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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.05.2007
Aktenzeichen: 12 K 4192/06 B
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 4192/06 B

Widerruf der Bestellung als Steuerberater

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Mai 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts .....,

die Richterin am Finanzgericht .....,

den Richter ....... sowie

die ehrenamtlichen Richterin ...... und

den ehrenamtlichen Richter .......

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger wurde 1979 zum Steuerbevollmächtigten und 1987 zum Steuerberater bestellt.

Im April 2003 beliefen sich die Steuerrückstände des Klägers auf insgesamt ... EUR. Dabei entfielen ... EUR auf die Hauptforderungen und ... EUR auf Säumniszuschläge. Zwar hatte der Kläger von Juni 2002 bis Januar 2003 Zahlungen auf rückständige Steuerverbindlichkeiten in Höhe von (i.H.v.) ... EUR geleistet. Allerdings waren in diesem Zeitraum neue Steuerrückstände i.H.v. rund ... EUR entstanden. Nachdem der Kläger -wie schon in den Jahren zuvor sowie in der Folgezeit -verschiedene Tilgungsvereinbarungen mit dem für ihn zuständigen Finanzamt ... nicht eingehalten hatte, wuchsen seine Steuerrückstände insgesamt bis Anfang 2005 auf ... EUR. Davon entfielen ... EUR auf die Hauptforderungen und ... EUR auf Säumniszuschläge. Im September 2005 betrugen die Rückstände insgesamt ... EUR, wovon ... EUR auf die eigentlichen Steuerschulden und ... EUR auf Säumniszuschläge entfielen.

Ausweislich der Angaben des Finanzamts ... gab der Kläger über viele Jahre hinweg verschiedene Umsatzsteuervoranmeldungen und Jahressteuererklärungen erst mit -teilweise erheblicher -Verspätung ab. Am ...2005 vereinbarten das Finanzamt und der Kläger Ratenzahlungen, die unter anderem eine Sonderzahlung bis zum ...2005 über ... EUR umfasste. Auch diese Sonderzahlung leistete der Kläger nicht. Auf eine für April 2005 zugesagte Zahlung in Höhe von ... EUR leistete der Kläger im April 2005 lediglich einen Betrag in Höhe von ... EUR. Trotz entsprechender Tilgungsvereinbarungen entstanden zudem -für den Zeitraum Januar bis August 2005 -weitere Rückstände für Lohnsteuer in Höhe von ... EUR und für Umsatzsteuer in Höhe von ... EUR. Von Mai 2005 bis April 2006 waren weitere neu hinzugekommene Rückstände in Höhe von insgesamt ... EUR zu verzeichnen.

Der Beklagte widerrief durch Verfügung vom ... 2006 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) die Bestellung des Klägers als Steuerbevollmächtigter und Steuerberater. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Kläger in Vermögensverfall geraten sei. Insbesondere beliefen sich die rückständigen Steuerverbindlichkeiten im April 2006 auf insgesamt rund ... EUR. Zudem habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er seine wirtschaftlichen Verhältnisse beherrsche.

Der Kläger begründet seine Klage wie folgt: Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung seien nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei er, der Kläger, nicht vermögenslos. Vielmehr verfüge er, der Kläger, über ausreichendes Vermögen. Einem Aktivvermögen i.H.v. rund ... EUR ständen lediglich Verbindlichkeiten i.H.v. rund ... EUR gegenüber. Demzufolge sei von einem Nettovermögen i.H.v. ... EUR auszugehen. Weiterhin seien beachtliche Beträge zur Rückführung der Steuerverpflichtungen geleistet worden. Insgesamt komme er, der Kläger, seinen laufenden Verpflichtungen nach. Soweit in den letzten Jahren weitere Steuerschulden neu hinzugekommen seien, beträfen diese Zeiträume, die vor dem Jahre 2003 lägen.

In diesem Zusammenhang erweise sich im Übrigen die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als verfassungswidrig. Allein Steuerschulden i.H.v. etwa 25.000,00 EUR indizierten keinesfalls, wie der BFH unterstelle, das Vorliegen ungeordneter Vermögensverhältnisse.

Der Kläger beantragt,

den Widerrufbescheid vom ... 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Auffassung des Beklagten sind die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG erfüllt. Der insoweit nachweisbelastete Kläger habe nämlich keine entsprechenden Unterlagen beigebracht, nach denen er tatsächlich über ein Nettovermögen i.H.v. ... EUR verfüge. Zudem seien zeitweilig weitere laufende Steuerrückstände i.H.v. insgesamt ... EUR (Abschlusszahlungen für die Veranlagungsjahre 2001 und 2003 zur Einkommensteuer und Umsatzsteuer sowie laufende Umsatzsteuervorauszahlungen ab April 2005) hinzugekommen.

Angesichts der tatsächlich ausgebrachten und weiterhin drohenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des zuständigen Finanzamts sei auch von den potenziellen Gefahren für die Mandanten des Klägers auszugehen, denen die Regelung in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG Rechnung trage.

Ausweislich eines Schreibens des Finanzamts ... vom 03. Mai 2007 hat der Kläger im November 2006 mit dem Amt eine Zahlungsvereinbarung geschlossen, die er seitdem auch eingehalten hat. Hiernach hatte der Kläger in den vorangehenden sechs Monaten insgesamt ... EUR auf bestehende Rückstände und laufende Steuern bezahlt. Somit seien derzeit noch ... EUR an Steuern (ohne Säumniszuschläge) offen. Nach einer Sonderzahlung im Mai 2007 über ... EUR solle der Kläger die restlichen Steuerschulden in fünf monatlichen Raten von jeweils ... EUR begleichen. Sofern der Kläger im Übrigen kurzfristig die Hälfte der Säumniszuschläge bezahle, werde der Erlass der weiteren Hälfte zugesichert. Tatsächlich hat der Kläger die Ablichtung eines Überweisungsbelegs eingereicht, nach dem er im Mai die zugesagte Sonderzahlung über ... EUR geleistet hat.

Auf den weiteren Inhalt der dem Gericht übersandten Unterlagen sowie der finanzgerichtlichen Akte nimmt der Senat Bezug.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet. Der Widerrufsbescheid vom ... 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG sind erfüllt. Der Kläger ist in Vermögensverfall geraten. Ein derartiger Vermögensverfall liegt vor, wenn sich der Schuldner in ungeordneten, schlechten finanziellen Verhältnissen befindet, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (BFH, Urteil vom 22. August 1995 - VII R 63/94, BStBl. II 1995, 909 [910]). Ein Vermögensverfall ist demnach erst dann beseitigt, wenn der Schuldner mit den Gläubigern der (titulierten) Forderungen Vereinbarungen getroffen hat, die erwarten lassen, dass es zu keinen weiteren Vollstreckungsmaßnahmen mehr kommen wird.

Ungeachtet der erheblichen Zahlungen an das Finanzamt ... in den vergangenen Monaten ist der Kläger nach wie vor mit nennenswerten finanziellen Verpflichtungen belastet. Die eigentlichen Steuerrückstände belaufen sich auf rund ... EUR, hinzu kommen Säumniszuschläge i.H.v. etwa ... EUR. Zwar hat der Kläger ausweislich der Bescheinigung des Finanzamts ... vom ... 2007 im November 2006 eine Zahlungsvereinbarung mit dem Amt getroffen und die diesbezüglichen Verpflichtungen seitdem eingehalten. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Kläger ausweislich der verschiedenen Mitteilungen des für ihn zuständigen Finanzamts an den Beklagten in der Vergangenheit absprachewidrig weitere Steuerrückstände hat entstehen lassen sowie zugesagte Sonderzahlungen nicht geleistet hat. Wiederholt hat der Kläger seine Zusagen im Rahmen von Zahlungsvereinbarungen nicht eingehalten. Zudem hat der Kläger mehrfach trotz entgegenstehender Zusagen -neu entstandene Steuerschulden nicht rechtzeitig beglichen.

An dieser Einschätzung ändert der in Aussicht gestellte Teilerlass der bislang entstandenen Säumniszuschläge nichts. Denn dieser Erlass kommt nur in Betracht, wenn der Kläger seine sämtlichen Zahlungsverpflichtungen zukünftig fristgerecht einhält. Dies erscheint angesichts des Zahlungsverhaltens des Klägers in der Vergangenheit aber keinesfalls als gesichert. Zudem bezieht sich die Erlasszusage nur auf die Hälfte der entstandenen Säumniszuschläge, so dass der Kläger in jedem Falle mit der Zahlung von rund ... EUR für diese Zuschläge noch belastet ist.

Angesichts der nach wie vor beachtlichen, noch viele Monate andauernden Zahlungsverpflichtungen des Klägers und der erneut drohenden Vollstreckungsmaßnahmen, sofern der Kläger auch nur mit einer Ratenzahlung in Verzug gerät, lebt der Kläger nach wie vor nicht in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Vor diesem Hintergrund genügen auch allein die Behauptungen des Klägers nicht, über ein positives Vermögen zu verfügen. Zum einen hat der Kläger diese Darstellung in keiner Weise mit geeigneten Unterlagen belegt. Zum anderen ist der Kläger angesichts der Höhe der zwischenzeitlich entstandenen Rückstände seit Jahren nicht im Stande, den von ihm mehrfach zugesagten zügigen Abbau der Steuerrückstände einschließlich der aufgelaufenen Säumniszuschläge tatsächlich vollständig zu verwirklichen. Vielmehr haben sich im Gegenteil wiederholt die Rückstände des Klägers erhöht.

Der Kläger hat auch nicht den Nachweis erbracht, dass der Vermögensverfall die Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährde. Tatsächlich geht der Gesetzgeber ausweislich der Regelung in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG beim Vorliegen des Vermögensverfalls grundsätzlich davon aus, dass die Interessen der Auftraggeber gefährdet sind. Trotz seiner diesbezüglichen Darlegungs- und Feststellungslast (vgl. hierzu: BFH, Urteil vom 04. April 1995 VII R 74/94, BFH/NV 1995, 1019 [1020]; Beschluss vom 11.01.2007 VII B 193/06, BFH/NV 2007, 985) hat der Kläger jedoch in keiner Weise dargelegt, aus welchem Grunde in seinem konkreten Fall die Interessen seiner Auftraggeber nicht gefährdet seien. Hierbei ist nämlich zu berücksichtigen, dass eine potenzielle Gefährdung der Auftraggeberinteressen im Regelfall bereits in der Tatsache des Vermögensverfalls liegt. Mithin ist ein Nachweis, dass eine solche Gefährdung im konkreten Fall nicht gegeben sei, nur in Ausnahmefällen denkbar (ebenso: BFH, Beschluss vom 28.12.2006 VII B 229/05, BFH/NV 2007, 983 [984). Ein derartiger Ausnahmefall ist jedoch nicht ersichtlich.

In diesem Zusammenhang gewinnt für den Senat der Umstand besondere Bedeutung, dass der Kläger sich in der Vergangenheit wiederholt in eigenen steuerlichen Sachen als unzuverlässig herausgestellt hat (zu diesem Gesichtspunkt, vgl. auch BFH, Beschluss vom 11.01.2007 VII B 193/06, BFH/NV 2007, 985). Denn er ist im Bereich der Lohn- und Umsatzsteuer in den vergangenen Jahren seinen Zahlungsverpflichtungen nicht vollständig nachgekommen. Insoweit hat er selbst bei den ihm wirtschaftlich nicht zustehenden Beträgen nicht die erforderliche, von ihm als Berufsangehörigen in besonderer Weise zu erwartende Sorgfalt beachtet. Angesichts dieses Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit und der nach wie vor ganz erheblichen Steuerrückstände vermag der Senat nicht die Gefahr auszuschließen, dass der Kläger bei weiterhin anhaltendem Druck, den hohe Steuerrückstände und beachtliche Vollstreckungsrisiken verursachen, auch Interessen seiner Mandanten verletzen könnte.

Hierbei berücksichtigt der Senat auch die Tatsache, dass der Kläger als Berufsangehöriger nicht etwa gegenüber Banken oder sonstigen Dritten, sondern gerade im Verhältnis zu der Finanzverwaltung mit erheblichen Schulden belastet ist. Aus diesem Grunde hat er das für ihn zuständige Finanzamt gebeten, dem Beklagten eine wohlwollende Zusicherung etwa zum teilweisen Erlass von Säumniszuschlägen zu übersenden. Zumindest besteht hiernach die ernstzunehmende Gefahr, dass der Kläger gegenüber der Finanzverwaltung die Interessen seiner Mandanten nicht in der gebotenen Weise wahrnimmt. Denn ein Berufsangehöriger, der jahrelang in nennenswertem Umfang seine eigenen steuerlichen Pflichten verletzt, tritt der Finanzverwaltung nicht mit der erforderlichen Unabhängigkeit gegenüber. In jedem Fall ist er im Hinblick auf die eigenen Verfehlungen (verspätete Abgabe von Steuererklärungen, unterlassenes fristgerechtes Leisten von Steuerzahlungen, Nichteinhalten von Zahlungszusagen) in gesteigertem Maße von dem Wohlwollen der Finanzverwaltung abhängig, um vor allem im Zuge von Vollstreckungsvereinbarungen zu vermeiden, dass das für ihn zuständige Finanzamt -zumindest zeitweilig -von (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen absieht. Dies gilt gleichermaßen für den angestrebten Erlass der Säumniszuschläge. Auch in diesem Zusammenhang ist der Kläger jedenfalls im Ansatz auf die wohlwollende Haltung des Finanzamts angewiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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