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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 11 K 1382/05 B
Rechtsgebiete: VermG, GrEStG


Vorschriften:

VermG § 34 Abs. 1
GrEStG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 11. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Mai 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der von der jüdischen Familie B gegründeten und seit dem Jahre 1922 als C - Bankhaus firmierenden ehemaligen Muttergesellschaft hinsichtlich der D - Bank AG . Das C - Bankhaus hielt eine Aktienbeteiligung an der D - Bank AG, die zum 31. Dezember 1935 ihren Höchststand von insgesamt 94,98 Prozent erreichte. Danach wurden aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung des C - Bankhauses diese Aktien nach und nach veräußert mit der Folge, dass jedenfalls 1945 keine Aktienbeteiligung an der D - Bank AG mehr bestand.

Im Jahre 1941 wurde das C - Bankhaus in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und unter der Firma E - Bank AG in das Handelsregister von X eingetragen. 1943 wurde dem Bankhaus das Bankenprivileg entzogen. Aus diesem Grund wurde der Zusatz "Bank" in der Firma gestrichen, so dass die Gesellschaft nunmehr als E - AG in X firmierte. Nach dem Krieg wurde der jüdischen Familie B das Aktienkapital wieder übergeben.

Während die E - AG in Ostdeutschland bis zum Jahre 1991 weiter im Handelsregister beim Amtsgericht X eingetragen war, hatte die Gesellschaft in Westdeutschland zunächst im Jahre 1964 ihren Sitz von X nach Y verlegt und wurde dort im Handelsregister beim Amtsgericht Y eingetragen, ab 1986 unter der Firma A - AG.

Nach der Wiedervereinigung wurde im Jahre 1991 die Eintragung beim Amtsgericht X für die E - AG mit der Eintragung beim Amtsgericht Y für die A - AG zusammengeführt aufgrund der Verschmelzung der beiden Gesellschaften. Gesellschafter dieser Gesellschaft, d.h. der Klägerin, sind die Erben der ehemaligen Gesellschafter des C - Bankhauses.

Das den Gegenstand des Streitfalles bildende Grundstück G.1. hatte aufgrund einer Auflassung vom 29. Januar und 13. Oktober 1932 sowie der Eintragung vom 10. Januar 1933 im Eigentum der D - Bank in Y gestanden. Aufgrund einer von den Nationalsozialisten erzwungenen Auflassung vom 27. April 1937 und der Eintragung vom 14. Juni 1938 ging das Eigentum an diesem Grundstück auf einen privaten, nicht jüdischen Erwerber über. Nachdem das Grundstück vorübergehend unter anderem in das Eigentum des Volkes überführt worden war, wurde am 30. Juli 1992 zunächst das Land Y und später dann die Wohnungsbaugesellschaft F - mbH als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 25. November 2002 stellte das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Y - LARoV - fest, dass die Klägerin in Höhe von 100% Berechtigte im Hinblick auf das obengenannte, aus zwei Flurstücken bestehende Grundstück, ist. Dem vorausgegangen waren Anträge der Klägerin und der Erbengemeinschaft auf Rückübertragung der D -Bank AG in Y und deren gesamter Vermögenswerte.

Zwecks Beschleunigung des Restitutionsverfahrens hatte die Erbengemeinschaft B auf Anregung des LARoV diesem gegenüber am 06. April 1999 erklärt, "dass alle etwaigen vermögensrechtlichen Ansprüche bezogen auf die Aktien und auf ehemalige Vermögenswerte der D - Bank AG" der Klägerin zustehen und dass die Erben "mit der Rückerstattung dieser Vermögenswerte bzw. Aktien an die A - AG einverstanden sind. Ein Verzicht zugunsten Dritter wird mit dieser Erklärung nicht begründet."

In dem daraufhin ergangenen Bescheid vom 25. November 2002 wird im Tenor die Klägerin als Berechtigte ausgewiesen. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass "zunächst Berechtigte hinsichtlich von 94,98 Prozent Bruchteilseigentum an dem Grundstück gemäß § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 1 Abs. 6 VermG die Erben der damaligen Gesellschafter des C - Bankhauses KG a. A." sind. "Die Erben haben indes mit der Erklärung vom 06. April 1999 in notariell beurkundeter Form ... gegenüber dem LARoV ... ihre Ansprüche an die A - AG abgetreten. Berechtigte an dem Grundstück gemäß § 2 Abs. 1 sowie § 3 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 1 Abs. 6 VermG ist ... somit die A - AG ...."

Durch Bescheid vom 07. Mai 2004 setzte der Beklagte für die Rückübertragung des Grundstücks eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 23.800,00 Euro fest, weil er darin einen Erwerbsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG - sah.

Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und berief sich darauf, dass die Rückübertragung des Grundstücks gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 Vermögensgesetz - VermG - von der Grunderwerbsteuer befreit sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 01. August 2005 wies der Beklagte den Rechtsbehelf als unbegründet zurück. Da die Klägerin die Berechtigung durch Abtretung erlangt habe, komme eine Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG nicht in Betracht. Die Erben hätten mit der Erklärung vom 06. April 1999 ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich aus § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG ihre originäre Restitutionsberechtigung ergebe. Von dieser Vorschrift seien Fälle erfasst, in denen zunächst eine Unternehmensbeteiligung zwangsweise veräußert worden sei und erst im Anschluss hieran Gegenstände des Unternehmensvermögens, insbesondere einzelne Unternehmensgrundstücke veräußert oder enteignet worden seien. Die bloße Rückübertragung der Unternehmensbeteiligung führte in diesen Fällen nicht zur vollständigen Wiedergutmachung, da nach Entziehung der Wirtschaftsgüter regelmäßig nur noch eine leere Unternehmenshülle übrig bliebe. § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gewähre in diesen Fällen daher einen Anspruch auf Rückübertragung von Bruchteilseigentum an den veräußerten oder enteigneten Unternehmensgrundstücken in der prozentualen Höhe der ehemaligen Unternehmensbeteiligung. Dies bedeute im Ergebnis, dass den Gesellschaftern des zwangsweise veräußerten Unternehmens ein Durchgriffsanspruch auf die früheren Wirtschaftsgüter des Unternehmens gewährt werde. Bei einer mehrstöckigen Gesellschaft stehe der Durchgriffsanspruch der enteigneten Muttergesellschaft oder deren Rechtsnachfolgerin und nicht den Gesellschaftern der Muttergesellschaft zu. Richtigerweise müsse bei derartigen Gesellschaften auf den jeweiligen Entschädigungszeitpunkt abgestellt werden. Nach § 3 Abs. 2 VermG sei von mehreren Personen, die die Rückerstattung desselben Vermögensgegenstandes beantragt hätten, diejenige berechtigt, die als erste von einer Schädigung betroffen gewesen sei. Habe also bei einer mehrstöckigen Gesellschaft zunächst die Muttergesellschaft, hier das C - Bankhaus , ihre Beteiligung an der Tochtergesellschaft, d.h. der D - Bank, veräußern müssen, so sei sie selbst oder ihre Rechtsnachfolgerin die Rückerstattungsberechtigte, und zwar auch im Hinblick auf Durchgriffsansprüche der oben beschriebenen Art (Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 15. November 2000, 8 C 28.99, mit impliziten Ausführungen zu der Frage, dass bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen eine juristische Person Inhaber des Durchgriffsanspruchs sei). Diese Berechtigung gehe den Ansprüchen der zeitlich, unter Umständen auch nur binnen einer logischen Sekunde, später geschädigten Gesellschafter der Muttergesellschaft vor. Das LARoV sei hingegen ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass Durchgriffsansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG unabhängig vom Schädigungszeitpunkt nur den jüdischen Gesellschaftern der Muttergesellschaft als natürliche Personen zustünden. Dabei werde jedoch übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Wiedergutmachungsrecht juristische Personen genauso wie natürliche Personen berechtigt sein können. Deshalb sei sie - die Klägerin - aus eigenem Recht zur Restitution berechtigt. Einer Befreiung von der Grunderwerbsteuer stehe auch nicht der Ausnahmetatbestand des § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG entgegen, wonach die Steuerbefreiung für solche Personen nicht gelte, die ihre Berechtigung durch Abtretung, Verpfändung oder Pfändung erlangt hätten. Dies sei hier nicht gegeben, weil die Berechtigung nicht durch Abtretung erlangt worden sei, sondern weil die Restitutionsberechtigung bereits aus originärem Recht gegeben sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Erklärung der Erbengemeinschaft B vom 06. April 1999. Dabei handele es sich nicht um eine Abtretung im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG. Eine Abtretungsvereinbarung zwischen der Erbengemeinschaft B und ihr - der Klägerin - sei nicht getroffen worden. Die Erklärung der Erbengemeinschaft sei nicht als Willenserklärung, d.h. Abtretungserklärung, an sie gerichtet, sondern allein zum Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen einseitig gegenüber dem LARoV abgegeben worden. Dies komme in der Erklärung dadurch zum Ausdruck, dass ein Dritter aus dieser Erklärung keine Rechtsansprüche ableiten könne. Dies bedeute, dass das LARoV zwar zu ihren - der Klägerin - Gunsten habe restituieren dürfen, sie selbst aus der Erklärung indes keine eigenen Rechte hätte ableiten können. Dies sei für die Restitution auch nicht erforderlich gewesen, weil sie bereits originär restitutionsberechtigt gewesen sei. Ein Rechtsfolgewille sei mit der Erklärung mangels originärer Restitutionsberechtigung der Erbengemeinschaft deshalb nicht verbunden. Ferner habe sie - die Klägerin - auch der Erbengemeinschaft gegenüber keine Erklärung abgegeben, die als Annahme einer Abtretungserklärung verstanden werden könne. Die Hinnahme des Restitutionsbescheides durch sie - die Klägerin - stelle keine stillschweigende Annahme der Abtretungserklärung dar. Allein die Bestandskraft des Bescheides ändere nichts daran, dass die materiell-rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das LARoV als Abtretung unzutreffend sei. Außerdem fehle es an einer Bindungswirkung des streitigen Restitutionsbescheides. Die Begründung sei fehlerhaft, aber nicht der Tenor. Es handele sich zudem nicht um einen Grundlagenbescheid, denn eine Bindungswirkung sei nicht angeordnet worden. Dem Beklagten fehle ferner nicht die Sachkunde, die Voraussetzung einer Steuerbefreiung auch infolge restitutionsbedingter Übertragung vollständig zu prüfen. Im Übrigen bestehe nur eine Bindung an den Tenor und nicht an die Begründung. Der Annahme einer Bindung stehe auch entgegen, dass sonst eine Verletzung ihrer - der Klägerin - Rechte aus Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG - bestehe. Mangels Beschwer habe sie gegen den Restitutionsbescheid nicht vorgehen können. Bei einer Einigung mehrerer Restitutionsberechtigter gäbe es zudem keine Grunderwerbsteuerpflicht. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen der einzelnen Ämter habe für sie und die Erbengemeinschaft das Bedürfnis nach einheitlicher Regelung bestanden. Das Einverständnis mit der Restitution stelle keine Abtretung dar, sondern eine Regelung zwischen Restitutions-Insidern. Außerdem befreie § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG auch Restitutionsanmelder, deren Ansprüche miteinander konkurrierten, von der Grunderwerbsteuer.

Auf jeden Fall ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 VermG, dass eine Grunderwerbsteuerfreiheit zu gewähren sei, solange der Restitutionsanspruch das Lager der Geschädigten nicht verlassen habe. Die Regelung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG sei vor dem Hintergrund des Zweckes des Vermögensgesetzes zu sehen, wonach erlittenes Unrecht in einer Art Wiedergutmachung ausgeglichen werde. Es widerspräche dem Gesetzeszweck, diesen Ausgleich steuerpflichtig sein zu lassen. Damit erschließe sich im Umkehrschluss auch der Sinn und Zweck des § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG, wonach vermieden werden solle, dass eine Person, die weder Rechts- noch Funktionsnachfolger des ursprünglich Geschädigten sei, sondern den Restitutionsanspruch in gewinnorientierter Absicht rechtsgeschäftlich erworben habe, in den Genuss der grunderwerbsteuerlichen Privilegierung erlange. Verlasse der Restitutionsanspruch jedoch nicht das Lager des ehemals Geschädigten oder seines Rechtsnachfolgers, sei der Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG noch nicht eröffnet. Eine Belastung der Restitution des Grundstücks an die Klägerin stelle mittelbar auch eine Belastung der Erben der ehemals von den Nationalsozialisten verfolgten Gesellschafter dar, so dass die Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG zu nicht sachgerechten Ergebnissen führte. Die rechtliche Selbständigkeit der Klägerin stehe der grunderwerbsteuerlichen Privilegierung nicht entgegen. So sei die Steuerbefreiung dann zu gewähren, wenn der Rechtsnachfolger des ursprünglich Geschädigten, der als nicht rechtsfähiger Verein organisiert gewesen sei, sich wegen fehlender Grundbuchfähigkeit zum Halten seiner Grundstücke einer selbständigen Kapitalgesellschaft bediene (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 18. August 2004 II R 43/02, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2005, 776). Selbst wenn die Erben ausschließlich als Berechtigte angesehen würden, so wäre die Steuerbefreiung dennoch zu gewähren, da sie - die Klägerin - als Vermögensträgerin gleichsam als verlängerter Arm der Erben agiert habe und somit selbst als Berechtigte anzusehen sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 07. Mai 2004 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01. August 2005 aufzuheben sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt nicht die Rechte der Klägerin.

Ausschlaggebend ist, dass die Klägerin das Eigentum an dem streitigen Grundstück mit Bestandskraft des Restitutionsbescheides vom 25. November 2002 gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG erlangt hat. Dieser Vorgang unterliegt der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG ist nicht anwendbar, weil zunächst Berechtigte an dem Grundstück die Erben der damaligen Gesellschafter des C - Bankhauses waren, wie das LARoV in seiner Entscheidung vom 25. November 2002 ausdrücklich festgestellt hat. Die Klägerin hat vielmehr ihre Restitutionsberechtigung durch Abtretung der Ansprüche der Erben an sie erworben. Dies ergibt sich ebenfalls eindeutig aus der genannten Entscheidung des LARoV.

Diese Feststellungen des LARoV sind Grundlage des bestandskräftigen Restitutionsbescheides. Diesem Bescheid kommt zunächst Tatbestandswirkung zu. Aus dem Grundsatz der Gewaltengliederung folgt nämlich, dass Gerichte, soweit sie nicht berechtigt sind, Anordnungen von Verwaltungsbehörden aufzuheben, an den Inhalt des fremden wirksamen Aktes gebunden sind, auch wenn dieser für fehlerhaft gehalten wird (sogenannte Tatbestandswirkung), und wenn der wirksame fremde Akt tatbestandliche Voraussetzung für eine Rechtsfolge ist (siehe z.B. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band I, 11. Auflage, § 20 Textziffer 64). Dabei sind die Gerichte nur an den Inhalt wirksamer gestaltender sowie konstitutiv-feststellender Verwaltungsakte gebunden (Wolff/Bachof/ Stober, a.a.O.).

Im Streitfall hat das LARoV nicht lediglich deklaratorisch-feststellend, sondern mit konstitutiver Wirkung bestandskräftig festgestellt, dass die Klägerin derivativ, d.h. durch Abtretung, restitutionsberechtigt geworden ist. Dies war die Voraussetzung für die Rechtsfolge des § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG: Rückübertragung von Eigentumsrechten an dem streitigen Grundstück. Tragende Begründung für diesen Ausspruch war die Feststellung des LARoV, dass die Klägerin ihre Berechtigung durch Abtretung erworben hat. Dies begründet eine Feststellungswirkung (vgl. Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., Textziffer 65; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht Band 2, 6. Aufl., § 48 Textziffer 8), denn die nach § 34 Abs. 3 VermG notwendige Unterscheidung zwischen originärem und derivativem Erwerb kann nur in dem nach dem Vermögensgesetz vorgeschriebenen Verfahren durch das LARoV erfolgen. Es ist gerade die Aufgabe des LARoV, die Restitutionsberechtigung festzustellen. Dazu gehört notwendigerweise auch die Feststellung des Grundes der Berechtigung.

Jedenfalls müssen Rechtsakte anderer Verwaltungen von den Finanzbehörden respektiert werden, sofern sie nicht offensichtlich rechtswidrig sind (BFH, Urteil vom 6. Juni 2002, VI R 178/97, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2003, 34). Dies gilt nach dem Grundsatz der Gewaltengliederung auch für die Finanzgerichte.

An einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit fehlt es im Streitfall bereits deshalb, weil für die Feststellung der Restitutionsberechtigung ein besonderes Verfahren vorgeschrieben ist und Verfahrensfehler nicht ersichtlich sind. Eine möglicherweise unzutreffende Rechtsauffassung führt noch nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit. Im Übrigen können die in einem für bestimmte Feststellungen eigens vorgesehenen Verfahren nicht durch bloße Feststellung des Finanzgerichts ersetzt werden, insbesondere dann nicht, wenn gewichtige Gründe gegen die Feststellung der anderen Verwaltungsbehörde nicht bestehen.

Die Annahme der offensichtlichen Rechtswidrigkeit führte auch nur zur Unbeachtlichkeit der derivativen Restitutionsberechtigung. Die Frage, ob dann die Klägerin oder ihre Gesellschafter originär berechtigt sind, ist damit nicht beantwortet und darf nach dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Gewaltengliederung nicht vom Finanzgericht in einem dafür nicht vorgesehenen (finanzgerichtlichen) Verfahren geprüft werden.

Gegen eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Feststellung des LARoV, dass die Klägerin ihre Berechtigung derivativ erworben hat, spricht ferner, dass nach dem an das Finanzamt gerichteten Schreiben der Klägerin vom 03. September 2003 die Rechtslage hinsichtlich der Restitutionsberechtigung bei einer mehrstöckigen Gesellschaft nicht geklärt ist. In dem oben erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2000 ist zu der Frage, dass bei mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen eine juristische Person Inhaber des Durchgriffsanspruchs ist, nur implizit Stellung genommen. Für die weitere Frage, ob zuerst die Klägerin originär restitutionsberechtigt war - gegebenenfalls für eine sogenannte logische Sekunde (zur Fragwürdigkeit dieser juristischen Konstruktion siehe z.B. Crezelius, Der Betrieb 2003, 230, 234) -, folgt daraus nichts. Ebenfalls lässt sich damit eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Feststellung des LARoV, dass hier die Gesellschafter originär restitutionsberechtigt gewesen sind, nicht ableiten. Darüber hinaus entsprach die vom LARoV ausgesprochene Rückübertragung des betreffenden Bruchteilseigentums gerade der Erklärung der Erbengemeinschaft vom 06. April 1999, mit der dem LARoV angezeigt werden sollte, dass sich die am Verfahren beteiligten Parteien untereinander über die Rechtsverhältnisse und deren rechtliche Bewertung einig seien und eine Auseinandersetzung um die Berechtigung nicht zu erwarten sei (siehe S. 3 des Schreibens der Klägerin vom 03. September 2003 an das Finanzamt). Die auf dieser im Einverständnis mit der Klägerin zustande gekommene Erklärung beruhende Entscheidung durch die betreffende Verwaltungsbehörde ist jedenfalls dann nicht rechtswidrig, wenn die an dem betreffenden Verwaltungsverfahren Beteiligten damit einverstanden sind und die Entscheidung nach dem Gesetz (§ 3 Abs. 2 VermG) zumindest möglich, wenn nicht sogar vertretbar ist.

Der Feststellung des LARoV, dass die Klägerin derivativ restitutionsberechtigt ist, steht ferner nicht entgegen, dass sie nach ihrer Auffassung originär restitutionsberechtigt war. Selbst wenn dies zuträfe, ist dadurch eine auf Abtretung gestützte Restitution nicht ausgeschlossen. Dies folgt aus der Kipp'schen Lehre von den Doppelwirkungen im Recht (s. Kipp, Über Doppelwirkungen im Recht, insbesondere über die Konkurrenz von Nichtigkeit und Anfechtbarkeit, in Festschrift für Martitz, 1911, S. 211 ff.). Kipp hat überzeugend nachgewiesen, dass der Eintritt einer Rechtsfolge aufgrund eines bestimmten Tatbestandes unter gewissen Voraussetzungen der Geltendmachung derselben Rechtsfolge aufgrund eines anderen Tatbestandes nicht im Wege steht. Demnach ist es z.B. möglich, dass jemand aus zwei Gründen Eigentümer wird. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe nebeneinander oder hintereinander eintreten. Diese Auffassung hat sich weitgehend durchgesetzt, weil häufig nur sie zwanglos zu gerechten und sinnvollen Ergebnissen führt (vgl. auch Engisch, Einführung in das juristische Denken, 2. Auflage, S. 41 f.; Dölle, Verhandlungen des Deutschen Juristentages 1957, Band II, 3 B, S. 12 ff.).

Ist demnach die Annahme des derivativen Erwerbs nicht etwa aus rechtslogischen Gründen wegen der Annahme einer - etwaigen - originären Berechtigung ausgeschlossen, ist zudem maßgeblich, dass die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück aufgrund der vom LARoV als Abtretung behandelten Erklärung vom 06. April 1999 in Verbindung mit der gütlichen Einigung vom 15. Oktober 2000 zwischen der Klägerin und der Wohnungsbaugesellschaft F erworben hat. Dies ergibt sich eindeutig aus der Entscheidung des LARoV vom 25. November 2002. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, diese Übertragung für wirkungslos zu erklären. Es fällt weder in die Kompetenz des Finanzgerichts noch ist es seine Aufgabe, an der Entscheidung des LARoV vorbei eine - notwendigerweise - alleinige Berechtigung der Klägerin und - demzufolge - die fehlende Berechtigung der Gesellschafter der Klägerin festzustellen.

Eine Grunderwerbsteuerfreiheit folgt auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 18. März 2005 (II R 40/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2005, 1626), weil dort die Grunderwerbsteuerbefreiung auf den Erwerb der Berechtigung durch einen Anspruchsübergang nach Artikel 3 Abs. 9 des Vermögensregelungsabkommens abgestellt wird. Ein derartiger oder damit vergleichbarer Anspruchsübergang liegt hier nicht vor, da maßgebend für die Restitution zugunsten der Klägerin die rechtsgeschäftliche Erklärung der Erbengemeinschaft vom 06. April 1999 war.

Zwar ist auch der Erwerb im Wege einer gütlichen Einigung - wie hier mit der oben erwähnten Wohnungsbaugesellschaft - steuerfrei, soweit der begünstigte Personenkreis auf der Erwerberseite steht (siehe z.B. Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, Teil II, § 34 VermG, Textziffer 36). Die Klägerin gehört indes nicht zu dem in § 34 Abs. 3 Satz 1 aufgeführten Personenkreis, denn die Feststellung, dass sie originär restitutionsberechtigt sei, ist im vorliegenden Verfahren nicht möglich (siehe oben).

Die Zurechnung zu dem begünstigten Personenkreis ist auch nicht im Wege der analogen Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG möglich. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BFH vom 18. August 2004 trifft den Streitfall nicht, denn sowohl die Gesellschafter als auch die Klägerin sind Rechtspersonen, so dass eine Übertragung nicht etwa wegen fehlender Grundbuchfähigkeit erforderlich war. Außerdem hatte es die Klägerin in der Hand, ihre Rechtsauffassung ggf. vor dem Verwaltungsgericht durchzusetzen. Hier hat die Klägerin mit der Erklärung vom 06. April 1999 das LARoV gerade zur Restitution nach Maßgabe des § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG veranlassen wollen und dies auch erreicht. Daran muss sich die Klägerin festhalten lassen. Entgegen der Auffassung der Klägerin (vgl. ihr Schreiben vom 03. September 2003, Seite 4) hätte sie ihren Antrag auf Rückübertragung wegen originärer Restitutionsberechtigung weiter verfolgen können. Da aber offensichtlich die Rechtslage nicht eindeutig war (vgl. auch das eben genannte Schreiben a.a.O.), hat sie dies unterlassen. Gerade wenn offen ist, ob die Klägerin als originär Restitutionsberechtigte anzusehen oder nicht, scheidet eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG aus. Es ist nicht Sinn und Zweck der analogen Anwendung einer Gesetzesvorschrift, etwaige Fehler des Restitutionsverfahrens zu beseitigen, jedenfalls dann nicht, wenn das Ergebnis des Verfahrens auf einer nicht völlig abwegigen, vielmehr durchaus möglichen Rechtsauffassung beruht. Maßgeblich ist zudem, dass die Erbengemeinschaft im Zusammenwirken mit der Klägerin eine notariell beurkundete Erklärung abgegeben hat, die das LARoV als Abtretung des Anspruchs auf Rückübereignung ansehen sollte. Anderenfalls hätte die Klägerin mit einer Restitution zu ihren Gunsten keinen Erfolg gehabt. Mit der aus dem Bescheid vom 25. November 2002 folgenden Feststellung, dass die Klägerin nur derivativ berechtigt ist, ist der Weg für eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG zugunsten der Klägerin versperrt. Zu keinem anderen Ergebnis führt der Gesichtspunkt, dass die Klägerin als Vermögensträgerin gleichsam als verlängerter Arm der Erben agiert habe. Grunderwerbsteuerlich ist maßgeblich, dass hier ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat, nämlich von der Erbengemeinschaft auf die Klägerin, und dass dieser Rechtsträgerwechsel auf der Grundlage einer notariell beurkundeten Erklärung beruhte, die das LARoV als Abtretungserklärung angesehen hat. Diese Feststellung ist nicht derart offensichtlich rechtswidrig, dass hier eine analoge Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG gerechtfertigt wäre (vgl. oben).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der streitige Restitutionsbescheid nicht bedeutungslos. Zum einen ist der Tenor dieses Bescheides nur in Zusammenhang mit der Begründung nachvollziehbar. Zum anderen muss die Klägerin diesen Verwaltungsakt hinnehmen, da sie ihn mit der maßgeblichen Feststellung der Abtretung der fraglichen Berechtigung gerade in dieser Art erwirkt hat. Außerdem ist der betreffenden Erklärung der Erbengemeinschaft eine Einigung zwischen dieser und der Klägerin über die Übertragung der Restitutionsberechtigung auf die Klägerin vorausgegangen. Der dem zugrunde liegende Verzicht zugunsten der Klägerin stellt zumindest im Wege der Auslegung eine Übertragung sc. Abtretung von Rechten dar.

Selbst wenn man eine Abtretung verneinte und den Restitutionsbescheid deshalb als unwirksam behandelte, folgt daraus nicht die originäre Restitutionsberechtigung der Klägerin. Die Prüfung dieser von der Klägerin selbst als schwierig oder unklar beschiedenen Rechtslage fällt nicht in die Kompetenz des Finanzgerichts (siehe oben). Es ist nicht Sinn und Zweck des VermG, ein bestandskräftig abgeschlossenes Restitutionsverfahren je nach seiner Bedeutung für andere, nicht im Restitutionsverfahren festzustellende Rechtsverhältnisse noch einmal im Wege der Wiederaufnahme von einem nach dem VermG insoweit nicht vorgesehenen Verwaltungs- oder Gerichtsorgan durchzuführen, zumal dann auch in die Rechtsstellung anderer am Restitutionsverfahren Beteiligter eingegriffen würde.

Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Klägerin, dass sie als unmittelbar Geschädigte anzusehen und deshalb § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG auf sie anwendbar sei. Die betreffende Vorschrift setzt vielmehr eine originäre Restitutionsberechtigung voraus, wie auch aus den §§ 1, 34 Abs. 1 VermG und aus § 34 Abs. 3 Satz 2 VermG, der gerade den Fall der Abtretung sc. Übertragung der Restitutionsberechtigung von der Steuerbefreiung ausnimmt, folgt. Vermögensrechtliche Ansprüche der Klägerin im Sinne des § 1 VermG haben indes nach dem Restitutionsbescheid nicht vorgelegen; die Klägerin hat sie erst aufgrund der Erklärung der Erbengemeinschaft vom 6. April 1999 erlangt. Soweit eine Anwendung des § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG auf Nachfolgeorganisationen im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 VermG in der Literatur befürwortet wird und dies - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - der Verwaltungspraxis entspricht, bindet dies das Gericht nicht und stellt zudem eine andere Fallgestaltung dar. Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft, in die die Erbengemeinschaft ihre Restitutionsberechtigung und damit letztlich das Grundstück (quasi) eingelegt hat.

Der von der Klägerin begehrten analogen Anwendung steht schließlich der Grundsatz der Priorität (§ 3 Abs. 2 VermG) entgegen. Danach gibt es nur einen Restitutionsberechtigten, nicht mehrere gleichrangige, zur vollen Restitution Berechtigte. Von der originären Restitutionsberechtigung allein der Gesellschafter bzw. deren Erben ist das LARoV indes ausgegangen, ohne dass dies offensichtlich rechtswidrig wäre. Nach § 34 Abs. 3 Satz 1 VermG ist aber nur der Erwerb des Eigentums durch den originär Restitutionsberechtigten von der Grunderwerbsteuer befreit. Der Wiedergutmachungsgedanke, auf dem das Vermögensgesetz beruht, spricht ferner dafür, dass nur der von den Unrechtsmaßnahmen betroffene frühere Eigentümer und seine Erben das Grundstück steuerfrei zurückerhalten sollen, nicht aber ein Dritter, der im Zuge der Verwertung eines Grundstücks durch den früheren Eigentümer (oder dessen Erben) mittels Abtretung des Rückübertragungsanspruchs neuer Eigentümer des Grundstücks werden soll (vgl. Boruttau, Grunderwerbsteuer, 16. Auflage, § 4 Anhang 1, Textziffer 14). Im Streitfall ist es zu einer Verwertung aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit der beteiligten Personen gekommen, auch wenn dies im Rahmen einer engen gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit geschah. Der mit der Erklärung vom 06. April 1999 ausgedrückte Verzicht der Erben auf Restitutionsansprüche ist im wirtschaftlichen Ergebnis mit einer - steuerbaren - Einbringung des streitigen Grundstücks in eine Kapitalgesellschaft vergleichbar und stellt auch deshalb eine Art der Verwertung dar, zumal dadurch eine Werterhöhung der Gesellschafteranteile der Erben bewirkt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes vorliegt und die Frage der analogen Anwendung im Streitfall keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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