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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 23.09.2009
Aktenzeichen: 12 K 109/06
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 15a Abs. 1
HGB § 171
HGB § 172 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 23. September 2009

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter ..., sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 vom 29. September 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 wird dahingehend geändert, dass der darin festgestellte Verlust als ausgleichs- bzw. abzugsfähig behandelt wird.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Beschluss:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Die Klägerin wurde im Jahr 1992 errichtet. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) der Klägerin ist die B GmbH. Einziger Kommanditist ist der Zimmerermeister Herr O. Am Ergebnis der Klägerin ist O zu 100% beteiligt.

Die gesellschaftsvertraglich bedungene Kommanditeinlage betrug 150.000 DM; sie stellte zugleich die anfängliche Hafteinlage des O dar, die im Handelsregister (Amtsgericht ...) eingetragen wurde. O leistete die Einlage noch im Jahr 1992. Durch Registereintragung vom 17. Dezember 1993 erhöhte sich die Hafteinlage des O um 1.000.000 DM auf nun 1.150.000 DM. Zahlungen hierauf an die Klägerin leistete O nicht.

Gemäß den Feststellungen des Beklagten im Rahmen von Betriebsprüfungen entwickelte sich das steuerliche Kapitalkonto des O in den Jahren 1992 bis 1996 durch Verluste, Entnahmen und gutgeschriebene Investitionszulagen wie folgt:

 JahrVorgangBetragSaldo
1992Einlage150.000 
 Investitionszulage129.177 
 Verlust./. 149.585 
   129.319
1993Entnahmen./. 16.646 
 Investitionszulage114.502 
 Verlust./. 238.727 
   ./. 11.552
1994Entnahmen./. 215.515 
 Verlust./. 306.312 
   ./. 533.379
1995Entnahmen./. 669.803 
 Investitionszulage307.177 
 Verlust./. 242.117 
   ./. 1.138.122
1996Entnahmen./. 351.025 
 Investitionszulage13.020 
 Verlust./. 62.211 
   ./. 1.538.338

Uneinigkeit besteht zwischen den Beteiligten darüber, wie sich bestimmte (unstreitige) nichtabziehbare Betriebsausgaben der Klägerin im Gesamtbetrag von 24.425 DM auf das Kapitalkonto auswirken. Nach Auffassung der Klägerin sind diese Beträge von den Verlustbeträgen auf dem Kapitalkonto abzuziehen. Die Klägerin gelangt hierdurch zu geringfügig abweichenden Salden; der Saldo des Kapitalkontos laut Aufstellung der Klägerin beträgt zum 31. Dezember 1996 ./. 1.513.913 DM.

Die Klägerin erwirtschaftete im Jahr 1997 einen Verlust, den sie zunächst mit 246.914 DM bezifferte. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 29. September 1998 fest, dass dieser - vollständig auf den Kommanditisten O entfallende - Verlust gemäß § 15a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht ausgleichs- oder abzugsfähig, sondern lediglich verrechenbar sei.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. Oktober 1998 Einspruch. Sie verwies auf die seit 1993 im Handelsregister eingetragene erweiterte Außenhaftung des O; der Verlust sei deshalb gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG als abzugs- bzw. ausgleichsfähig zu behandeln, soweit die Hafteinlage die bisher ausgeglichenen Verluste aus den Jahren 1993 bis 1996 übersteige. Gleichzeitig stellte die Klägerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den der Beklagte am 03. November 1998 abwies. Das daraufhin angerufene Finanzgericht (FG) des Landes Brandenburg gab dem Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 11. Juni 1999 (Aktenzeichen: 1 V 2495/98 F) hingegen statt.

Aufgrund einer im Jahr 2000 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 stellte der Beklagte den Verlust für 1997 auf 257.011 DM fest; dieser Betrag ist mittlerweile unstreitig. Der Beklagte hielt jedoch daran fest, dass dieser Verlust für den Kommanditisten O lediglich mit künftigen Gewinnen verrechenbar sei. Die aus der Handelsregistereintragung ersichtliche Außenhaftung sei in den Vorjahren vollständig "verbraucht" worden; hierbei seien zum einen die in diesen Jahren erwirtschafteten Verluste und zum anderen die Einlageminderungen durch Entnahmen zu betrachten. Diese Berechnungsweise stehe in Übereinstimmung mit den rechtlichen Hinweisen des FG im Aussetzungsbeschluss.

Nachdem die Beteiligten zu der Frage der Verlustbehandlung auch in anschließender Korrespondenz keine Einigung erzielen konnten, wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 mit Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 19. Januar 2006 Klage erhoben.

Die Klägerin ist der Auffassung, der für 1997 festgestellte Verlust sei ausgleichs- bzw. abzugsfähig. Dem Beklagten sei nicht darin zu folgen, dass die Außenhaftung (auch) durch Gewinnzurechnung aufgrund von Einlageminderungen in den Jahren 1994, 1995 und 1996 verbraucht worden sei. Die Vorschrift des § 15a Abs. 3 EStG, die solches vorsehe, sei im Streitfall nicht anwendbar. Zweck dieser Vorschrift sei es, rechtswidrige Gestaltungen abzuwehren, bei denen Einlagen kurz vor einem Bilanzstichtag geleistet würden, um ein positives Kapitalkonto zu erreichen, und sodann kurz nach dem Bilanzstichtag wieder entnommen würden. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Maßgeblich sei im Streitfall vielmehr, dass O als Kommanditist den Gesellschaftsgläubigern sowohl in Höhe der noch nicht erbrachten Haftsumme als auch zusätzlich in Höhe des negativen Kapitalkontos unmittelbar und persönlich hafte: Die Außenhaftung bestehe gemäß § 171 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB), weil O auf die im Handelsregister eingetragene Haftsumme keine Einlage geleistet habe. Soweit das Kapitalkonto des O durch Entnahmen negativ geworden sei, bestehe zusätzlich eine Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB, da die Entnahmen zu einer Minderung des Gesellschaftsvermögens geführt hätten. Damit sei allein § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG anwendbar, während für eine (zusätzliche) Anwendung von § 15a Abs. 3 EStG kein Raum sei.

Soweit der Beklagte für 1993 von einem um 1.568 DM höheren Verlust (und einem entsprechend höheren negativen Saldo des Kapitalkontos des O) ausgehe, beruhe dies darauf, dass er die nichtabziehbaren Ausgaben fehlerhaft behandelt habe. Diese minderten den steuerlichen Verlust und mithin auch den Saldo des Kapitalkontos.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1997 vom 29. September 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2005 dahingehend zu ändern, dass der darin festgestellte Verlust als ausgleichs- bzw. abzugsfähig behandelt wird,

sowie ferner

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält daran fest, dass die Verluste des Jahres 1997 nur verrechenbar seien. Die Anwendung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG könne nicht losgelöst von derjenigen des § 15a Abs. 3 EStG gesehen werden; beide Vorschriften bezweckten, den Verlustausgleich bei einem Kommanditisten nur dann zu ermöglichen, wenn der Verlust für ihn wirtschaftlich spürbar sei. Während § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG den Verlustausgleich von einer bestehenden Außenhaftung des Kommanditisten abhängig mache, regele § 15a Abs. 3 EStG gleiches mit Blick auf das Bestehenlassen eines früheren Verlustausgleichs trotz nachträglicher Entnahmen. Der Betrag der bestehenden Außenhaftung könne aber insgesamt nur ein Mal in Ansatz gebracht werden, weil sich für den Kommanditisten insgesamt nur eine wirtschaftliche Belastung in Höhe dieser Haftsumme ergebe. Demnach werde diese Summe sowohl durch den Verlustausgleich (§ 15a Abs. 1 Satz 2 EStG) als auch durch unterlassene Gewinnzurechnungen bei Entnahmehandlungen (§ 15a Abs. 3 EStG) verbraucht.

Die nichtabziehbaren Betriebsausgaben seien - entgegen der Auffassung der Klägerin - bei der Kapitalkontenentwicklung nicht zu berücksichtigen. Wegen der (steuer-) bilanzbezogenen Betrachtung könnten sich auf die Höhe des negativen Kapitalkontos nur solche Vorgänge auswirken, die auch den Gewinn der Steuerbilanz im Sinne der Gewinndefinition des § 4 Abs. 1 EStG beeinflussten, nicht hingegen außerbilanzielle Zu- und Abrechnungen.

Mit Beschluss vom 23. September 2009 ist der Kommanditist O zum Verfahren beigeladen worden (§§ 60 Abs. 3 i.V.m. 48 Abs. 1 Nr. 5 Finanzgerichtsordnung [FGO]).

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin im Sinne von § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO in ihren Rechten. Der Beklagte hat den im Geschäftsjahr 1997 erwirtschafteten und dem Kommanditisten O zugerechneten Verlust zu Unrecht nicht als abzugs- bzw. ausgleichsfähig, sondern lediglich als verrechenbar angesehen.

1. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt, dass der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust einer Kommanditgesellschaft dann nicht abzugs- bzw. ausgleichsfähig ist, wenn und soweit durch das Hinzurechnen des Verlustbetrags das Kapitalkonto des Kommanditisten negativ wird oder ein bereits negativer Saldo sich noch erhöht. Ein solcher Verlustbetrag ist dann lediglich verrechenbar (§ 15a Abs. 2 EStG). Abweichend von diesem Grundsatz ist allerdings gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG ein zugerechneter Verlustanteil trotz des Entstehens oder der Erhöhung eines negativen Kapitalkontosaldos gleichwohl abzugs- bzw. ausgleichsfähig, wenn der Kommanditist am Bilanzstichtag den Gesellschaftsgläubigern aufgrund des § 171 Abs. 1 HGB haftet. Dies gilt allerdings nur bis zur Höhe des Betrags, um welchen die im Handelsregister eingetragene Einlage des Kommanditisten (seine "Hafteinlage") den Betrag seiner geleisteten Einlage übersteigt.

Durch die Regelung des § 15a Abs. 3 EStG soll verhindert werden, dass die aus § 15a Abs. 1 EStG folgende Begrenzung des Verlustausgleichs durch vorübergehende höhere Einlagen in das Gesellschaftsvermögen oder durch eine vorübergehende Erweiterung der Außenhaftung des Kommanditisten umgangen wird. Dem Kommanditisten wird zwar im Jahr des Entstehens des Verlusts dessen Ausgleich nach Maßgabe der höheren Einlage bzw. der erweiterten Außenhaftung belassen; im Jahr der Einlageminderung bzw. der Reduzierung der Außenhaftung hat der Kommanditist jedoch den entsprechenden Betrag als fiktiven laufenden Gewinn zu versteuern. In gleicher Höhe wird der früher ausgleichs- bzw. abzugsfähige Verlust in einen verrechenbaren Verlust umgewandelt. Hierdurch soll der Kommanditist so gestellt werden, als hätte bereits im Entstehungsjahr lediglich die geringere Einlage bzw. Außenhaftung bestanden und als wäre demzufolge der Verlust bereits im Entstehungsjahr nur verrechenbar gewesen (so die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 8/3648, S. 17; vgl. hierzu auch BFH, Urteile vom 30. August 2001 - IV R 4/00, Bundessteuerblatt [BStBl.] II 2002, 458; vom 20. März 2003 - IV R 42/00, BStBl. II 2003, 798). Die Rechtfertigung für das Hinzurechnen des fiktiven Gewinns und für das Umwandeln des Verlusts liegt mithin darin begründet, dass die wirtschaftliche Belastung, die den früheren Verlustausgleich gerechtfertigt hatte, nachträglich entfällt (vgl. von Beckerath, in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. [2008], § 15a Rdnr. 190).

2. In Anwendung dieser Grundsätze stellt sich der streitgegenständliche Verlust des Jahres 1997 als gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG abzugs- und ausgleichsfähig dar. § 15a Abs. 3 EStG gelangt dem gegenüber nicht zur Anwendung.

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG sind hinsichtlich des Verlusts des Jahres 1997, der dem Kommanditisten O zugerechnet wird, erfüllt:

(1) Der Kommanditist O haftete den Gläubigern der Klägerin am maßgeblichen Bilanzstichtag (31. Dezember 1997) unmittelbar in Höhe von 1.150.000 DM. Dieser Betrag - mithin das "Verlustausgleichsvolumen" im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG - ergab sich aus der Differenz zwischen der im Handelsregister eingetragenen Einlage (in eben dieser Höhe) und der "geleisteten Einlage" (in Höhe von null DM). Zwar hatte O anfänglich die aufgrund des Gesellschaftsvertrags im Innenverhältnis geschuldete Kommanditeinlage von 150.000 DM in das Gesellschaftsvermögen geleistet; die im Jahr 1994 - bei bestehendem negativen Kapitalkonto - getätigte Entnahme, die den Einlagebetrag überstieg, bewirkte jedoch, dass diese Einlage den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet galt (§ 172 Abs. 4 HGB). Diese handelsrechtlichen Regeln wirken sich aufgrund der Anknüpfung an die "Haftung aufgrund des § 171 HGB" in § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG, die auch die Regelungen der § 172 Abs. 1 und Abs. 3 bis 5 sowie § 174 HGB mit einbezieht, unmittelbar auf das Verlustausgleichsvolumen gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG aus (allgemeine Ansicht; vgl. nur von Beckerath, a.a.O., Rdnr. 103).

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Klägerin, wonach die für den Verlustausgleich nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG relevante Außenhaftung des O sogar höher gewesen sei als die im Handelsregister eingetragene Haftsumme, weil die Entnahmen, die O in den Jahren 1994 bis 1996 trotz negativen Saldos seines Kapitalkontos tätigte, eine weitere, neben die Haftung aus § 171 HGB tretende Haftung zur Folge gehabt hätte. § 172 Abs. 4 HGB, auf den sich die Klägerin insoweit beruft, gibt diese Rechtsfolge nicht her. Die Norm enthält keinen neben § 171 HGB tretenden eigenen Haftungstatbestand. Vielmehr regelt sie lediglich, dass das Rückgewähren von Einlagen oder das Entnehmen von Gewinnen (unter bestimmten Voraussetzungen) dazu führen, dass eine etwa früher vorgenommene Einlage den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber als nicht geleistet gilt. Damit eröffnet bzw. erhöht eine solche Zahlung an den Kommanditisten gegebenenfalls die Außenhaftung gemäß § 171 Abs. 1 HGB. Diese aber ist stets durch die Haftsumme begrenzt. Das bedeutet, dass ein Kommanditist auch dann nicht einer die Haftsumme übersteigenden Außenhaftung ausgesetzt ist, wenn die Kommanditgesellschaft Zahlungen an ihn leistet (oder er Entnahmen vornimmt), die über den Betrag der geleisteten Einlage hinausgehen. Die mit der Zahlung bzw. Entnahme einhergehende Minderung des Gesellschaftsvermögens ist als solche nicht verboten und macht den Kommanditisten nicht schlechthin haftbar (vgl. zum Ganzen: Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 29. März 1973 - II ZR 25/70, BGHZ 60, 324; Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 3 [2002], §§ 171, 172 Rdnr. 65; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. [2008], § 172 Rdnr. 5).

(2) Das von der Klägerin begehrte Resultat ergibt sich jedoch auch dann, wenn man das Außenhaftungsvolumen im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zutreffend mit dem im Handelsregister eingetragenen Betrag von 1.150.000 DM ansetzt. Dieser Betrag ist nämlich durch die in den Jahren bis einschließlich 1996 aufgelaufenen Verluste, die nach der grundsätzlichen Regelung des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG nur verrechenbar gewesen wären und lediglich aufgrund der Ausnahmeregelung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG als abzugs- bzw. ausgleichsfähig zu behandeln waren, noch nicht vollständig ausgeschöpft:

Der im Jahr 1992 erwirtschaftete Verlust in Höhe von 149.858 DM unterfiel von vornherein nicht der Abzugs- und Ausgleichsbeschränkung des § 15a Abs. 1 EStG, da er nicht zu einem negativen Saldo des Kapitalkontos des O führte. Gleiches trifft auf einen Teilbetrag von 225.607 DM des im Jahr 1993 erwirtschafteten Verlusts zu; denn nur der diesen Teilbetrag übersteigende Verlust in Höhe von 11.552 DM führte zu einem negativen Saldo des steuerlichen Kapitalkontos des O. § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG will in solchen Fällen nach seinem Wortlaut ("soweit...") ersichtlich nur denjenigen Teil des Jahresverlusts der Abzugsbeschränkung unterwerfen, der den positiven Saldo des Kapitalkontos vor Verlustberücksichtigung übersteigt.

Addiert man die somit der grundsätzlichen Abzugsbeschränkung nach § 15a Abs. 1 EStG unterfallenden steuerlichen Verluste, ausgehend von den Beträgen laut Betriebsprüfung, der Jahre 1993 (Teilbetrag von 11.552 DM), 1994 (306.312 DM), 1995 (242.117 DM) und 1996 (62.211 DM), so ergibt sich ein Gesamtbetrag von 622.192 DM. Dieser Betrag liegt innerhalb des Haftungs- und damit des Verlustausgleichsvolumens; die betreffenden Verluste waren mithin in Anwendung des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG abzugs- bzw. ausgleichsfähig. Darüber hinaus stand für das Jahr 1997 ein restliches Verlustausgleichsvolumen in Höhe von (1.150.000 DM ./. 622.192 DM =) 527.808 DM zur Verfügung, welches den tatsächlich erzielten Verlust von 257.011 DM überstieg. Geht man von der Aufstellung der Klägerin aus, ergibt sich ein noch geringfügig höheres verbleibendes Verlustausgleichsvolumen, so dass die Frage, welcher der beiden Aufstellungen zu folgen ist, dahin stehen kann.

Dass es im Streitfall an einer der in § 15a Abs.1 Satz 3 EStG geregelten übrigen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG mangeln könnte, ist von keinem der Beteiligten geltend gemacht worden; für den erkennenden Senat ergeben sich diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte.

b) Soweit der Beklagte dem entgegenhält, auch die Entnahmen des O in den Jahren bis 1996 hätten einen schrittweisen "Verbrauch" des Verlustverrechnungsvolumens bewirkt, folgt der erkennende Senat dem nicht. Eine solche Rechtsfolge wäre der vom Beklagten herangezogenen Norm des § 15a Abs. 3 EStG, ihre Anwendbarkeit auf den Streitfall unterstellt, nicht zu entnehmen.

Der Beklagte meint, die Entnahmen hätten das Verlustverrechnungsvolumen deshalb (zusätzlich) verbraucht, weil es im Zusammenhang mit diesen Entnahmen trotz des Erhöhens des negativen Saldos des Kapitalkontos nicht zu einer Gewinnhinzurechnung gemäß § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG gekommen sei. Diese Gewinnhinzurechnung sei deshalb unterblieben, weil eine wirtschaftliche Belastung des Kommanditisten O bestanden habe, die durch die bestehende Außenhaftung bedingt gewesen sei. Der Verlustausgleich aus vorangegangenen Wirtschaftsjahren sei mithin erhalten geblieben, soweit eine Außenhaftung bestanden habe. Da die Außenhaftung aber insgesamt nur einmal berücksichtigt werden dürfe, müssten nicht nur die laufenden Verluste, sondern auch die Entnahmen zu einem "Verbrauch der Außenhaftung" führen.

Diese Schlussfolgerung trägt das Gesetz nicht. § 15a Abs. 3 Satz 1 EStG bestimmt, dass eine Entnahme, die zu einem negativen Saldo des Kapitalkontos führt oder einen Negativsaldo erhöht, zwingend zum Hinzurechnen eines fiktiven laufenden Gewinns in Höhe des Betrags der Entnahme zu führen hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn (und soweit) gerade auf Grund der Entnahme eine nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigende Haftung besteht oder entsteht. Dieser Ausnahmetatbestand war im Streitfall allein hinsichtlich eines Teilbetrags von 150.000 DM der im Jahr 1994 getätigten Entnahme gegeben. Denn allein diese Entnahme führte gemäß § 172 Abs. 4 HGB dazu, dass die ursprünglich geleistete Einlage des O den Gläubigern der Klägerin gegenüber als nicht geleistet galt. Allein diese Entnahme erhöhte mithin unmittelbar die Außenhaftung des O gegenüber den Gläubigern. Dem gegenüber hatten die Entnahmen in den folgenden Wirtschaftsjahren auf das Bestehen und die Höhe der Außenhaftung nach § 171 HGB keinen Einfluss. Weder "bestand" noch "entstand" eine "nach Absatz 1 Satz 2 zu berücksichtigende Haftung" gerade "auf Grund" dieser Entnahmen.

Wenn die Auffassung des Beklagten zuträfe, dass diejenigen Entnahmen, die nach der gesetzlichen Regelung trotz Entstehens oder Bestehens eines negativen Kapitalkontos nicht zum Hinzurechnen eines Gewinns führen, das Verlustausgleichsvolumen im Sinne von § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG mit aufzehren, dann gälte dies im Streitfall mithin allein für den im Jahr 1994 entnommenen (Teil-) Betrag von 150.000 DM. Dies zugunsten des Beklagten unterstellt, würde sich am Ergebnis indes nichts ändern: Das für 1997 noch verfügbare Verlustausgleichsvolumen würde dann nicht 527.808 DM, sondern 150.000 DM weniger betragen; auch dieses Volumen wäre für den streitgegenständlichen Verlust mehr als ausreichend.

Hiervon abgesehen, ist § 15a Abs. 3 EStG auf den Streitfall nicht anwendbar. Ausgehend von der erklärten und auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Zweckrichtung will die Norm, wie oben ausgeführt, einen Kommanditisten im Ergebnis so stellen, als habe er eine später wieder entnommene Einlage in das Gesellschaftsvermögen nie geleistet. Steuerliche Vorteile, die der Kommanditist in der Zwischenzeit aus der vorübergehenden Existenz der Einlage gezogen hat, indem er laufende Verluste abziehen bzw. ausgleichen konnte, sollen im Ergebnis rückgängig gemacht werden. Das bedeutet aber auch, dass von vornherein nur solche Einlagen im Sinne des § 15a Abs. 3 EStG relevant sein können, die für den beschriebenen steuerlichen Vorteil ursächlich waren (vgl. im Ergebnis wohl ebenso von Beckerath, a.a.O., Rdnr. 195, der am Begriff der "Entnahme" im Sinne des § 15a Abs. 3 EStG ansetzt: Eine "Entnahme" könne nur einen Vorgang meinen, der "das Kapitalkonto [...] als Verlustausgleichsmaßstab" reduziere.). Denn soweit der steuerliche Vorteil eines abzugs- bzw. ausgleichsfähigen Verlusts gar nicht auf der vorübergehend geleisteten Einlage, sondern auf anderen Ursachen beruhte, besteht keine Notwendigkeit, das steuerliche Ergebnis später zu korrigieren. So aber liegt der Fall hier: Der Umstand, dass die laufenden Verluste der Jahre 1993 (teilweise) und 1994 bis 1996 abzugs- bzw. ausgleichsfähig waren, beruhte hier auf der bestehenden Außenhaftung des Kommanditisten nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG. Gegenstand der Entnahmen waren mithin nicht solche Einlagen, die dem Kommanditisten zuvor als Grundlage für eine Inanspruchnahme eines erweiterten Verlustausgleichsvolumens gedient hatten. Die wirtschaftliche Belastung, die den früheren Verlustausgleich gerechtfertigt hatte, bestand in der Außenhaftung; diese aber war im Zusammenhang mit den Entnahmen nicht entfallen oder gemindert worden. Damit bestand im Streitfall auch keine Rechtfertigung für das Hinzurechnen des fiktiven Gewinns und für das Umwandeln des abzugs- und ausgleichsfähigen Verlusts in einen lediglich verrechenbaren Verlust.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären; die Sach- und Rechtslage war nicht so einfach, dass sich die Klägerin selbst hätte vertreten können.

Ende der Entscheidung

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