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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 11 K 1513/04
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 6 S. 1
BGB § 1610
BGB § 1612a Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

11 K 1513/04

Einkommensteuer 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 11. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. April 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Der Kläger ist der Vater von A. B., geboren am .. .. .... .

Nachdem der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2001 am 16. April 2003 erlassen hatte, erhob der Kläger Einspruch und wandte sich gegen die Höhe des vom Einkommen abgezogenen Kinderfreibetrages. Er beantragte die Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages in Höhe von 7.716,- DM. Mit der Schaffung des Gesetzes zur Ächtung der Gewalt und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 2. November 2000 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 2000, 1479) habe der Gesetzgeber das sächliche Existenzminimum eines Kindes mit 135% des in der jeweiligen Altersstufe geltenden Regelbetrages festgeschrieben. Die Regelbeträge ergäben sich aus § 2 der Regelbetrag- Verordnung. Für Kinder der dritten Altersstufe betrügen diese ab dem 1. Januar 2001 monatlich 465,- DM und ab 1. Juli 2001 monatlich 487,- DM. Daraus folge ein Kinderfreibetrag von 7.716,- DM.

Durch Entscheidung vom 8. Juni 2004 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen werde ein Freibetrag von 3.456,- DM für das sächliche Existenzminimum eines Kindes (Kinderfreibetrag) sowie für jedes Kind, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, zusätzlich ein Betreuungsfreibetrag von 1.512,- DM vom Einkommen abgezogen, wie § 32 Abs. 6 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG - 2001 bestimme. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Kindesfreibetrages seien im Streitfall gegeben. Die Höhe des zu berücksichtigenden Kinderfreibetrages ergebe sich unmittelbar aus dem für das Streitjahr geltenden Einkommensteuergesetz. Zur Durchsetzung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung sei er - der Beklagte - an diese gesetzliche Bestimmung gebunden. Der Kinderfreibetrag sei hier in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe von 3.456,- DM abgezogen worden. Die Berücksichtigung von anderen gesetzlichen Grundlagen, etwa des von dem Kläger genannten Gesetzes, bei der Ermittlung der Einkommensteuer könne nicht durchgeführt werden, da dieses Gesetz für das Einkommensteuerrecht nicht bindend sei.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage.

Der Kläger macht geltend, das Bundesverfassungsgericht - BVerfG - habe in seinem Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 99, 246) festgestellt, dass der Staat bei der Beurteilung der steuerlichen Leistungsfähigkeit den Unterhaltsaufwand für Kinder des Steuerpflichtigen in dem Umfang als besteuerbares Einkommen außer Betracht lassen müsse, in dem dieses zur Gewährleistung des Existenzminimums der Kinder erforderlich sei. Diese Vorgabe habe der Gesetzgeber nicht umgesetzt, sodass der für das Jahr 2001 geltende Kinderfreibetrag in Höhe von 3.456,- DM verfassungswidrig sei. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages habe nämlich in seinem Bericht vom 28. Juni 2000 (Bundestagsdrucksache - BT-Drucks. - 14/3781) ausgeführt, dass die Regelbeträge eine treffsichere Rechengrundlage abgäben und dass sich hiernach das Existenzminimum mit 135% des jeweiligen, nach Altersgruppen gestaffelten Regelbetrages darstellen lasse. Mit diesem Prozentsatz werde sichergestellt, dass in allen Altersgruppen an einen Barunterhalt in Höhe des Existenzminimums angeknüpft werde. Deshalb sei der Kinderfreibetrag im Streitjahr mit 135% der geltenden Regelbeträge zu berechnen. Demnach ergäbe sich hier ein Kinderfreibetrag in Höhe von 7.716,- DM. Die Höhe des sächlichen Existenzminimums eines Kindes folge ab dem 1. Januar 2001 nicht mehr aus der Summe sozialhilferechtlicher Bedarfsbeträge (Sozialhilferegelsatz, Einmalbeihilfen, Wohnbedarf und Aufwendungen für die Heizung), sondern aus den Grundbeträgen der jeweils geltenden Regelbetragsverordnung, die auf dem bereits in seinem - des Klägers - Einspruchsschreiben erwähnten Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts beruhe. Betrachte man sozialhilferechtliches, unterhaltsrechtliches und steuerrechtliches Existenzminimum eines Kindes, so sei festzustellen, dass die Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein je nach Rechtsanwendung (Sozialgesetz, Zivilrecht, Steuerrecht) unterschiedlich sei. Dies könne aber denklogisch nicht sein. Ein gesunder Mensch bestimmten Alters existiere mit einem Minimum. Werde dieses Minimum unterschritten, sei ein menschenwürdiges Dasein nicht möglich. Der Betrag, der nach dem Unterhaltsrecht die Grenze der Existenz eines gesunden Kindes in einem bestimmten Alter darstelle, bedeute offensichtlich im für das Jahr 2001 und auch für die Folgejahre geltenden Steuerrecht noch keine Existenzbedrohung. Im Steuerrecht sei demnach ein menschenwürdiges Dasein auf einem erheblich geringeren Niveau möglich. In seiner Entscheidung vom 9. April 2003 (1 BvL 1/01 und 1 BvR 1749/01) habe das BVerfG die Höhe des Existenzminimums eines Kindes mit 135% des jeweiligen Regelbetrages ab dem 1. Januar 2001 ausdrücklich bestätigt. Nach dem Grundsatz des § 1606 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - ergäbe sich, dass sämtliche existenzsichernden Kosten durch die Unterhaltszahlungen abgesichert würden. Schließlich liege der Gewährung von Freibeträgen eine typisierende Betrachtung zugrunde, sodass es nicht auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen ankomme. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Begehren noch auf Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG - und auf die Artikel 3, 6 GG, die durch den streitigen Kinderfreibetrag verletzt würden, gestützt und die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, weil er den Schriftsatz des Beklagten vom 3. Dezember 2007 erst im Termin erhalten habe und sich in der kurzen Zeit seit Aushändigung des Schriftsatzes nicht ausreichend darauf habe vorbereiten können.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

abweichend von dem Bescheid vom 16. April 2003 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2004 die Einkommensteuer 2001 unter Berücksichtigung eines Kinderfreibetrages von 7.716,- DM festzusetzen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus, die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen müssten nach dem tatsächlichen Bedarf bemessen werden. Dessen Untergrenze sei durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollten, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst würden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle, müsse er auch dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen (Beschluss des BVerfG vom 6. Mai 2004, 2 BvR 1375/03, Haufe-Index 1456916, mit Rechtsprechungsnachweisen).

Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hänge nach der Rechtsprechung des BVerfG von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Soweit der Gesetzgeber im Sozialhilferecht den Mindestbedarf bestimmt habe, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen der sozialstaatlichen Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken habe, dürfe das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten. Demnach sei der im Sozialhilferecht anerkannte Mindestbedarf die Maßgröße für das einkommensteuerliche Existenzminimum. Dies gelte sinngemäß auch für die Ermittlung des sächlichen Existenzminimums eines Kindes, wie sich aus dem dritten und vierten Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien für das Jahr 2001 ergebe. Der sozialhilferechtlich anerkannte Mindestbedarf betrage im Jahr 2001 für ein Kind 6.768,- DM, sodass der im Streitjahr zu berücksichtigende Kinderfreibetrag in Höhe von 6.912,- DM (je Elternteil 3.456,- DM) den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspreche.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht war an einer Entscheidung nicht gehindert, obwohl er die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend gemacht hat. Diese Rüge greift nicht durch, da der betreffende Schriftsatz des Beklagten - ungeachtet seiner in der Streitakte vermerkten Absendung - lediglich Rechtsausführungen enthält, die im Wesentlichen auf eine die - für den Streitfall relevante - ständige Rechtsprechung des BVerfG bestätigende Entscheidung dieses Gerichts verweisen. Darin liegt kein neuer, (völlig) überraschender Gesichtspunkt, zu dem Stellung zu nehmen dem Kläger eine längere Erklärungsfrist hätte eingeräumt werden müssen. Dies gilt auch für den Hinweis auf die sog. Existenzminimumsberichte, die zudem in allen einschlägigen Kommentaren zum EStG wiedergegeben werden.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt nicht die Rechte des Klägers.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der für 2001 geltende Kinderfreibetrag in Höhe von 3.456,- DM pro Elternteil (siehe § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG) verfassungsgemäß. Der Kläger verkennt, dass das Bundesverfassungsrecht in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dass der einkommensteuerlich zu verschonende Unterhaltsaufwand für Kinder nicht nach dem tatsächlichen Aufwand bemessen wird, sondern nach dem sozialhilferechtlichen Bedarf, in dem typisierend ein Mindestaufwand zum Ausdruck kommt (BVerfG vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 81 = Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1990, 653, 656, 659; BVerfGE 87, 153, 170; 91, 93, 111 ; 99, 216, 233; 99, 246, 260) . Dass nicht der Unterhalt in voller Höhe der jeweils unterschiedlichen zivilrechtlichen Verpflichtungen abziehbar sein muss, sondern nur ein einheitlicher Betrag, ist nicht nur aus Gründen der Typisierung, sondern auch wegen der Nähe der nicht-existenzsichernden Unterhaltsaufwendungen zur disponiblen Einkommensverwendung gerechtfertigt (BVerfG a.a.O.; Birk/Wernsmann, Juristenzeitung - JZ - 2001, 218, 220). Auch wenn der zivilrechtliche Unterhaltsanspruch von Kindern gegen Eltern in bestimmten Fällen z.B. Tennisunterricht oder anderes umfassen sollte, was bei Eltern mit höherem Einkommen der Fall sein kann, so handelt es sich dabei nicht um existenzsichernden oder unabdingbaren Aufwand. Dementsprechend dürfte der Staat auch den Unterhalt, soweit er das Existenzminimum übersteigt, beim Empfänger besteuern (BVerfGE 82, 60, 91; Birk/Wernsmann a.a.O.).

Etwas anderes folgt nicht aus den vom Kläger erwähnten beiden Entscheidungen des BVerfG vom 10. November 1998 und 9. April 2003. Mit dem Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/91 a.a.O.) hat das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, die Einkommensbesteuerung der Familie neu zu regeln. Die bisherigen Regelungen des Abzuges von Kinderbetreuungskosten sowie des Haushaltsfreibetrages verstießen gegen Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 3 Grundgesetz - GG -, da diese Steuerentlastungsnormen nur auf Alleinerziehende, nicht aber auf in ehelicher Gemeinschaft lebende, unbeschränkt steuerpflichtige Eltern anwendbar seien. Der Betreuungsbedarf müsse als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben. Weder in dieser Entscheidung noch in dem Beschluss vom 9. April 2003 stellt das BVerfG auf den zivilrechtlich geschuldeten Unterhalt für den steuerlich zu verschonenden Mindestaufwand ab. Vielmehr wird in dem Beschluss vom 10. November 1998 in der Sache 2 BvL 42/93 ausdrücklich daran festgehalten, dass das zu verschonende Existenzminimum den sozialhilferechtlichen Mindestbedarf keinesfalls unterschreiten darf (BVerfGE 99, 246, 259 mit Nachweisen aus der früheren Rechtsprechung des BVerfG; ebenso BVerfG vom 6. Mai 2004 - 2 BvR 1375/03 -, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst 2004, 1345 zur Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 6 EStG 2000).

Unter Berücksichtigung dessen sind die Regelbeträge der Regelbetrag-Verordnung für das Steuerrecht nicht verbindlich. Zwar handelt es sich dabei um Bedarfssätze, denen nach wissenschaftlichen Grundsätzen objektiv erarbeitete Erhebungen und Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zugrunde liegen. Auch handelt es sich dabei um einen zuverlässigen Maßstab für das, was angemessener Unterhalt im Sinne des § 1610 BGB ist (vgl. auch Köhler, Handbuch des Unterhaltsrechts, 7. Auflage, Rz. 519 für die früheren Regelbedarfssätze aufgrund der Verordnung zur Berechnung des Regelunterhalts vom 26. Juli 1984 - BGBl. I S. 1035). Maßgeblich ist aber in diesem Zusammenhang gerade der angemessene Unterhalt, der sich nach der Leistungsfähigkeit der Eltern, bei unehelichen Kindern insbesondere der des leiblichen Vaters richtet. Der Kinderfreibetrag, der einen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes darstellt, knüpft indes an die sozialhilferechtlichen Regelsätze an, wie sie sich aus den sogenannten Existenzminimumsberichten der Bundesregierung ergeben. Für das Jahr 2001 belief sich das sächliche Existenzminimum eines Kindes nach den Berichten der Bundesregierung in den Bundestagsdrucksachen 13/9561 vom 17. Dezember 1997 und 14/1926 vom 4. Januar 2001 auf 6.768,- DM und lag somit unter dem für das Streitjahr geltenden Kinderfreibetrag in Höhe von 6.912,- DM für beide Elternteile (2 x 3.456,- DM).

Soweit der Gesetzgeber mit dem oben erwähnten Gesetz in § 1612 b Abs. 5 BGB einen Unterhalt in Höhe von 135% des Regelbetrages festgelegt hat, ist dies für das Steuerrecht ohne Bedeutung. Zwar hat der Rechtsausschuss laut Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung (BTDrucks. 14/3781) mit der Änderung der §§ 1612 a, 1612 b BGB bezweckt sicherzustellen, dass sich die unterhaltsrechtlichen Regelbeträge auch weiterhin entsprechend der Einkommensentwicklung ändern werden. Auch wenn in der Beschlussempfehlung (a.a.O.) die Abstimmung mit dem flankierenden Sozial- und Steuerrecht sowie den verfassungsrechtlichen Grundlagen angesichts zahlreicher Änderungen in einzelnen Bereichen als nicht oder nicht immer überzeugend angesehen wird, folgt daraus nicht, dass der Kinderfreibetrag des § 32 b Abs. 6 EStG verfassungswidrig wäre. Weder Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG noch das Sozialstaatsprinzip gebieten die Anknüpfung des Kinderfreibetrages an den zivilrechtlich geschuldeten Unterhalt. Der Senat folgt vielmehr der Rechtsprechung des BVerfG, die für das Steuerrecht auf den sozialhilferechtlichen Bedarf abstellt (siehe oben), obwohl es bereits damals die Festsetzung des Regelunterhalts durch die Bundesregierung im Verordnungswege gab (siehe oben). Soweit der Gesetzgeber die Maßstäbe für die Berechnung der Unterhaltsregelbeträge in § 1612 a Abs. 4 BGB verankert hat, handelt es sich folglich um keine grundlegend neue Regelung, die vom BVerfG nicht bedacht werden konnte. Die Festlegung eines Unterhalts in Höhe von 135% des Regelbetrages durch die Änderung des § 1612 b Abs. 5 BGB stellt ebenfalls nur eine andere, unmittelbar lediglich den Kindergeldausgleichsanspruch des barunterhaltspflichtigen Elternteils gegen den das gesamte Kindergeld beziehenden betreuenden Elternteil dar (Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage, § 1612 b Rn. 92). Ausdrücklich hat der Gesetzgeber - anders als der Kläger mit seiner Berufung auf das von ihm erwähnte Gesetz meint - weder einen Mindestkindesunterhalt festgelegt noch einen Bedarfssatz normiert (Münchener Kommentar a.a.O.). Darüber hinaus hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 29. Mai 1990 (1 BvL 20/87, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 81 = BStBl. II 1990, 653, 656, 659) ausdrücklich ausgeführt, dass weder aus dem Grundsatz einer gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in Verbindung mit dem Benachteilungsverbot des Artikel 6 Abs. 1 GG noch aus dem Förderungsgebot des Artikel 6 Abs. 1 GG folgt, dass der Gesetzgeber Unterhaltsleistungen für Kinder in der vollen Höhe ihres bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruches berücksichtigen muss. Nach alledem ist offensichtlich, dass auch das vom Kläger herangezogene Gesetz keine neuen Aspekte hinsichtlich des steuerlich zu verschonenden Mindestaufwandes aufzeigt. Im Hinblick auf die zivilrechtlich maßgebliche individuelle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und der Lebensstellung des Bedürftigen ist trotz der zivilrechtlichen Zwangsläufigkeit der Unterhaltspflicht jenseits des Existenzminimums nicht von einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Artikel 6 Abs. 1 GG auszugehen. Eine Orientierung der steuerlichen Entlastung für kindbedingte Aufwendungen am zivilrechtlichen Unterhalt und somit am sozialen Status der Familie würde den Widerspruch schaffen, dass bei der Ermittlung des sächlichen Kindesexistenzminimums in erheblichen Umfang soziale und personalabhängige Faktoren maßgebend wären, die bei der Ermittlung des Existenzminimums der steuerpflichtigen Eltern außer Betracht blieben (vgl. Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rd-Nr. A 87 mit Nachweisen). Zum anderen findet auch jenseits des Existenzminimums (Grundfreibetrag) eine Besteuerung des Unterhalts beim Kind nicht statt. Zwar bleibt dadurch das Einkommen des Familienverbandes nicht vollständig erhalten, weil durch die Progression die Steuerlast des Unterhaltsverpflichteten größer ist als eine steuerliche Belastung der Unterhaltsleistung bei den in der Regel niedrig besteuerten unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern es wäre. Dies bewegt sich jedoch noch im Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung des Grundsatzes der gleichmäßigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. zu alledem Jachmann a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Klägers kann zudem das Existenzminimum eines Kindes unterschiedlich festgelegt werden. Entscheidend sind nämlich die Prämissen, insbesondere die Zielsetzungen, die mit dem jeweiligen Gesetz verfolgt werden. Während das Zivilrecht auf den angemessenen Unterhalt des Kindes unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit etwa des unehelichen Vaters abstellt, geht es im Rahmen des § 32 Abs. 6 EStG um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, der mit dem Kinderfreibetrag und dem zusätzlichen Betreuungsfreibetrag ausreichend Rechnung getragen wird. Ausschlaggebend ist nach alledem, dass das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum den sozialhilferechtlichen Mindestbedarf keinesfalls unterschreitet, sondern sogar darüber liegt (siehe oben).

Nach alledem schlägt die Berufung des Klägers auf die Artikel 3, 6, 20 GG fehl.

Im Übrigen hat das BVerfG im Rahmen der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs. 1 Nr. 2 a EStG i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG ausdrücklich daran festgehalten, dass auch bei Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversorgung auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen ist (Beschluss vom 13. Februar 2008, 2 BvL 1/06, Deutsches Steuerrecht 2008, 604, 608 unter Hinweis auf die bereits oben erwähnte Entscheidung in BVerfGE 99, 246, 259).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Berechnung des sächlichen Existenzminimums nicht mehr klärungsbedürftig ist (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Oktober 2004, VIII B 263/04, [...]).



Ende der Entscheidung

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