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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: 7 K 4351/01 B
Rechtsgebiete: EStG, GG, EMRK, BVerfGG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 3
GG Art. 20 Abs. 3
EMRK Art. 6 Abs. 1
BVerfGG § 31 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 8. Oktober 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... sowie

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Mit ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Vorsorgeaufwendungen für 1993 in Höhe von 25.540,00 DM, für 1994 in Höhe von 28.024,00 DM, für 1995 in Höhe von 26.356,00 DM, für 1996 in Höhe von 32.322,00 DM, für 1997 in Höhe von 30.855,00 DM, für 1998 in Höhe von 34.164,00 DM und für 1999 in Höhe von 33.862,00 DM geltend. Bei diesen Beträgen handelte es sich um Beiträge zur Sozialversicherung als Arbeitnehmer (gesetzliche Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung), Beiträge zur Krankenversicherung, zur Höherversicherung (freiwillige Rentenversicherung), zu privaten Lebensversicherungen, Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung. Von diesen Beträgen erkannte der Beklagte (für 1993 das Finanzamt ...) jeweils nur 7.830,00 DM als Sonderausgaben an. Dieser Betrag ergab sich jeweils aus den Berechnungen entsprechend der gesetzlichen Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 3 Einkommensteuergesetz -EStG- in der jeweils anzuwendenden Fassung. Die Einsprüche, die die Kläger unter anderem zur Anerkennung weiterer Vorsorgeaufwendungen führten, blieben erfolglos.

Mit ihren Klagen (4 K 4493/00, 4 K 4509/00 und 4 K 4351/01), die mit Beschluss vom 27.05.2002 verbunden worden sind und die nunmehr das Aktenzeichen 7 K 4351/01 B führen, machen die Kläger geltend, dass weitere Vorsorgeaufwendungen entsprechend der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Liste (Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung), auf die verwiesen wird, abzugsfähig sein müssen. Diese Beträge müssten zusätzlich zu den bereits gewährten Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 7.830,00 DM abgezogen werden, weil dieser Höchstbetrag in allen Jahren bereits durch die Aufwendungen für die Rentenversicherung erreicht worden sei. Die Abzugsmöglichkeiten von Vorsorgeaufwendungen seien insgesamt zu gering und würden durch den Vorwegabzug und dessen Kürzung durch geleistete Arbeitgeberbeiträge zu sehr begrenzt.

Die Beiträge zur Krankenversicherung seien dem Existenzminimum zuzuordnen, soweit sie zur Erlangung einer sozialhilfegleichen Kranken- und Pflegeversorgung erforderlich seien. Insoweit müssten die Beiträge abzugsfähig sein. Da allerdings die Höchstbeträge bereits im Wesentlichen durch Rentenversicherungsbeiträge verbraucht seien, reichten sie nicht zu einer Berücksichtigung des Existenzminimums in dieser Hinsicht aus. Ein Abzug in realitätsgerechter Höhe und unter Einbeziehung von Zusatzversicherungen, die der Einzelne als Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung zwangsweise aufbringen müsse (z.B. für Zahnersatz), sei erforderlich, damit die Besteuerung verfassungsgemäß sei.

Bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung bestehe ebenfalls eine Nähe zum Existenzminimum. Auch diese müssten neben den bisherigen Höchstbeträgen und neben den Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung vollständig zum Abzug zugelassen werden, weil die Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen dazu bei Weitem nicht ausreichend bemessen seien. Hilfsweise komme in Betracht, diese Aufwendungen durch einen negativen Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen, da Zahlungen der Arbeitslosenversicherung steuerfrei seien, aber mit dem Progressionsvorbehalt belastet würden.

Sie, die Kläger, würden auch in ihren Rechten verletzt, weil die bislang vom Bundesverfassungsgericht verfolgte Linie, Entscheidungen erst für einen weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt wirksam werden zu lassen, obwohl die betreffende Norm als nicht mit der Verfassung im Einklang stehend erkannt werde, gegen die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und gegen die Rechtsschutzgarantie des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz -GG- verstoße. Auch verstoße dies gegen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten -Menschenrechtskonvention, MRK- vom 04.11.1950 (Bundesgesetzblatt -BGBl.- II 1952, 686). Eine Rücksichtnahme auf die "angeblichen" Finanzierungsprobleme des Staates sei nicht geboten und unzulässig. Denn dies führe zu einem nicht sachgerechten Handeln des Gesetzgebers, weil ihn die Folgen seines Handelns nicht träfen. Dies gelte um so mehr, als Entscheidungen für ein bestimmtes Streitjahr oftmals mehr als zehn Jahre benötigten und der Staat die Verfassungswidrigkeit damit für einen sehr langen Zeitraum nicht wirtschaftlich korrigieren müsse.

Das Finanzgericht sei vorliegend auch nicht gemäß § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz -BVerfGG- an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 1/06 vom 13.02.2008) nicht gebunden. Denn das Bundesverfassungsgericht habe mit seiner Anordnung, dass die Abzugsmöglichkeit von Krankenversicherungsbeträgen bis zum Jahre 2009 eingeschränkt bleibe, gegen Art. 20 Abs. 3 GG und die Menschenrechtskonvention verstoßen. Dies lasse eine Bindung an diese Entscheidung entfallen, weil es sich bei der Bindung nur um die Auslegung eines einfachen Gesetzes handele, mithin die weitere Überprüfung möglich sei und vorgenommen werden müsse.

Das Verfahren habe grundsätzliche Bedeutung. Die gesamten Vorsorgeaufwendungen und deren Abzugsmöglichkeiten seien in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofes unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten anhängig. Dies rechtfertige jedenfalls die Zulassung der Revision.

Die Frage der Berücksichtigung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sei wegen der Widersprüchlichkeit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welche einerseits eine Nähe zum Existenzminimum erwarten lasse, andererseits sich diese Beträge aber wegen der anderweitig durch Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung schon ausgeschöpften Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen nicht mehr steuerlich auswirken könnten, diesem gemäß § 100 GG vorzulegen.

Es würden bereits zwei Musterprozesse vor den Finanzgerichten geführt (Finanzgericht -FG- Hamburg, 3 K 103/08, und Niedersächsisches FG, 2 K 98/99 und 2 K 99/99) sowie eine Verfassungsbeschwerde (2 BvR 2299/04), in der es um die rückwirkende Korrektur eines verfassungswidrigen Zustands für die dortigen Streitjahre gehe. Dies rechtfertige die Aussetzung des hiesigen Klageverfahrens.

Die Kläger beantragen,

abweichend von den Bescheiden vom ... (1993, 1994, 1996) und vom ... (1997, 1998) und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ...,

abweichend von dem Bescheid vom ... (1995) und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ... und

abweichend von dem Bescheid vom ... (1999) und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom ...

die Einkommensteuer 1993 bis 1999 entsprechend den vorgelegten Aufwendungen zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung herabzusetzen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens

das Verfahren auszusetzen,

höchst hilfsweise, für den Fall des Unterliegens,

die Revision zuzulassen,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen und führt ergänzend aus, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auch nach Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes vom 05.07.2004 (BGBl. I 2004, 1427) zum 01.01.2005 nur nach den Bestimmungen über Vorsorgeaufwendungen und nur auf die Höchstbeträge beschränkt abzugsfähig seien. Eine Berücksichtigung als vorweggenommene Werbungskosten sei nicht möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung fünf Bände Akten (Lohnsteuer-Arbeitnehmerakten, Einkommensteuer Bände I bis IV) des Beklagten zur Steuernummer ... vorgelegen, unter der die Kläger beim Beklagten geführt werden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

In den angefochtenen Bescheiden sind keine Fehler bei der Beachtung der einfachgesetzlichen Regelungen in § 10 EStG vorhanden. Die Festsetzungen der Einkommensteuer der Streitjahre berücksichtigen die jeweils gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 EStG abzugsfähigen Aufwendungen (Vorsorgeaufwendungen, § 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) mit den nach § 10 Abs. 3 EStG geltenden Höchstbeträgen, ohne dass es dabei zu Fehlern in der Anwendung der jeweiligen Gesetzesfassung gekommen wäre. Insoweit besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten.

Für die Vorsorgeaufwendungen sind auch die Regelungen des § 10 Abs. 3 EStG mit den dort bezeichneten Höchstbeträgen anwendbar. Diese Beschränkung des Abzugs der Aufwendungen ist in den Streitjahren nicht verfassungswidrig.

Der Senat hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der begrenzten Abzugsfähigkeit der Beiträge der Kläger zur Rentenversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG. Die verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 06.03.2002 (2 BvL 17/99, BGBl. I 2002, 1305, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -BVerfGE- 105, 73), die Neuregelung der Besteuerung der Altersbezüge durch das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl. I 2004, 1427) und die Nichtannahmebeschlüsse vom 13.02.2008 (2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes -BFH/NV- 2008, Beilage 3, 240 bis 243) und vom 25.02.2008 (2 BvR 274/03 und 2 BvR 937/03, BFH/NV 2008, Beilage 3, 244; 2 BvR 912/03, BFH/NV 2008, Beilage 3, 245; 2 BvR 325/07, BFH/NV 2008, Beilage 3, 246) geklärt. Hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung haben die Kläger ihr Begehren auf vollständigen Abzug der Aufwendungen auch nicht mehr aufrecht erhalten.

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der begrenzten Abzugsfähigkeit der Beiträge der Kläger zur Krankenversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a) in Verbindung mit § 10 Abs. 3 EStG. Die verfassungsrechtlichen Fragen sind durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.02.2008 (2 BvL 1/06, BGBl. I 2008, 540, BVerfGE 120, 125, BFH/NV 2008, Beilage 3, 228 bis 240) geklärt. An diese Entscheidung ist der Senat gebunden (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 21.07.2004 - X R 72/01, BFH/NV 2005, 513 mit weiteren Nachweisen). Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts erwachsen durch Veröffentlichung des Tenors gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG in Gesetzeskraft und sind anzuwenden. Die Veröffentlichung des Tenors der oben genannten Entscheidung ist erfolgt (BVerfG, BGBl. I 2008, 540).

Der Senat teilt nicht die Einschätzung der Kläger, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 1/06 vom 13.02.2008) gegen Art. 20 Abs. 3 GG und die Menschenrechtskonvention verstoße und deshalb eine Bindung an diese nicht bestehe. Ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention ist nicht ersichtlich. Die dort geschützten Rechte sind im Streitfall nicht tangiert. Auch ist die einzige, bislang im Steuerrecht in Betracht gezogene Vorschrift des Artikels 6 Abs. 1 MRK, die zudem nicht die Frage der Abzugsfähigkeit von bestimmten Aufwendungen sondern ein faires Verfahren betrifft, im Steuerprozess nicht anwendbar (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 12.07.2001 - 44759/98, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3453; siehe auch BFH, Beschluss vom 31.07.2003 - IX E 6/03, BFH/NV 2003, 1603 mit weiteren Nachweisen). Ferner sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung im Sinne von Artikel 20 Abs. 3 GG gegen Recht und Gesetz verstoßen haben könnte. Die Entscheidung, die Beschränkung des Abzugs für Aufwendungen für Krankenversicherungen als mit dem Grundgesetz nicht in Einklang stehend zu erkennen und die Fortgeltung der betroffenen Vorschriften anzuordnen, bewegt sich im Rahmen der Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die Renten- und Kranken- sowie Pflegeversicherung ist ebenfalls geklärt, dass die Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG selbst nicht wegen ihrer Höhe verfassungswidrig sind (siehe dazu BFH, Beschluss vom 31.08.2005 - XI B 171/03, BFH/NV 2006, 49 mit umfangreichen Nachweisen; die zu dieser Frage anhängig gewesenen Verfassungsbeschwerden sind durch Beschlüsse vom 25.02.2008 nicht zur Entscheidung angenommen worden, 2 BvR 274/03, BFH/NV 2008, Beilage 3, 244 und 2 BvR 912/03, BFH/NV 2008, Beilage 3, 245; siehe auch Herrmann/ Heuer/Raupach/Kulosa, Köln, Loseblatt Stand September 2006, § 10 Tz. 383 mit Nachweisen).

Die von den Klägern ferner begehrte, vollständig steuermindernde Berücksichtigung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ist nicht möglich. Der Ansatz als (vorweggenommene) Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG scheidet aus, weil diese Beträge nicht zum Erwerb, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen dienen. Die eventuell fließenden Beträge bei Inanspruchnahme von Leistungen sind steuerfrei. Auch scheidet eine Berücksichtigung im Wege eines "negativen" Progressionsvorbehalts aus, weil das Einkommensteuergesetz so etwas nicht kennt.

Ferner ist eine Berücksichtigung als Sonderausgaben zwar grundsätzlich möglich. Im Streitfall scheidet sie allerdings aus, weil die gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 EStG bereits anderweitig ausgeschöpft sind. Diese Abzugsbeschränkung bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung ist anzuwenden. Sie verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.

Bei den Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung enthaltene Beiträge an die Bundesanstalt für Arbeit besteht zwar möglicherweise eine Nähe zum Existenzminimum. Dies führt jedoch nicht dazu, dass diese Beträge zwingend in voller Höhe bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens abgezogen werden müssten. Es ist zu berücksichtigen, dass neben dem Arbeitnehmer auch der Arbeitgeber diese Beiträge zur Hälfte zahlt. Diese Zahlungen des Arbeitgebers sind bereits steuerfrei und entlasten den Arbeitnehmer. Der Vorteil der Sozialversicherung wird damit nur zur Hälfte durch die Beitragsleistung des Arbeitnehmers selbst erreicht. Hinzu kommt, dass viele Leistungen, die ein Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit erhält, nach § 3 EStG steuerfrei gestellt und so in der Auszahlungsphase begünstigt sind. Unter diesen Umständen ist eine weitergehende Entlastung eines Arbeitnehmers während der Arbeitsphase nicht zwingend geboten. An der Höhe der bisherigen Höchstbeträge selbst bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel (siehe oben und Herrmann/Heuer/Raupach/Kulosa, Köln, Loseblatt Stand September 2006, § 10 Tz. 365 und 383 mit Nachweisen).

Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits auszusetzen sei, wenn die Entscheidung im Verfahren ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand des anderen Rechtsstreits bildet. Diese Voraussetzungen werden durch das Verfahren 2 BvR 2299/04 nicht erfüllt. Zwar richtet sich diese Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen die vorangegangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Änderung des als verfassungswidrig erkannten Zustandes hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung erst ab dem Veranlagungszeitraum 2005 vom Gesetzgeber einzufordern. Damit hat dieses Verfahren einen gewissen Bezug zu der hier streitigen beschränkten Abzugsmöglichkeit der Aufwendungen für die Krankenversicherung, die noch bis zum Ende des Jahres 2009 anzuwenden ist. Dies reicht allerdings nicht aus, um eine Abhängigkeit des Klageverfahrens von dieser Verfassungsbeschwerde zu erzeugen. Denn die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, eine bestimmte Norm noch eine gewisse Zeit für anwendbar zu erklären, ist als Einzelfallentscheidung nur auf die in diesem Verfahren streitige Norm bezogen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betrifft nur die streitige Norm und die Folgen, die sich aus der Weitergeltung für eine bestimmte Zeit oder aus der Nichtweitergeltung ergeben würden. Sie rechtfertigt sich jeweils aus dieser einzelnen Norm heraus und ist nicht auf ein anderes Verfahren zu einer anderen streitigen Norm übertragbar, und zwar auch dann nicht, wenn in dem zweiten Verfahren ebenfalls die Weitergeltung trotz erkannter Unvereinbarkeit mit der Verfassung geprüft werden muss. Für den Streitfall bedeutet dies, dass das mögliche Ergebnis des Verfahrens über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 2299/04, dass in diesem Fall die befristete Weitergeltung nicht hätte erfolgen dürfen, nicht für die Beschränkung des Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung gemäß § 10 Abs. 3 EStG gelten würde. Damit wäre noch nicht entschieden, ob die befristete Weitergeltung der Abzugsbeschränkung für Aufwendungen für Krankenversicherung ebenfalls nicht hätte erfolgen dürfen oder ob die Gründe für die Weitergeltung des § 10 EStG in diesem Fall die befristete Weitergeltung tragen würden. Darüber hinaus ist im hiesigen Klageverfahren zusätzlich die Frage der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Arbeitslosenversicherung streitig, die bislang noch nicht an das Bundesverfassungsgericht herangetragen worden ist. Insgesamt würde eine Entscheidung der genannten Verfassungsbeschwerde im Streitfall nicht weiterhelfen. Der Ausgang des Streitfalls hängt nicht von der Entscheidung ab, so dass eine Aussetzung nicht vorzunehmen ist.

Dahin stehen kann, ob ein Ruhen des Klageverfahrens möglich - insbesondere sachdienlich - wäre. Ein Ruhen eines Klageverfahrens ist nur bei Zustimmung aller Beteiligten und bei Sachdienlichkeit möglich. Im Streitfall scheidet ein Ruhen aus, weil der Beklagte seine Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens nicht erklärt hat.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, weil die Frage der Verfassungsmäßigkeit der beschränkten Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Arbeitslosenversicherung noch nicht geklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.



Ende der Entscheidung

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