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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 14.04.2009
Aktenzeichen: 12 V 12210/08
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO


Vorschriften:

AO § 41 Abs. 2
EStG § 6 Abs. 1
EStG § 6 Abs. 1
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 12. Senat -

am 14. April 2009

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts ...,

die Richterin am Finanzgericht ... sowie

den Richter ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgewiesen.

Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Gründe:

Die im Jahre ... gegründete Antragstellerin ist im Bereich der ... tätig. Sie wies im Jahre 2006 erstmals ein positives Ergebnis aus. In den Jahren zuvor hatte sie in größerem Umfang Darlehen ihrer Gesellschafter erhalten. Sie hat dazu einen Gesellschafterbeschluss vom ... 1998 vorgelegt, nach dem alle bereits gewährten und zukünftig gewährten Gesellschafterdarlehen mit jährlich 2% zu verzinsen seien. Gleichzeitig erklärte die Gesellschafterin der Antragstellerin zur Abwendung der Überschuldung und dem Erhalt der Antragstellerin den Rangrücktritt für alle Gesellschafterdarlehen.

Der Antragsgegner nahm bei der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2003 vor und vertrat danach die Auffassung, dass die Gesellschafterdarlehen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuzinsen seien. Er erließ am 08. Mai 2006 entsprechende Änderungsbescheide. Der Einspruch der Antragstellerin dagegen hatte keine Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 10. September 2008). Die Antragstellerin hat gegen die Einspruchsentscheidung Klage erhoben, die bei dem beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen 12 K 12188/08 anhängig ist.

Die Antragstellerin macht geltend, dass die Darlehen verzinslich gewesen seien. Es könne davon ausgegangen werden, dass ihre, der Antragstellerin, Gesellschafterin lediglich im Hinblick auf die Krisensituation auf die Zinszahlungen verzichtet habe. Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Darlehensbeträge bei ihr gemäß §§ 30, 31 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) als gebundenes Stammkapital anzusehen seien, so dass eine Abzinsung - mangels Fremdkapitaleigenschaft - nicht in Betracht komme. Schließlich ist die Antragstellerin der Ansicht, dass jedenfalls ein allfälliger Abzinsungsbetrag durch Berücksichtigung einer verdeckten Einlage neutralisiert werden müsse. Sie hat dazu eine Diplomarbeit einer Kauffrau und Steuerberaterin mit dem Titel "Das Abzinsungsgebot bei Gesellschafterdarlehen im Fokus des Leistungsfähigkeitsprinzips" eingereicht.

Der Senat hat das Verfahren hinsichtlich des ebenfalls von der Antragstellerin angegriffenen Umsatzsteuerbescheides 2001 mit Beschluss vom 27. Februar 2009 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 5 V 5051/09 zuständigkeitshalber an den 5. Senat des Gerichts abgegeben.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Bescheide über Zinsen zur Körperschaftsteuer 2001 sowie Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer 2001, sämtlich vom 08. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2008, bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das erstinstanzliche Verfahren 12 K 12188/08 abschließenden Entscheidung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen,

Der Antrag hat keinen Erfolg.

1. Soweit die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung der Zinsen zur Körperschaftsteuer 2001 begehrt, ist der Antrag unzulässig. Die Körperschaftsteuerfestsetzungen bilden im Verhältnis zu der Zinsfestsetzung nach § 233 a der Abgabenordnung (AO) Grundlagenbescheide; gemäß § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden. In Konsequenz dessen ist ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen der Zinsfestsetzungen unzulässig, wenn und soweit sich der Steuerpflichtige mit seinem Begehren allein gegen die Besteuerungsgrundlagen der Steuerbescheide (hier: Körperschaftsteuer) wendet (vgl. Finanzgericht [FG] Düsseldorf , Beschluss vom 09. Januar 2004 - 14 V 6204/03 A, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 06. August 2007 - 12 V 12078/07; beide veröffentlicht in [...]).

2. Im übrigen ist der Antrag zulässig, aber nicht begründet.

a) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), der der beschließende Senat sich anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken.

b) Derartige ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bestehen nicht. Die Abzinsung der unverzinslichen Darlehensverbindlichkeiten der Antragstellerin gegenüber ihrer Gesellschafterin durch den Antragsgegner war vielmehr rechtmäßig.

aa) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind nur Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorausleistung beruhen.

Danach waren die Gesellschafterdarlehen abzuzinsen.

Die Gesellschafterdarlehen hatten - wovon die Beteiligten auch übereinstimmend ausgehen - eine Laufzeit von mehr als zwölf Monaten.

Sie waren entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch unverzinslich. Der Senat wertet die Abrede, nach der die Darlehen mit 2% p.a. zu verzinsen waren, als für die Besteuerung unbeachtliches Scheingeschäft i.S.d. § 41 Abs. 2 AO. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien offenkundig die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen haben (BFH-Urteile vom 07. November 2006 - IX R 4/06, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2007, 372, unter II.2. der Gründe; vom 21. September 2004 - IX R 5/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2005, 498, unter II.2. der Gründe). Das ist z.B. der Fall, wenn ein Darlehensvertrag geschlossen wird, obwohl der Darlehensnehmer die Zins- und Tilgungsleistungen ersichtlich nicht erbringen kann (vgl. BFH-Urteil in BStBl. 2007, 372, a.a.O..). Damit ist der hier vorliegende Fall vergleichbar, in dem die Gesellschafterin der Antragstellerin die Verzinslichkeit der Darlehen in einer Situation beschloss, in der sie zum Erhalt der Antragstellerin gleichzeitig einen Rangrücktritt hinsichtlich ihrer Forderungen erklären musste und in der folglich augenfällig war, dass die Antragstellerin Zinszahlungen nicht würde leisten können. Für das Vorliegen eines Scheingeschäfts spricht auch, dass die Antragstellerin und ihre Gesellschafterin keine Folgerungen aus dieser Abrede gezogen haben. Weder sind - soweit ersichtlich - Zinszahlungen gebucht worden, noch hat es Versuche der Gesellschafterin gegeben, diese einzutreiben. Die Antragstellerin selbst hat lediglich vorgetragen, dass "davon ausgegangen werden" könne, dass ihre Gesellschafterin im Hinblick auf die Krisensituation auf die Zinszahlungen verzichtet habe. Es hat also offenbar auch keine ausdrückliche Verzichtserklärung gegeben. Die Antragstellerin und ihre Gesellschafterin haben vielmehr die Verzinsungsabrede in der Folge völlig unbeachtet gelassen.

Die Tatsache, dass es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter handelt, führt nicht zur Unanwendbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG (ebenso Senatsbeschluss vom 08. September 2008 - 12 V 12115/07, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2008, 1947; Finanzgericht Baden-Württemberg , Urteil vom 10. Dezember 2007 - 6 K 446/06, [...]; Glanegger in L. Schmidt, EStG, Kommentar, 27. Auflage 2008, § 6 Rn. 402; Kiesel/Görner in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, Kommentar, § 6 Anm. 1155 Stichwort "Unverzinsliche eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen"; Förster/ Wendland, GmbH-Rundschau - GmbHR - 2006, 169, 177; Groh, Der Betrieb - DB - 2007, 2275, 2279; Gschwendtner in Festgabe 100 Jahre Deloitte, 2007, S. 633, 646; Hauber/Kiesel, Betriebs-Berater - BB - 2000, 1511; wohl auch Hoffmann, Wolf-Dieter, GmbHR 2005, 972, 973; wie hier auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 26. Mai 2005, BStBl. I 2005, 699, 702, Tz. 21). Die Vorschrift ist nicht teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass sie auf Gesellschafterdarlehen nicht anwendbar wäre (ebenso Senatsbeschluss in EFG, 2008, 1947; Finanzgericht Baden-Württemberg , Urteil vom 10. Dezember 2007 - 6 K 446/06, [...]; offen gelassen demgegenüber in dem BFHUrteil vom 10. November 2005 - IV R 13/04, BStBl. II 2006, 618, unter II.2.d) der Gründe). Eine teleologische Reduktion setzt eine Lücke im Gesetz voraus (Drüen in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 4 AO Rn. 345 m.w.N.). Eine Lücke besteht, wenn die Regelung eines bestimmten Sachbereichs keine besondere Bestimmung für eine Frage enthält, die nach dem gesetzlichen Grundgedanken und dem dem Gesetz immanenten System hätte mitgeregelt werden müssen (Drüen a.a.O..). Dabei spricht man von verdeckten Lücken, wenn das Gesetz zwar eine Regelung enthält, dies aber ihrem Zweck nach auf eine bestimmte Gruppe von Fällen nicht passt, weil sie deren für die Wertung relevante Besonderheiten außer Acht lässt, wenn also bei dem Zustandekommen des Gesetzes versäumt worden ist, eine Einschränkung zu machen (Drüen a.a.O.. Rn. 352). Keine Lücken sind hingegen rechtspolitische Unvollständigkeiten, bei denen eine Regelung wünschenswert oder zweckmäßig wäre (Drüen a.a.O.. Rn. 345). Hier liegt lediglich eine rechtspolitische Unvollständigkeit vor. Es wäre zwar denkbar gewesen, eine Ausnahme von der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für Darlehen von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft zu machen; zwingend war dies aber nicht. Zwar führt die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG in der für die Antragstellerin anwendbaren Fassung dazu, dass ein Vorteil, den die Antragstellerin durch die unentgeltliche Kapitalüberlassung durch ihren Gesellschafter erlangt, der Besteuerung unterworfen wird, während er bei Gewährung von Eigenkapital nicht steuerpflichtig wäre (vgl. BFH in BStBl. II 2006, 618, a.a.O..). Dies trifft allerdings auf anderweitige Nutzungseinlagen, die nicht zu aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern bei der empfangenden Gesellschaft führen, auch nach sonst geltender Rechtslage zu (Förster/ Wendland, GmbHR 2006, 169, 177; ebenso wohl Kiesel/Görner a.a.O..). Dementsprechend war der Gesetzgeber nicht gehalten, eine besondere Regelung für unverzinsliche Gesellschafterdarlehen zu treffen. Dies gilt unabhängig davon, ob man dies für wünschenswert hält oder nicht.

Auch der Umstand, dass es sich bei den Darlehen um eigenkapitalersetzende handelte, führt nicht dazu, dass von einer Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzusehen wäre. Aus der Qualifikation einer Forderung als eigenkapitalersetzend i.S. des § 32a GmbHG folgt nicht, dass sie steuerbilanziell als Eigenkapital des Schuldners zu behandeln ist. Die leistungsverpflichtete Gesellschaft muss den ihr eigenkapitalersetzend zur Verfügung gestellten Betrag weiterhin als Fremdkapital ausweisen (BFH-Urteil vom 06. November 2003 - IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416, unter 1.b) der Gründe; FG Berlin-Brandenburg , Beschluss vom 17. November 2008 - 6 V 6154/08, EFG 2009, 322).

bb) Der sich aus der Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit ergebende Gewinn durfte auch nicht durch die Annahme einer Einlage neutralisiert werden (ebenso FG Berlin- Brandenburg in EFG 2009, 322; Senatsbeschluss in EFG 2008, 1947). Einlagefähig sind nur Wirtschaftsgüter; die unentgeltliche Nutzungsüberlassung von Kapital ist kein solches einlagefähiges Wirtschaftsgut (so zutreffend BFH in BStBl. II 2006, 618, unter II.1.b)bb) der Gründe; Förster/Wendland, GmbHR 169, 177 f.; Groh, DB 2007, 2275, 2279; Gschwendtner, Festgabe 100 Jahre Deloitte, 2007, 633, 643; Hauber/Kiesel, BB 2000, 1511, 1513; Prinz, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2000, 661, 669; a.A., soweit ersichtlich, nur van de Loo, DStR 2000, 508, 509). Die Gewährung des unverzinslichen Darlehens führt lediglich zu einer Aufwandsersparnis bei der Antragstellerin.

3. Der Senat lässt im Hinblick auf das bei dem BFH anhängige Verfahren I R 4/08 die Beschwerde zu.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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