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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 29.07.2009
Aktenzeichen: 12 K 12057/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 133a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der Vorsitzende des 12. Senats des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg,

Präsident des Finanzgerichts ...,

am 29. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss vom 31.03.2009 wird aufgehoben.

2. Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.

Tatbestand:

Im Rahmen der Steuerberaterprüfung 2007/08 erließ die Beklagte mit Datum 07.03.2008 einen Prüfungsbescheid, nach dem die Klägerin die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich - mit umfangreicher Begründung seitens der Klägerin - eingeleitete Überdenkungsverfahren beschloss der Senat im September 2008 das Ruhen des Verfahrens.

Im Februar 2009 unterrichtete die Beklagte das Gericht dahingehend, dass die Klägerin am 30.01.2009 die Steuerberaterprüfung 2008 bestanden habe. Die Klägerin teilte dem Gericht (Schriftsatz vom 11.02.2009) mit, die Steuerberaterprüfung im Wiederholungsversuch bestanden zu haben, und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Daraufhin erklärte auch die Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte zugleich, die Klage abzuweisen und der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (Schriftsatz vom 26.02.2009). Nach einem telefonischen Hinweis seitens des Gerichts erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 06.03.2009 den Rechtsstreit (erneut) in der Hauptsache für erledigt und bat, den Schreibfehler in dem Schreiben vom 26.02.2009 (hinsichtlich der beantragten Klageabweisung) zu entschuldigen.

Durch Beschluss vom 31.03.2009 hat der Vorsitzende des Senats die Kosten der Beklagten - unter Hinweis auf § 138 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) - mit der Begründung auferlegt, die Behörde habe dem Klagebegehren entsprochen. Ausweislich der beigefügten Rechtsmittelbelehrung war dieser Beschluss gemäß § 128 Abs. 4 FGO unanfechtbar.

Daraufhin beantragt die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.04.2009, auf dessen Einzelheiten der Senat sich bezieht, im Wege der Gegenvorstellung, hilfsweise im Rahmen einer Anhörungsrüge,

den Beschluss vom 31.03.2008 dahingehend zu ändern, dass der Klägerin die Kosten des Verfahrens auferlegt werden.

Die Klägerin beantragt,

die Gegenvorstellung bzw. Anhörungsrüge zurückzuweisen.

Gründe:

Der Antrag der Beklagten hat Erfolg. Die Kostenentscheidung vom 31.03.2009 ist aufzuheben.

Eine Änderung der durch den Beschluss vom 31.03,2009 getroffenen Kostenentscheidung kommt zwar im Hinblick auf die Gegenvorstellung der Beklagten nicht in Betracht. Dabei kann offenbleiben, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang eine Gegenvorstellung überhaupt noch in einem finanzgerichtlichen Verfahren zulässig ist. Denn tatsächlich dürfte die Gegenvorstellung nach der Kodifizierung der Anhörungsrüge in § 133a FGO allenfalls noch in Ausnahmefällen statthaft sein (vgl. hierzu: Bundesfinanzhof [BFH] , Beschluss vom 19.12.2008 - V S 44/07, [...], Randnummer (Rdnr.) 27; Beschluss vom 02.01.2009 - V S 1/08, Sammlung der Entscheidungen des BFH [BFH/NV] 2009, 1127 mit weiteren Nachweisen [m.w.N.]; Beschluss vom 11.03.2009 - VI S 14/08, BFH/NV 2009, 1130 m.w.N.; ebenso: Seer in Tipke/Kruse, § 133a FGO Rdnr. 3). Sofern sich hiernach - lediglich in einem eng umgrenzten Ausnahmefall - eine Gegenvorstellung als statthaft erweisen sollte, wäre sie jedenfalls im Hinblick auf den Vortrags der Beklagten nicht begründet. Denn eine Gegenvorstellung setzt einen schwerwiegenden Grundrechtsverstoß voraus. Dieser wäre nur dann zu bejahen, wenn die angegriffene Entscheidung insbesondere unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrte (vgl. hierzu: BFH, Beschluss vom 23.04.2009 - X S 14/09, [...], Rdnr. 4 m.w.N.). Derartige Umstände hat die Beklagte nicht dargetan; sie sind auch anderweitig aus dem sonstigen Inhalt der Gerichtsakte nicht erkennbar. Denn das Gericht hat im Rahmen des § 138 FGO eine Kostenentscheidung getroffen, die im Grundsatz ohne weiteres von § 138 Abs. 1 FGO gedeckt ist. Selbst wenn die Bezugnahme des Gerichts auf § 138 Abs. 2 FGO sich als im Ergebnis unzutreffende Begründung der Kostenentscheidung erweist, ändert dies nichts an dem Umstand, dass die Entscheidung selbst, nämlich der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, jedenfalls im Rahmen des § 138 Abs. 1 FGO als eine denkbare Rechtsfolge vorgesehen ist.

Dagegen hat die hilfsweise geltend gemachte Anhörungsrüge Erfolg. Die Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 FGO sind erfüllt. Durch den Beschluss vom 31.03.2009 hat das Gericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn im Sinne des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO setzt eine derartige Verletzung voraus, dass nicht etwa lediglich die Fehlerhaftigkeit der Ausgangsentscheidung dargelegt wird. Vielmehr muss sich aus dem Akteninhalt ergeben, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen nicht in vollem Umfang zur Kenntnis genommen hat. Dies ist hinsichtlich der angegriffenen Kostenentscheidung der Fall. Denn die der Begründung dienende Bezugnahme auf § 138 Abs. 2 FGO lässt erkennen, dass dem Vorsitzenden ein - entscheidungsrelevanter - Gesichtspunkt entgangen war. Der Vorsitzende hatte die Schriftsätze der Beteiligten vom 03. und 11.02.2009 nämlich dahingehend verstanden, dass die Klägerin im Rahmen der Steuerberaterprüfung 2007/2008 erfolgreich an einer Wiederholungsprüfung teilgenommen hatte. Denn die Anwendung des § 138 Abs. 2 FGO setzte voraus, dass das Gericht in der Kostenentscheidung vom 31.03.2009 von einer Rücknahme oder Änderung der Prüfungsentscheidung der Beklagten vom 07.03.2008 ausgegangen war. Tatsächlich bezog sich aber die erfolgreiche Prüfungsteilnahme der Klägerin, die zu den Erledigungserklärungen der Beteiligten führte, nicht auf die ursprüngliche Steuerberaterprüfung 2007/2008, auf die das Klageverfahren abzielt, sondern unabhängig hiervon auf die Steuerberaterprüfung 2008/2009.

Ein derartiges - sei es auch unabsichtliches - Nichtwahrnehmen des tatsächlichen Vorbringens verletzt im Einzelfall den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör (ebenso: Seer in Tipke/Kruse, FGO, § 133a Rdnr. 7; Bergkemper in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 133a FGO Rdnr. 12 und 13 m.w.N.). Insoweit handelt es sich nicht lediglich um eine unzutreffende Sachentscheidung des Gerichts (vgl. hierzu: BFH Beschluss vom 19.12.2008 - V S 44/07, [...], Rdnr. 24). Die unterlassene Kenntnisnahme entscheidungsrelevanten Tatsachenvortrags durch ein Gericht verhindert von vornherein die Berücksichtigung des gesamten Streitstoffs. Dies erweist sich als grundlegender Mangel der auf unzureichender Sachverhaltswahrnehmung basierenden richterlichen Entscheidung. Denn unausgesprochen kann ein Beteiligter erwarten, dass das erkennende Gericht jedenfalls den Sachvortrag in vollem Umfang zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidungsfindung einbezieht. Wenn dies - ausweislich des Wortlauts und der Intention der Entscheidung vom 31.03.2009 - nicht geschieht, mithin das erkennende Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen jedenfalls teilweise nicht zur Kenntnis nimmt und demzufolge - sei es auch ohne Absicht - bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, so liegt eine entscheidungsrelevante Gehörsverletzung vor. Indem der angegriffene Kostenbeschluss sich zur Begründung auf § 138 Abs. 2 FGO und auf den Umstand bezieht, dass "die Behörde dem Klagebegehren entsprochen habe", kommt eindeutig zum Ausdruck, dass das Gericht den Umstand nicht berücksichtigt hat, dass die Klägerin sich tatsächlich an der Steuerberaterprüfung des Folgejahres (Prüfungsturnus 2008/2009) erfolgreich beteiligt hat.

Im Hinblick auf § 133a Abs. 5 Satz 1 FGO war die Kostenentscheidung vom 31.03.2009 aufzuheben und das ursprüngliche Verfahren fortzusetzen. Nachdem der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hat das Gericht (erneut) gemäß § 133a Abs. 5 Satz 4 FGO in Verbindung mit § 343 Satz 2 Zivilprozessordnung eine Kostenentscheidung zu treffen. In diesem Zusammenhang entspricht es gemäß § 138 Abs. 1 FGO dem billigen Ermessen, dass die Beteiligten die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte tragen. Denn angesichts der übersandten Schriftsätze sowie dem Inhalt der dem Gericht im Übrigen vorliegenden Akte erweist sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens in hohem Maße als ungewiss.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Ende der Entscheidung

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