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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 16.01.2008
Aktenzeichen: 12 K 8403/04 B
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 8 Abs. 4 S. 1
KStG § 8 Abs. 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 K 8403/04 B

Gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer 2002

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Januar 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ..., die Richterin am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., sowie die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2002 vom 15. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03. November 2004 wird dahingehend geändert, dass der verbleibende Verlustvortrag um EUR 23 786 erhöht wird.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin erbringt Dienstleistungen im Baugewerbe. Gesellschafter der Klägerin waren zunächst zu je 1/3 Herr B. (B), Frau L. (L) und Herr K. (K). Im Zeitraum 1998 bis 2000 ruhte der Geschäftsbetrieb. Mit Vertrag vom 07. März 2001 veräußerten B und K ihre Geschäftsanteile an L, die damit Alleingesellschafterin wurde. Der zuvor gefasste Beschluss, die Gesellschaft aufzulösen, wurde aufgehoben.

In der Bilanz auf den 31. Dezember 2001 wies die Klägerin ein Aktivvermögen in Höhe von DM 35 890 und einen Jahresfehlbetrag in Höhe von DM 3 615, in der Bilanz auf den 31. Dezember 2002 ein Aktivvermögen in Höhe von DM 201 603 und einen Jahresfehlbetrag in Höhe von DM 38 489 aus. Die Erhöhung der Aktiva resultiert aus der Vermehrung des Umlaufvermögens. Hierzu kam es, weil die Klägerin ein Projekt, das vor der Beschlussfassung über die Auflösung begonnen, sodann aber zum Stillstand gekommen war, hatte fortsetzen können. Etwa die Hälfte der auf den 31. Dezember 2002 ausgewiesenen Aktiva stellen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen dar (EUR 57 000). Zudem hatte sich der Bestand des Kontos bei der Kreissparkasse . erheblich erhöht (31. Dezember 2001: DM 10 577,16; 31. Dezember 2002: EUR 37 493,57). Einlagen in das Vermögen der Klägerin sind nicht geleistet worden. Mit dem angefochtenen Bescheid versagte der Beklagte die Anerkennung der bis zum 31. Mai 2002 erwirtschafteten Verluste, weil er der Auffassung war, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ihre wirtschaftliche Identität verloren gehabt habe. Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese vortrug, dass die Erhöhung ihres Aktivvermögens allein auf die Fortführung ihres Geschäftsbetriebes zurückzuführen und dass sie im übrigen auch sanierungsbedürftig gewesen sei, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 03. November 2004 als unbegründet zurück.

Die Klägerin macht geltend, dass sie Ende des Jahres 2001 einen Projektvertrag abgeschlossen habe. Die Leistungen daraus habe sie im Jahre 2002 erbracht und abgerechnet. Das habe zur Erhöhung ihres Umlaufvermögens im Jahre 2002 geführt. Ihr, der Klägerin, sei demnach kein neues Betriebsvermögen von außen zugeführt worden. Zudem sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) davon auszugehen, dass die Frage, ob neues Betriebsvermögen zugeführt worden sei oder nicht, allein im Hinblick auf das Anlagevermögen zu entscheiden sei. Anderenfalls ergebe sich das wirtschaftlich unsinnige Ergebnis, dass die übliche Geschäftstätigkeit zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen würde.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2002 vom 15. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03. November 2004 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag um EUR 23 786 erhöht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass der Geschäftsbetrieb der Klägerin vor der Anteilsübertragung bereits eingestellt und die Liquidation beschlossen gewesen war, so dass die Versagung des Abzuges der vor dem 31. Dezember 2002 erwirtschafteten Verluste dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht entgegenstehe.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Berücksichtigung der vor dem 31. Mai 2002 erwirtschafteten Verluste der Klägerin zu Unrecht versagt.

a) Gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 KStG ist Voraussetzung für den Abzug von Verlusten nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einer Körperschaft, dass sie nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich mit der Körperschaft identisch ist, die den Verlust erlitten hat. § 8 Abs. 4 KStG definiert die "wirtschaftliche Identität" einer Körperschaft nicht, sondern bestimmt in Satz 2 lediglich beispielhaft, wann es an der wirtschaftlichen Identität fehlt, nämlich dann, wenn mehr als die Hälfte der Anteile an der Körperschaft übertragen wird und sie danach ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortführt oder wiederaufnimmt. Die Vorschrift setzt damit aber zugleich mittelbar einen Maßstab für die unter Satz 1 der Vorschrift zu fassenden Sachverhalte. Sie müssen Voraussetzungen erfüllen, die mit den in Satz 2 genannten wirtschaftlich vergleichbar sind. Nach dem Regelbeispiel in § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG fehlt einer Kapitalgesellschaft die wirtschaftliche Identität, wenn bezogen auf das gezeichnete Kapital mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile übertragen wird, überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt und der Geschäftsbetrieb mit diesem neuen Betriebsvermögen fortgeführt oder wieder aufgenommen wird.

b) Danach hat die Klägerin nach dem 31. Mai 2002 ihre wirtschaftliche Identität nicht verloren.

Allerdings ist mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile, nämlich mit Vertrag vom 07. März 2001 66,6 %, auf L übertragen worden. Die Klägerin hat auch ihren Geschäftsbetrieb nicht nur fortgesetzt, sondern ihn, nachdem zunächst die Auflösung beschlossen worden war, wieder aufgenommen. Allerdings hat sie durch Fortsetzung des vor der Anteilsübertragung bereits bestehenden Projektes direkt an die ursprüngliche Geschäftstätigkeit angeknüpft. Sie hat dies aber jedenfalls nicht mit überwiegend neuem Betriebsvermögen i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG getan. Zwar haben sich sowohl das Bankguthaben der Klägerin als auch ihre Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erheblich erhöht, diese Erhöhungen sind aber nicht geeignet, von der Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG auszugehen.

Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit allerdings geltend, dass sich nicht nur ihr Aktivvermögen, sondern korrespondierend damit auch die Passiva erhöht hätten. Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter Betriebsvermögen ausschließlich das Aktivvermögen zu verstehen. Anhand einer gegenständlichen Betrachtungsweise ist zu ermitteln, ob das zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt. Eine Verrechnung von Zu-und Abgängen zu einem betragsmäßigen Saldo ist insoweit nicht vorzunehmen (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 05. Juni 2007 - I R 105/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2007, 2200; und I R 9/06, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2007, 2152). Maßgeblich ist für den Senat in diesem Zusammenhang aber, dass sich das Betriebsvermögen der Klägerin nicht durch Zuführungen von außen, sondern durch deren eigene Geschäftstätigkeit erhöht hat, und dass ein wesentlicher Anteil der Erhöhung des Betriebsvermögens in dem Anstieg des Bankguthabens und der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, also im Bereich des Umlaufvermögens, liegt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, ob die Erhöhung des Umlaufvermögens, nicht aber des Anlagevermögens, zur Bejahung überwiegend neuen Betriebsvermögens i.S.d. § 8 Abs. 4 KStG ausreicht. Der BFH hat dies bislang nur unter der Voraussetzung angenommen, dass gleichzeitig ein Branchenwechsel vorliegt (BFH in DStR 2007, 2152). Nach Auffassung des erkennenden Senats ist das Vorliegen überwiegend neuen Betriebsvermögens bei Erhöhung des Umlaufvermögens infolge eigener wirtschaftlicher Tätigkeit der Körperschaft zu verneinen, wenn ein Branchenwechsel - wie hier - nicht gegeben ist. Der BFH hat seine Auffassung, dass ein Verlust der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft eingetreten sei, damit begründet, dass derartige Betriebsvermögensänderungen bzw. -erhöhungen für das Unternehmen prägend sein könnten (BFH in DStR 2007, 2152, unter II.2.b)bb)bbb) der Gründe). Diese Erwägung greift nicht, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb, wie hier, innerhalb derselben Branche fortsetzt, denn dann kommt eine abweichende Prägung des Betriebsvermögens durch Veränderungen des Umlaufvermögens nicht in Betracht. Insbesondere wenn, wie im vorliegenden Fall, sich nahezu ausschließlich die Posten "Forderungen aus Lieferungen und Leistungen" und "Guthaben bei Kreditinstituten" maßgeblich erhöht haben, kann nicht davon gesprochen werden, dass dadurch die Struktur des Betriebsvermögens beeinflusst werde oder die wirtschaftliche Prägung der Gesellschaft sich änderte.

Unerheblich ist es auch, dass die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb zunächst eingestellt und sodann wieder aufgenommen hat. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 KStG ist der Umstand, dass der Gesellschaft neues Betriebsvermögen zugeführt worden ist. Neues Betriebsvermögen i.S.d. Vorschrift ist indes nach dem oben Gesagten nicht gegeben, wenn die Gesellschaft in derselben Branche wie zuvor ihren Erfolg und damit ihren Bestand an Geld, Bankguthaben, Finanzanlagen und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen steigert. Ob sie zuvor ihren Geschäftsbetrieb faktisch eingestellt oder, wie hier, gar ihre Auflösung beschlossen hat, ist dafür nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist, dass die Gesellschaft sich nicht auflöst und nach einer Zeit, in der wenig oder keine Erträge erwirtschaftet wurden, ihre Geschäftstätigkeit in ihrem angestammten Bereich mit größerem Erfolg fortsetzt oder wiederaufnimmt. Diese Sichtweise entspricht dem Zweck des § 8 Abs. 4 KStG, der darin liegt, den Handel mit steuerlich nutzbaren Verlustvorträgen von nicht mehr aktiv tätigen Kapitalgesellschaften zu verhindern. Ein solcher Fall ist auch nicht näherungsweise gegeben, wenn eine Gesellschaft - sei es auch mit verändertem Gesellschafterbestand - ihre Tätigkeit, auch nach einer Unterbrechung, fortsetzt und sodann aus eigener Kraft Gewinne erwirtschaftet. Andere Umstände als das Vorliegen neuen Betriebsvermögens - z.B. neues Management, neue Unternehmenskonzepte etc. - sind nicht geeignet, die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft zu beeinflussen.

2. Die Revision zum BFH war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Frage, ob die Erhöhung des Umlaufvermögens einer Kapitalgesellschaft durch eigene Geschäftstätigkeit in derselben Branche wie zuvor zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen kann, von grundsätzlicher Bedeutung ist und höchstrichterliche Rechtsprechung dazu, soweit ersichtlich, noch nicht vorliegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).



Ende der Entscheidung

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