis dahin habe die Beigeladene einen Anspruch auf Auszahlung des Kindergelds gehabt. Ausgehend von der Düsseldorfer Tabelle habe die Klägerin als volljährige Studierende unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte und Bezüge (BAföGLeistungen, Universitätsjob) in den Monaten Mai bis September 2006 gegenüber ihrer Mutter lediglich einen zu befriedigenden Unterhaltsbedarf von 60,13 EUR gehabt, der durch die Zahlung von monatlich 64,52 EUR voll gedeckt gewesen sei. In den Monaten Oktober bis Dezember 2006 sei der zu zahlende Unterhaltsbetrag lediglich um 28,13 EUR unterschritten gewesen. Eine insoweit nur unwesentliche Verletzung der Unterhaltspflicht habe eine Abzweigung nicht gerechtfertigt. Die Abzweigung von Kindergeld für den hier streitigen Zeitraum scheitere auch daran, dass durch die Auszahlung des Kindergeldes an die kindergeldberechtigte Beigeladene deren Anspruch aus dem steuerrechtlichen Dauerschuldverhältnis erfüllt worden sei, so dass der Beklagte durch Erlöschen des Anspruchs gemäß § 47 Abgabenordnung - AO - i.V.m. § 362 BGB von seiner Leistungspflicht befreit worden sei.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Sie vertritt die Auffassung, dass sie sich keine Unterhaltspflichtverletzung vorzuwerfen habe. Die Überweisung der Unterhaltsbeträge in der Zeit von Mai bis Dezember 2006 habe im Einklang mit den vom BAföG - Amt in C für ihre Tochter festgesetzten Ausbildungsförderungsleistungen gestanden und eine volle Deckung des Unterhaltsbedarfs bewirkt. Entsprechend sei sie dort beraten worden.

Die Kindergeldakte (ein Band) hat zur Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit einverstanden waren.

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Bescheide, mit denen es der Beklagte abgelehnt hat, für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2006 das für die Beigeladene festgesetzte Kindergeld an die Klägerin abzuzweigen, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten ( § 100 Abs. 1 Satz 1 und § 102 Satz 1 FGO). Die Klägerin kann verlangen, dass über ihr Abzweigungsbegehren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts rechts - und ermessensfehlerfrei neu entschieden wird. Eine Verpflichtung zur Abzweigung des gesamten Kindergelds durch das Gericht schied jedoch aus.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Dies gilt nach § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG auch dann, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld.

Für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG ist unabhängig vom Vorliegen einer Unterhaltspflichtverletzung oder einer nicht bestehenden Unterhaltspflichtverletzung wegen fehlender Leistungsfähigkeit von entscheidender Bedeutung, dass der Kindergeldberechtigte Barunterhalt in geringerer Höhe als das zur Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld leistet (vgl. BFH Urteil vom 16.04.2002 VIII R 50/01, BFHE 199, 105, BStBl. II 2002, 575). Dem in § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG geregelten Sachverhalt, dass das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden kann, wenn die Eltern tatsächlich keinen Unterhalt zahlen und es zu keiner Unterhaltspflichtverletzung führt, weil sie nicht leistungsfähig ( § 1603 BGB) sind, steht im weiteren der Sachverhalt gleich, dass die Eltern deshalb ihre Unterhaltspflicht nicht verletzen, weil sie bereits dem Grunde nach nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet sind, obwohl sie leistungsfähig sind. Der Zweck des § 74 Abs. 1 EStG liegt stets darin, dass dann, wenn der Kindergeldberechtigte keine bzw. nur geringe Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes trägt, das Kindergeld nicht ihm, sondern entweder dem Kind oder aber demjenigen zugute kommen soll, der dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt. (Vgl. BFH Urteil vom 17.02.2004 VIII 58/03).

Diese Rechtslage hat der Beklagte verkannt und deshalb sein Ermessen bei der Entscheidung über die Abzweigung unterschritten. Der Tatbestand des § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG war erfüllt. Entgegen seiner Auffassung wäre bei zielgerichteter Sachverhaltsaufklärung jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung anhand von nach entsprechender Aufforderung vorzulegenden Kontoauszügen feststellbar gewesen, dass die Beigeladene im Streitzeitraum zwar Barunterhalt an die Klägerin leistete, dieser jedoch unter dem Betrag des zur Auszahlung gelangenden Kindergelds in der gesetzlichen Höhe von 154,00 EUR ( § 66 Abs.1 EStG Fassung 2006) lag. Dagegen kam es aus den vorgenannten Gründen für die Tatbestandsvoraussetzung der Abzweigung nicht auf eine nähere Prüfung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin sowie der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen an. Überdies ist der Beklagte ausweislich eines Aktenvermerks bei Erlass des Änderungsbescheides vom 22.01.2007 selbst aufgrund der BAFöG-Bescheide davon ausgegangen, dass die Beigeladene bislang nur Unterhalt in Höhe von 64,52 EUR bzw. 31,58 EUR gezahlt hat.

Bei der Entscheidung, ob das Kindergeld an das Kind selbst abgezweigt werden soll ( § 74 Abs. 1 Satz 1 und 3 EStG), handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 Satz 1 FGO nur eingeschränkt gerichtlich dahin überprüfbar ist, inwieweit die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Eine Ermessensentscheidung kann auch dann rechtswidrig sein, wenn die Behörde unbeachtet lässt, dass sich der Ermessensspielraum im konkreten Einzelfall derart verengt hat, dass nur eine bestimmte Entscheidung richtig sein kann (Ermessensreduzierung auf Null). Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BFH Beschluss vom 25.11.1999 VII 41/99, BFH/NV 2000, 591), hier also der Einspruchsentscheidung vom 20.06.2007.

Der Beklagte hat zur Begründung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2007 auf den Inhalt seines früheren Schreibens vom 20. Februar 2007 verwiesen und darauf abgestellt, dass er während des Prüfungszeitraums anhand der vorliegenden Unterlagen und Nachweise nicht objektiv habe feststellen können, ob die Abzweigungsvoraussetzungen erfüllt gewesen sind. Das Kindergeld sei deshalb pflichtgemäß weiterhin an die Beigeladene gezahlt worden mit der Folge, dass eine Abzweigung zu einem früheren Zeitpunkt nicht habe stattfinden können. Mit dieser Würdigung ist der Beklagte in Verkennung der Sachlage zum einen, wie ausgeführt, fehlerhaft davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Rechtsfolgeermessens überhaupt nicht gegeben gewesen sind (sogenannte Ermessensunterschreitung) und zum anderen hat er fehlerhaft angenommen, dass jedenfalls die bereits erfolgte Auszahlung des Kindergelds an die Beigeladene das Ermessen vollständig dahin reduziert gehabt habe, dass eine - rückwirkende - Abzweigung nicht mehr zulässig gewesen sei (vgl. Abschnitt 74.1.1. Absatz 4., Sätze 3 und 4 DA-FamEStG, BStBl. I 2004, 742).

Die Annahme einer solchen Ermessensreduzierung hält der Senat jedoch vorliegend für unzutreffend, weil die Abzweigung von Kindergeld auch rückwirkend ab dem der Antragstellung nachfolgenden Monat möglich ist (vgl. BFH Urteil vom 16.04.2002 a.a.O). Allerdings wird in der Rechtsprechung und Literatur aus der systematischen Zuordnung der der Festsetzung des Kindergelds nachfolgenden Abzweigung zum Erhebungsverfahren abgeleitet, dass ein bestehender Kindergeldanspruch, den die Familienkasse durch Zahlung an den Kindergeldberechtigten erfüllt, gemäß § 224 AO i. V .m. § 47 AO erlischt (vgl. FG Köln, Urteil vom 13.03.2008 10 K 3232/06, EFG 2008, 1298 sowie FG München, Urteil vom 24.05.2006 9 K 4733/02, jeweils mit weiteren Literaturnachweisen). Jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Die Abzweigung von Kindergeld ist in § 74 Abs. 1 EStG als eigenes Rechtsinstitut ausgestaltet, ohne dass das Gesetz diese von einer noch nicht erfolgten Auszahlung des Kindergelds abhängig macht.

Es kann dahinstehen, ob der Abzweigungsanspruch entfällt, wenn die Auszahlung des Kindergelds an das Kind selbst oder einen Dritten erst nach der Zahlung des Kindergelds an den Kindergeldberechtigten beantragt wird, die Familienkasse folglich zuvor überhaupt keinen Anlass zur Prüfung der Abzweigungsvoraussetzungen hatte und diese auch nicht kannte. Denn so verhält es sich hier nicht. Vielmehr hat der Beklagte das Kindergeld nach Vorliegen des Abzweigungsantrags unter Verstoß gegen die ihn bindende Dienstanweisung, die ausdrücklich vorsieht, das Kindergeld vorläufig einzubehalten (Abschnitt 74.1.3 Satz 5 DA-FamEStG) während des Zeitraums der Prüfung des Abzweigungsbegehrens an die Beigeladene ausgezahlt. In einer solchen Situation dem Beklagten zu gestatten, durch Auszahlung des Kindergelds an den Kindergeldberechtigten vollendete Tatsachen zu schaffen, so die Abzweigung unmöglich zu machen und dem Abzweigungsberechtigten lediglich die Möglichkeit eines Schadensersatzbegehrens im Wege eines Amtshaftungsprozesses zu eröffnen, erscheint mit dem Zweck des § 74 Abs. 1 EStG, nämlich dem raschen Zufluss des Kindergelds an denjenigen, dem es nach den Umständen der Unterhaltsgewährung tatsächlich zugute kommen soll, nicht vereinbar (vgl. FG München, Urteil vom 31.07.2007 12 K 1664/06, EFG 2008, 1047).

Das Gericht ist bei Feststellung einer Ermessensunterschreitung darauf beschränkt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Es ist nicht befugt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der entscheidungsbefugten Behörde zu setzen. Folglich war der Beklagte gemäß § 101 Satz 2 FGO zu verpflichten, den Antrag der Klägerin auf Abzweigung für die Monate Mai bis Dezember 2006 erneut unter sachgerechter Ausübung seines Ermessensspielraums zu bescheiden. Entgegen der Annahme der Klägerin ist der Beklagte jedoch nicht im Wege vollständiger Ermessensreduzierung zu ihren Gunsten verpflichtet, das gesamte Kindergeld an sie abzuzweigen. Der Beklagte hat bei der Ausübung des ihm durch § 74 Abs. 1 EStG eingeräumten Ermessens den Zweck des Kindergeldes umfassend zu berücksichtigen ( § 5 AO). Das Kindergeld dient der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes und, so weit es dafür nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie ( § 31 Sätze 1 und 2 EStG). Der Zweck des Kindergeldes, eine steuerliche Entlastung von Eltern wegen ihrer Unterhaltsleistungen zu bewirken, lässt es nicht als ermessensfehlerhaft erscheinen, selbst geringe regelmäßige Unterhaltszahlungen des Kindergeldberechtigten bei der Bestimmung der Höhe des abzuzweigenden Kindergeldes zu berücksichtigen. Da eine Abzweigung gemäß § 74 Abs. 1 Satz 3, 2. Alternative EStG nicht zulässig ist, wenn die Unterhaltspflicht bzw. die tatsächliche Unterhaltsleistung der Höhe nach dem Kindergeld entspricht oder höher ist, erscheint es umgekehrt ermessensgerecht, wenn das Kindergeld auch nur abzüglich der Unterhaltsleistungen des jeweiligen Elternteils abgezweigt wird. Dies würde im vorliegenden Fall ausgehend von den durch Kontoauszüge belegten Überweisungen der Beigeladenen an ihre Tochter bedeuten, dass sich die Abzweigung auf einen Betrag von insgesamt 747,40 EUR beläuft. Aber auch die Abzweigung eines höheren Kindergeldbetrages, der die im Streitzeitraum noch einmalig geleistete Beihilfe für den Kauf des Laptops in Höhe von 66,00 EUR unberücksichtigt ließe, wäre ermessensfehlerfrei.

Dass sich solche Beträge erst aus der - allerdings schon im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung möglichen - retrospektiven Würdigung der Sach- und Rechtslage ergeben, spricht nicht gegen eine so als sachgerecht zu beurteilende Ermessensausübung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Senat hat berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Abzweigungsbegehren in voller Höhe des Kindergeldes nicht durchgedrungen ist und voraussichtlich auch bei der erneuten Ermessensausübung nicht erfolgreich sein wird.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -. Das Gericht hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen der grundsätzlich klärungsbedürftigen Frage zugelassen, inwieweit die Abzweigung von Kindergeld noch erfolgen kann, wenn das Kindergeld bereits ausgezahlt war.

Ende der Entscheidung

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