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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 12 K 8354/03 B
Rechtsgebiete: EStG, KStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 8354/03 B

Körperschaftsteuer 1996

Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 1996 sowie gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1996

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Januar 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ..., die Richterin am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung im Streitjahr 1996.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Jahre 19.. von den Gesellschaftern R. und J. gegründete Kapitalgesellschaft (GmbH) mit einem Stammkapital von 50.000 DM, welches von beiden Gesellschaftern zu gleichen Anteilen gehalten wurde. Beide Gesellschafter waren zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Klägerin bestellt. Gesellschaftszweck der Klägerin ist die Beratung, Planung, Entwicklung und Konstruktion in allen Bereichen des Maschinenbaus und der Fertigungstechnik.

Am 15. Dezember 1995 hielten die Gesellschafter der Klägerin eine Gesellschafterversammlung ab, in der sie u.a. Änderungen der Geschäftsführeranstellungsverträge beschlossen. So wurde die Kündigungsfrist in beiden Anstellungsverträgen der Gesellschafter-Geschäftsführer R. und J. ab dem 1. Januar 1996 auf zwölf Monate zum Jahresende festgelegt. Des Weiteren wurde beschlossen, dass im Falle des fristlosen Ausscheidens eines Geschäftsführers aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag der ausscheidende Geschäftsführer Anspruch auf eine Abfindung von bis zu maximal des 1,5-fachen Betrages seines letzten Gehaltes des letzten Wirtschaftsjahres haben sollte.

Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. Juni 1996 verkaufte der Gesellschafter J. seinen Anteil an der Klägerin im Nominalwert von 25.000 DM nebst dem Gewinnbezugsrecht für 1995 und 1996 zu einem Kaufpreis von 25.000 DM mit Wirkung zum 30. Juni 1996 an den Mitgesellschafter R.. Unter II. des Vertrages ist weiterhin geregelt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer J. ohne Rücksicht auf die Kündigungsfristen des Geschäftsführeranstellungsvertrages mit Wirkung zum 30. Juni 1996 "aus dem Geschäftsführervertrag" ausschied und hierfür von der Klägerin einer Abfindung in Höhe von 265.000 DM, zahlbar in acht unterschiedlich hohen Raten bis zum 1. Februar 1997, erhalten sollte. In einer Gesellschafterversammlung am 28. Juni 1996 beschlossen die Gesellschafter, abweichend von den Regelungen des notariellen Vertrages, die Abfindung an den ausscheidenden Geschäftsführer J. bereits vollständig im Kalenderjahr 1996 auszuzahlen.

Die Klägerin behandelte die Abfindungszahlung in Höhe von 265.000 DM in ihrem Jahresabschluss (GuV) auf den 31.12.1996 als laufenden Personalaufwand. Im Zuge einer steuerlichen Außenprüfung/Betriebsprüfung -Bp-, welche der Beklagte in den Jahren 1999 bis 2002 (mit Unterbrechungen) für die Jahre 1995 bis 1997 bei der Klägerin durchführte, kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass in der Abfindungszahlung an den ausgeschiedenen Gesellschafter-Geschäftsführer J. teilweise - in Höhe von 145.458 DM - eine verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen sei. Nach Auffassung der Prüferin stellte ein Teil der Abfindungszahlung eine verdeckte Kaufpreiszahlung für die durch den Gesellschafter R. vom Gesellschafter J. erworbenen Gesellschaftsanteile dar. Mit seinem Ausscheiden hätte der Gesellschafter J. einen Anspruch auf Ausgleich in Höhe des gemeinen Werts der auf den verbliebenen Gesellschafter R. übertragenen Gesellschaftsanteile gehabt; den gemeinen Wert der Anteile ermittelte die Prüferin nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens mit 1390 %. Unter Berücksichtigung des vom Gesellschafter R. gezahlten Kaufpreises von 25.000 DM errechnete die Prüferin einen Anteil von 45,11% der Abfindungszahlung (= 119.542 DM), der als Betriebsausgabe anerkannt wurde; der darüber hinausgehende Betrag (54,89% von 265.000 DM = 145.458 DM) stellte nach Auffassung der Betriebsprüferin eine verdeckte Gewinnausschüttung dar.

Die Prüferin hatte diese Werte wie folgt errechnet: Bei Annahme eines gemeinen Werts der Anteile von 1390 % war der Anteil des ausgeschiedenen Gesellschafters mit 347.500 DM zu bewerten (25.000 x 1390 % = 347.500). Von diesem Wert zog die Prüferin den gezahlten Kaufpreis von 25.000 DM ab (= 322.500 DM). Sodann addierte sie die gezahlte Abfindung in Höhe von 265.000 DM und den gefundenen Wert von 322.500 DM (= 587.500 DM) und setzte die Beträge der Abfindungszahlung und des Wertes der Anteile ins Verhältnis zu dieser Summe (265.000/587.500 = 45,11% bzw. 322.500/587.500 = 54,89%).

Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am 13. November 2002 die im Streit befindlichen Änderungsbescheide für 1996. Die hiergegen rechtzeitig eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 15. September 2003).

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage folgendes vor: Die Ermittlung der verdeckten Gewinnausschüttung sei rechtsfehlerhaft erfolgt, und zwar sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Der Beklagte habe die Grundsätze des Stuttgarter Verfahrens fehlerhaft angewandt. So sei bei der Ermittlung des Ertragswertes des Unternehmens der Klägerin auch der Gewinn des Jahres 1996 einbezogen worden, obwohl der Anteilsverkauf bereits zum 30. Juni 1996 stattgefunden habe, zu welchem der Gewinn dieses Jahres noch gar nicht festgestanden habe. Bei der Ermittlung des Substanzwertes habe der Beklagte den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den Stichtag 1.1.1995 zu Grunde gelegt, obwohl mangels Überschreitens der Fortschreibungsgrenzen zu diesem Stichtag kein Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt worden sei. Bei zutreffender Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren ergebe sich ein gemeiner Wert der Anteile von 528%. Dieser Wert führe nach dem von der Betriebsprüferin und dem Beklagten angewandten Berechnungsschema zu einer verdeckten Gewinnausschüttung in Höhe von allenfalls 76.223 DM (zur Berechnung vgl. Bl. 15 der Gerichtsakten).

Allerdings sei auch dieser Wert nicht als verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen, da das Stuttgarter Verfahren im Streitfall überhaupt nicht anwendbar sei. Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin sei in § 8 geregelt, dass im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters "der wirkliche Wert des Anteils, ohne Berücksichtigung eines Firmenwerts", auszugleichen sei. Damit hätten sich die Gesellschafter der Klägerin auf eine vom nach den Grundsätzen des Stuttgarter Verfahrens ermittelten gemeinen Wert abweichende Ermittlung des Auseinandersetzungsguthabens verständigt. In dem notariell beurkundeten Anteilsübertragungsvertrag hätten die Gesellschafter übereinstimmend den wirklichen Wert der übertragenen Kapitalanteile mit 25.000 DM, also den Nennwert, ermittelt. Diese vertragliche Vereinbarung müsse auch der Besteuerung zu Grunde gelegt werden. So habe der Bundesfinanzhof -BFH- im Urteil vom 31. Mai 2001 (IX R 78/98 (V), Bundessteuerblatt -BStBl- II 2001, 756) festgestellt, dass die Grundsätze des so genannten Fremdvergleichs es nicht rechtfertigten, anstelle der im Vertrag tatsächlich vereinbarten Leistung der Besteuerung eine höhere Gegenleistung unter Hinweis darauf zugrunde zu legen, dass eine solche unter fremden Dritten gefordert (und erbracht) worden wäre.

Hinzu komme, dass die beiden Gesellschafter der Klägerin schon seit Gründung der Klägerin eine strikte Trennung der Geschäftsbereiche in der Weise vorgenommen hätten, dass jeder der Gesellschafter-Geschäftsführer ein eigenes "Profitcenter" unabhängig vom Bereich des anderen mit seinem Team eigenständig geführt habe. Dementsprechend seien die beiden Geschäftsbereiche des Herrn J. und des Herrn R. über gesonderte Kostenstellenrechnungen zum Zwecke des Nachweises der jeweiligen Leistungsfähigkeit der einzelnen Bereiche in der Buchhaltung getrennt geführt worden. Beim Ausscheiden des Gesellschafters J. sei den Beteiligten aufgrund der Kostenstellenrechnung bekannt gewesen, dass der Bereich des Gesellschafters J. unverändert negativ gewirtschaftet habe, während ausschließlich der Bereich des Gesellschafters R. positiv gewesen sei. Auch aus diesem Grunde seien die Anteile des Gesellschafters J. zutreffend lediglich mit dem Nominalwert bewertet worden.

Schließlich sei auch in der Abfindungszahlung wegen Aufgabe des Arbeitsplatzes an den Gesellschafter J. keine verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen. Nach dem Geschäftsführeranstellungsvertrag hätte Herr J. Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Jahres 1997 gehabt, da arbeitsvertraglich eine Kündigungsschutzfrist von zwölf Monaten zum Jahresende vereinbart gewesen sei. Für den Fall der fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei die Zahlung einer Abfindung von maximal dem 1,5-fachen des Gehalts des letzten Wirtschaftsjahres vereinbart gewesen. Demnach hätte dem ausscheidenden Gesellschafter J. ein arbeitsgerichtlich einklagbarer Abfindungsanspruch von maximal 281.000 DM zugestanden. Der im Einigungswege ausgehandelte Abfindungsbetrag von 265.000 DM sei daher auch steuerlich anzuerkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Körperschaftsteuer und den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1996, jeweils vom 13. November 2002 und in Gestalt der zusammengefassten Einspruchsentscheidung vom 15. September 2003, mit der Maßgabe zu ändern, dass keine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 145.458 DM angesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt der Beklagte im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung Bezug. Zur weiteren Begründung führt er aus:

Im Unterschied zu Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer sei im Streitfall, da es sich bei dem ausgeschiedenen Geschäftsführer zugleich um einen Mitgesellschafter der Klägerin gehandelt habe, auch die Gesellschafterebene zu beurteilen. Mit der Veräußerung seines Geschäftsanteils habe dem ausscheidenden Gesellschafter J. ein Anspruch in Höhe des gemeinen Wertes seiner Anteile an der Klägerin zugestanden. Dieser Wert sei höher gewesen als der vereinbarte Kaufpreis von 25.000 DM für die Anteile im Nominalwert von 25.000 DM; durch die Zahlung der Abfindung in Höhe von 265.000 DM für die Aufgabe des Arbeitsplatzes des ausscheidenden Gesellschafter-Geschäftsführers J. sei teilweise ein verdeckter Kaufpreis für die durch den verbleibenden Gesellschafter R. erworbenen Anteile durch die Klägerin gezahlt worden. In der Übernahme des Kaufpreises sei die verdeckte Gewinnausschüttung zu Gunsten des Gesellschafters R. zu sehen.

Das zur Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile angewandte Stuttgarter Verfahren sei ein Hilfsmittel zur Ermittlung des zutreffenden Werts. Da der Gesellschafter J. zum 30. Juni 1996 ausgeschieden sei, habe der Beklagte einen Mittelwert aus dem Wert der Anteile zum 31.12.1995 und zum 31.12.1996 gebildet. Diese Art der Wertermittlung führe zu einem zutreffenden Ergebnis. Insbesondere verstoße diese Wertermittlung nicht gegen die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages. Dort sei in § 8 Nr. 2 folgendes geregelt:

"Der ausscheidende Gesellschafter ist verpflichtet, seinen Geschäftsanteil an die Mitgesellschafter oder an die Gesellschaft direkt oder an einen von der Gesellschaft zu benennenden Dritten abzutreten. In allen Fällen erhält der Ausscheidende als Vergütung für seinen Geschäftsanteil einen Geldbetrag in Höhe des wirklichen Wertes seines Anteils, ohne Berücksichtigung eines Firmenwertes. Die Zahlung der Vergütung an den Gesellschafter darf nicht zur Auszahlung von Vermögen führen, das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist".

Dieser vertraglichen Vereinbarung seien keine eindeutigen und nachvollziehbaren Kriterien zur Ermittlung des Wertes des veräußerten Anteils zu entnehmen, ein Rückgriff auf die Wertermittlung nach dem Stuttgarter Verfahren sei daher zulässig und geboten.

Für die im notariellen Vertrag vom 27. Juni 1996 vereinbarte und dann auch von der Klägerin gezahlte Abfindung in Höhe von 265.000 DM gebe es keine klare und im Vorhinein getroffene Vereinbarung. In der Gesellschafterversammlung am 15. Dezember 1995 sei für den Fall, dass ein Geschäftsführer fristlos ausscheide, die Höhe der Abfindung auf maximal den 1,5-fachen Betrag seines letzten Gehaltes des letzten Wirtschaftsjahres festgelegt worden. Durch diese Regelung sei der Abfindungsanspruch lediglich der Höhe nach begrenzt worden, ohne dass jedoch ein Mindestanspruch festgelegt worden sei. Der, der Beklagte, habe demnach zutreffend den Wert der Anteile und damit die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung im Wege der Schätzung ermitteln dürfen.

Schließlich komme es für die Ermittlung des Wertes der Gesellschaftsanteile nicht auf den Umstand an, inwieweit der veräußernde Gesellschafter zum Erfolg des Unternehmens der Klägerin beigetragen habe. Nach dem Gesellschaftsvertrag seien die Anteile beider Gesellschafter als gleichwertig anzusehen, da die Gewinnverteilung entsprechend dem Verhältnis der Geschäftsanteile zueinander geregelt sei und nicht nach dem Geschäftserfolg des jeweiligen Anteilseigners.

Im Laufe des Klageverfahrens ist das Finanzamt . für die Besteuerung der Klägerin zuständig geworden. Der Beklagte hat dem Finanzamt für ... die Prozessvollmacht im hiesigen Verfahren erteilt.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Streitakte die vom Finanzamt ... für die Klägerin zur Steuernummer ... geführten Steuerakten (5 Bände) vorgelegen, auf deren Inhalte ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.

Die Klägerin wird durch die angegriffenen Steuerbescheide nicht in ihren Rechten verletzt, da diese nicht rechtswidrig sind (vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte hat das Einkommen der Klägerin im Ergebnis zutreffend um eine verdeckte Gewinnausschüttung erhöht.

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-, der sich der erkennende Senat anschließt, bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages nach § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH, Urteil vom 28. Januar 2004, I R 87/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 736, unter II.1. der Gründe).

Ist der begünstigte Gesellschafter-Geschäftsführer ein sog. beherrschender Gesellschafter, kann die Vermögensminderung auch dann ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, wenn der Leistung an ihn keine klare und im Vorhinein abgeschlossene Vereinbarung zu Grunde liegt (BFH, Urteil vom 9. Juli 2003, I R 36/02, BFH/NV 2004, 88).

Die Klägerin hat ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer R. einen Vermögensvorteil zugewendet, indem sie einen Teil des Kaufpreises, den der Gesellschafter R. für den Erwerb der Gesellschaftsanteile des ausscheidenden Gesellschafters J. zu zahlen hatte, aus ihrem Vermögen beglichen hat. Hierdurch ist das Vermögen der Klägerin gemindert worden; zugleich hat sich diese Zahlung auf den Unterschiedsbetrag gem. § 4 Abs. 1 EStG, also den Gewinn der Klägerin, ausgewirkt, und sie stand nicht im Zusammenhang mit einer offenen Gewinnausschüttung. Die Übernahme der anteiligen Kaufpreiszahlung durch die Klägerin war auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem gesellschaftsfremden Dritten diesen Vermögensvorteil nicht zugewendet hätte.

Der erkennende Senat ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles zu der Überzeugung gelangt, dass durch die vereinbarte Zahlung der Abfindung an den ausscheidenden Gesellschafter-Geschäftsführer J. mindestens in Höhe des vom Beklagten angenommenen Betrages (145.458 DM) die Klägerin verdeckt den Kaufpreis für die vom Gesellschafter J. an den Gesellschafter R. veräußerten und abgetretenen Kapitalanteile an der Klägerin gezahlt hat. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte die von ihm geführte Kapitalgesellschaft aber nicht den Aufwand für den Erwerb von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens eines fremden Dritten tragen lassen, so dass insoweit zutreffend eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen wurde.

Das Gericht qualifiziert die im notariellen Vertrag vom 27. Juni 1996 vereinbarte Abfindungszahlung in Höhe von 265.000 DM an den ausscheidenden Gesellschafter-Geschäftsführer J. als Umgehungsgeschäft. Gemäß § 42 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- kann durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 S. 2 AO). Ein Missbrauch in diesem Sinne liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BFH, Urteil vom 19. August 1999, I R 77/96, BStBl II 2001, 43 unter II. 1. a) der Gründe, m.w.N.).

Die im Streitfall zu beurteilende Vereinbarung einer Abfindungszahlung für die Aufgabe der Geschäftsführerposition bei gleichzeitiger Veräußerung der Geschäftsanteile an der Klägerin zum Nennwert stellt eine unangemessene Gestaltung dar, da sie den hierdurch erstrebten wirtschaftlichen Zielen nicht gerecht wird. Ziel der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern der Klägerin war die Übertragung der Geschäftsanteile des Gesellschafters J. an den verbleibenden Gesellschafter R. unter gleichzeitiger Aufgabe der Position des Geschäftsführers durch den ausscheidenden Gesellschafter J.. Bei angemessener Gestaltung hätten die Vertragspartner beide Vertragsgegenstände, also den Anteilserwerb einerseits und die Aufgabe der Geschäftsführerposition andererseits, mit den zwischen fremden Dritten üblichen Werten abgegolten. Dies ist vorliegend offensichtlich nicht geschehen.

Der erkennende Senat kann es im Ergebnis dahinstehen lassen, ob die Ermittlung des gemeinen Werts der Kapitalanteile nach dem Stuttgarter Verfahren zu einem Wert von 1390%, wie der Beklagte meint, oder zu einem Wert von 528%, wie die Klägerin vorträgt, führen würde; denn bei dem konkreten Übertragungsvorgang ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Erwerber der Anteile, der Gesellschafter R., gem. I. § 2 der notariellen Vereinbarung vom 27. Juni 1996 nicht lediglich die Kapitalanteile des Gesellschafters J. im Nennwert von 25.000 DM erworben hat, sondern auch das Gewinnbezugsrecht für 1995 und für 1996. Ausweislich der vorliegenden Bilanzen erzielte die Klägerin Bilanzgewinne in Höhe von 143.686,11 DM im Jahre 1995 und in Höhe von 119.821,47 DM im Jahre 1996. Dem ausscheidenden Gesellschafter J. hätte ohne Abtretung des Gewinnbezugsrechts für die genannten Jahre somit entsprechend seiner hälftigen Kapitalbeteiligung an der Klägerin und unter Berücksichtigung seines Ausscheidens zur Mitte des Jahres 1996 ein Gewinnbezugsrecht in Höhe von ca. 101.798 DM zugestanden (1/2 des Gewinns für 1995, 1/4 des Gewinns für 1996). Bei dieser Berechnung ist das Gericht mangels besserer Erkenntnisse davon ausgegangen, dass zum 30. Juni 1996 die Hälfte des Jahresgewinns, wie er in der Bilanz auf den 31.12.1996 ausgewiesen ist, erwirtschaftet war. Auch wenn der endgültige Jahresgewinn des Jahres 1996 bei Abschluss der Vereinbarung im Juni 1996 noch nicht feststand, so war es den Vertragsbeteiligten doch ohne weiteres möglich, auf den Stichtag der Anteilsübertragung das bis dahin erwirtschaftete Betriebsergebnis aus der EDV-gestützten Buchführung zu ermitteln.

Der Umstand, dass die beiden Gesellschafter der Klägerin die Anteile des Gesellschafters J. im Nominalwert von 25.000 DM trotz des damit verbundenen Gewinnbezugsrechts in Höhe von über 100.000 DM lediglich mit 25.000 DM bewertet haben, belegt für das Gericht, dass eine unangemessene Gestaltung im Sinne des § 42 Abs. 1 AO gewählt wurde; denn es gab keinen wirtschaftlich vernünftigen Grund für den Gesellschafter J., dem verbleibenden Gesellschafter R. etwas zu schenken. Da beide Vertragspartner durchaus gegengerichtete Interessen vertraten, ist daher davon auszugehen, dass die vereinbarte Gegenleistung in Höhe von insgesamt 290.000 DM (25.000 DM + 265.000 DM) durchaus in der Summe dem Wert entsprach, welchen die Vertragsbeteiligten den Kapitalanteilen sowie der Aufgabe der Geschäftsführerposition durch den Gesellschafter J. beigemessen haben. Die Unangemessenheit der Gestaltung liegt darin, dass der Wert der übertragenen Anteile willkürlich vermindert und dementsprechend der Wert der Aufgabe der Geschäftsführerposition entsprechend - zulasten der Klägerin - erhöht wurde.

Welcher Wert letztlich den übertragenen Gesellschaftsanteilen tatsächlich beizumessen war, lässt sich nur im Schätzwege gem. § 162 Abs. 1 AO ermitteln. Als wertbildende Faktoren sind neben den übertragenen Gewinnbezugsrechten für 1995 und 1996 insbesondere der Substanzwert sowie die Ertragsaussichten der Gesellschaft zu betrachten (= gemeiner Wert). Eine allgemein anerkannte Methode zur Ermittlung des gemeinen Werts nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften ist das so genannte Stuttgarter Verfahren (geregelt in Abschnitt -A.-4 ff. der Vermögensteuerrichtlinien -VStR-1995). Im Unterschied zur Klägerin hält der erkennende Senat das Stuttgarter Verfahren auch im vorliegenden Streitfall für durchaus geeignet, um den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zu schätzen. Der Umstand, dass im Gesellschaftsvertrag der Klägerin für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters geregelt ist, dass diesem "der wahre Wert der Anteile ohne Berücksichtigung eines Firmenwerts" zu vergüten sein soll, hindert nicht an der Anwendung des Stuttgarter Verfahrens. Denn das Stuttgarter Verfahren ermittelt den gemeinen Wert ebenfalls ohne Berücksichtigung von Firmenwerten (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 5 Bewertungsgesetz -BewG- i.V.m. A. 6 Abs. 2 Satz 5 VStR).

Bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Kapitalanteile des ausgeschiedenen Gesellschafters J. kann nicht wertmindernd berücksichtigt werden, dass der vom Gesellschafter- Geschäftsführer J. geführte Geschäftsbereich nach den Angaben der Klägerin unprofitabel wirtschaftete. Insoweit hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass nach dem Gesellschaftsvertrag sich das Gewinnbezugsrecht allein an der Beteiligungsquote ausrichtete und nicht am Erfolg der Tätigkeit des jeweiligen Gesellschafters in seiner Funktion als Geschäftsführer der Klägerin. Daher hätte auch ein außen stehender Erwerber der Kapitalanteile deren Wert insbesondere unter Berücksichtigung des damit verbundenen Gewinnbezugsrechts und der damit verbundenen Beteiligung am Unternehmenswert bemessen, zumal dem verbleibenden Gesellschafter R. mangels Stimmenmehrheit eine einseitige Änderung der Regelungen des Gesellschaftsvertrages im Falle der Veräußerung der Anteile des Gesellschafters J. an einen Dritten nicht möglich gewesen wäre. Unter Ansatz des durch die Klägerin ermittelten gemeinen Werts der Anteile nach dem Stuttgarter Verfahren von 528% ergibt sich folgende Berechnung:

25.000 DM x 528% = 132.000 DM

+ Gewinnbezugsrecht = 101.798 DM

- gezahlter Kaufpreis = 25.000 DM

Differenz = 208.798 DM

Nach Ansicht des erkennenden Senats beträgt der Wert der verdeckten Gewinnausschüttung, so wie oben stehend berechnet, mindestens 208.798 DM, so dass lediglich in Höhe des Unterschiedsbetrages zur gezahlten Abfindung von 265.000 DM, also in Höhe von 56.202 DM, tatsächlich eine steuerlich anzuerkennende Abfindungszahlung für die Aufgabe der Geschäftsführerposition durch den Gesellschafter J. in Betracht kommt. Abweichend von der Berechnung des Beklagten ermittelt das Gericht die verdeckte Gewinnausschüttung nicht im Wege einer Verhältnisrechnung, sondern durch Gegenüberstellung des gemeinen Werts der erworbenen Anteile und des dafür nach dem Übertragungsvertrag gezahlten Kaufpreises. Denn nach Überzeugung des Gerichts gibt es allein für die Schätzung des Werts der Gesellschaftsanteile verwertbare Grundlagen, während die Berechnungsgrundlagen für die Abfindungszahlung völlig im Dunkeln bleiben. Dass es für die Zahlung einer Abfindung in der Größenordnung von 265.000 DM keine Rechtfertigung gab, folgt für den Senat u.a. aus der Zweifelhaftigkeit der entsprechenden Änderung der Anstellungsverträge durch den Gesellschafterbeschluss vom 15. Dezember 1995. Zutreffend hat der Beklagte insoweit darauf hingewiesen, dass dieser Beschluss keine klare und im Vorhinein getroffene Regelung zur Ermittlung der Höhe einer Abfindungszahlung für den Fall des fristlosen Ausscheidens eines Geschäftsführers vorsieht, sondern diesen Anspruch nur der Höhe nach begrenzt. Nur wenn eine solche Regelung klar und eindeutig und im Vorhinein getroffenen worden wäre, wäre sie auch steuerlich anzuerkennen, da sie das Rechtsverhältnis der beiden beherrschenden Gesellschafter zur Klägerin betraf. Obwohl keiner der Gesellschafter mehr als 50 v.H. der Anteile an der Klägerin hielt, ist von einer Beherrschung der Klägerin durch die beiden Gesellschafter auszugehen. Die Beherrschung der Klägerin durch die jeweils zu 50 v.H. beteiligten Herren R. und J. resultiert aus dem Umstand, dass sie zusammen alle Anteile an der Klägerin besaßen und bezüglich der mit der Klägerin abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsverträge gleichgerichtete Interessen verfolgten (vgl. zur Beherrschung im Falle von Minderheitsgesellschaftern, die sämtliche Anteile an der Kapitalgesellschaft halten: BFH, Urteil vom 28. Februar 1990, I R 83/87, BStBl II 1990, 649 unter II.4. m.w.N.).

Hinzu kommt, dass der Gesellschafterbeschluss, durch den die Kündigungsfristen der Geschäftsführeranstellungsverträge verlängert und eine Abfindungszahlung geregelt wurden, in zeitlicher Nähe zum Ausscheiden des Gesellschafters J. gefasst wurde; dies legt zumindest die Vermutung nahe, dass die Regelung schon im Hinblick auf eine möglichst steuergünstige Gestaltung der geplanten Anteilsübertragung gewählt wurde. Denn die Klägerin hat vorgetragen, dass der notariellen Anteilsübertragung monatelange Diskussionen über die Bedingungen des Ausscheidens des Gesellschafters und Geschäftsführers J. aus der Gesellschaft vorausgegangen seien. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Prozessvertreter der Klägerin insoweit ergänzend dargelegt, Beweggrund und Auslöser für das vom Gesellschafter R. initiierte Ausscheiden des Gesellschafters J. aus der Gesellschaft sei insbesondere die seit Gründung der Klägerin anhaltende Unrentabilität bzw. Erfolglosigkeit des von Herrn J. verantworteten Geschäftsbereichs ("Profitcenter") gewesen. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Gericht erst recht unvorstellbar, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei einer absehbar bevorstehenden Trennung von einem Gesellschafter-Geschäftsführer ohne Zwang derart großzügige und die Kapitalgesellschaft enorm belastende Kündigungsfristen und Abfindungsregeln wie im Streitfall vereinbart hätte. Die von den Gesellschaftern der Klägerin gewählte rechtliche Gestaltung diente auch zur Steuerminderung, denn durch die Verlagerung der vereinbarten Gegenleistung vom Anteilskauf zur Abfindung ist eine Gewinnminderung bei der Klägerin angestrebt worden, welche zu einer Ersparnis von Körperschaft- und Gewerbesteuer geführt hätte.

Eine Rechtfertigung der gewählten Gestaltung durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe ist für den erkennenden Senat nicht ersichtlich.

Nach alledem muss es, da das Gericht gemäß § 96 Abs. 1 S. 2 FGO nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf, im Ergebnis bei der durch den Beklagten niedriger festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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