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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 14 K 10476/02 B
Rechtsgebiete: BlnZwStG, AO


Vorschriften:

BlnZwStG § 1
AO § 5
AO § 163 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

14 K 10476/02 B

Zweitwohnungsteuer 1998 bis 2003

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 14. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27. November 2007

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., den Richter ... sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Zweitwohnungsteuer 2001 wird unter Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids 2001 vom 25.02.2002 und Aufhebung der entsprechenden Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 auf 42,71 Euro festgesetzt.

Die Zweitwohnungsteuer 2002 wird unter Änderung des Zweitwohnungsteuerbescheids 2002 vom 25.02.2002 und Aufhebung der entsprechenden Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 auf 44,85 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird hinsichtlich der Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Zweitwohnungsteuer.

Mit Bescheid vom 28.12.2000 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger Zweitwohnungsteuer betreffend die Jahre 1998 bis 2000 in Höhe von jeweils 80,00 DM fest.

Hiergegen wehrte der Kläger sich vor dem Finanzgericht Berlin mittels Klage 10 K 10415/01, die er im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.11.2001 zurücknahm. Ausschlaggebend war die Zusage des Beklagten, über eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen zu befinden. In dem Protokoll ist die Beklagtenvertreterin mit den Worten zitiert, sie werde im Fall der Klagerücknahme über einen Antrag des Klägers nach § 163 Abgabenordnung -AO- betreffend die abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen entscheiden.

Der Kläger stellte mit Schreiben vom 10.01.2002 einen entsprechenden Antrag, welchen der Beklagte mit Bescheid vom 19.02.2002 ablehnte. Mit Bescheid vom 25.02.2002 setzte er die Zweitwohnungsteuer für 2001 auf 88,00 DM und für 2002 bis 2003 auf 45,43 Euro fest. Er legte dabei den in Kopie bei den Akten befindlichen Mietvertrag vom 24.03.1998 zugrunde. Einen anderen hatte der Kläger trotz Nachfrage - zuletzt vom 27.06.2002 - nicht eingereicht. Den Einspruch des Beklagten vom 21.03.2002 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 als unbegründet zurück.

Gegen die Versagung des Billigkeitserlasses und die Festsetzung von Zweitwohnungsteuer wehrt sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.

Er trägt vor, nicht leistungsfähig zu sein, insbesondere sei das Halten seiner Zweitwohnung ("Studentenbude") nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ein Studentenzimmer sei auch keine "Wohnung". Er sei ferner zwar melderechtlich gezwungen gewesen, seinen Erstwohnsitz an seinem damaligen Lebensmittelpunkt bei den Eltern in K. anzumelden. Dort habe er jedoch nicht über eine Hauptwohnung verfügt, sondern lediglich sein altes Kinderzimmer ohne Rechtsanspruch bewohnt. Denknotwendigerweise setze die Erhebung von Zweitwohnungsteuer jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige über zwei Wohnungen verfüge. Nur dies könne die Vermutung der besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit begründen. Die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Studenten des Studentenwohnheims S., die bei ähnlicher Sachlage nicht zur Zweitwohnungsteuer herangezogen worden seien, verstoße zudem gegen Art. 3 Grundgesetz -GG-. Die Grundmiete habe zum 01.01.2001 994,57 DM statt der vom Beklagten angesetzten 1.091,54 DM betragen. Der Beklagte müsse zumindest die anteilige Miete für die außerhalb der Wohnung gelegenen Gemeinschaftsflächen aus der Bemessungsgrundlage herausrechnen.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 19.02.2002 und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 aufzuheben und die Zweitwohnungsteuer aus dem Steuerbescheid vom 28.12.2000 für die Jahre 1998, 1999 und 2000 aus Billigkeitsgründen auf Null Euro festzusetzen.

2. die Aufhebung des Steuerbescheides vom 25.02.2002 für die Jahre 2001, 2002 und 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002,

hilfsweise

die Änderung des Steuerbescheides vom 25.02.2002 für die Jahre 2001, 2002 und 2003 und der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2002 dahingehend, dass die in der Fläche der Wohneinheit anteilig zugerechneten Gemeinschaftsflächen aus der Berechnung der Zweitwohnungsteuer herauszunehmen sind.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es seien weder sachliche noch persönliche Billigkeitsgründe ersichtlich. Die Gemeinschaftsflächen dürften ausweislich des Mietvertrages mitbenutzt werden, seien aber nicht mitvermietet worden und mithin auch nicht anteilig aus der Bemessungsgrundlage herauszurechnen.

Das Gericht hat die Klage mittels Gerichtsbescheid vom 30.07.2007 abgewiesen. Am 07.08.2007 hat der Kläger einen weiteren Mietvertrag, datierend vom 01.04.1999, bei Gericht eingereicht.

Ausweislich dieses Staffelmietvertrages betrug die von seiner sechsköpfigen Wohngemeinschaft geschuldete monatliche Grundmiete ab dem 01.04.1999 947,21 DM, ab dem 01.04.2000 994,57 DM (Steigerung 5%), ab dem 01.04.2001 1.044,30 DM (Steigerung 5%) sowie ab dem 01.04.2002 1.148,73 DM (Steigerung 10%). Darin enthalten war ein Möblierungszuschlag von anfänglich 118,44 DM, der jedes Jahr entsprechend der Grundmiete steigen sollte. Auf den genauen Inhalt des Vertrages nimmt der Senat Bezug.

Mit Schriftsatz vom 24.08.2007 hat der Kläger die mündliche Verhandlung beantragt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet, denn die angegriffenen Bescheide der Jahre 2001 und 2002 sind der Höhe nach rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Für die Jahre 1998 bis 2000 ist die Steuer bestandskräftig festgesetzt. Eine Verpflichtung des Beklagten, die Zweitwohnungsteuer aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO abweichend festzusetzen, besteht nicht (vgl. § 101 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Die Entscheidung hierüber ist eine Ermessensentscheidung, die das Gericht nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüfen kann. Das Gericht überprüft die Entscheidung des Finanzamts dahingehend, ob dieses eine Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung begangen hat oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt.

Eine Ermessensüberschreitung oder -unterschreitung sowie ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten sind nicht ersichtlich.

Eine Finanzbehörde überschreitet ihr Ermessen, wenn die für die Ermessensgewährung vorgesehenen Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsvorschrift nicht erfüllt sind oder wenn sie eine nicht im Rahmen der Vorschrift liegende Rechtsfolge wählt (Kruse in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 5 AO Rz. 36). Eine Ermessensunterschreitung ist gegeben, wenn das Finanzamt seinen Ermessensrahmen nicht ausschöpft, weil ihm das zugestandene Ermessen nicht bewusst ist oder weil es die Ermächtigungsnorm falsch ausgelegt hat (Kruse in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 5 AO Rz. 40); es unterschreitet weiterhin sein Ermessen, wenn es nicht alle gebotenen Erwägungen anstellt (Bundesfinanzhof -BFH- vom 05. März 1993 VI R 79/91, BStBl. II 1993, 692). Ein Ermessensfehlgebrauch ist gegeben, wenn das Finanzamt bei der Ermessensausübung gegen den Zweck der Ermächtigungsvorschrift verstößt, also zwar die äußeren Grenzen der Ermächtigungsnorm einhält, nicht jedoch die gesetzlichen Zielvorstellungen dieser Vorschrift beachtet (Kruse in Tipke/Kruse, AO, FGO, § 5 AO Rz. 43). Im Streitfall führt der Beklagte in der Einspruchsentscheidung aus, dass er einen Erlass unter den Voraussetzungen des § 163 AO aussprechen könnte. Er hat somit erkannt, dass § 163 AO eine Ermessensvorschrift darstellt. Eine Ermessensunterschreitung ist daher nicht ersichtlich.

Die Ablehnung des beantragten Erlasses bewegt sich im Rahmen der möglichen Rechtsfolgen des § 163 AO, so dass keine Ermessensüberschreitung gegeben ist.

Ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten liegt ebenfalls nicht vor.

§ 163 AO bezweckt den Ausgleich unbilliger Härten und damit Gerechtigkeit des Einzelfalls. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, atypische Sachverhalte durch eine Fortschreibung der im Gesetz enthaltenen Wertungen zu berücksichtigen und damit Unzulänglichkeiten des generalisierenden Gesetzes auszugleichen. In Betracht kommen sachliche oder persönliche Billigkeitsgründe.

Sachliche Billigkeitsgründe sind vorliegend nicht ersichtlich.

Sachliche Billigkeitsgründe sind nur gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (siehe etwa BFH vom 27. Mai 2004 IV R 55/02, BFH/NV 2004, 1555) oder wenn angenommen werden kann, dass die Einziehung den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderläuft (siehe etwa BFH vom 23. September 2004 V R 58/03, BFH/NV 2005, 825). Ein Erlass ist nur in solchen Fällen zulässig und geboten, die bei Fassung des Gesetzes nicht vorausgesehen wurden und deren Härten nicht in Kauf genommen worden wären. § 163 AO darf damit nicht dazu dienen, eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Befreiungsvorschrift einzuführen.

Die Befreiung der Studenten im Allgemeinen oder aber auch nur speziell derjenigen, die sich wie der Kläger in zeitlicher Hinsicht nicht überwiegend am Studienort aufhalten und daher melderechtlich daran gehindert sind, dort ihre Hauptwohnung anzumelden, hat der Gesetzgeber bewusst nicht vorgenommen. Studenten, die ein Zimmer bei ihren Eltern an einem anderen Wohnort haben, gehören zu einem der Hauptanwendungsbereiche des Berliner Zweitwohnungsteuergesetzes -BlnZwStG-. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des BlnZwStG übersehen hat, dass bei Studenten das Innehaben einer abgeschlossenen Wohnung am Studienort oftmals nicht Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist, weil die "Erstwohnung" das kostenfrei bei den Eltern bewohnte Kinderzimmer darstellt. Auch solche Studenten unter das BlnZwStG zu fassen, entspricht gerade dem Willen des Gesetzgebers. Diesen Willen des Gesetzgebers haben Gerichte und Finanzverwaltung zu respektieren. Für den "Kinderzimmerfall" des Kläger und damit letztlich die Mehrzahl der von der Zweitwohnungsteuer betroffenen Berliner Studenten sachliche Billigkeitsgründe zu konstruieren, würde die Umkehrung des gesetzgeberischen Willens zur Folge haben (gleicher Auffassung zu ähnlicher Gesetzes- und Sachlage jüngst VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007 25 K 2703/07, [...]).

Auch eine Billigkeitsmaßnahme aus persönlichen Gründen hat der Beklagte zu Recht abgelehnt.

Eine Billigkeitsmaßnahme aus persönlichen Gründen setzt Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit voraus. Der Kläger ist schon nicht erlassbedürftig, so dass es auf seine Erlasswürdigkeit nicht ankommt. Erlassbedürftigkeit liegt nur bei Gefährdung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz im Falle der Versagung des Erlasses vor. Erlassbedürftigkeit besteht insbesondere, wenn ein Steuerpflichtiger ohne Erlass der Steuern seine Existenzgrundlage verlieren würde. Die wirtschaftliche Existenz ist in diesem Sinne gefährdet, wenn ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann. Die gegen den Kläger festgesetzte Zweitwohnungsteuer ist schon der Höhe nach nicht geeignet, ihn dauerhaft in seiner wirtschaftlichen Existenz zu gefährden.

Soweit der Kläger die Steuerbescheide 2001 bis 2003 angreift, hat die Klage zum Teil Erfolg. Der Kläger ist dem Grunde nach verpflichtet, für die Streitjahre eine Zweitwohnungsteuer zu entrichten, die der Höhe nach zum Teil geringfügig zu korrigieren ist.

Die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer gegenüber dem Kläger ist dem Grunde nach rechtmäßig, insbesondere sind Studierende, die in der elterlichen Wohnung mit Hauptwohnung gemeldet sind und denen dort lediglich ihr ehemaliges Kinderzimmer zur Verfügung steht, für die in Berlin gelegene Nebenwohnung grundsätzlich zweitwohnungsteuerpflichtig.

In Berlin knüpft die Zweitwohnungsteuer gemäß § 1 BlnZwStG an das Innehaben einer Zweitwohnung (Nebenwohnung im Sinne des Melderechts, § 2 BlnZwStG) an, nicht etwa an das Innehaben zweier Wohnungen.

Insofern kommt es auf die Argumentation des Klägers, er habe in den Streitjahren schon keine Erstwohnung innegehabt, nicht an. Der Zweitwohnungsteuerpflicht unterliegen auch Inhaber von Zweitwohnungen, die ihre überwiegend genutzte Hauptwohnung mangels Verfügungsbefugnis nicht innehaben. Der Charakter der Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG steht dem nicht entgegen. Bei einer Aufwandsteuer kommt es nur darauf an, ob der erfasste Konsum typischerweise Ausdruck einer erhöhten Leistungsfähigkeit ist, nicht aber darauf, ob dies auch in jedem Einzelfall festgestellt werden kann. Maßgeblich ist allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das Innehaben einer Zweitwohnung sieht der Senat wie auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss 2 BvR 1275/79 vom 06. Dezember 1983, BStBl II 1984, 72) als einen Zustand an, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Finanzieller Aufwand für eine Zweitwohnung entsteht unabhängig von der Frage, wie sich der Aufwand für die Erstwohnung zusammensetzt, insbesondere von wem und mit welchen Mitteln er finanziert wird (gleicher Auffassung zur Zweitwohnungsteuerpflicht Studierender in so genannten "Kinderzimmerfällen" BayVGH München, Beschluss vom 20. März 2007 4 CS 07.478, [...]; Urteil vom 14.02.2007 4 N 06.367, BayVBl 2007, 530; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2006 4 M 319/06, [...]; OVG NRW, Beschluss vom 21. Juni 2006 14 B 802/06, [...]; Beschluss vom 12. Juni 2006 14 E 1045/05, NVwZ-RR 2007, 271). Nach zunehmend vertretener Gegenauffassung (jüngst VG Düsseldorf, Urteil vom 19. November 2007 25 K 2703/07, [...] unter Zulassung der Sprungrevision; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27. Februar 2007 1 M 103/06, NordÖR 2007, 216; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2007 6 B 11579/06, NVwZ-RR 2007, 556) soll die Zweitwohnungsteuerpflicht mit Erstwohnsitz bei den Eltern gemeldeter Studierender daran scheitern, dass diese die Erstwohnung nicht inne hätten und ihnen im Hinblick auf die Kostenfreiheit der Erstwohnung auch kein eine Aufwandsteuer rechtfertigender zusätzlicher Aufwand entstünde. Diese Auffassung verkennt, dass als ausschlaggebendes Kriterium für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei einer Aufwandsteuer allein der Konsum zu Grunde zu legen ist. Die Forderung nach einer generellen Befreiung mit Hauptwohnsitz bei den Eltern gemeldeter Studenten von der auf Nebenwohnungen erhobenen Zweitwohnungsteuer stellt letztlich unzulässigerweise darauf ab, von wem und mit welchen Mitteln der Konsumaufwand für die betreffenden Wohnungen finanziert wird und welchen näheren Zwecken er dient. Der Kläger schuldet gemäß § 1 BlnZwStG für die Jahre 2001 bis 2003 Zweitwohnungsteuer, weil er in diesem Zeitraum im Land Berlin länger als ein Jahr eine Zweitwohnung als Nebenwohnung im Sinne des Melderechts innehatte. Wohnung im Sinne des BlnZwStG ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Hierfür reicht grundsätzlich eine bescheidene Mindestausstattung - wie es im Falle der "Studentenbude" des Klägers gewesen sein mag - aus. Der Kläger hatte diese Wohnung in den Jahren 2001 bis 2003 auch inne, denn er war als Mieter und Bewohner der Wohnung über diese sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht verfügungsbefugt und damit Inhaber der Zweitwohnung im Sinne des § 3 BlnZwStG.

Die vom Beklagten festgesetzte Steuer ist aber der Höhe nach aufgrund des im Klageverfahren eingereichten Mietvertrags geringfügig zu korrigieren, da die Bemessungsgrundlage geringer ausfällt als es der Beklagte im Verwaltungsverfahren wissen konnte.

Bemessungsgrundlage ist nach § 5 Abs. 1 BlnZwStG die auf Grund eines Mietvertrages für die Zweitwohnung im Besteuerungszeitraum geschuldete Nettokaltmiete. Bei Wohngemeinschaften ist der individuell genutzte Teil der Wohnung erhöht um den Kopfteil an der Gemeinschaftsfläche zur Gesamtfläche der Wohnung ins Verhältnis zu setzen, um die anteilig geschuldete Nettokaltmiete zu ermitteln (§ 2 Abs. 2 Satz 3 und 4 BlnZwStG).

Ausweislich des am 07.08.2007 eingereichten Staffelmietvertrages betrug die von der Wohngemeinschaft geschuldete monatliche Grundmiete ab dem 01.04.1999 947,21 DM, ab dem 01.04.2000 994,57 DM (Steigerung 5%), ab dem 01.04.2001 1.044,30 DM (Steigerung 5%) sowie ab dem 01.04.2002 1.148,73 DM (Steigerung 10%).

Die Nettokaltmiete errechnet sich durch Abzug des Möblierungszuschlages in Höhe von 118,44 DM ab dem 01.04.1999; 124,36 DM ab dem 01.04.2000; 130,58 DM ab dem 01.04.2001 sowie 143,64 DM ab dem 01.04.2001.

Daraus ergeben sich folgende Nettokaltmieten:

 ab 01.04.2000870,21 DM
ab 01.04.2001913,72 DM
ab 01.04.2002 1.005,09 DM

Daraus errechnet sich folgende Zweitwohnungsteuer:

 2002913,72 DM x 16% x 12 Monate x 5% Steuersatz = 87,71 DM / 44,85 Euro
2001870,21 DM x 16% x 12 Monate x 5% Steuersatz = 83,54 DM / 42,71 Euro
20031.005,09 DM x 16% x 12 Monate x 5% Steuersatz = 96,49 DM / 49,33 Euro

Da der Senat an einer verbösernden Entscheidung gehindert ist, ändert er nur die 2001 und 2002 betreffenden Festsetzungen.

Der Beklagte hat dem Kläger korrekt gerundet ein Sechstel der Wohnfläche zugerechnet (angesichts einer Gesamtwohnungsgröße laut Mietvertrag von 117 Quadratmetern, einer Individualzimmergröße von 10 Quadratmetern und einer Gemeinschaftsfläche von 57 / 6 = gerundet 9 Quadratmetern ergibt sich ein Mietanteil des Klägers von 16%).

Die Bemessungsgrundlage ist nicht - wie vom Kläger begehrt - um einen Anteil für mitvermietete Gemeinschaftsflächen außerhalb der Wohnung zu kürzen. Die Frage, ob zum Begriff der Wohnung im Sinne des Zweitwohnungsteuerrechts auch mitvermietete Nebenräume und Flächen außerhalb der Wohnung gehören (diese Auffassung vertritt das VG Augsburg im Urteil vom 24. Oktober 2007 Au 6 K 06.1402, [...]), konnte der Senat offen lassen. Der Kläger schuldet die Miete ausweislich § 1 Ziff. 1 des Mietvertrages für die Wohnung. Gemeinschaftsflächen auf dem Gelände des Studentendorfes dürfen gemäß § 1 Ziff. 4 des Mietvertrages zwar benutzt werden, sind aber nicht mitvermietet. Die Regelung in § 7 Ziff. 1 b), wonach die Größe der Wohneinheit - offenbar wegen Umlage der Heizkosten - auch unter Berücksichtigung von (allgemein zugänglichen) Gemeinschaftsflächen außerhalb der Wohnung vereinbart wird, ändert nichts an dem Umstand, dass der Kläger die Miete nur für die Wohnung schuldet und sein Mietanteil 16% der Nettokaltmiete beträgt.

Sollten andere Bewohner des Studentendorfs die Steuer hinterzogen haben, würde dies die Rechtsmäßigkeit der Steuerfestsetzung gegenüber dem Kläger nicht berühren. Art. 3 GG verlangt keine Gleichbehandlung im Unrecht.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1 und 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Der Beklagte ist nur zu einem ganz geringen Teil unterlegen.

Hinsichtlich der Jahre 1998 bis 2000 sah der Senat keinen Grund für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO). Streitgegenstand war lediglich eine Billigkeitsmaßnahme.

Hinsichtlich der Jahre 2001 bis 2003 war die Revision zuzulassen. Bei den Vorschriften des BlnZwStG handelt es sich um revisibles Landesrecht i. S. von § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes über den Anwendungsbereich der Abgabenordnung (AOAnwG) ist die FGO - und damit auch die Vorschriften der FGO über die Revision - auf alle Steuern anzuwenden, soweit diese durch Berliner Finanzbehörden verwaltet werden und nicht durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Gemeinschaften geregelt sind. Die Sache hat wegen der Vielzahl gleichgelagerter Fälle grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Ferner ist eine Entscheidung des BFH zwecks Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Senat weicht in seiner Rechtsprechung von der oben erwähnten Rechtsprechung einiger Oberverwaltungsgerichte zu den so genannten "Kinderzimmerfällen" ab. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist auch in Fällen gefährdet, in denen ein Finanzgericht von der Rechtsprechung eines Oberverwaltungsgerichts abweicht (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO, Rz. 191; Seer in Tipke/Kruse, § 115 FGO, Rz. 67; a.A. Ruban in Gräber, § 115 FGO, Rz. 49).



Ende der Entscheidung

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