Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 28.10.2009
Aktenzeichen: 12 K 12040/09
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 40 Abs. 2
StBerG § 57 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. Oktober 2009

...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der am ... geborene Kläger wurde am ... 1985 als Steuerberater bestellt. In der Folgezeit war er als Berufsangehöriger tätig.

In den Monaten November 1994 bis Juli 1995 versäumte der Kläger in neun Fällen, die entsprechenden Beiträge seiner Angestellten zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von insgesamt 6.813,00 DM abzuführen. Daraufhin verurteilte ihn das Amtsgericht ... (Az: ...) durch rechtskräftige Entscheidung vom 30.10.1995 zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.500,00 DM.

Unter dem Aktenzeichen ... verurteilte das Amtsgericht ... am 02.04.1996 den Kläger rechtskräftig wegen vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 23.754,48 DM (21 Vergehen von Mai 1994 bis Dezember 1995) unter Einbeziehung des Strafbefehls des Amtsgerichts ... mit dem Az: ... zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von insgesamt 5.000,00 DM.

In einem weiteren Verfahren (Az: ...) verurteilte das Amtsgericht ... durch rechtskräftige Entscheidung vom 03.04.1997 den Kläger wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge (14 Fälle von November 1995 bis Juli 1996) in Höhe von insgesamt 14.888,87 DM zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von DM 30.000,00.

Das berufsgerichtliche Verfahren mit dem Az: ..., das sich auf die nicht rechtzeitig abgeführten Sozialversicherungsbeiträge sowie auf die verspätete Zahlung des Kammerbeitrags durch den Kläger bezog, stellte das Landgericht ... im Mai 1998 gemäß § 153 Abs. 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG) in Verbindung mit (i.V.m.) § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung ein.

Schließlich verurteilte das Amtsgericht ... (Az: ...) den Kläger durch rechtskräftige Entscheidung vom 14. Mai 1998 wegen vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 15.440,65 DM (acht Fälle von August 1996 bis März 1997) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts ... vom 03.04.1997 (...) und unter Auflösung der dort gebildeten Geldstrafe zu einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 42.000,00 DM. Dabei hatte der Kläger zunächst in der Hauptverhandlung die Taten bestritten; im weiteren Verlauf der Verhandlung räumte er aber den objektiven Tatbestand ein. In der Gesamtabwägung stellte daraufhin das Amtsgericht trotz der vorangegangenen beiden einschlägigen Vorstrafen seine Bedenken zurück und verurteilte den Kläger lediglich noch einmal zu einer Geldstrafe.

Im November 1998 rügte die Beklagte durch rechtskräftigen Bescheid den Kläger wegen Verstößen gegen seine Verpflichtungen, für eine hinreichende Haftpflichtversicherung sowie das rechtzeitige Abführen der Sozialversicherungsbeiträge Sorge zu tragen.

Durch rechtskräftige Entscheidung vom 02.04.2006 verurteilte das Amtsgericht ... den Kläger schließlich wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen (Az: ...) zu einer Gesamtstrafe in Höhe von 10.000,00 EUR. Der Tatvorwurf bezog sich auf die Nichtabgabe von Steuererklärungen für die Jahre 1997, 1999 und 2000; dabei ging das Gericht vom 31.05.2001 als Zeitpunkt der Tat aus. Der Senat nimmt auf die Einzelheiten der strafgerichtlichen Entscheidungen Bezug.

Am 23. Mai 2003 hatte der Kläger gegenüber der Kammer gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG auf seine Bestellung als Steuerberater verzichtet. Im Juli 2008 beantragte er seine Wiederbestellung als Steuerberater. Nach entsprechender Anhörung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 28.01.2009 den Antrag auf Wiederbestellung mit der Begründung ab, die zahlreichen Verfehlungen des Klägers über einen Zeitraum von sechs Jahren ließen eine ordnungsgemäße Berufsausübung seitens des Klägers (noch) nicht erwarten.

Der Kläger begründet seine Klage wie folgt: Das Versagen der Wiederbestellung erweise sich als rechtswidrig. Zwar sei es in der Vergangenheit zu nennenswertem Fehlverhalten gekommen. Allerdings beträfe das zeitweilige Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge den Zeitraum lediglich bis 1997. Wegen der geringfügigen Schuld sei dementsprechend im Jahr 1998 das berufsgerichtliche Verfahren eingestellt worden. Es handele sich jedenfalls eher um Bagatelldelikte.

Gleichermaßen erwiesen sich die Umstände der (angeblichen) Steuerhinterziehung als eher kurios. Jedenfalls sei seit dem Jahre 2001 kein Fehlverhalten von ihm, dem Kläger, erkennbar. Vielmehr sei er seitdem sämtlichen Verpflichtungen beanstandungsfrei nachgekommen.

Im Übrigen rechtfertige nicht jede kriminelle Handlung den Ausschluss der (Wieder-)Bestellung; erforderlich sei eine entsprechende Wertung. Zu keinem Zeitpunkt seien jedenfalls Mandanteninteressen gefährdet gewesen. Zudem führe das Versagen der Wiederbestellung durch die Beklagte für ihn, den Kläger, angesichts seines Lebensalters faktisch zu einem lebenslänglichen Berufsverbot.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.01.2009 wieder zum Steuerberater zu bestellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten erweist sich der Ablehnungsbescheid als rechtmäßig. Die im Hinblick auf § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 4 StBerG erforderliche Prognose falle für den Kläger negativ aus. Er habe in der Vergangenheit schwerwiegende Wirtschaftsund Vermögensdelikte begangen, keinesfalls handele es sich lediglich um Bagatelldelikte.

Auch nach der erstmaligen Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten und den weiteren Verurteilungen habe der Kläger nämlich noch wiederholt und in erheblichem Umfang Sozialversicherungsbeiträge nicht rechtzeitig abgeführt.

Die Einstellung des berufsgerichtlichen Verfahrens im Jahre 1998 gewinne für die erforderliche Abwägung im Sinne der §§ 48 Abs. 2 und 40 Abs. 2 Nr. 4 StBerG keine entscheidende Bedeutung; dieses Verfahren habe sich im Wesentlichen nur auf das Nichtabführen der Sozialversicherungsbeiträge bezogen, für das der Kläger in drei Fällen vom Amtsgericht ... (Az: ..., ... und ...) verurteilt worden sei. Die weiteren Verstöße des Klägers gegen seine Pflichten als Arbeitgeber seien nicht Gegenstand dieses Verfahrens gewesen. Der Möglichkeit, ein weiteres berufsgerichtliches Verfahren im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung einzuleiten, habe sich der Kläger zudem durch seinen Verzicht auf die Bestellung als Steuerberater im Jahre 2003 entzogen.

Jedenfalls so wenige Jahre nach der letzten strafrechtlichen Verurteilung, die erst im Jahre 2006 rechtskräftig geworden sei, dürfe dem Kläger sein pflichtwidriges Verhalten auch nach § 51 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) i.V.m. § 47 BZRG vorgehalten werden; denn immerhin käme die Tilgung der den Kläger betreffenden Eintragungen im Bundeszentralregister erst im Jahre 2016 in Betracht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger wieder als Steuerberater zu bestellen, § 101 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 i.V.m. § 40 Abs. 2 StBerG sind nicht erfüllt.

Ohne Rechtsverstoß konnte die Beklagte zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger für eine Wiederbestellung persönlich nicht geeignet ist, § 40 Abs. 2 Satz 1 StBerG. Denn nach wie vor ist die Besorgnis begründet, dass der Kläger den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügt, § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG.

Im Hinblick auf § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG ist eine Prognose erforderlich, ob ein Antragsteller den allgemeinen Berufspflichten im Sinne des § 57 Abs. 1 StBerG zukünftig genügen wird. Bei dieser Wertung gewinnt die bisherige Berufsausübung des (ehemaligen) Steuerberaters maßgebliche Bedeutung. Hiernach entfällt eine Wiederbestellung, wenn das konkrete Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit den Schluss darauf zulässt, dass der Bewerber auch künftig gegen seine Berufspflichten als Steuerberater verstoßen werde (in diesem Sinne: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 06.03.2008 - 6 K 277/07, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1236 [1237] mit weiteren Nachweisen [m.w.N.]). Diese Einschätzung erweist sich vor allem in dem Fall als sachgerecht, wenn der Bewerber in besonders schwerwiegender Weise gegen die Regeln einer ordnungsgemäßen Berufsausübung verstoßen hat. Dies betrifft typischerweise wiederholte oder besonders schwerwiegende Wirtschafts- und Vermögensdelikte. Hierzu zählen bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe insbesondere Straftaten im Bereich der Steuerhinterziehung (Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 11.11.2003 - 2 K 1723/03, [...]; in diesem Sinne auch: Gehre/von Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Auflage, § 90 Rdnr. 11).

Ein derartiger schwerwiegender Pflichtenverstoß ist für den Kläger zu bejahen. Er hat über Jahre hinweg in erheblichem Umfang im Hinblick auf die ihm anvertrauten Lohnanteile seiner Angestellten gegen seine Pflichten als Arbeitgeber verstoßen. Der Kläger hat nämlich in einer Vielzahl von Fällen über Monate hinweg die Sozialversicherungsbeiträge für seine Angestellten nicht abgeführt. Gleichermaßen hat der Kläger ausweislich seiner rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht ... im Jahre 2006 in drei Fällen sich einer Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Folglich hat der Kläger teilweise über Monate hinweg in massiver Form gegen seine einschlägigen Verpflichtungen verstoßen. Auch zwischenzeitliche Verurteilungen haben ihn nicht veranlasst, die ihm lediglich treuhänderisch zustehenden Beträge fristgerecht abzuführen.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass die Straftaten, die zu den Verurteilungen geführt haben, bereits einige Jahre zurückliegen und er seitdem sämtlichen Berufspflichten ohne Beanstandung nachgekommen sei. Die Beklagte konnte ohne Rechtsverstoß den zeitlichen Abstand zwischen den verschiedenen Verurteilungen - die letzte rechtskräftige Entscheidung zur Steuerhinterziehung erging immerhin erst im Jahre 2006 - sowie dem Verzicht des Klägers auf seine Bestellung im Mai 2003 und seinem Antrag auf Wiederbestellung im Juli 2008 als nicht ausreichend ansehen, um dem Antrag auf Wiederbestellung zu entsprechen. Für die Berücksichtigung des Zeitablaufs bei der Entscheidung nach § 48 Abs. 1 und 2 sowie § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 StBerG gibt es zwar keine festen normativen Regeln. Immerhin lässt sich den Vorgaben in § 48 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StBerG aber entnehmen, dass jedenfalls in schwerwiegenden Fällen eine Wiederbestellung innerhalb von acht Jahren regelmäßig nicht in Betracht kommt. Tatsächlich ist der Kläger letztmalig im Jahre 2006 für besonders schwerwiegende Delikte verurteilt worden. Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang hinzu, dass der Kläger sich in den Jahren 1996 bis 1998 trotz Verurteilung zu fühlbaren Geldstrafen nicht hat davon abhalten lassen, erneut gegen seine Verpflichtungen zum Abführen der Sozialversicherungsbeiträge zu verstoßen. Dabei gewinnt für den Senat besonderes Gewicht, dass das Amtsgericht ... in seinem Urteil vom 14. Mai 1998 ausdrücklich hervorgehoben hat, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung zunächst die Taten bestritten hatte. Ersichtlich war das Amtsgericht zudem nahezu entschlossen, im Hinblick auf die vorangegangenen Verurteilungen zu Geldstrafen in ansteigender Höhe wegen der einschlägigen Vergehen in diesem Falle eine Haftstrafe zu verhängen.

Vor diesem Hintergrund lassen die zahlreichen gravierenden und über viele Jahre hinweg andauernden Verstöße, die mit einer ordnungsgemäßen Berufsausübung eines Steuerberaters in keiner Weise zu vereinbaren sind, derzeit noch keine Prognose zu, dass der Kläger zukünftig seine beruflichen Verpflichtungen im Sinne von § 57 Abs. 1 StBerG ordnungsgemäß erfüllen wird.

Der Hinweis des Klägers auf ein vermeintlich lebenslängliches Berufsverbot ändert an dieser Entscheidung nichts. Im Hinblick auf das Lebensalter des ... geborenen Klägers erscheint eine Vielzahl von Jahren der Berufstätigkeit auch zukünftig nicht ausgeschlossen.

Im Übrigen erweist es sich eher als zufällig, ob ein ehemaliger Berufsträger in jüngeren oder in späteren Lebensjahren schwerwiegende Pflichtverletzungen begeht, die letztlich den Antrag auf Wiederbestellung im Sinne des § 48 Abs. 1 StBerG zur Folge haben und gegen Ende einer Berufstätigkeit dann tatsächlich die Gefahr bergen, dass eine Wiederbestellung aus Altersgründen ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück