Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 24.09.2009
Aktenzeichen: 13 K 2348/05 B
Rechtsgebiete: InvZulG 1999


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 13. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. September 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2001 vom 11. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2005 wird dahingehend geändert, dass die Investitionszulage um EUR 17.542 auf EUR 32.255 erhöht wird.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Investitionen der Klägerin im Bereich der Getreidereinigung, der Getreideförderung und der Mühle als Investitionen in einem sensiblen Sektor zu qualifizieren sind, für die § 2 Abs. 2 Satz 2 Investitionszulagengesetz 1999 -InvZulG 1999- eine Förderung mit Investitionszulage ausschließt.

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die industrielle Fertigung von Backwaren und deren Vertrieb. Im Jahr 2001 kaufte die Klägerin 779 Tonnen vorgereinigtes Getreide und 144 Tonnen Mehl. Das Getreide wurde endgereinigt und anschließend zu 95 von Hundert gemahlen und zu 5 von Hundert aufgeweicht. Die Klägerin verwendete das gesamte Getreide zur Brotherstellung.

Die Klägerin beantragte für Investitionen des Jahres 2001 in Höhe von insgesamt EUR 213.965 eine erhöhte Investitionszulage für Erstinvestitionen in einem kleinen oder mittleren Betrieb (KMU) des verarbeitenden Gewerbes und der produktionsnahen Dienstleistungen nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 4 InvZulG 1999 in Höhe von 20 von Hundert, d.h. EUR 42.793.

Der Beklagte kam im Rahmen einer Investitionszulagen-Sonderprüfung zu dem Ergebnis, dass unter anderem Investitionen in Höhe von EUR 87.711,03 nicht förderfähig seien. In dem Betriebsprüfungsbericht vom 13. Februar 2003 wird insoweit auf den Ausschluss der Förderfähigkeit von Investitionen in sensiblen Sektoren nach § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 verwiesen. Da Getreide und Müllereierzeugnisse nach dem EG-Vertrag landwirtschaftliche Erzeugnisse darstellten, seien die Investitionen der Klägerin im Bereich der Getreidereinigung, der Getreideförderung und der Mühle nicht begünstigt.

Der Beklagte setzte auf Grundlage der Ergebnisse der Betriebsprüfung mit Bescheid vom 11. März 2003 eine Investitionszulage in Höhe von EUR 14.713 fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Mit Bescheid vom 17. März 2003 versagte die ...bank der Klägerin eine Förderung ihrer Investitionen nach dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Förderung aus GA-Mitteln). Zur Begründung stellte die ...bank darauf ab, dass es an einem überregionalen Absatz der Backwaren und damit an dem erforderlichen Primäreffekt fehle.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2004 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2005 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die Getreidereinigung nicht als isolierter Unternehmensgegenstand verstanden werden dürfe, sondern lediglich als eine notwendige Vorstufe der mit hygienischen Auflagen verbundenen Brotzubereitung. Letztlich handele es sich um die Vor- und Aufbereitung der für die Brotzubereitung notwendigen Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Die Höhe des Zulagensatzes hänge davon ab, ob das betriebliche Merkmal (Handwerksbetrieb) oder das prozessbezogene Merkmal (Vorstufe des Produzierens) überwiege.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2001 vom 11. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2005 dahingehend zu ändern, dass die Investitionszulage um EUR 17.542 auf EUR 32.255 erhöht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, dass die Zwischenprodukte Mehl und aufgeweichtes Getreide als landwirtschaftliche Erzeugnisse anzusehen seien. Deshalb stellten die zu diesen Zwischenprodukten führenden Produktionsschritte eine Ver- bzw. Bearbeitung landwirtschaftlicher Produkte im Sinne von Tz. 2.3 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor dar. Die für diese Produktionsschritte getätigten Investitionen beträfen einen sensiblen Sektor und seien nicht förderfähig. Da § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 als Sonderregelung anzusehen sei, komme es nicht auf die betriebsstättenbezogene Betrachtung als Mischbetrieb und damit auch nicht auf die einzelnen Wertschöpfungsquoten an.

Im Übrigen habe sich der Beklagte nach Rz. 136 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 28. Juni 2001 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 2001, 379) an die ablehnende Entscheidung der ...bank im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur" zu halten. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sei nicht erkennbar, inwieweit der ...bank die tatsächliche Verwendung der Wirtschaftsgüter und der Ablauf der einzelnen Produktionsschritte bekannt gewesen seien.

Der Berichterstatter hat der Klägerin zur Darlegung des Wertschöpfungsanteils des Reinigungsprozesses am gesamten Produktionsprozess eine Ausschlussfrist nach § 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags nimmt das Gericht auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze einschließlich sämtlicher Anlagen sowie auf die beigezogenen Steuerakten Bezug. Dem Gericht lagen je ein Band Investitionszulagenakten, Bilanzakten und Gesellschaftsverträge sowie zwei Bände Betriebsprüfungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid über eine Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999 für das Kalenderjahr 2001 vom 11. März 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2005 ist rechtswidrig ist und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten. Die Investitionszulage ist um EUR 17.542 zu erhöhen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Investitionen im Bereich der Getreidereinigung, der Getreideförderung und der Mühle sind nicht durch § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 von der Förderung ausgeschlossen, da ein einheitlicher Produktionsvorgang vorliegt, der nicht in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor (ABl. EG Nr. C 28 vom 1. Februar 2000, S. 2) fällt.

1. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999 sind unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 InvZulG 1999 unter anderem Wirtschaftsgüter begünstigt, die in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes oder der produktionsnahen Dienstleistungen verbleiben (Nr. 1) oder die ausschließlich kleinen oder mittleren Betrieben des Handwerks dienen (Nr. 2). Allerdings gilt dies nur, soweit die Förderfähigkeit nicht in den sensiblen Sektoren ausgeschlossen ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999). Unter Hinweis auf den Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor zählt nach Anlage 1 des InvZulG 1999 auch der Landwirtschaftssektor zu den sensiblen Sektoren.

Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Agrarsektor ist nach dessen Tz. 2.1 für alle staatlichen Beihilfen anwendbar, die im Zusammenhang mit Tätigkeiten zur Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gewährt werden und in den Geltungsbereich von Anhang I des EG-Vertrages fallen. Nach Tz. 2.3 ist unter Verarbeitung eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses eine Einwirkung auf ein solches Erzeugnis zu verstehen, bei der die durch den Vorgang entstehenden Erzeugnisse weiterhin landwirtschaftliche Erzeugnisse bleiben, zum Beispiel die Herstellung von Saft aus Obst oder die Schlachtung von Tieren zur Fleischgewinnung. Die Verarbeitung zu nicht in Anhang I des EG-Vertrages genannten Erzeugnissen fällt dagegen nicht in den Geltungsbereich dieser Rahmenregelung.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die Klägerin (auch) als ein Handwerksbetrieb im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 anzusehen ist. Denn bei einer industriellen Fertigung von Backwaren liegt in jedem Fall ein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 vor, der im Streitfall über § 2 Abs. 7 Nr. 2 und § 10 Abs. 4 InvZulG 1999 zu einem Investitionszulagensatz in Höhe von 20 von Hundert führt. Dieser Investitionszulagensatz bliebe selbst dann anwendbar, wenn (zusätzlich) ein Handwerksbetrieb vorläge (vgl. Tz. 97 des BMF-Schreibens vom 28. Juni 2001).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Förderung der Investitionen im Bereich der Getreidereinigung, der Getreideförderung und der Mühle nicht durch § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 ausgeschlossen. Zwar stellen Mehl und (gereinigtes) Getreide grundsätzlich landwirtschaftliche Erzeugnisse im Sinne von Anhang I des EG-Vertrages dar. Ein Erzeugnis setzt aber voraus, dass es im konkreten Fall auch tatsächlich als Endprodukt verkauft wird. Aus Sicht der Klägerin handelt es sich dagegen nur um notwendige Zwischenprodukte zur Brotherstellung, die nicht - auch nicht teilweise - verkauft werden und damit keine "Erzeugnisse" darstellen.

Die einheitliche Betrachtung des Produktionsprozesses liegt auch auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH-. Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom 19. Oktober 2006 (III R 51/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 329) entschieden, dass es für die Frage, ob die Förderung wegen der Zuordnung zum Fischereisektor nach § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 ausgeschlossen ist, auf die konkrete Nutzung des einzelnen Wirtschaftsguts ankomme. Im Rahmen der Untersuchung des in diesem Fall streitigen Verkaufsmobils hat der BFH aber nicht auf die isolierte Betrachtung der Nutzung zum Verkauf abgestellt, sondern hinsichtlich der zuvor bearbeiteten Waren eine Gesamtbetrachtung von Bearbeitung und Verkauf angenommen. Dem entsprechend sind im Streitfall auch die vorbereitenden Tätigkeiten und die eigentliche Brotherstellung als einheitlicher Produktionsprozess zu betrachten.

Schließlich ergibt sich auch die Anwendung der Grundsätze über die Behandlung von Mischbetrieben (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2000 III R 100/96, BFH/NV 2001, 487 und BFH-Beschluss vom 11. Januar 2003 III B 97/02, BFH/NV 2003, 510, jeweils m.w.N.) kein abweichendes Ergebnis. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die Wertschöpfungsquote der Brotproduktion entgegen der gemeinsamen Auffassung der Beteiligten nicht höher als die Wertschöpfungsquote der übrigen Tätigkeiten ist. Dies gilt selbst dann, wenn man die Tätigkeiten, die der Beklagte zu den sensiblen Sektoren zählt, in die übrigen Tätigkeiten einbezieht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Ende der Entscheidung

Zurück