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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 3 K 1147/06 B
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO, GG


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 7
EStG § 26 Abs. 1
FGO § 33
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 3. Senat -

ohne mündliche Verhandlung am 14. Januar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtliche Richterin ... und

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Mit Einkommensteuerbescheid für 2004 vom ... führte das Finanzamt Zehlendorf unter der früheren Steuernummer ... antragsgemäß eine Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem Ehegatten, Herrn Y, durch. Der Bescheid enthielt den handschriftlichen Zusatz: " für Herrn und Frau Y und X ". Infolge Umzugs der Klägerin und ihres Ehemannes in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten wurde diesen mit maschinell erstelltem Schreiben vom ... die Zuständigkeit des Finanzamtes Z für die Veranlagung der Einkommensteuer/ Kirchensteuer sowie die neue Steuernummer ... mitgeteilt (vgl. Bl. 4 Streitakte). Das Schreiben enthielt den Zusatz: " für: Herrn und Frau Y und X ".

Mit ihrem Einspruch vom ... machte die Klägerin geltend, die nachrangige Nennung ihres Namens nach dem Namen ihres Ehemannes im Einkommensteuerbescheid sowie im maschinellen Steuerkonto (siehe Schreiben vom ...) verletzte ihren verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Gleichbehandlung der Geschlechter gemäß Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz - GG -. Dies sei besonders dann augenfällig, wenn ausschließlich der weibliche Ehegatte - wie im Streitfall - das Familieneinkommen erwirtschaftet habe.

In seiner den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom ... - die im Rubrum an erster Stelle den Namen der Klägerin und an zweiter Stelle den Namen ihres Ehemannes nennt (Bl. 16 Streitakte) - wies der Beklagte darauf hin, dass im Einspruchsverfahren gegen einen Steuerverwaltungsakt lediglich dessen Rechtmäßigkeit überprüft werde. Dass die Klägerin sich durch die gewählte Adressierung in ihren Grundrechten verletzt fühle, betreffe nicht die Rechtmäßigkeit des Bescheides und könne nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens sein. Dessen ungeachtet sei der Einkommensteuerbescheid durch die gewählte Adressierung inhaltlich hinreichend bestimmt und als nach § 122 Abgabenordung - AO - wirksam bekannt gegeben zu erachten.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage hält die Klägerin an ihrer Auffassung fest, die nachrangige Nennung ihres Namens im Steuerbescheid sowie im Ehegattensteuerkonto verletze ihren Anspruch auf Gleichbehandlung der Geschlechter. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art 3 Abs. 3 GG folge, dass (allein) das Geschlecht nicht als Differenzierungskriterium (Grund) für eine staatliche (behördliche) Ungleichbehandlung herangezogen werden dürfe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten zu verurteilen, die Adressatenfolge im Einkommensteuerbescheid für 2004 vom ... sowie im maschinellen Steuerkonto zur Steuernummer ... (vormals: ...) dahingehend zu ändern, dass der Name der Klägerin vor dem Namen ihres Ehemannes genannt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält bereits den Finanzrechtsweg für nicht eröffnet. Mangels Geltendmachung einer möglichen Rechtsverletzung im Sinne des § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - sei die Klage überdies unzulässig.

Die Nennung des Namens der Klägerin nach dem Namen ihres Ehemannes entspreche außerdem der einheitlichen Verwaltungspraxis in A., die sich an den allgemeinen, im Schriftverkehr üblichen Formvorschriften orientiere. Die Verwaltung und Speicherung der Grunddaten für die maschinelle Bearbeitung im automatisierten Steuerfestsetzungs- und Erhebungsverfahren sei nach den Vorgaben der für die ... Finanzämter geltenden "Dienstanweisung automatisierte Datenverarbeitung A." (im Folgenden: DA-ADV) erfolgt. Die DA-ADV gebe im Grundinformationsverfahren die Adressierung "Herrn und Frau" nichtvariabel vor. Es handele sich um ein (wertungsfreies) ausschließliches Ordnungssystem.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt und die im Verfahren von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Dem Gericht haben jeweils ein Band Streitakten des (vormaligen) Finanzgerichts Berlin zum Aktenzeichen ... und Lohnsteuer-Arbeitnehmerakten des Beklagten zur Steuernummer ... (vormals: ...) vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Streitsache entscheiden, § 90 Abs. 2 FGO.

Die Klage ist unzulässig.

Allerdings scheitert die Klage nicht am Finanzrechtsweg; eine Verweisung des Rechtsstreits gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - scheidet aus. Denn im Streitfall ist der Finanzrechtsweg gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 FGO eröffnet. Die gerügte Adressierung bzw. die Speicherung der Personalien im gemeinsamen Steuerkonto beziehen sich auf den Bereich der Abgabenangelegenheiten, die der Finanzgerichtsbarkeit zugewiesen sind.

Unter den Begriff der Abgabenangelegenheiten sind sämtliche Maßnahmen der Finanzbehörden zu verstehen, die mit der Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften im Zusammenhang stehen, insbesondere solche, die der Verwirklichung bzw. Durchsetzung des (öffentlich-rechtlichen) Abgabenanspruchs dienen (Koch in Gräber, FGO-Kommentar, 6. Aufl., Rz. 14 zu § 33). Im Streitfall stehen die von der Klägerin geltend gemachten Einwände in einem unmittelbaren Regelungszusammenhang mit den dem Abgabenrecht zugehörigen Vorschriften über die Adressierung und Bekanntgabe von Zusammenveranlagungsbescheiden gegenüber Ehegatten nach den §§ 26 Abs. 1, 26 b Einkommensteuergesetz - EStG - i.V.m. § 122 Abs. 7 AO. Insoweit bestimmt § 122 Abs. 7 AO, dass es für die Bekanntgabe von Zusammenveranlagungsbescheiden ausreicht, wenn den zusammenveranlagten Ehegatten übermittelt wird (vgl. Brockmeyer/Klein, AO-Kommentar, Rz. 20 zu § 122 mit Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes - BFH - sowie Seeger in Schmidt, EStG-Kommentar, 26. Aufl., Anm. 16 zu § 26 b).

Für das mit der Klage verfolgte Ziel der Änderung der Adressatenfolge im Einkommensteuerbescheid für 2004 und der gespeicherten Grunddaten im maschinellen Steuerkonto ist die (allgemeine) Leistungsklage die einschlägige Klageart. Das geltend gemachte Rechtsschutzbegehren bezieht sich weder auf die Änderung noch den Erlass eines Verwaltungsaktes, welche mit der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage i. Sinne v. § 40 Abs. 1 FGO zu verfolgen wären, sondern auf die Vornahme schlichten (nicht regelnden) Verwaltungshandelns. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der erstrebten Änderung in der Adressatenreihenfolge des Einkommensteuerbescheides für 2004. Die Klägerin wendet sich insoweit weder gegen die Höhe der festgesetzten Einkommensteuerschuld noch gegen eine unzureichende (unwirksame) Bezeichnung der im Bescheid erwähnten Steuerschuldner (Inhaltsadressaten) im Sinne von § 119 Abs. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO. Mit Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Inhaltsadressaten im betreffenden Einkommensteuerbescheid eindeutig und unverwechselbar und mithin wirksam im Sinne der vorerwähnten Vorschriften bezeichnet sind.

Da im Streitfall auch eine (allgemeine) Feststellungsklage gem. § 41 Abs. 1 FGO ausscheidet, weil diese Klageart gegenüber der (allgemeinen) Leistungsklage subsidiär ist (§ 41 Abs. 2 FGO), hat der Senat den Klageantrag - wie geschehen - im Wege der Auslegung des geltend gemachten Rechtsschutzbegehrens umgestellt (vgl. § 76 Abs. 2 FGO).

Die allgemeine Leistungsklage ist bereits mangels Klagebefugnis in analoger Anwendung des § 40 Abs. 2 FGO unzulässig (vgl. zur analogen Anwendung des § 40 Abs. 2 FGO auf das mit der allgemeinen Leistungs- bzw. Unterlassungsklage geltend gemachte Rechtsschutzbegehren von Groll in Gräber, a.a.O., Rz. 55 zu § 40).

Die Klagebefugnis erfordert die Geltendmachung einer (möglichen) Verletzung eines eigenen Rechts aus Abgabenangelegenheiten im Sinne von § 33 FGO. Nur wer sich mit einem Klagebegehren solchen Inhalts an das Gericht wendet, hat einen Anspruch auf Sachprüfung und Sachentscheidung (vgl. von Groll in Gräber, a. a.O., Rz. 56 zu § 40). Im Streitfall folgt eine solche (mögliche) Verletzung eines eigenen Rechts weder aus den speziellen noch dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssätzen nach Art. 3 Abs. 1 bis 3 GG. Nach dieser Vorschrift sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich (Art. 3 Abs. 1 GG); Männer und Frauen sind gleichberechtigt (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG); niemand darf wegen seines Geschlechtes ... benachteiligt oder bevorzugt werden (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG). Die besonderen Gleichheitssätze nach Art. 3 Abs. 2 und 3 GG verbürgen gleichermaßen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter. Die Absätze 2 und 3 regeln also insofern gleiche Tatbestände in gleicher Weise. Insofern kommt Art. 3 Abs. 3 GG gegenüber Art. 3 Abs. 2 GG keine eigenständige Bedeutung zu. Die Aussage in Abs. 3 stellt sich als Wiederholung von Abs. 2 dar und ist folglich nicht von der Sache her zu verstehen, sondern aus der Entstehungsgeschichte (zum Verhältnis von Abs. 2 und 3, vgl. Maunz-Dürig, GG-Kommentar, Rndnr. 4 zu Art. 3 Abs. 3). Weder der Einkommensteuerbescheid für 2004 noch die im Streit stehende Speicherung der Personalien der Klägerin und ihres Ehemannes im maschinellen Steuerkonto lassen eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Geschlechter erkennen. Es fehlt insofern an der für eine Grundrechtsverletzung erforderlichen geschlechtsbezogenen (möglichen) Ungleichbehandlung (Jaras/Pieroth, Kommentar zum GG, 9. Aufl., Tz. 85 zu Art. 3). In den von der Klägerin erhobenen Rügen kann der Senat jedenfalls keine (mögliche) Diskriminierung der Klägerin erkennen. Hieran kann schon deshalb kein Zweifel bestehen, weil andernfalls ein unauflösbarer Widerspruch entstehen würde. Je nachdem, welchen der beiden Ehegatten die Behörde in dem Zusammenveranlagungsbescheid an erster Stelle nennen würde, wäre damit andernfalls automatisch eine Herabsetzung des jeweils an zweiter Stelle erwähnten Ehegatten verbunden. Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass es sich bei der durch die DA ADV geregelten Speicherung und Verarbeitung der Grundinformationsdaten ausschließlich um ein wertungsfreies Ordnungssystem handelt, mit dem keinerlei diskriminierende (herabsetzende) oder sonst benachteiligende Wirkungen verbunden sind. Es bestehen auch keine Zweifel daran, dass unbeachtlich ist, welcher von beiden Ehegatten das Familieneinkommen erwirtschaftet. Hinsichtlich der gewählten Anrede "Herrn ... und Frau ..." handelt es sich überdies um eine dem allgemeinen deutschen Sprachgebrauch in Wort und Schrift entsprechende übliche Anrede, die auf keinerlei Verletzung, Unhöflichkeit oder Diskriminierung abzielt (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht - OVG -, Urteil vom 20. Oktober 1994, 2 L 706/91, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1995, 1572 sowie der dazu ergangene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - über die Nichtzulassungsbeschwerde vom 15. Februar 1995, 7 B 39/95, nachzulesen bei [...]; zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt in Bezug auf die Anrede von weiblichen Arbeitnehmern mit Frau ..., vgl. Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20. Juli 1981, 1 BvR 1417/80, NJW 1981, 625).

Da die Klage (wegen fehlender Klagebefugnis) offensichtlich unzulässig ist, brauchte eine etwaige notwendige Beiladung des Ehemannes der Klägerin nach § 60 Abs. 3 FGO nicht zu erfolgen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Kommentar zur FGO, Tz. 13 zu § 60 mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Rechtsmittelbelehrung

Die Revision ist nicht zugelassen worden.



Ende der Entscheidung

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