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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: 5 K 1800/05
Rechtsgebiete: FGO, UStG, AO


Vorschriften:

FGO § 155
UStG § 17 Abs. 1
AO § 162
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 5. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 1. Oktober 2009

...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Klägerin stellte am 15.11.2004 beim Amtsgericht M einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Da sie bis zu diesem Zeitpunkt keine Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat November 2004 abgegeben hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und erließ am 10.2.2005 einen Bescheid, in dem die Umsatzsteuer-Vorauszahlung auf 416.922,29 EUR festgesetzt wurde. Dies beruhte auf einer Berichtigung der geltendgemachten Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz - UStG -. Auf das erläuternde Schreiben des Beklagten vom 20.1.2005 wird Bezug genommen (Blatt 1 der beigezogenen Heftung des Einspruchsvorgangs).

Die Klägerin legte gegen den Bescheid Einspruch ein. Mit der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2005 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2004 auf 70.000,00 EUR herab. Er führte aus, dass der vom Amtsgericht M bestellte Sachverständige zur Prüfung der Voraussetzungen für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin in seinem inzwischen vorliegenden Gutachten vom 26.1.2005 angegeben habe, dass der Geschäftsführer der Klägerin deren Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten mit mindestens 402.416,42 EUR beziffert habe. Auf die in der beigezogenen Heftung befindliche Fotokopie des Gutachtens wird Bezug genommen, insbesondere auf Blatt 12 des Gutachtens. In diesem Betrag seien Vorsteuern in Höhe von 64.386,00 EUR enthalten. Da der Geschäftsführer der Klägerin die Verbindlichkeiten als "Mindestbetrag" bezeichnet habe, sei ein Sicherheitszuschlag von 10% gerechtfertigt, so dass sich gerundet ein zu berichtigender Vorsteuerbetrag in Höhe von 70.000,00 EUR ergebe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen (Blatt 15 ff der Gerichtsakte).

Während des Klageverfahrens hat die rechtskundig vertretene Klägerin eine Umsatzsteuer- Voranmeldung für den Monat November 2004 eingereicht, in der sie - ebenso wie in dem von dem Beklagten erlassenen Bescheid - die Umsätze mit 0,00 EUR angibt. Die zu berichtigende Vorsteuer beziffert sie mit 40.825,05 EUR. Auf die Kopie der Umsatzsteuer- Voranmeldung wird Bezug genommen (Blatt 25 f der Gerichtsakte). Die Klägerin trägt dazu vor, dass die Vorsteuerkorrektur in den Zeitraum nach der Stellung des Insolvenzantrags falle und damit nicht den streitigen Voranmeldungszeitraum betreffe. In den Verbindlichkeiten sei eine Rückstellung in Höhe von 100.000,00 EUR enthalten, die keine Vorsteuer enthalte. Damit verbleibe ein Bruttobetrag von 295.981,64 EUR inklusive einer Vorsteuer von 40.825,05 EUR. Zum Nachweis beruft sich die Klägerin auf den Abschluss zum 15.11.2004, auf den verwiesen wird (Blatt 41 ff der Gerichtsakte).

Am 8.11.2007 hat der Beklagte den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 erlassen (Blatt 58 der Gerichtsakte). Am 21.4.2009 wurde die Klägerin aus dem Handelsregister gelöscht.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass das Verfahren aufgrund ihrer Löschung im Handelsregister nicht weiterbetrieben werden könne. Sie habe keinen Ansprechpartner mehr. Es sei die Bestellung eines Notgeschäftsführers erforderlich. Daran ändere auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.3.1991 (VIII R 2/88, BFH/NV 1992, 177) nichts, auf die der Berichterstatter hingewiesen habe. Eine GmbH werde mit der Löschung im Handelsregister prozessunfähig. Daran ändere auch die vor der Löschung erfolgte Bestellung eines Prozessbevollmächtigten nichts.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2004 unter Änderung des Bescheides vom 8.11.2007 und Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2005 um 29.174,95 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, er habe die Vorsteuerberichtigung ursprünglich zutreffend im Voranmeldungszeitraum November 2004 vorgenommen. Forderungen würden spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in voller Höhe uneinbringlich. Dies schließe es aber nicht aus, den Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit schon zuvor anzunehmen. Das sei hier der Fall. In der Sache selbst habe die Klägerin nicht hinreichend nachgewiesen, dass die Vorsteuer nur in der von ihr geltend gemachten Höhe zu berichtigen sei. Das lasse sich auch nicht aus dem eingereichten Abschluss entnehmen. Darin seien Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 361.179,59 EUR ausgewiesen, so dass die vorzunehmende Vorsteuerberichtigung schon aufgrund dieses Wertes 49.817,187 EUR betrage. Hinzu komme, dass der Geschäftsführer der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen weitaus höhere Verbindlichkeiten angegeben habe, als sie nun im Abschluss aufgeführt seien. Zur weiteren Überprüfung müsse die Klägerin deshalb die Kreditorenliste, die Offene-Posten-Liste mit Rechnungsdaten, das Verbindlichkeitenkonto 1610 und das Vorsteuerkonto 1575 vorlegen. Unklar sei weiter, ob der unter dem Konto 1630 "Darlehen firmeneig. Unterstützungskasse" gebuchte Betrag in Höhe von 68.351,09 EUR tatsächlich nicht vorsteuerbehaftet sei. Dies müsse die Klägerin nachweisen.

Mit Verfügung vom 9.7.2009 hat der Berichterstatter der Klägerin einer Ausschlussfrist nach § 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - bis zum 4.9.2009 gesetzt, um die vom Beklagten angeforderten Unterlagen vorzulegen. Auf die Verfügung wird Bezug genommen (Blatt 70 der Gerichtsakte). Daraufhin hat der Bevollmächtigte mitgeteilt, dass er die Unterlagen nicht vorlegen könne. Mit Schriftsatz vom 30.07.2009 hat die Bevollmächtigte dem Gericht gegenüber mitgeteilt, dass sie das Mandat niederlege.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das Gericht darf in der Sache entscheiden. Das Verfahren ist insbesondere nicht durch die Löschung der Klägerin im Handelsregister unterbrochen. Zwar tritt die Unterbrechung eines Verfahrens nach § 155 FGO in Verbindung mit § 241 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - dann ein, wenn ein Beteiligter die Prozessfähigkeit verliert, was auch im Falle der Löschung einer GmbH im Handelsregister der Fall ist (Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage München 2006, § 74 Rz. 38 m.w.N.). Das gilt nach § 155 FGO in Verbindung mit § 246 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO allerdings dann nicht, wenn bereits vor dem Verlust der Prozessfähigkeit eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattgefunden hatte; auch dies gilt in den Fällen der Löschung einer GmbH im Handelsregister (Gräber/Koch, a.a.O., Rz. 42; BFH vom 26.3.1991 - VIII R 2/88, BFH/NV 1992, 177). Das war hier der Fall. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 30.07.2009 mitgeteilt hat, dass sie das Mandat niederlege. Eine solche Mitteilung führt nämlich nur dann zum Wegfall der bestehenden Prozessvollmacht, wenn der Bevollmächtigte zuvor den Vollmachtsvertrag im Sinne des § 87 Zivilprozessordnung - ZPO - gegenüber seinem Mandanten wirksam gekündigt hat (vgl Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 26.06.1984 - 9 CB 1092/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1985, 90 mit weiteren Nachweisen zur ständigen Rechtsprechung). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Die Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 15.07.2009 mitgeteilt, dass sie bei der Klägerin keinen Ansprechpartner mehr habe. Folglich kann sie auch den weiterhin bestehenden Vollmachtvertrag nicht wirksam gekündigt haben. Die Prozessvollmacht wirkt daher fort.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG hat der Unternehmer, an den ein Umsatz ausgeführt worden ist, den Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für den Umsatz geändert hat. Das gilt nach Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der zitierten Vorschrift entsprechend, wenn das vereinbarte Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Diese Voraussetzungen haben im Streitfall vorgelegen. Die Klägerin hat am 15.11.2004 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt. Damit stand zu diesem Zeitpunkt fest, dass sie ihre Verbindlichkeiten nicht mehr werde begleichen können; die vereinbarten Entgelte waren zu diesem Zeitpunkt uneinbringlich.

Der Beklagte hat diese Tatsache zutreffend zunächst im Umsatzsteuer- Vorauszahlungsbescheid für den Monat November 2004 und später im Umsatzsteuer- Jahresbescheid 2004 berücksichtigt. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass die Uneinbringlichkeit der Vorsteuer den Zeitpunkt der Insolvenz betreffe. Die Klägerin meint damit wohl, dass sich der Anspruch des Beklagten gegen die Insolvenzmasse zu richten habe. Dieser Gesichtspunkt kommt allerdings nur zum Tragen, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und wenn Anzeichen für die Uneinbringlichkeit nicht schon zuvor bestanden haben (vgl. dazu Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Auflage München 2009, § 17 Rz. 41 f). Gerade Letzteres war aber der Fall, was sich auch durch das Gutachten des Sachverständigen zur Frage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestätigt.

Da die Klägerin zunächst keine Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat November 2004 abgegeben hatte, war der Beklagte nach § 162 Abgabenordnung berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen und damit auch die zu berichtigende Vorsteuer zu schätzen. Diese durch die Einspruchsentscheidung korrigierte Schätzung ist der Höhe nach nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat sich dabei in zulässiger Weise an den Angaben des Geschäftsführers gegenüber dem Sachverständigen orientiert und hat diese rechtsfehlerfrei um einen 10%igen Zuschlag erhöht, weil der Geschäftsführer die Verbindlichkeiten als Mindestbetrag bezeichnet hatte. Diese Angaben hat die Klägerin im Klageverfahren auch durch die Vorlage des Abschlusses zum 15.11.2004 nicht entkräften können. Aus dem Abschluss ergeben sich zwar Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von (nur) 361.179,59 EUR, was - wie auch der Beklagte einräumt - zu einer Vorsteuerberichtigung in Höhe von (nur) 49.817,87 EUR führen würde. Die Klägerin hat den Betrag von 361.179,59 EUR allerdings trotz der Aufforderung durch das Gericht nicht verifiziert und ist auf die substantiierten Bedenken des Beklagten nicht eingegangen. Die angeforderten Unterlagen hat die Klägerin trotz der gesetzten Ausschlussfrist nicht vorgelegt. Dies wäre aber schon deshalb angezeigt gewesen, weil der in dem Abschluss genannte Betrag erheblich von demjenigen abweicht, den der Geschäftsführer dem Sachverständigen genannt hatte. Die Erklärung der Abweichung mit einer angeblichen Rückstellung in Höhe von 100.000,00 EUR geht schon deshalb fehl, weil in dem vorgelegten Abschluss zum 15.11.2004 kein Rückstellung enthalten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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