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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 19.03.2008
Aktenzeichen: 12 K 9231/07
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 9 |
Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Lohnsteuer-Anmeldung Dezember 2006
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat - ohne mündliche Verhandlung am 19. März 2008 durch
den Präsidenten des Finanzgerichts ... die Richterin am Finanzgericht ... den Richter ... sowie die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Klägerin ist die deutsche Zweigniederlassung einer ... (...). Sie ist seit dem ... börsennotiert. Der Emissionspreis für Privatanleger betrug EUR 12,00 pro Aktie.
Bereits im Vorfeld des Börsenganges hatte die Klägerin geplant, ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm auf Aktienbasis für ihre Führungskräfte aufzulegen. Dazu hatte sie einen Antrag auf Erteilung einer Anrufungsauskunft gemäß § 42e des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestellt, mit der ihr bestätigt werden sollte, dass als Bewertungsgrundlage für die Bewertung der im Rahmen des Mitarbeiteraktienprogramms ausgegebenen Aktien ausschließlich das Stuttgarter Verfahren anzuwenden sei. Der Beklagte war jedoch nicht bereit, die beantragte Anrufungsauskunft zu erteilen, sondern vertrat die Ansicht, dass die maßgebliche Bewertungsgrundlage für die Bemessung des den Mitarbeitern der Klägerin aufgrund der Überlassung von Aktien zufließenden geldwerten Vorteils der Börsenkurs der Aktie für Privatanleger am Tag der Börseneinführung sei.
Im Laufe des Verfahrens über die Anrufungsauskunft modifizierte die Klägerin ihr Mitarbeiteraktienprogramm dahingehend, dass die den Mitarbeitern gewährten Aktien zurückzuübertragen seien, wenn die beantragte Anrufungsauskunft nicht bis zum 27. Oktober 2006 vorliege.
Die Mitarbeiter der Klägerin erhielten Aktien zum Preis von EUR 0,25 pro Aktie. Die Anrufungsauskunft wurde nicht in der beantragten Form erteilt. Die Beteiligten gingen danach übereinstimmend davon aus, dass der geldwerte Vorteil für die begünstigten Mitarbeiter EUR 11,75 pro Aktie betrug. Am 27. Oktober 2006 wurde das wirtschaftliche Eigentum an den Mitarbeiter-Aktien auf einen Treuhänder übertragen, dessen Vermögen der Klägerin zuzurechnen ist. Zu diesem Zeitpunkt lag der Kurs der Aktie der Klägerin bei EUR 16,24. Die Klägerin ermittelte den durch die Rückübertragung entstandenen "geldwerten Nachteil" ihrer Mitarbeiter unter Zugrundelegung des Aktienkurses in Höhe von EUR 16,24, nahm insoweit negativen Arbeitslohn an und machte mit der Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember 2006 dementsprechend einen Betrag in Höhe von ./. EUR 135 526,81 geltend. Der Beklagte versagte seine Zustimmung zu dieser Lohnsteuer-Anmeldung. Gegen die geänderte Lohnsteuer-Anmeldung legte die Klägerin mit Schreiben vom 29. März 2007 Einspruch ein, den sie zunächst nicht begründete.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass negativer Arbeitslohn in Höhe des Werts der Aktien zum Zeitpunkt der Rückübertragung abzüglich der Anschaffungskosten vorliege. Eine Begrenzung auf den Wert der Aktien zum Zeitpunkt der Überlassung an ihre Arbeitnehmer sei § 19a EStG, der auf die Bewertung negativen Arbeitslohnes analog anzuwenden sei, nicht zu entnehmen. Auch bei Anwendung des Zu- bzw. Abflussprinzips gelange man zu diesem Ergebnis. Es sei zudem steuersystematisch nicht zu rechtfertigen, zwischenzeitlich eingetretene Wertminderungen zu berücksichtigen, Wertsteigerungen jedoch nicht in die Berechnung des negativen Arbeitslohnes einzubeziehen. Dies spiegele die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zutreffend wider. Ihre, der Klägerin, Arbeitnehmer seien dementsprechend durch die Rückgabe der Aktien über den Verlust des zuvor Erlangten hinaus beeinträchtigt, da ihnen auch die zwischenzeitlich eingetretene Wertsteigerung verlustig gegangen sei. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Arbeitnehmer sei dadurch um den gemeinen Wert der Aktien gemindert worden.
Die Klägerin beantragt,
die Lohnsteueranmeldung für Dezember 2006 vom 29. März 2007 dahingehend zu ändern, dass Lohnsteuer in Höhe von EUR 125 604,17 und Solidaritätszuschlag in Höhe von EUR 6 935,45 als Erstattungsbeträge festgesetzt werden,
sowie,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Senat hat einen Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung mit Beschluss vom 18. Juli 2007 abgelehnt (Aktenzeichen 12 V 12125/07).
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den Ausweis eines höheren Erstattungsbetrages in der Lohnsteueranmeldung für Dezember 2006.
a) Die Beteiligten gehen zutreffend übereinstimmend davon aus, dass die Rückübertragung der Aktien bei den Mitarbeitern der Klägerin zu negativen Einnahmen führt. Negative Einnahmen liegen nach der Rechtsprechung vor, wenn ein Steuerpflichtiger Einnahmen zurückzahlt, die er in einem früheren Veranlagungszeitraum zuviel erhalten und versteuert hat (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 10. Oktober 1995 - VIII R 56/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1996, 304, unter III. der Gründe; offen hinsichtlich der Frage, ob negative Einnahmen oder Werbungskosten anzunehmen sind, hingegen BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 - IX R 87/95, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2000, 396, unter 3. der Gründe).
b) Der Beklagte hat zu Recht die Höhe der negativen Einnahmen auf den ursprünglich aufgrund der Gewährung der Aktien als Arbeitslohn der Mitarbeiter der Klägerin berücksichtigten Betrag begrenzt. Besteht die negative Einnahme in der Rückgabe eines zuvor erhaltenen Gegenstandes, so ist sie nach der h.M. im Schrifttum mit dem Wert des Gegenstandes zum Zeitpunkt der Hingabe, u.U. abzüglich zwischenzeitlich angefallener Absetzungen für Abnutzung, anzusetzen (v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 232; Drenseck in L. Schmidt, EStG, 26. Auflage 2007, § 9 Rn. 64 a.E.; Thürmer in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 9 EStG Rn. 182). Nicht zuzustimmen ist der Gegenansicht, nach der der übliche Mittelpreis am Verbrauchsort, hilfsweise der gemeine Wert, zum Zeitpunkt der Rückgabe maßgeblich sein soll mit der Folge, dass sich zwischenzeitlich eintretende Wertsteigerungen steuermindernd auswirken (so Kreft in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 9 EStG Anm. 81). Das Institut der negativen Einnahme dient dem Rückgängigmachen der steuerlichen Belastung, die durch die Hingabe eines Geldbetrages oder Gegenstandes, den der Empfänger später zurückzugewähren hat, eingetreten ist. Wollte man die negative Einnahme unter Berücksichtigung von zwischen Hin- und Rückgabe eingetretenen Wertsteigerungen bewerten, so würde die zunächst eingetretene Steuerbelastung nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert. Dazu besteht jedoch kein Anlass. Eine derartige Überkompensation wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit der Rückgabe auch noch eigene Mittel aufwenden müsste, um den Rückgabeanspruch des Arbeitgebers zu befriedigen. Das ist indes nicht der Fall. Insofern trägt die in der Argumentation des Beklagten mitschwingende Ansicht, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr zurückgewähren könne bzw. regelmäßig nicht mehr zurückgewähren müsse, als er erhalten habe. Daran ändert auch nichts die Tatsache, dass der erhaltene Gegenstand während der Zeit, in der er dem Arbeitnehmer zuzurechnen war, im Wert gestiegen ist. Es trifft zwar zu, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des zurückgewährenden Arbeitnehmers um den gemeinen Wert der Aktien - abzüglich der Anschaffungskosten - gemindert wird. Dies ist steuerlich jedoch unbeachtlich, da die Differenz zwischen dem Wert zum Zeitpunkt der Gewährung und dem Wert zum Zeitpunkt der Rückgewähr eine im Privatvermögen des jeweiligen Arbeitnehmers eingetretene Wertsteigerung darstellt, die - jedenfalls bei Wahrung der Spekulationsfrist - bei ihm steuerfrei geblieben wäre. Sie kann sich dementsprechend auf die lohnsteuerlichen Verhältnisse ebenfalls nicht auswirken und hat daher bei der Ermittlung der Höhe des negativen Arbeitslohnes außer Betracht zu bleiben. Eine analoge Anwendung des § 19a EStG hält der erkennende Senat nicht für möglich, da es sich insoweit um eine Sondervorschrift, die die Vermögensbildung von Arbeitnehmern durch Überlassung von Vermögensbeteiligungen begünstigen soll, handelt (vgl. Drenseck a.a.O.., § 19a Rn. 1). Für die Rückübertragung von an Arbeitnehmer überlassene Aktien gibt die Vorschrift damit keinen tauglichen Bewertungsmaßstab ab.
2. Zulassung der Revision
Der Senat lässt die Beschwerde zu, weil die Frage, wie eine negative Einnahme, die in der Rückgabe eines zuvor erhaltenen Gegenstandes besteht, der zwischen Hin- und Rückgabe im Wert gestiegen ist, zu bewerten ist, von grundsätzlicher Bedeutung und bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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