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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 26.06.2007
Aktenzeichen: 6 K 6317/06 B
Rechtsgebiete: GewStG, EStG


Vorschriften:

GewStG § 5 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

6 K 6317/06 B

Gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 26. Juni 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Frage, wie bescheidtechnisch zu gewährleisten ist, dass der Klägerin der bis zum 31.12.2001 aufgelaufene Verlustvortrag zur Gewerbesteuer in Höhe von 70 324 EUR angesichts der Erweiterung des Unternehmens in eine GmbH & atypisch Still ab dem 1. Januar 2002 für die Folgejahre erhalten bleibt.

Die Klägerin, ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH (Geschäftsführer: M. F...), betrieb ab April 1997 in B... eine Schank- und Speisewirtschaft mit regelmäßigen Tanzveranstaltungen.

Ab dem 1. Januar 2002 wurde die Schank- und Speisewirtschaft von einer GmbH & atypisch Still betrieben, bestehend aus der Klägerin als GmbH sowie Frau Dr. F... aus B... als atypisch stiller Gesellschafterin. Der Gewinnverteilungsschlüssel zwischen den beiden Gesellschaftern betrug 25,42 v. H. (Klägerin) zu 74,58 v. H. (Frau Dr. F...).

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2003 stellte das für die Besteuerung der Klägerin ursprünglich zuständige Finanzamt A... in B... den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin auf den 31.12. 2001 auf 70 324 EUR fest.

Im Streitjahr 2002 erlitt die GmbH & atypisch Still unstreitig einen laufenden Gewerbeverlust (Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen) in Höhe von 33 528 EUR.

Mit Bescheid vom 23. März 2006 stellte der für die Besteuerung der GmbH & atypisch Still zuständige Beklagte den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin auf den 31.12.2002 auf 33 528 EUR fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ( § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977).

Unter dem 10. April 2006 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Feststellungsbescheid betr. den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2002, mit dem der vortragsfähige Gewerbeverlust nunmehr auf 0 EUR festgestellt wurde. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Gegen den letztgenannten Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass der vortragsfähige Gewerbeverlust zum 31.12.2001 70 324 EUR betrage, und beantragte eine Berichtigung des angefochtenen Bescheids.

Unter dem 17. Mai 2006 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderten Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin "als Inhaberin des Handelsgewerbes der GmbH & atypisch Still", in dem er den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2002 auf 103 852 EUR feststellte. Der Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Festgestellter Gewerbeverlust auf den 31.12.2001: 70 324 EUR

Gewerbeverlust aus 2002: 33 528 EUR.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 2006 verwarf der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, dass die im Bescheid vom 10. April 2006 unter "Erläuterung" getroffene Aussage über die Höhe des bisher festgestellten vortragsfähigen Gewerbeverlustes keinen Verwaltungsakt darstelle.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass sie - nicht zuletzt im Hinblick auf eine eventuelle spätere Auflösung der GmbH & atypisch Still - einen verfahrensrechtlichen Anspruch darauf habe, dass der in der Vergangenheit aufgelaufene Gewerbeverlust auch in Zukunft unter ihrer bisherigen Steuernummer allein ihr zugeordnet werde. Deshalb seien die Feststellungsbescheide vom 10. April und vom 17. Mai 2006 rechtswidrig, in denen ihr Gewerbeverlust aus den Jahren bis einschließlich 2001 mit dem bei der GmbH & atypisch Still neu entstandenen Gewerbeverlust vermengt werde. Außerdem sei der Bescheid vom 17. Mai 2006 zu Unrecht an die GmbH & atypisch Still adressiert, der der Verlustvortrag aus dem Jahr 2001 gar nicht zustehe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2002 unter Änderung der Bescheide vom 10. April 2006 und 17. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2006 dahingehend durchzuführen, dass die Feststellung unter der Steuernummer .../.../...93 ergeht und einen Verlust in Höhe von 78 847 EUR ausweist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den Bescheid vom 17. Mai 2006 für rechtmäßig und bietet der Klägerin an, bei jeder Gewerbesteuerveranlagung, beginnend mit dem Streitjahr, eine Anlage zum Bescheid zu fertigen, in der der verbleibende vortragsfähige Gewerbeverlust der Klägerin und ggfs. eine Minderung dieses Verlustes nachrichtlich mitgeteilt wird.

Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung 1 Band Gewerbesteuerakten (StNr.: .../.../...42) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist mangels Beschwer der Klägerin im Sinne von § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - unzulässig.

1. Die Auslegung des Klagebegehrens ergibt, dass mit der Klage eine Rechtswidrigkeit des Verlustfeststellungsbescheids auf den 31.12.2002 vom 17. Mai 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2006 geltend gemacht wird, es sich also um eine Anfechtungsklage i. S. von § 40 Abs. 1, 1. Alt. FGO handelt. Die Klägerin ist bezüglich einer Anfechtung dieser Bescheide als deren Adressatin auch allgemein klagebefugt (§ 40 Abs. 2 FGO; vgl. dazu allgemein Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1983 II R 21/83, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFHE - 138, 531, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1983, 645). Sog. Inhaltsadressatin des Bescheids vom 17. Mai 2006 war - wie der Tenor des Bescheids nach Ansicht des erkennenden Senats eindeutig ergibt - zu Recht die Klägerin und nicht etwa die GmbH & atypisch Still: Da bei der atypisch stillen Gesellschaft ein Gesellschaftsvermögen als Vollstreckungsgrundlage fehlt, ist Schuldner der Gewerbesteuer nach § 5 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - allein der Geschäftsinhaber. Die für die Gesellschaft ermittelten Besteuerungsgrundlagen (hier: laufender Gewerbeverlust) sind deshalb in dem gegen den Geschäftsinhaber gerichteten Gewerbesteuermessbetragsbescheid oder - wie hier - Verlustfeststellungsbescheid zu erfassen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 109/94, BFHE 179, 427, BStBl II 1998, 685, m.w.N.). Die vom Beklagten im jeweiligen Steuerverwaltungsakt verwendete Steuernummer ist kein Bestandteil des Regelungsgehalts dieses Bescheids, so dass sich aus der Verwendung einer unzutreffenden oder im Einzelfall unzweckmäßigen Steuernummer keine Beschwer des Inhaltsadressaten des Verwaltungsaktes i. S. von § 40 Abs. 2 FGO ergeben kann.

2. Die Klage ist aber gleichwohl mangels Beschwer der Klägerin unzulässig, da sie eine Aufteilung des laufenden Gewerbeverlustes 2002 nach dem für die GmbH & atypisch Still maßgeblichen Gewinnverteilungsschlüssel begehrt.

Da es sich bei der seit 1. Januar 2002 existenten GmbH & atypisch Still unstreitig um eine Mitunternehmerschaft i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - handelt (vgl. nur BFH-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 79/94, BFHE 178, 180, BStBl II 1996, 269, unter I.2.a, m.w.N.), erfordert die Verlustverrechnung gemäß § 10 a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - verfahrensrechtlich eine auf die einzelnen Mitunternehmer bezogene Betrachtung. Hierfür sind sowohl die Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel sowie unter Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben den einzelnen Mitunternehmern zuzuordnen. Die Ergebnisse der einzelnen Verrechnungen sind sodann wieder zum einheitlichen Gewerbeertrag des Unternehmens zusammenzufassen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Februar 1994 XI R 50/88, BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364 und vom 17. Januar 2006 VIII R 96/04, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen - BFH/NV - 2006, 885; Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 10 a Rz. 234).

Die Zuordnung der Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel zu den einzelnen Mitunternehmern ist also verfahrenstechnisch erst im Verlustanrechnungsjahr vorzunehmen, also in dem Veranlagungszeitraum, in dem tatsächlich ein Gewinn aus Gewerbebetrieb erzielt wird. Die (vorläufige) Zuordnung des gesamten Fehlbetrags des Verlustentstehungsjahres 2002 zur Klägerin im Verlustfeststellungsbescheid des Beklagten vom 17. Mai 2006 nimmt somit an der Bestandskraft dieses Bescheids nicht teil, da durch diesen Bescheid nur die Höhe des insgesamt entstandenen laufenden Verlustes der GmbH & atypisch Still im Jahr 2002 festgestellt wird (vgl. dazu Kleinheisterkamp, a.a.O., § 10 a Rz. 252, m.w.N.). Die Höhe dieses Verlustes ist aber mit 33 528 EUR zwischen den Prozessbeteiligten unstreitig. Bei der (vorläufigen) Zuordnung des Verlustes des Jahres 2002 zur Klägerin handelt es sich demgemäß um eine Besteuerungsgrundlage, die einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Verlustfeststellungsbescheids bildet (vgl. § 157 Abs. 2 AO 1977). Ein hinsichtlich des Verlustentstehungsjahres gleichwohl erhobener Rechtsbehelf zur Aufteilung des laufenden Verlustes auf die beteiligten Mitunternehmer entsprechend dem Gewinnverteilungsschlüssel ist deshalb mangels Beschwer unzulässig (vgl. dazu die parallele Problematik der Verlustfeststellung bei den Ertragsteuern im Verlustentstehungsjahr vor Einführung des § 10 d Abs. 4 EStG ab dem VZ 1990: BFH-Beschluss vom 6. März 1987 VI R 73/84, BFH/NV 1987, 456, Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 40 FGO Rz. 48; von Beckerath, in: Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 40 FGO Rz. 198, jeweils m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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