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Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 07.10.2008
Aktenzeichen: 6 V 6161/08
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 69 | |
EStG § 7g Abs. 3 |
Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) - gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und Gewerbesteuermessbetrag 2007
In dem Verfahren
...
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat -
am 7. Oktober 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht .....,
den Richter am Finanzgericht ..... sowie
den Richter .....
beschlossen:
Tenor:
Die Vollziehung des Bescheids für 2007 vom 20. Juni 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag der A... Gesellschaft ... mbH und Co. KG wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 23. Juni 2008 insoweit ausgesetzt, als ein höherer Gewerbesteuermessbetrag als EUR ... festgesetzt worden ist.
Die Vollziehung des Bescheids für 2007 vom 20. Juni 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der gewerblichen Einkünfte der A... Gesellschaft ... mbH und Co. KG wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 23. Juni 2008 insoweit ausgesetzt, als höhere gewerbliche Einkünfte als EUR ... festgestellt worden sind.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag und die gesonderte und einheitliche Feststellung der gewerblichen Einkünfte (im Folgenden: Feststellungsbescheid).
Die Antragstellerin wurde im November 2003 gegründet. An ihr sind die A... Geschäftsführungs GmbH (im Folgenden: GmbH) als nicht am Kapital der Antragstellerin beteiligte Komplementärin sowie Frau B... als alleinige Kommanditistin beteiligt. Frau B... ist zugleich alleinige Gesellschafterin der GmbH. Sie hat in den fünf Jahren vor Gründung der Gesellschaften keine Gewinneinkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Einkommensteuergesetz in der für das Jahr 2005 geltenden Fassung -EStG a.F.- erzielt.
In der Bilanz auf den 31. Dezember 2005 (die Antragstellerin gibt das Jahr 2004 an, dabei handelt es sich aber offensichtlich um ein Versehen) bildete die Antragstellerin eine Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. in Höhe von EUR ... für die geplante Anschaffung eines Kraftfahrzeugs.
Streitig ist das Jahr 2007. Die Antragstellerin löste die Rücklage nach § 7g EStG a.F. nicht auf und erklärte einen Gewerbesteuermessbetrag in Höhe von EUR ... sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR ... . Der Beklagte folgte den Erklärungen nicht und erhöhte mit Bescheiden vom 20. Juni 2008 den Gewerbesteuermessbetrag auf EUR ... sowie die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf EUR ... . Die Gewinnerhöhung von EUR ... entspricht der aufgelösten Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. zuzüglich des Gewinnaufschlags gemäß § 7g Abs. 5 EStG a.F. in Höhe von EUR ... . Der Antragsgegner begründete dies damit, dass die Antragstellerin nicht als Existenzgründerin im Sinne von § 7g Abs. 7 EStG a.F. anzusehen sei.
Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 23. Juni 2008 Einspruch ein, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass die Voraussetzungen des § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 bis 3 EStG a.F. erfüllt seien. Auch bei einer Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an der Personengesellschaft könne letztere als Existenzgründerin anzusehen sein, wenn die an beiden Gesellschaften allein beteiligte natürliche Person unstreitig Existenzgründerin sei. Der Gesetzgeber habe nicht gewünscht, dass einer GmbH & Co. KG die Vergünstigung versagt sei, die einer GmbH gewährt werde. Das Einspruchsverfahren ruht, nachdem beide Beteiligte ihr Einverständnis erklärt haben.
Mit gleichem Schreiben vom 23. Juni 2008 sowie mit Schreiben vom 02. Juli 2008 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuer- und des Feststellungsbescheids und verwies auf das beim Bundesfinanzhof -BFH- unter dem Aktenzeichen IV R 16/08 anhängige Verfahren sowie darauf, dass das Finanzgericht -FG- Baden-Württemberg mit Beschluss vom 24. April 2008 (1 V 1419/08, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 1018) die Aussetzung der Vollziehung in einem vergleichbaren Fall gewährt habe.
Der Antragsgegner legte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuerbescheids dahin gehend aus, dass die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheids begehre und lehnte die Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 29. Juli 2008 ab. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 EStG a.F. sei die Antragstellerin nicht als Existenzgründerin anzusehen; denn Personengesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. seien nur dann Existenzgründer, wenn alle Mitunternehmer natürliche Personen und ihrerseits Existenzgründer seien. Daher sei eine GmbH & Co. KG schon deshalb keine Existenzgründerin, weil an ihr auch eine Kapitalgesellschaft beteiligt sei.
Die Antragstellerin begehrt nunmehr die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung; die Schriftsätze sind am 01. August 2008 bei Gericht eingegangen. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass auch eine GmbH & Co. KG Existenzgründerin im Sinne des § 7g Abs. 7 EStG a.F. sein könne, wenn die an ihr und an ihrer Komplementär-GmbH allein beteiligte natürliche Person Existenzgründerin sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. die Vollziehung des Bescheids für 2007 vom 20. Juni 2008 über den Gewerbesteuermessbetrag der A... Gesellschaft ... mbH und Co. KG bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung insoweit auszusetzen, als ein höherer Gewerbesteuermessbetrag als EUR ... festgesetzt worden ist,
2. die Vollziehung des Bescheids für 2007 vom 20. Juni 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der gewerblichen Einkünfte der A... Gesellschaft ... mbH und Co. KG bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung insoweit auszusetzen, als höhere gewerbliche Einkünfte als EUR ... festgestellt worden sind.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, dass eine GmbH & Co. KG schon aufgrund der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft keine Existenzgründerin im Sinne von § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 EStG a.F. sein könne.
Der Senat hat die ursprünglich unter den Aktenzeichen 6 V 6161/08 und 6 V 6162/08 geführten Verfahren durch Beschluss vom heutigen Tag verbunden und unter dem Aktenzeichen 6 V 6161/08 fortgeführt.
II. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig und begründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht die Vollziehung unter anderem ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn bei der (überschlägigen) Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. BFH, Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, Bundessteuerblatt -BStBl- III 1967, 182).
Es besteht eine rechtliche Unsicherheit bei der Beurteilung der Frage, ob eine GmbH & Co. KG als Existenzgründerin im Sinne von § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 EStG a.F. anzusehen sein kann.
1. Der Senat geht im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes davon aus, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG a.F. im Jahr 2005 vorgelegen haben und dass Frau B... als Existenzgründerin im Sinne von § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F. anzusehen ist, also in den der Gründung der Antragstellerin vorangegangenen fünf Jahren weder Gewinneinkünfte erzielt hat noch an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 10% beteiligt gewesen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Das Gericht ist zu weiteren Sachverhaltsermittlungen nicht verpflichtet ( BFH-Beschluss vom 06. Oktober 1993 VIII B 121/92, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1994, 311).
2. Nach § 7g Absatz 3 EStG a.F. konnten Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts im Sinne des § 7g Absatz 1 EStG a.F. eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). Die Rücklage durfte 40 vom Hundert der Anschaffungsoder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres anschaffen oder herstellen wollte. War die Rücklage am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, so war sie zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen, § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG a.F.
Die Regelungen der Ansparabschreibung wurden für den Existenzgründer insoweit erweitert, als die Rücklagenbildung im Jahr der Gründung und den fünf folgenden Wirtschaftsjahren (Gründungszeitraum) ermöglicht wurde. Zudem wurde der Investitionszeitraum auf fünf Jahre erweitert, § 7g Abs. 7 EStG a.F., und der Gewinnzuschlag entfiel.
3. Es bestehen rechtliche Zweifel an der Auffassung des Antragsgegners, wonach die Antragstellerin schon deshalb nicht als Existenzgründerin anzuerkennen sei, weil ihre Komplementärin eine GmbH ist.
Das FG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 24. April 2008 (1 V 1419/08, EFG 2008, 1018) für einen vergleichbaren Sachverhalt die Aussetzung der Vollziehung angeordnet. Es hat dies damit begründet, dass mit der herrschenden Meinung in der Literatur eine GmbH & CO KG als Existenzgründerin anzuerkennen sei. Wenn sowohl eine Personengesellschaft, an der lediglich natürliche Personen beteiligt seien, als auch eine Kapitalsgesellschaft, an der lediglich natürliche Personen beteiligt seien, als Existenzgründer im Sinne des § 7g Abs. 7 EStG a.F. anzusehen seien, könne für die Kombination beider Rechtsformen nichts anderes gelten (so auch Brandis in Blümich, EStG, § 7g Rn. 103; Drenseck in Schmidt, EStG, 23. Aufl., § 7g Rn. 28; Kulosa in Schmidt, EStG, 27. Aufl., § 7g, Rn. 56; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, § 7g Rn. 122; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 4. Aufl. § 7g Rn. 57; Hessisches FG, Urteil vom 06. Dezember 2004 1 K 939/02, EFG 2005, 686).
Der Senat verkennt nicht, dass sowohl das Thüringische FG (Urteil vom 30. Januar 2008 3 K 579/07, EFG 2008, 841) als auch die Finanzverwaltung (vgl. beispielsweise OFD Koblenz vom 24. Januar 2007, S 2139b A - St 31 3, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2007, 625) eine andere Auffassung vertreten und dies mit dem - aus ihrer Sicht - eindeutigen Wortlaut des § 7g Abs. 7 EStG a.F. begründen. Das FG Thüringen hat jedoch die Revision zum BFH zugelassen, über die der BFH bislang nicht entschieden hat (Aktenzeichen IV R 16/08).
Als Aussetzungsgrund genügt bereits eine Unsicherheit oder Unklarheit hinsichtlich der Rechtslage, so dass weder das Obsiegen noch das Unterliegen im Einspruchs- bzw. Klageverfahren mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Das Obsiegen braucht hierbei nicht einmal wahrscheinlicher zu sein als das Unterliegen (vgl. BFH, Beschluss vom 27. März 1968 II S 8/67, BStBl II 1968, 491; für sich widersprechende Urteile: BFH, Beschluss vom 14. November 1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279). Nach diesem Maßstab ist für den vorliegenden Fall von einer rechtlichen Unsicherheit auszugehen, weil die ganz herrschende Auffassung in der Literatur wie auch die Entscheidung des FG Baden- Württemberg die Rechtsauffassung der Antragstellerin mit beachtlichen Argumenten stützen.
Die Frage ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden; es ist aufgrund des beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 16/08 anhängigen Revisionsverfahrens aber mit einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage zu rechnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
5. Der Senat lässt die Beschwerde gegen diesen Beschluss nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO zu.
Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 FGO u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung.
Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 (Az. GrS 4/77, BStBl II 1978, 229, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 124, 130) ist die Beschwerde auch dann zuzulassen, wenn sich die maßgebliche Rechtsfrage nicht auf die Auslegung des § 69 FGO (also auf die Frage, ob vorliegend ernsthafte rechtliche Zweifel gegeben sind), sondern auf die zugrunde liegende Rechtsfrage bezieht, derentwegen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.
Der Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an, denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient nach Auffassung des Senats nicht der endgültigen Klärung materieller Rechtsfragen (in diesem Sinne: BFH, Beschluss vom 09. Dezember 1976 V B 30/76, BStBl II 1977, 314, BFHE 121, 126). Die Beschwerde muss sich daher auf die Überprüfung der Voraussetzungen des § 69 FGO beschränken.
Da anders als im Klageverfahren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Nichtzulassungsbeschwerde gesetzlich nicht vorgesehen ist, lässt der Senat - obwohl dies mit seiner Auffassung zum Anwendungsbereich des § 128 Abs. 3 Satz FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 FGO nicht entspricht - die Beschwerde zu, um dem BFH die Gelegenheit zu geben, seine Rechtsposition erneut zu überprüfen.
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten nach § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde zu.
Ende der Entscheidung
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