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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 4 K 10124/06 B
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 47 Abs. 1 S. 1
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

4 K 10124/06 B

Kindergeld

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 4. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. September 2007

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ....., den Richter am Finanzgericht ....., die Richterin am Finanzgericht ....., sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ..... und Herr .....

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem verheirateten Kläger ein Anspruch auf Kindergeld für die im September 1993 und 1996 in Polen geborenen Kinder W... und N... zusteht.

Seine Kinder leben in Polen bei seiner polnischen Ehefrau, die nach eigenen Angaben im Vordruck E 411 (Bl. 34) nicht berufstätig ist. Sie erhielt in Polen für ihre Kinder vom 1. Mai 2004 bis 31. August 2005 Familienleistungen von monatlich jeweils 10,80 EUR (Bl.43). Der Kläger ist Deutscher und für die ...-Straße , B... polizeilich gemeldet. Er wohnt nach eigenen Angaben bei Bekannten und besitzt keinen eigenen Mietvertrag. Der Kläger erklärte in seinem Kindergeldantrag vom 16. September 2005, dass er in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung sowohl unselbständig bei dem Holz- und Bautenschutzbetrieb R... mit unregelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit tätig war, als auch eine selbständige Erwerbstätigkeit als Bauarbeiter im eigenen Holz- und Bautenschutzbetrieb ausübte. Er ist wegen dieser Erwerbstätigkeit in Deutschland nicht sozialversichert. Das Gewerbe ist seit dem 27. Oktober 2004 beim Bezirksamt ... angemeldet. Er ist außerdem an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts R..., O... und L... beteiligt, die seit März 2004 als handwerksähnlicher Betrieb gemeldet und eingetragen ist.

Die Familienkasse lehnte mit Bescheid vom 4. Januar 2005 die Festsetzung mangels inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ab. Den dagegen erhobenen Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2006 als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung enthält oben links neben dem Bereich für die Absendung "abgesandt am:" einen Stempelaufdruck "30.Jan.2006". Zur Begründung führte die Beklagte aus: Der Kläger habe keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Ein Mietvertrag sei nicht vorgelegt worden. Er habe auch keine Bestätigung des zuständigen Finanzamtes über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 Abs.2 oder Abs.3 Einkommensteuergesetz -EStG- vorgelegt.

Mit der am 3. März 2006 dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er unter Vorlage einer Kopie der Einspruchsentscheidung aus, dass die Agentur für Arbeit mit Bescheid vom 30. Januar 2006 seinen Antrag auf Kindergeld für seine zwei Kinder abgelehnt habe. Er habe einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und sei unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er lebe und arbeite ständig in Deutschland. Seine gesamten Einkünfte habe er nur aus inländischen Quellen. Er arbeite nur für deutsche Auftraggeber und Firmen. Der Bruttobetrag der ausländischen Leistungen sei niedriger als das in Deutschland zustehende Kindergeld. Der sich daraus ergebende Unterschiedsbetrag, für die in Polen gezahlte Leistung solle jedoch auf das deutsche Kindergeld aufgerechnet werden.

Der inzwischen die Vertretung des Klägers übernommene Prozessbevollmächtigte hält die Voraussetzungen für die Festsetzung des Kindergeldes nach dem Einkommensteuergesetz für erfüllt. Als Deutscher mit Wohnsitz im Inland sei der Kläger unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er beruft sich insoweit auf den vorgelegten Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Jahr 2004 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 18. 948 EUR. Der Kläger verfüge über keine Einkünfte in Polen. Er halte sich seit der Gründung seiner Firma fast ausschließlich in Deutschland auf. Seine Familie in Polen besuche er nur, wenn die Auftragslage es zulasse. Dies gelinge fast ausschließlich, jedoch nicht an allen Wochenenden. Der Kläger verfüge über ein möbliertes Zimmer, das zu seiner ausschließlichen Verfügung stehe und das er jederzeit benutzen könne und von ihm auch ständig benutzt werde. Dies könnte der Vermieter, Herr W... ...Straße, B... bestigen. Der Abschluss und die Vorlage einer schriftlichen Mietvertrages sei für die Annahme eines Wohnsitzes im Sinne des § 8 Abgabenordnung -AO- nicht erforderlich. Zumindest sei der Tatbestand des § 9 AO erfüllt. Sein Aufenthalt in Deutschland sei nicht nur vorübergehend. Bei Unterbrechungen des inländischen Aufenthalts komme es darauf an, ob der Aufenthalt nach der Unterbrechung fortgesetzt werden soll und die Unterbrechung nur kurzfristig ist.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Januar 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2006 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger ab 27. September 2004 Kindergeld für die Kinder W... und N... zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage wegen Fristversäumnis für unzulässig und auch für unbegründet, weil der Kläger keinen Wohnsitz in Deutschland habe, sondern zeitweilig bei einem Bekannten lebe und nach eigenen Angaben auf Wohnungssuche sei. Nach dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung müsse der Steuerpflichtige die Wohnung innehaben, d.h. er müsse tatsächlich über sie verfügen können und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen. Wer sich - auch in regelmäßigen Abständen - in der Wohnung eines Angehörigen oder eines Bekannten aufhält, begründe dort keinen Wohnsitz, sofern es nicht wie im Fall einer Familienwohnung oder der Wohnung einer Wohngemeinschaft gleichzeitig die eigene Wohnung ist. Für einen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers liege ein geeigneter Nachweis nicht vor. Insbesondere die Vorlage des Steuerbescheides aus dem Jahr 2004 sei nicht ausreichend um festzustellen, in welchen Zeiträumen sich der Kläger tatsächlich in Deutschland aufgehalten habe. Es werde anheim gestellt, entsprechende Auftragsbücher oder Ähnliches als Nachweis vorzulegen.

Das Gericht hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die Klage nach Ablauf der Klagefrist eingegangen sein dürfte.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat auf das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 22. Mai 2002 VIII R 53/00 verwiesen. Hiernach gelte die Zugangsfiktion nicht, wenn das Datum des Bescheides, nicht aber das Datum seiner Aufgabe zur Post feststeht. Der Berichterstatter hat den Kläger insoweit auf den Stempelaufdruck auf der Einspruchsentscheidung hingewiesen. Der Kläger hat hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

Dem Gericht haben die Kindergeldakten des Beklagten zur Kindergeld-Nr. ... vorgelegen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht fristgemäß erhoben worden ist. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt grundsätzlich mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wird die Einspruchsentscheidung - wie vorliegend - durch die Post übermittelt, gilt sie nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Diese Dreitagesfrist verlängert sich, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Samstag fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag mit der Folge, dass die Einspruchsentscheidung an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt (BFH-Urteile vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2003, 898) Der Ablauf der Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist auch dann für den Beginn der Klagefrist maßgebend, wenn die Einspruchsentscheidung dem Adressaten bereits früher zugeht (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2000 X R 96/98, BStBl II 2001, 274).

Die Behörde trägt die Feststellungslast (objektive Beweislast) für den Tag der Aufgabe der Einspruchsentscheidung zur Post. Aus dem Datum einer Einspruchsentscheidung lässt sich nicht auf den Tag der Aufgabe zur Post schließen (BFH-Urteil vom 3. Mai 2001 III R 56/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes BFH/NV 2001, 1365 m.w.N). Der Beweis der Aufgabe einer Einspruchsentscheidung zur Post an einem bestimmten Tag kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, wenn die Absendung des Bescheids nicht in einem Absendevermerk der Poststelle des Finanzamtes festgehalten ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 43/97, BStBl II 2001, 211).

Die Einspruchsentscheidung vom 30. Januar 2006 wurde nach Aktenlage entsprechend dem Stempelaufdruck 30. Januar 2006 als Absendevermerk am gleichen Tag mit einfachem Brief zur Post gegeben. Die Beklagte hat mit dem angebrachten Datumsstempel neben "abgesandt am:" auf der Einspruchsentscheidung den Tag der Aufgabe zur Post hinreichend dargelegt und nachgewiesen. Die Einspruchsentscheidung gilt daher als am 2. Februar 2006 (Donnerstag) bekannt gegeben. Der Kläger hat insoweit den Zugang der in Kopie vorgelegten Einspruchsentscheidung innerhalb der drei Tage nach dem 30. Januar 2006 nicht bestritten. Die Frist für die Erhebung der Klage hat deshalb - wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 10. Juli 2007 zutreffend ausgeführt hat - mit der Bekanntgabe am 2. Februar 2006 zu laufen begonnen (§§ 47 Abs.1 Satz 1 Halbsatz 2, 54 Abs.2 FGO i.V.m. § 222 Abs.1 Zivilprozessordnung -ZPO- i.V.m. § 187 Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) und endete mit Ablauf des 2. März 2006 (Donnerstag). Die Klage ist jedoch erst am 3. März 2006 erhoben worden, so dass die einmonatige Klagefrist nicht eingehalten worden ist.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist war nicht zu gewähren, weil der Kläger weder einen entsprechenden Antrag gestellt hat, noch Hinderungsgründe glaubhaft gemacht hat. Er war deshalb nicht ohne Verschulden gehindert die Klagefrist einzuhalten.

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.



Ende der Entscheidung

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