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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 12.09.2007
Aktenzeichen: 12 K 2044/04 B
Rechtsgebiete: GG, FGO


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
FGO § 135 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 2044/04 B

Steuerberaterprüfung 2003

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. September 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...

die Richterin am Finanzgericht ...

den Richter am Finanzgericht ...

die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

An der Steuerberaterprüfung 2002 (Erstprüfung) nahm die Klägerin ohne Erfolg teil, denn der Prüfungsausschuss bewertete sämtliche Aufsichtsarbeiten mit der Note 5,0 ("mangelhaft"). Auf ihren (erstmaligen) Wiederholungsantrag nahm die Klägerin sodann an der Steuerberaterprüfung 2003 teil. Durch Bescheid vom 19. Dezember 2003 teilte die seinerzeit zuständige Oberfinanzdirektion ... der Klägerin mit, der zuständige Prüfungsausschuss habe ihre Aufsichtsarbeiten gemäß § 15 der Durchführungsverordnung zum Steuerberatungsgesetz (DVStB) mit den Noten 5,0 (erste Aufsichtsarbeit: Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete), 5,5 (zweite Aufsichtsarbeit: Ertragsteuern) sowie 4,5 (dritte Aufsichtsarbeit: Buchführung und Bilanzwesen) bewertet. Nachdem die durchschnittliche Gesamtnote für die schriftliche Prüfung (5,0) die Zahl 4,5 übersteige, sei die Klägerin gemäß § 25 Abs. 2 und 3 DVStB von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und die Steuerberaterprüfung 2003 nicht bestanden.

Insgesamt hatten in ... 374 Kandidaten an der betreffenden schriftlichen Prüfung teilgenommen. Hiervon hatten 281 die schriftliche Prüfung nicht bestanden. Die Durchfallquoten in ... und den anderen Bundesländern schwanken beträchtlich. Im Durchschnitt der Jahre 1974 bis 2003 erreichte die Quote in ... einen Wert von 49,17 vom Hundert (v. H.) und in einzelnen Ländern bis zu 89,2 v.H..

Nach Klageerhebung hat der Beklagte das Überdenkungsverfahren durchgeführt. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht (FG) Berlin durch Beschluss vom 10. Februar 2004 das Ruhen des Klageverfahrens bis zum Abschluss dieses verwaltungsinternen Kontrollverfahrens angeordnet. Im Zuge des Überdenkungsverfahrens erhöhten die Prüfer die Punkte für die von der Klägerin gefertigten Aufsichtsarbeiten. Hiernach ergaben sich für die erste Aufsichtsarbeit nunmehr 38,5 Punkte (zuvor: 36,5), für die zweite Aufsichtsarbeit 21,5 Punkte (zuvor: 19,5) sowie für die dritte Aufsichtsarbeit insgesamt 46,0 Punkte (zuvor: 44,5). An den ursprünglichen Noten für die jeweilige Aufsichtsarbeit änderte diese zusätzliche Punktevergabe allerdings nichts. Im Mai 2005 hat der seinerzeitige Vorsitzende des 4. Senats des FG Berlin gegenüber dem Beklagten die Empfehlung ausgesprochen, generell die Bewertungspunkte hinsichtlich derjenigen Prüflinge für die ertragsteuerliche Klausur anzuheben, deren Klagen noch anhängig seien. Daraufhin haben die Prüfungsausschüsse des Landes ...wegen des besonderen Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung bei der zweiten Aufsichtsarbeit (Ertragsteuern) beschlossen, den Prüfungsmaßstab dahingehend zu ändern, dass sie das Punkteschema von 100 auf 80 maximal zu erreichende Punkte anpassten. Allerdings hat auch die Änderung des Bewertungsmaßstabes auf maximal 80 erreichbare Punkte für die zweite Aufsichtsarbeit zu keiner besseren Bewertung der betreffenden Arbeit bei der Klägerin geführt. Vielmehr hat sich an der zuvor vergebenen Gesamtnote von 5,5 insoweit nichts geändert.

Die Klägerin begründet ihre Klage wie folgt: Das Prüfungsverfahren habe gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Fairness verstoßen, demnach habe die Prüfung die in Artikel (Art.) 12 und 3 Grundgesetz (GG) verankerten Grundrechte verletzt. Die Aufgabenstellungen seien völlig überfrachtet gewesen. In der vorgegebenen Zeit sei es nicht möglich gewesen, die Klausuren in angemessener Weise zu bearbeiten. Das fehlerhafte Prüfverfahren werde auch durch die überaus hohe Durchfallquote in ... indiziert. Während in anderen Ländern die Durchfallquote ca. 50 v. H. betragen habe, habe sich diese Quote in ... auf rund 85 v. H. bei der schriftlichen Prüfung belaufen. Insoweit genüge auch allein das durch den Prüfungsausschuss konkret durchgeführte Anheben des Prüfungsmaßstabs für die zweite Aufsichtsarbeit nicht. Vielmehr hätte der Maßstab für alle drei Arbeiten pauschal angehoben werden müssen.

Die Fehlerhaftigkeit des Prüfverfahrens komme auch in den großen Abweichungen zwischen dem Erst- und dem Zweitkorrektor zum Ausdruck. Im Übrigen seien zahlreiche Prüferentscheidungen nicht in hinreichender Weise nachvollziehbar. Dies lege die Vermutung nahe, dass die Prüfer ihr Prüferermessen nicht hinreichend ausgeübt hätten. Auch das Überdenkungsverfahren sei nicht ernsthaft durchgeführt worden und daher fehlerhaft. Insgesamt hätten jedenfalls die Prüfer den Notenrahmen nicht voll ausgeschöpft. Schließlich gehe auch das Punkteschema von völlig überspannten Anforderungen aus. Dies hätten die Prüfer bei der Korrektur beachten und sachgemäße Abweichungen von dem Punkteschema im Rahmen ihrer unabhängigen Prüfungsentscheidung in Betracht ziehen müssen.

Die Aufgabenstellung für die erste Aufsichtsarbeit erweise sich als zu komplex. Zudem handele es sich bei der angesprochenen Steuerhinterziehung um einen Themenkreis, der in einer Steuerberaterprüfung nichts zu suchen habe. In zahlreichen Einzelpunkten habe sie, die Klägerin, zudem sachlich zutreffende Ausführungen gemacht, die die Vergabe weiterer einzelner Punkte erfordere. Statt der zunächst vergebenen 36,5 Punkte hätten demzufolge 61,5 Punkte zuerkannt werden müssen.

Bei der zweiten Aufsichtsarbeit liege angesichts der Komplexität und Stofffülle ebenfalls ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Auch insoweit hätten die Prüfer angesichts der zutreffenden oder zumindest vertretbaren Ausführungen weitere Punkte, insgesamt 75,5 zuerkennen müssen.

Im Hinblick auf die dritte Aufsichtsarbeit sei die geforderte erschöpfende Darstellung durch die Prüflinge unmöglich gewesen. Im Übrigen hätten statt der zuerkannten 45 Punkte tatsächlich 72,5 Punkte vergeben werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 19.12.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die drei Aufsichtsarbeiten unter Anhebung der Gesamtnote von 0,5 bis 1,5 Notenpunkten neu zu bewerten und zu bescheiden und die Klägerin zur mündlichen Prüfung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten besagt die hohe Durchfallquote allein nichts zur angeblichen Rechtswidrigkeit des Prüfungsverfahrens. Tatsächlich seien die Klausuren anspruchsvoll, insgesamt aber gleichwohl angemessen gewesen. Dem Umstand der hohen Durchfallquote hätten die Prüfungskommissionen immerhin insoweit Rechnung getragen, als sie für die Ertragsteuerklausur die Anforderungen gesenkt hätten. Angesichts der von den Prüfern übersandten Einzelbegründungen komme eine Vergabe weiterer Punkte, wie von der Klägerin gefordert, nicht in Betracht.

Der Senat verweist im Übrigen auf den weiteren Inhalt der übersandten Akten und nimmt Bezug insbesondere auf die eingereichten Schriftsätze sowie die einzelnen Stellungnahmen der Prüfer.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Die Prüfungsentscheidung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist daher nicht verpflichtet, die Aufsichtsarbeiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bewerten und die Klägerin zur mündlichen Prüfung zuzulassen (§ 101 Finanzgerichtsordnung [FGO]).

I.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bilden Prüfungsentscheidungen im Grundsatz höchstpersönliche Werturteile, die nur in eingeschränktem Umfang einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich sind, vgl. etwaUrteil vom 30. Januar 1979 - VII R 13/78, Bundessteuerblatt (BStBl.) II 1979, 417 (418);Urteil vom 03.02.2004 VII R 32/01, BStBl. II 2004, 842 (843). Hiernach kann ein Gericht lediglich überprüfen, ob die Prüfungsentscheidung an fachlichen Mängeln leidet, ob der Prüfungsausschuss oder die einzelnen Prüfer gegen allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verstoßen, insbesondere den prüferischen Bewertungsspielraum überschritten haben und ob die für die Prüfung maßgebenden Verfahrensbestimmungen eingehalten worden sind.

I.2. Die Klägerin macht zunächst generell eine Überspannung der Prüfungsanforderungen im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung sowie der Klausurenbewertung geltend. Auf diese Weise misst die Klägerin dem Merkmal der Überspannung von Prüfungsanforderungen einen eigenständigen Wert bei und hält dieses Merkmal einer isolierten gerichtlichen Überprüfung für zugänglich. In gleicher Weise sieht sie die Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung als für das Gericht überprüfbar an. Diese Erwägungen vermögen der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen. Allein hohe Prüfungsanforderungen, die sich im Einzelfall auch in besonders hohen Durchfallquoten niederschlagen können, vermögen regelmäßig einen derartigen Prüfungsmangel nicht zu begründen (ebenso im Ergebnis: BFH, Beschluss vom 20.12.2005 - VII B 254/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH [BFH/NV], 2006, 832 [833]; FG Hamburg, Urteil vom 31. August 2005 - V 2/04, Entscheidungen der Finanzgerichte [EFG] 2006, 217 [218 f]; Hessisches FG, Urteil vom 26. April 2005 - 13 K 427/04, nicht veröffentlicht (n. v.), Seite (S.) 8). Eine hohe Misserfolgsquote ist für sich genommen nicht geeignet, eine angegriffene Prüfungsentscheidung mit Erfolg als rechtswidrig zu beanstanden (in diesem Sinne auch: BFH, Urteil vom 08.02.2000 - VII R 52/99, BFH/NV 2000, 755 [757 f] mit weiteren Nachweisen [m.w.N.]).

In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, dass die Aufgabenstellungen zwangsläufig in jedem Jahr in ihrem Schwierigkeitsgrad schwanken. Stofffülle, Schwerpunktbildung wie auch die Gesamtgestaltung in einem Jahr lassen einen Klausurensatz praktisch nie vergleichbar ausfallen mit den Aufsichtsarbeiten eines anderen Jahres. Dementsprechend müssen auch die Prüfer in jedem Jahr ihre Anforderungen an die jeweiligen Aufgabenstellungen anpassen. Gleichwohl sind zum Teil erhebliche Schwankungen bei den Bewertungsergebnissen nicht zu vermeiden. Diesbezügliche -zum Teil auch erhebliche -Unterschiede in den Anforderungen sind Ausfluss des Prüfungssystems und begründen regelmäßig nicht die Rechtswidrigkeit von Prüfungsentscheidungen. Hiernach beinhaltet der Klausurensatz der Steuerberaterprüfung 2003 eine besonders anspruchsvolle Aufgabenstellung. Allerdings ist der Bereich der zulässigen Prüfungsanforderungen nicht überschritten. Dies kommt auch in dem Umstand zum Ausdruck, dass bei den zu dieser Prüfung ergangenen veröffentlichten Gerichtsentscheidungen kein Gericht die Auffassung vertreten hat, die Aufgabenstellungen als solche hätten gegen anerkannte Prüfungsgrundsätze verstoßen.

I.3. Angesichts dieser Besonderheiten einer schriftlichen Steuerberaterprüfung stellt auch die überdurchschnittlich hohe Durchfallquote bei der Prüfung des Jahres 2003 keinen zwingenden Grund dar, den schwerwiegenden Verstoß gegen sachgerechte Prüfungsanforderungen zu bejahen. Denn den Prüfern war das anspruchsvolle Niveau der Aufsichtsarbeiten bekannt. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch den Umstand beachtet, dass das seinerzeit zuständige Finanzgericht Berlin eine pauschale Herabsetzung des Prüfungsmaßstabs angeregt hat. Indem die Prüfungsausschüsse diese Anregung aufgenommen haben, haben sie in besonderer Weise dem hohen Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung bei der Steuerberaterprüfung 2003 Rechnung getragen. Tatsächlich handelt es sich bei dem Modifizieren des Prüfungsschemas um eine geeignete Möglichkeit, dem besonderen Schwierigkeitsgrad einer Aufsichtsarbeit Rechnung zu tragen (ebenso: Hessisches FG, Urteil vom 26. April 2005 - 13 K 427/04, n. v., S. 11; FG Hamburg, Urteil vom 31.05.1999 -V 47/96, n. v., S. 6). Entgegen der Auffassung der Klägerin konnten die Prüfungsausschüsse diese Modifikation wählen und waren nicht etwa gezwungen, pauschal jede Klausurbewertung um 0,5 Punkte anzuheben. Denn eine derartige pauschale Anhebung hätte gleichermaßen zu (mindestens ebenso) gravierenden Verwerfungen bei der Notenvergabe geführt wie das Herabsetzen der maximalen Punktzahl. Im Ergebnis hat -wie der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat -diese Änderung des Prüfungsmaßstabes bei zahlreichen Prüflingen dazu geführt, dass die Bewertung der Klausurleistungen anzuheben war. Vor diesem Hintergrund konnten die Prüfer ohne Rechtsverstoß die Leistungen der Klägerin im Ergebnis als nicht ausreichend ansehen, um die schriftliche Prüfung zu bestehen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die hohe Durchfallquote ebenfalls nicht den Schluss auf eine fehlerhafte Konzeption der Klausuren rechtfertigt. Bundesweit nämlich schwanken die Durchfallquoten zwischen 45 und 80 v. H. im Laufe der Jahre. Maßgebliche Bedeutung für das Ergebnis einer Prüfung und demzufolge für die Höhe der Durchfallquote kann etwa auch das unterschiedliche Leistungsniveau der Bewerber haben. Deren Zusammensetzung schwankt in den einzelnen Bundesländern von Jahr zu Jahr und unterscheidet sich innerhalb eines Jahres etwa auch nach der Anzahl der Wiederholer, die möglicherweise zu einer eher leistungsschwächeren Gruppe rechnen. Hiernach vermag allein eine hohe Durchfallquote, die auf einer ganzen Reihe von Ursachen beruhen kann, die Fehlerhaftigkeit der Konzeption der Aufgabenstellung nicht zu begründen.

II.1. Entgegen den Ausführungen der Klägerin hat der Beklagte rechtsfehlerfrei die Klägerin nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen. Bei der Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten hat der zuständige Prüfungsausschuss die Grenzen des ihm zustehenden Bewertungsspielraums gewahrt. Die gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen verlangt nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, zwischen dem Überprüfen fachlicher Fragen einerseits und der Kontrollprüfung spezifischer Wertungen andererseits zu unterscheiden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 17. April 1991 1 BVR 419/81, 213/83, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1991, 2005 [2007]; Beschluss vom 17. April 1991 1 BVR 1529/84, 138/87, NJW 1991, 2008 [2010]). Das in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Grundrecht auf freie Berufswahl, das durch die Zulassungsprüfung zum Beruf des Steuerberaters eingeschränkt wird, gebietet eine gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen, wobei das Durchsetzen des Rechts auf gerichtliche Überprüfung durch das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet wird. Diese umfassende gerichtliche Kontrolle beschränkt sich aber nur auf die fachlichen Fragen. Unter Fachfragen, die im prüfungsrechtlichen finanzgerichtlichen Verfahren voller gerichtlicher Prüfung unterliegen, sind alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind. Hierunter fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden (vgl. hierzu: FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 19.02.2003 - 2 K 316/02, EFG 2003, 731, m.w.N.). Soweit die Prüfer hingegen prüfungsspezifische Fragen beurteilen, steht ihnen ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Prüfer haben bei der Benotung nämlich nicht nur die fachliche Richtigkeit der Antwort zu bewerten, sondern auch Einschätzungen und Erfahrungen zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus ihren bisherigen Prüfungen sowie aus dem Vergleich des betreffenden Kandidaten mit seinen Mitbewerbern ergeben. Prüfungsnoten stehen daher in einem Bezugssystem, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer mit beeinflusst wird (zum Nachweis, vgl. FG des Landes Brandenburg, am angegebenen Ort [a.a.O.], S. 231). Der Prüfer kann so beispielsweise die Leistungen des Kandidaten gegenüber den Fähigkeiten der anderen Kandidaten einordnen oder aber einschätzen, welchen Schwierigkeitsgrad die Aufgabenstellung aufweist und wie sie von der Gesamtheit der Kandidaten verstanden wurde. Die Prüfer dürfen auch in der Steuerberaterprüfung Klarheit und Systematik der Darstellung sowie der Vollständigkeit und Prägnanz der Begründung richtiger Lösungen wesentliches Gewicht beimessen. Ihre diesbezügliche Beurteilung liegt maßgeblich nicht auf fachwissenschaftlichem Gebiet und kann von dem FG nur dann beanstandet werden, wenn sie offensichtlich nicht vertretbar ist. Im Rahmen des sogenannten Überdenkungsverfahrens haben die Prüfer die Einwände eines Prüflings gegen Bewertungen seiner Prüfungsleistungen nach denselben Kriterien zu überdenken, die auch für die ersten -von einem Bewerber beanstandeten -Bewertungen gegolten haben. Führen die Einwände des Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen im verwaltungsinternen Kontrollverfahren nicht zum Erfolg und damit nicht zu einer Änderung des Prüfungsergebnisses, so hat das Gericht in dem anschließenden Klageverfahren nur eine (zusätzliche) Rechtmäßigkeitskontrolle der Prüfungsentscheidung vorzunehmen (FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 19. Februar 2003, a.a.O., S. 231). Ob und in welcher Weise bei Anwendung eines Punkteschemas Punkte jeweils zu vergeben und wie einzelne Prüfungsbestandteile zu gewichten sind, ist hiernach in weitgehendem Umfang der finanzgerichtlichen Kontrolle entzogen. Bei der Vergabe von Punkten verbleibt dem Prüfer ein weiter Beurteilungsspielraum (ebenso: BFH, Urteil vom 21. Mai 1999 - VII R 34/98, BStBl. II 1999, 573 [574]). Eine von der Prüfungsbehörde erstellte Musterlösung und die in ihr für die einzelnen Lösungsschritte vorgeschlagenen Punkte sind keine für die Prüfer verbindlichen Vorgaben, die deren höchstpersönlichen Bewertungsspielraum einschränkten. Ob missverständliche, fragmentarische, unpräzise, mehr oder weniger falsche Antworten (noch) einen Punkt verdienen, ist der Kontrolle seitens der Gerichte entzogen (BFH, Beschluss vom 09. März 1999 - VII S 14/98, BFH/NV 1999, 1133 [1135]).

Hiernach ist bei einer gerichtlichen Kontrolle zunächst der entscheidungserhebliche Sachverhalt festzustellen. Dazu gehört insbesondere zu ermitteln, was bei der Lösung der Prüfungsaufgaben richtig oder falsch war. Ferner, ob der Prüfling die von ihm danach geforderten Antworten gegeben hat und wie gegebenenfalls seine schriftlichen Darlegungen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu verstehen sind; welche Vorzüge und Mängel die Leistung des Prüflings sonst im einzelnen aufweist; schließlich, wie die Leistungen des Prüflings von den Prüfern beurteilt und bewertet worden sind, welche Antworten diese zum Beispiel als falsch beanstandet haben, welche Mängel sie sonst gerügt und welches Gewicht sie denselben für die Gesamtbewertung der Prüfungsleistung beigelegt haben; endlich, welches Gewicht die Prüfer einzelnen Teilen der Aufgabe aufgrund ihres prüfungsspezifischen Bewertungsvorrechts zumessen durften und ob sie bei der Bewertung der Mängel und Vorzüge der Leistungen des einzelnen Prüflings die Grenzen ihres prüferischen Beurteilungsspielraums beachtet haben (FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 19.02.2003, a.a.O., S. 731 [732] m. N.).

In diesem Zusammenhang ist es insbesondere nicht zu beanstanden, wenn Prüfer zutreffende Ausführungen zu relevanten Einzelpunkten deshalb nicht oder allenfalls als unbedeutende Leistung bewerten, weil sie nicht sinnvoll geordnet oder nicht prägnant bzw. sogar zusammenhanglos dargestellt und ohne deutlichen Bezug zur geforderten Falllösung erscheinen. Ein Bewertungsfehler kann daher insbesondere nicht durch eine in die Einzelpunkte aufgegliederte Gegenüberstellung von Teilen der Musterlösung und der Klausurbearbeitung nachgewiesen werden. Die in der Musterlösung vorgeschlagenen Punkte bilden lediglich die Grundlage dafür, einzelne Teile der Aufgabenstellung zu gewichten. Die in der Musterlösung vorgeschlagenen Punkte sollen demnach den Abgleich einzelner Teile der Aufgabenstellung nach ihrer Bedeutung und Schwierigkeit erleichtern helfen (ebenso: BFH, Urteil vom 21. Mai 1999 - VII R 34/98, BStBl. II 1999, 573 [574]). Folglich kann die Vergabe eines Punktes nicht bereits dann beansprucht werden, wenn ein Prüfling sich irgendwie zu dem Lösungsweg geäußert hat, der in der Musterlösung angesprochen ist. Vielmehr dürfen die Prüfer Klarheit und Systematik der Darstellung sowie die Vollständigkeit und Prägnanz der Begründung richtiger Lösungen bei der Zumessung der in der Musterlösung nur in Form von Höchstwerten ausgewiesenen "Wertpunkte" wesentliches Gewicht beimessen. Dabei liegt die diesbezügliche Beurteilung der Prüfungsleistung im Wesentlichen nicht auf fachwissenschaftlichem Gebiet. Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle der Prüfungsentscheidung kann diese Beurteilung nur beanstandet werden, wenn sie offensichtlich nicht vertretbar ist, insbesondere weil die Prüfer für ihre Bewertung vernünftige Gründe nicht angeführt haben oder die Prüfer einzelne richtige Teile der Bearbeitung ersichtlich überhaupt nicht bewertet haben (ebenso: FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 19.02.2003, a.a.O., S. 732 m.w.N.).

II.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag der Senat vor allem hinsichtlich des nach Klageerhebung durchgeführten verwaltungsinternen Kontrollverfahrens keine entscheidungserheblichen prüfungsrelevanten Fehler bei der (Nach-)Bewertung der substantiiert in Frage gestellten Prüfungsleistungen zu erkennen.

II.2.1 Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen den Umstand, dass zwischen den Erstund Zweitkorrektoren zum Teil erhebliche Punktdifferenzen vorlagen. Insoweit ist ein gewichtiger prüfungsrelevanter Fehler der Prüfer nicht erkennbar. Unterschiedliche Punktevergaben sind vielmehr Ausdruck für das intensive Befassen mit den schriftlichen Prüfungsleistungen der Klägerin. Tatsächlich sprechen die im Einzelfall deutlichen Abweichungen für das eigenständige Bewerten der Aufsichtsarbeiten durch die jeweiligen Prüfer. Zudem sind -auch beachtliche -Abweichungen zwischen den einzelnen Bewertungen zwangsläufige Folge der Tatsache, dass mehrere Prüfer mit durchaus unterschiedlichen Präferenzen an dem Bewertungsvorgang teilgenommen haben. Schließlich kommt in den unterschiedlichen Bewertungen gerade auch die fehlende Bindungswirkung des Prüfungsschemas zum Ausdruck

II.2.2 Entgegen den Ausführungen der Klägerin haben die Prüfer in ernsthafter Weise das Überdenkungsverfahren durchgeführt. Sie haben im Zuge dieses Verfahrens weitere Punkte vergeben und ihre Wertungen mit teilweise recht knapper, jedoch ins Einzelne gehenden und zumeist differenzierenden Begründungen unterlegt. Dabei sieht der Senat entgegen der Einschätzung der Klägerin -gerade auch in den zum Teil mehrere Seiten umfassenden Stellungnahmen der Prüfer ein gewichtiges Indiz für das ernsthafte Durchführen des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Zudem haben die Prüfer durchweg im Zuge des Überdenkens weitere Punkte vergeben. Auch dieser Umstand spricht nachdrücklich für das Bemühen der Prüfer, den Leistungen der Klägerin gerecht zu werden.

II.3. Zum überwiegenden Teil wendet sich die Klägerin gegen prüfungsspezifische Entscheidungen der Prüfer, die das Gericht lediglich eingeschränkt überprüfen kann. Diese nur in begrenztem Umfang zulässige Überprüfung durch den Senat ergibt, dass die Prüfer die Grenzen des ihnen zustehenden Spielraums nicht überschritten haben. Die Klägerin hat nämlich nicht in einer für das Gericht nachvollziehbaren und hinreichend klaren Weise geltend gemacht, dass dem Prüferausschuss fachliche Fehler unterlaufen seien.

II.3.1 Ohne Erfolg macht die Klägerin zunächst geltend, in der Vergangenheit seien für allgemeine Ausführungen in der Klausur stets Punkte vergeben worden. Dem Senat ist bekannt, dass in der Tat die Prüfungsausschüsse auf unterschiedliche Weise derartige "allgemeine Ausführungen" bewerten. Allerdings stellt es nach allgemeinen Grundsätzen keinen Rechtsverstoß dar, wenn ein Prüfungsausschuss angesichts der konkreten Fragestellungen für allgemeine Ausführungen keine (weiteren) Punkte vergibt.

II.3.2 Soweit die Klägerin unter Hinweis auf das Punkteschema die Vergabe weiterer Punkte verlangt, kann sie hiermit nicht durchdringen. Das Punkteschema ist keine geeignete Grundlage, die Vergabe einzelner Punkte zu erzwingen. Hiergegen spricht insbesondere der nicht bindende Charakter des Schemas. Dementsprechend kann der Vortrag der Klägerin auch nicht durchgreifen, die Prüfer hätten die Lösungsansätze in den Klausuren, auch soweit sie von der Musterlösung abwichen, als Alternativlösungen zulassen und durch die Vergabe von Punkten honorieren müssen. Die fehlende Bindung an das Punkteschema lässt zunächst den Umstand irrelevant erscheinen, dass die Musterlösungen selbst keine Alternativwertungen enthielten. Zudem ist für den Senat nicht erkennbar, dass die Prüfer die -im vorstehenden Sinne alternativen -Ausführungen der Klägerin bei der Klausurbearbeitung nicht nachvollzogen und willkürlich keine Punkte vergeben hätten. Vielmehr haben sich die Prüfer in zulässiger Weise mit den einzelnen Gesichtspunkten auseinandergesetzt, die die Klägerin ausgeführt hat. Ohne Rechtsverstoß konnten die Prüfer zu der Wertung gelangen, dass die Klausurbearbeitungen der Klägerin die Vergabe weiterer ganzer oder halber Punkte nicht erzwinge. Soweit die Klägerin etwa bei der zweiten Aufsichtsarbeit (Ertragsteuern) unter Hinweis auf das nach ihrer Auffassung fehlerhafte Prüfungsschema die Vergabe weiterer Wertungspunkt bei den Klausurpunkten Nr. 49 und 50 sowie Nr. 51 bis 55 (Schriftsatz vom 30.04.2004, S. 11 [Finanzgerichtsakte, Blatt 30]) verlangt, folgt ihr der Senat nicht. Denn zunächst ist es angesichts der fehlenden Bindungswirkung ohne Bedeutung, ob das Prüfungsschema einen Fehler enthält oder nicht. Vor allem aber haben die Prüfer in ihren Stellungnahmen zum Vorbringen der Klägerin deutlich gemacht, dass und aus welchen Gründen sie die konkreten Ausführungen der Klägerin in den Aufsichtsarbeiten lediglich mit null Punkten bewerten (Stellungnahmen von Frau ... vom 02.06.2004 [Finanzgerichtsakte, Blatt 66] sowie von Frau ... vom 15.09.2004, [Finanzgerichtsakte, Blatt 69]).

Ohne Erfolg verlangt die Klägerin des Weiteren etwa bei der dritten Aufsichtsarbeit, Teil III zu den Wertungspunkten Nr. 66 und 79 die Vergabe weiterer Punkte (Schriftsatz vom 30.04.2004, S. 17 und 18 [Finanzgerichtsakte, Blatt 36 f]). Es ist nicht zu beanstanden, wenn etwa der Prüfer Herr ..., Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, insoweit bei Nr. 66 nur die Vergabe eines (weiteren) halben Punktes zugestanden und wegen des Fehlens von ergänzenden Ausführungen insbesondere zur Rechtsgrundlage die Vergabe weiterer Punkte ebenso abgelehnt hat wie bei den Punkten Nr. 79 und 80 (Stellungnahme vom 10.07.2004, S. 4 [Finanzgerichtsakte, Blatt 157]). Es entspricht anerkannten Prüfungsgrundsätzen, dass ein Prüfer bei unvollständigen Bearbeitungen oder Bearbeitungen, die sich nur teilweise als zutreffend erweisen, lediglich in eingeschränktem Umfang Punkte vergibt.

Im Ergebnis verkennt die Klägerin die Grenzen der Überprüfungsmöglichkeiten seitens des Gerichts, wenn sie die Vergabe von zahllosen weiteren Wertungspunkten unter Hinweis auf einzelne -ihr zutreffend erscheinende -Ausführungen verlangt. Ein derartiges "Herauspicken" einzelner Punkte vor dem Hintergrund einer nicht verbindlichen Musterlösung erweist sich als nicht zulässig. Denn in erster Linie sind die Prüfungsausschüsse verpflichtet, aus dem Gesamteindruck sämtlicher Prüflinge deren Leistungen zu beurteilen. Hierbei ist die Leistung eines Prüflings insgesamt zu berücksichtigen. Wenn die Ausführungen eines Prüflings -wie häufig -eine kaum trennbare Mischung aus fehlerhaften, zutreffenden und rechtlich noch vertretbaren Einzelaspekten darstellen, die zumeist auch noch mit völlig fehlenden Ausführungen zu einzelnen Gesichtspunkten einhergehen, vermögen regelmäßig lediglich die Prüfer aus der Gesamtschau einer Klausurenbearbeitung angemessene Bewertungen vorzunehmen.

In diesem Zusammenhang ist schließlich auch der Umstand zu berücksichtigen, dass die Klägerin etwa für die zweite Aufsichtsarbeit auch nach Absenken der maximalen Punktzahl lediglich 21,5 Punkte (Note: 5,0) erzielt hat. Tatsächlich wäre die Vergabe von weiteren 2,5 Punkten erforderlich gewesen, um mit 24 Punkten die Note 4,5 zu erzielen. Selbst wenn die Prüfer also einen oder zwei Punkte rechtsfehlerhaft -weil sie zum Beispiel Ausführungen der Klägerin irrtümlich überlesen oder völlig missverstanden hätten -nicht vergeben hätten, wäre die von der Klägerin angestrebte Notenanhebung nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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