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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 21.01.2009
Aktenzeichen: 14 K 14022/07
Rechtsgebiete: EStG, HGB
Vorschriften:
EStG § 17 Abs. 1 | |
EStG § 17 Abs. 2 | |
EStG § 17 Abs. 4 | |
HGB § 255 Abs. 1 |
In dem Rechtsstreit
...
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 14. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 21. Januar 2009
durch
die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ...,
den Richter am Finanzgericht ...,
den Richter ... sowie
die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes im Sinne von § 17 Einkommensteuergesetz -EStG-.
Der Kläger war Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der B GmbH. Sein Bruttoarbeitslohn betrug 60.000 Euro. Die Beteiligung umfasste 90% des Stammkapitals. Über das Vermögen der GmbH wurde am 01.09.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet. Es war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgeschlossen.
In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung 2004 machten die Kläger unter anderem Werbungskosten betreffend inländische Kapitalerträge in Höhe von 6.822 Euro geltend.
Diese Beträge rührten aus folgenden Sachverhalten:
Im ... 2002 hatte der Kläger für ein Darlehen der GmbH bei der Cbank eine Bürgschaftsverpflichtung in Höhe von 356.000 Euro übernommen, aus der diese ihn seit dem ...2003 in Anspruch nahm.
Seit dem ...2003 zahlte er zudem Raten an die D bank für Verbindlichkeiten aus dem Einsatz einer Firmenkreditkarte, mit der Betriebsausgaben der GmbH beglichen worden waren und für die er sich als Mitschuldner verpflichtet hatte. Insgesamt hatte er in 2004 2.250 Euro aufgrund der Bürgschaft und 4.572 Euro wegen der Kreditkarte, insgesamt mithin 6.822 Euro gezahlt.
Mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 10.07.2006 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung des Betrages als Werbungskosten ab. Es handele sich allenfalls um einen Verlust im Sinne des § 17 EStG, denn die Aufwendungen seien in Zusammenhang mit den im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen entstanden. Insoweit erbat er in der Anlage zum Bescheid weitere Unterlagen, um prüfen zu können, ob der Verlust bereits im Streitjahr entstanden sei.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 wehrten sich die Kläger fristgerecht mit Einspruch.
Sie begehrten weiterhin den Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen, hilfsweise bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Im Einspruchsverfahren reichten sie beim Beklagten den Bericht der Insolvenzverwalterin vom ...2003 zur ersten Gläubigerversammlung ein, auf dessen Inhalt der Senat Bezug nimmt.
Der Beklagte wies den Einspruch am ...2006 als unbegründet zurück.
Ein Ansatz als Werbungskosten scheide aus. Es handele sich bei den Aufwendungen um einen Vermögensverlust im Sinne des § 17 EStG. Mangels Abschlusses des Insolvenzverfahrens in 2004 könne dieser Verlust aber jedenfalls keine Berücksichtigung im Streitjahr finden.
Hiergegen wehren sich die Kläger mit fristgerecht erhobener Klage.
Im Klageverfahren haben sie dem Beklagten zugestimmt, dass es sich bei den Aufwendungen um einen Veräußerungsverlust im Sinne des § 17 EStG handele. Sie vertreten aber die Auffassung, dieser sei bereits im Streitjahr 2004 - dem Jahr der Zahlung - zu berücksichtigen.
Aus dem Bericht der Insolvenzverwalterin gehe eindeutig hervor, dass der Kläger als nachrangiger Insolvenzgläubiger wegen offensichtlicher Unterdeckung schon 2004 nicht mit einer Zuteilung habe rechnen können. Die Ausschüttung einer Quote an nachrangige Insolvenzgläubiger wie den Kläger sei lebensfremd.
Nach Hinweis des Berichterstatters, dass selbst für den Fall, dass das Gericht zu dem Schluss gelänge, dass der Verlust im Sinne des § 17 EStG hier ausnahmsweise bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2003 entstanden sei, eine Berücksichtigung in 2004 nicht in Betracht käme, weil maßgeblich nicht der Abfluss, sondern das Bestehen der Schuld sei, haben die Kläger ihre Argumentation wie folgt ergänzt:
Auch für die Berücksichtigung eines Verlustes im Sinne des § 17 EStG sei die tatsächliche Zahlung maßgeblich, denn erst mit der Zahlung stehe die tatsächliche Belastung fest.
Anderenfalls hätte der Kläger den Gesamtbetrag der Bürgschaft in 2003 als Aufwand geltend machen können, mit der Folge ständiger Korrekturen der Bescheide, sofern tatsächlich weniger gezahlt worden wäre. So habe er sich zum Beispiel mit der C bank Anfang 2006 wegen der Bürgschaft auf einen Betrag von 125.000 DM verglichen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuerfestsetzung 2004 vom 10.07.2006 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27.12.2006 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 6.822 Euro als Verlust im Sinne des § 17 EStG,
hilfsweise
als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit,
äußerst hilfsweise
bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Berücksichtigung findet.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bleibt bei seiner Auffassung, dass erst mit Abschluss der Liquidation sicher sei, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung rechnen könne.
Ein Auflösungsverlust sei erst zu diesem Zeitpunkt entstanden. Die Gesellschaft sei ausweislich des Berichts der Insolvenzverwalterin nicht vermögenslos gewesen. Sie habe zum Beispiel noch zur Verwertung anstehende Filmrechte mit einem Buchwert in Höhe von 76.499 Euro besessen, so dass die Höhe des Veräußerungsverlustes im Streitjahr nicht festgestanden habe.
Dem Senat haben bei der Entscheidungsfindung die die Kläger betreffenden Einkommensteuerakten des Streitjahres vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet, denn der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Der Beklagte hat die streitgegenständlichen Aufwendungen zutreffend als nachträgliche Anschaffungskosten des an der GmbH wesentlich beteiligten Klägers im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 EStG eingeordnet.
Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste.
Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches -HGB Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Dazu gehören nach § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten.
Zu den nachträglichen Anschaffungskosten einer Beteiligung zählen unter anderem nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, insbesondere Finanzierungshilfen, z.B. durch Übernahme einer Bürgschaft oder durch andere Rechtshandlungen i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-, wenn sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben. Maßgebend dafür ist, ob ein Gesellschafter der Gesellschaft in einem Zeitpunkt, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten (Krise der Gesellschaft), stattdessen ein Darlehen gewährt oder eine dem Darlehen wirtschaftlich entsprechende andere Rechtshandlung ausführt.
Da der Kläger die Bürgschaft und die Verbindlichkeiten durch Einsatz der Firmenkreditkarte kurz vor Beantragung des Insolvenzverfahren übernommen hat, geht der Senat davon aus, dass Kreditunwürdigkeit der GmbH und damit eine Krise der Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bestand und die Bürgschaft sowie die Mitverpflichtung damit eigenkapitalersetzenden Charakter hatten. Denn der Senat ist zusätzlich davon überzeugt, dass die Gewährung dieser Finanzierungshilfen ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis und nicht in dem gleichzeitig zur GmbH bestehenden Arbeitsverhältnis hatte. Es ist völlig üblich, dass Banken von Mehrheitsgesellschaftern einer GmbH derartige Sicherheiten verlangen. Ohne die Gesellschafterstellung hätte der Kläger ein derartig gravierendes Haftungsrisiko - das Sechsfache seines Bruttogehalts als Geschäftsführer - auch kaum übernommen.
Sofern ein Gesellschafter aus einer derartigen Sicherheit in Anspruch genommen wird, steht dies wirtschaftlich dem Verlust gesellschaftsrechtlicher Einlagen gleich. Das rechtfertigt die Einbeziehung der Aufwendungen in die Ermittlung eines Verlustes im Sinne des § 17 EStG.
Den Auflösungsverlust kann der Kläger jedoch nicht im Streitjahr geltend machen.
Es entspricht zutreffender ständiger BFH-Rechtsprechung, dass ein Auflösungsverlust im Sinne des § 17 EStG voraussetzt, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter nicht mehr mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen rechnen kann und dass feststeht, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten oder sonstige im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigende Veräußerungs- oder Aufgabekosten anfallen werden [ BFH, Beschluss vom 04.10.2007 VIII S 3/07 (PKH), BFH/NV 2008, 209 m.w.N.].
Nach dieser höchstrichterlicher Rechtsprechung sind diese Voraussetzungen gerade im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt; nur wenn diese mangels Masse nicht stattfindet, ist der auf einen Zeitpunkt zu ermittelnde Auflösungsverlust bereits bei Ablehnung des Antrags auf Insolvenzeröffnung entstanden. Von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des Liquidationszeitpunktes für die Entstehung eines Auflösungsverlustes ist lediglich dann abzuweichen, wenn die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, z.B. bei Ablehnung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, bei eindeutiger Vermögenslosigkeit im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses oder wenn der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit einer Auskehrung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen der Vermögensverteilung nach § 72 GmbHG nicht mehr rechnen konnte.
Angesichts der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2003 und des im Jahr 2004 noch nicht erfolgten Abschlusses kann der Kläger seinen Auflösungsverlust nach diesen zutreffenden Rechtsprechungsgrundsätzen jedenfalls nicht im Jahr 2004 geltend machen.
Entgegen der Auffassung des Klägers gilt insbesondere das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG für die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG nicht, da § 17 Abs. 2 EStG eine Gewinnermittlung eigener Art darstellt (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH, Beschluss vom 01.04.2008 IX B 257/07, BFH/NV 2008, 1331).
Die Hilfsanträge haben schon deshalb keinen Erfolg, weil es sich bei den Aufwendungen nicht um Werbungskosten, weder bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit noch bei der Einkünften aus Kapitalvermögen handelt.
Dies folgt schon aus obigen Ausführungen zur Qualifikation der Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung und dem Umstand, dass der Kläger die Bürgschaft nicht aus beruflichen Gründen in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer gewährt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.
Ende der Entscheidung
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