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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 08.09.2008
Aktenzeichen: 12 V 12115/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3 S. 1
AO § 233a
AO § 351 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

12 V 12115/07

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (gemäß § 69 FGO) - Körperschaftsteuer 2000 und 2001 und Gewerbesteuer 2001

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

am 8. September 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ... sowie

den Richter am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe:

Die Antragstellerin wurde im Jahre 1998 errichtet und im April 1999 in das Handelsregister D eingetragen. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war Herr S. Im Juli 2004 wurde die Liquidation der Gesellschaft beschlossen und S zum Liquidator bestellt. Im März 2007 wurde die Liquidation aufgehoben, S als Liquidator abberufen und Herr B zum neuen Geschäftsführer bestellt. Gleichzeitig wurden Firma und Sitz der Antragstellerin geändert.

S hatte der Antragstellerin verschiedene unverzinsliche Darlehen mit unbestimmter Laufzeit gewährt, von denen unstreitig ist, dass sie als eigenkapitalersetzende Darlehen anzusehen sind.

Der Antragsgegner nahm bei der Antragstellerin für die Jahre 2000 bis 2002 eine Außenprüfung vor und zinste die von S gewährten Darlehen unter Berufung auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht anwendbar sei. Sie macht geltend, dass anderenfalls der Gewinn, der durch die Anwendung der Vorschrift auszuweisen sei, wieder eliminiert werden müsse, da es sich um eine Nutzungseinlage eines Gesellschafters handele, die gewinnneutral bleiben müsse.

Die Antragstellerin trägt weiter vor, dass der Antragsgegner fehlsam lediglich die Endbestände zum jeweiligen Jahresabschluss der Verzinsung zugrunde gelegt habe, während ihrer, der Antragstellerin, Ansicht nach eine taggenaue Verzinsung erforderlich sei. Zudem hätten Tilgungen den einzelnen Darlehensverträgen zugeordnet werden müssen mit der Folge, dass der von dem Antragsgegner angenommenen Verzinsung kürzere Laufzeiten hätten zugrunde gelegt werden müssen. Das erste Darlehen vom August 1998 sei bereits 2001 vollständig getilgt gewesen, so dass im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt keine Abzinsung mehr hätte stattfinden dürfen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer sowie Solidaritätszuschlag 2000 und 2001, Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000 und 2001 sowie Gewerbesteuer 2001, sämtlich in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. April 2007, auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen,

hilfsweise,

die Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung auszusprechen

Er weist darauf hin, dass die Antragstellerin den ihm vorliegenden Unterlagen und Speicherdaten zufolge keine Umsatzerlöse erwirtschafte und dass ihr Steuerkonto erhebliche Rückstände ausweise.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide über die Festsetzung des Solidaritätszuschlages und der Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000 und 2001 begehrt, ist der Antrag unzulässig. Die Körperschaftsteuerfestsetzungen bilden im Verhältnis zu der Zinsfestsetzung nach § 233 a der Abgabenordnung (AO) und zur Festsetzung der Solidaritätszuschläge Grundlagenbescheide; gemäß § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. In Konsequenz dessen ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Zinsfestsetzungen bzw. der Festsetzungen der Solidaritätszuschläge unzulässig, wenn und soweit sich der Steuerpflichtige mit seinem Begehren allein gegen die Besteuerungsgrundlagen der Steuerbescheide (hier: Körperschaftsteuer) wendet (vgl. FG Düsseldorf, Beschluss vom 09. Januar 2004 - 14 V 6204/03 A, m.w.N.; Beschluss des erkennenden Senats vom 06. August 2007 - 12 V 12078/07; beide veröffentlicht in [...]).

2. Im übrigen ist der Antrag zulässig, aber nicht begründet.

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der beschließende Senat sich anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken.

b) Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bestehen nicht. Die Abzinsung der unverzinslichen Darlehensverbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber S durch den Antragsgegner war vielmehr rechtmäßig.

aa) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind nur Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Danach war die Darlehensverbindlichkeit gegenüber S abzuzinsen, da sie unverzinslich und von unbestimmter Laufzeit war, also eine Laufzeit von mehr als zwölf Monaten hatte. Die Tatsache, dass es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter handelt, führt nicht zur Unanwendbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG (ebenso Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2007 - 6 K 446/06, [...]; Glanegger in L. Schmidt, EStG, Kommentar, 27. Auflage 2008, § 6 Rn. 402; Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Kommentar, § 6 Anm. 1155 Stichwort "Unverzinsliche eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen"; Förster/Wendland, GmbH-Rundschau - GmbHR - 2006, 169, 177; Groh, Der Betrieb - DB - 2007, 2275, 2279; Gschwendtner in Festgabe 100 Jahre Deloitte, 2007, S. 633, 646; Hauber/Kiesel, Betriebs- Berater - BB - 2000, 1511; wohl auch Hoffmann, Wolf-Dieter, GmbHR 2005, 972, 973; wie hier auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. Mai 2005, Bundessteuerblatt - BStBl. - I 2005, 699, 702, Tz. 21).

Die Vorschrift ist nicht teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass sie auf Gesellschafterdarlehen nicht anwendbar wäre (ebenso Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2007 - 6 K 446/06, [...]; offen gelassen demgegenüber in dem BFH-Urteil vom 10. November 2005 - IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618, unter II.2.d) der Gründe). Eine teleologische Reduktion setzt eine Lücke im Gesetz voraus (Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 4 AO Rn. 345 m.w.N.). Eine Lücke besteht, wenn die Regelung eines bestimmten Sachbereichs keine besondere Bestimmung für eine Frage enthält, die nach dem gesetzlichen Grundgedanken und dem Gesetz immanenten System hätte mitgeregelt werden müssen (Drüen a.a.O..). Dabei spricht man von verdeckten Lücken, wenn das Gesetz zwar eine Regelung enthält, dies aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe von Fällen nicht passt, weil sie deren für die Wertung relevante Besonderheiten außer acht lässt, wenn also bei dem Zustandekommen des Gesetzes versäumt worden ist, eine Einschränkung zu machen (Drüen a.a.O.. Rn. 352). Keine Lücken sind hingegen rechtspolitische Unvollständigkeiten, bei denen eine Regelung wünschenswert oder zweckmäßig wäre (Drüen a.a.O.. Rn. 345).

Hier liegt lediglich eine rechtspolitische Unvollständigkeit vor. Es wäre zwar denkbar gewesen, eine Ausnahme von der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für Darlehen von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft zu machen; zwingend war dies aber nicht. Zwar führt die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der für die Antragstellerin anwendbaren Fassung dazu, dass ein Vorteil, den die Antragstellerin durch die unentgeltliche Kapitalüberlassung durch ihren Gesellschafter erlangt, der Besteuerung unterworfen wird, während er bei Gewährung von Eigenkapital nicht steuerpflichtig wäre (vgl. BFH in BStBl. II 2006, 618, a.a.O..). Dies trifft allerdings auf sonstige Nutzungseinlagen, die nicht zu aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern bei der empfangenden Gesellschaft führen, auch nach sonst geltender Rechtslage zu (Förster/Wendland, GmbHR 2006, 169, 177; ebenso wohl Kiesel/Görner a.a.O..). Dementsprechend war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine besondere Regelung für unverzinsliche Gesellschafterdarlehen zu treffen. Dies gilt unabhängig davon, ob man dies für wünschenswert hält oder nicht.

bb) Der sich aus der Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit ergebende Gewinn durfte auch nicht durch die Annahme einer Einlage neutralisiert werden. Einlagefähig sind nur Wirtschaftsgüter; die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital ist kein solches einlagefähiges Wirtschaftsgut (zutreffend: BFH in BStBl. II 2006, 618, unter II.1.b)bb) der Gründe; Förster/Wendland, GmbHR 169, 177 f.; Groh, DB 2007, 2275, 2279; Gschwendtner, Festgabe 100 Jahre Deloitte, 2007, 633, 643; Hauber/Kiesel, BB 2000, 1511, 1513; Prinz, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2000, 661, 669; a.A., soweit ersichtlich, nur van de Loo, DStR 2000, 508, 509). Die Gewährung des unverzinslichen Darlehens führt lediglich zu einer Aufwandsersparnis bei der Antragstellerin.

cc) Ohne Erfolg begehrt die Antragstellerin eine taggenaue Abzinsung der Darlehensverbindlichkeiten. Die Antragstellerin hat nicht substantiiert dargelegt und glaubhaft gemacht, inwieweit eine Restlaufzeit von weniger als einem Jahr zu den einzelnen Bilanzstichtagen bei einzelnen Darlehen zu erwarten gewesen sei, die eine taggenaue Abzinsung hätte rechtfertigen können. Dies ist jedoch im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung erforderlich; das Gericht hat hier keine eigene Ermittlungspflicht, soweit die Mitwirkungspflicht der Beteiligten reicht. Im summarischen Verfahren ist daher davon auszugehen, dass der Antragsgegner die Darlehen zutreffend mit 5,5% p.a. abgezinst hat.

dd) Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass einzelne Darlehen, die der Antragsgegner der Abzinsung unterworfen hat, bereits getilgt gewesen seien, hat sie dies ebenfalls lediglich behauptet, aber weder substantiiert noch durch Vorlage geeigneter Nachweise glaubhaft gemacht. Im summarischen Verfahren ist daher davon auszugehen, dass der Antragsgegner die Darlehen in zutreffender Höhe der Abzinsung zugrunde gelegt hat.

3. Der Senat lässt im Hinblick auf das bei dem BFH anhängige Verfahren I R 4/08 die Beschwerde zu.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde zu.



Ende der Entscheidung

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