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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 7 K 5535/04 B
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 12
UStG § 9 Abs. 1
UStG § 9 Abs. 2
UStG § 14
UStG § 15 Abs. 1 S. 1
UStG § 27 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

7 K 5535/04 B

Umsatzsteuer 1996 und 1997

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. September 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ..., die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Gesellschaft bürgerlichen Rechts -GbR-.

Die Beteiligten streiten über die Abzugsberechtigung der Vorsteuer in Höhe von 5,19%, die prozentual auf die an die Y-Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z vermietete Fläche entfällt.

Die Rechtsvorgängerin der GbR, die X & Co Grundbesitz KG, plante in Abstimmung mit der Stadt L die Errichtung einer Hotelanlage nebst Einkaufszentrum und Büroräumen in L mit einem Investitionsvolumen von 50 Millionen DM. Hierfür kaufte sie am 18.02.1991 von der Stadt L das am ... in der Stadtmitte von L gelegene Grundstück. In § 2 des entsprechenden Kaufvertrages vereinbarten die Parteien des Kaufvertrages eine Bauverpflichtung zur Errichtung eines Hotels mit zugehörigen Einrichtungen. Der konkrete Inhalt der Bauverpflichtung ist in den §§ 13 ff. geregelt. Seitens der Stadt L war die Baufreiheit des Grundstückes geschuldet. Ursprünglich war das Grundstück mit sieben vermieteten Wohnhäusern bebaut, die zunächst geräumt und sodann abgerissen werden sollten. Die Gebäude wurden im Sommer 1991 (leerstehende Fabrikhallen), Januar 1993 (alle Häuser bis auf eines) und Dezember 1993 (das letzte, aus bautechnischen Gründen erst jetzt abgerissene Haus) abgerissen. Den Abbrucharbeiten waren Kündigungen der bestehenden Mietverhältnisse vorausgegangen, deren Rechtmäßigkeit teilweise erst in zweiter Instanz vor dem Landgericht festgestellt worden waren. Darüber hinaus wurden die Abrissarbeiten durch diverse Bürgerbegehren und Demonstrationen behindert. Die beantragte Teilbaugenehmigung wurde am 16.02.1993 durch die Stadt L erteilt. Nach dem Abriss der Gebäude im Januar 1993 fanden planmäßige, archäologische Probebohrungen des zuständigen Landesamtes statt. Diese waren nach Landesrecht zu dulden und zogen sich über das Jahr 1993 hin. Der Bauzaun wurde im März 1993 errichtet, von Februar 1993 bis Mai 1993 eine Gasreglerstation errichtet, im April und Juli 1993 wurden die Beschilderung für die Parkplatzräumung sowie das Bauschild gefertigt und montiert. Im April 1993 erfolgte die Ausschreibung für das Projekt. Im Mai 1993 wurden Altlasten entdeckt, die von der Stadt L beseitigt werden mussten. Erst nach langwierigen Verhandlungen wurde eine geeignete Ablagerungsfläche für das kontaminierte Erdreich gefunden. Dies führte zu einer Verzögerung des tatsächlichen Baubeginns und der Auftragsvergabe an die einzelnen Bauunternehmer. Vergabeverhandlungen über die Erdarbeiten (Baugrube) fanden am 09.11.1993 statt. Am 15.11.1993 wurde der Auftrag zunächst mündlich und danach am 18.11.1993 schriftlich erteilt. Mit den Ausschachtungsarbeiten sollte frühestens am 29.11.1993 begonnen werden. Tatsächlich wurde mit dem Aushub der Baugrube Anfang 1994 begonnen. Der spezifizierte Bauauftrag wurde erst nach ersten Vergabeverhandlungen im Mai 1994 dann im Oktober 1994 unterzeichnet.

In der Folgezeit errichtete die GbR auf dem Grundstück ein Geschäftshaus, welches im September 1997 fertig gestellt wurde. Im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung wurden von der gesamten Nutzfläche von 18.205,60 qm unter anderem folgende Räumlichkeiten vermietet: 321,49 qm Y-Bank 1,77% § 4 Nr. 8a) -g) Umsatzsteuergesetz -UStG-, 916,49 qm Krankenkasse XY 5,03% kein Unternehmer, 504,50 qm Zahnklinik/Zahnarztpraxis 2,77% § 4 Nr. 14 UStG, 118,29 qm Firma Z 0,65% § 4 Nr. 11 UStG, mithin 1.860,77 qm, welche 10,22% der gesamten Nutzfläche ausmachen.

Die GbR schätzte den Anteil der steuerpflichtigen Umsätze auf 95,25%. Dabei ging sie davon aus, dass die Vermietung an die Krankenkasse XY nicht zu einem Vorsteuerabzug führen könne und dass der an die Krankenkasse XY vermietete Teil 4,75% der gesamten Nutzfläche ausmache. Sie erklärte unter Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 1 UStG die abzugsfähige Vorsteuer für 1996 auf 2.619.638,49 DM und für 1997 auf 2.541.383,12 DM.

Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung 1996 über -2.391.957,40 DM und der Umsatzsteuererklärung 1997 über -2.146.862,40 DM zu, die damit Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO gleichstanden.

Ende 2001 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung bei der GbR durch. Dabei stellte die Betriebsprüferin fest, dass der spezifizierte Bauauftrag erst im Oktober 1994 unterzeichnet worden war, dass Vergabeverhandlungen über die Erdarbeiten (Baugrube) am 09.11.1993 stattgefunden und im Anschluss daran am 15.11.1993 der Auftrag mündlich und danach am 18.11.1993 schriftlich erteilt worden sei (siehe dazu Betriebsprüfungsbericht vom 06.02.2002, Tz. 29). Unter Berücksichtigung dieses Ablaufs ging die Betriebsprüferin davon aus, dass mit der Errichtung des Gebäudes nach dem 10.11.1993 begonnen worden war. Deshalb hielt sie § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG in der ab dem 01.01.1994 geltenden Fassung des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (STMBG) vom 21.12.1993 für anwendbar. Danach sei der Verzicht auf die Steuerbefreiung bei Vermietungsumsätzen unzulässig, wenn der Leistungsempfänger das Grundstück nicht ausschließlich für Umsätze verwende, die den Vorsteuerabzug nicht ausschlössen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 06.02.2002 (Textziffern 29 und 30) und den Ergänzungsbericht vom 04.07.2002 verwiesen.

Der Beklagte schloss sich der Auffassung der Betriebsprüferin an und erließ am 29.07.2002 geänderte Umsatzsteuerbescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO, mit denen er die abzugsfähige Vorsteuer für 1996 mit 2.469.198,26 DM und für 1997 mit 2.385.526,98 DM ansetzte. Daraus ergab sich für 1996 eine festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von -2.241.518,00 DM (= -1.146.069,95 EUR) und für 1997 eine solche von -1.991.007,00 DM (= -1.017.985,71 EUR). Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte jeweils auf.

Mit ihren Einsprüchen machte die GbR geltend, dass die für den Verzicht auf die Steuerbefreiung geltende Vorschrift des § 9 Abs. 1 UStG in ihrem Fall in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung anzuwenden sei. Mit der Errichtung des Gebäudes sei vor dem 11.11.1993 begonnen worden. Weil letztendlich das gesamte Grundstück für den Neubau genutzt worden sei, seien die Abbrucharbeiten in der Zeit von 1991 bis 1993 und die anschließende Gebäudeerrichtung als einheitlicher Vorgang anzusehen. Der Zeitpunkt des Baubeginns richte sich nach dem Beginn der Abbrucharbeiten. Mithin sei davon auszugehen, dass mit der Bauerrichtung 1991 und damit weit vor dem 11.11.1993 begonnen worden sei. Darüber hinaus habe sie, die GbR, die Absicht zu bauen unwiderruflich und bindend nach außen hin erkennbar gemacht.

Über das Vermögen der GbR eröffnete das Amtsgericht M mit Beschluss vom 15.12.2003 das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Der Kläger widersprach der Anmeldung der hier streitigen Forderungen zur Insolvenztabelle und nahm in der Folgezeit das unterbrochene Einspruchsverfahren auf. Darauf hin wies der Beklagte die Einsprüche mit seiner Einspruchsentscheidung vom 23.11.2004 als unbegründet zurück.

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass die Kürzung der Vorsteuer für die Vermietung an die Krankenkasse XY mit 5,03% unstreitig vorzunehmen sei. Davon sei allerdings in den Umsatzsteuererklärungen der GbR nur 4,75% berücksichtigt, weil die vermietete Fläche fehlerhaft berechnet worden sei. Die deshalb vom Beklagten vorgenommene Kürzung um die Differenz (0,28%) sei berechtigt. Hingegen dürfe die Vorsteuerkürzung um die weiteren, vom Beklagten berechneten 5,19% für die Vermietung an die Y- Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z nicht vorgenommen werden.

Entscheidend sei, ob § 9 Abs. 2 UStG in der ab dem 01.01.1994 geltenden Fassung anzuwenden sei. Denn die GbR könne nicht darlegen, dass diese Mieter (Versicherungsmakler, Kreditinstitut, Zahnklinik) in den gemieteten Räumen nur solche Umsätze ausführten, die den Vorsteuerabzug nicht ausschlössen. Die Anwendung des § 9 Abs. 2 UStG richte sich nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG. Die Anwendung sei nach dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn das Gebäude vor dem 01.01.1998 fertig gestellt und mit dessen Errichtung vor dem 11.11.1993 begonnen worden sei. Allein streitig sei die Frage des Baubeginns. Dazu regele Abschnitt 148 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3, Sätze 4 bis 6 der Umsatzsteuerrichtlinien -UStR-, dass der Baubeginn anzunehmen sei, wenn mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen oder ein spezifizierter Bauauftrag an einen Bauunternehmer erteilt worden sei oder nicht unbedeutende Mengen an Baumaterial auf dem Bauplatz angefahren worden seien. Auch sei von einem Baubeginn auszugehen, wenn Abbrucharbeiten vorgenommen und hiernach unmittelbar mit der Errichtung des neuen Gebäudes begonnen worden sei. Hiervon sei stets auszugehen, wenn der Steuerpflichtige die Entscheidung zu bauen für sich bindend und unwiderruflich nach außen hin erkennbar macht. Dies könne zum Beispiel durch eine Abbruchgenehmigung nachgewiesen werden, die unter der Auflage erteilt worden sei, zeitnah ein neues Gebäude zu errichten. Nach Erteilung der Baugenehmigung sei der Baubeginn nicht mehr fraglich gewesen. Es habe nur noch die Frage geklärt werden müssen, wohin die Stadt L das kontaminierte Erdreich verbringen konnte. Die Argumentation des Beklagten hinsichtlich der Auslegung des Begriffs Baubeginn durch die Umsatzsteuerrichtlinien sei zu eng. Ein Baubeginn könne nicht nur durch die dort aufgezählten Maßnahmen konkretisiert werden. Ein komplexes Bauvorhaben in der hier vorliegenden Größenordnung könne nicht mit dieser Argumentation beurteilt werden. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass die Investorengruppe bei bestehender Finanzierung und nachdem der Grundstückskaufpreis bereits an die Stadt L entrichtet worden war, von diesem Bauvorhaben einfach habe abrücken können oder wollen. Vielmehr habe die Rechtsvorgängerin der GbR ihren Bauentschluss frühzeitig unabänderlich getroffen und dies in einer Weise dokumentiert, dass sie hiervon auch nicht mehr abrücken konnte. Bereits die Vorplanungen für das zu errichtende Objekt seien angesichts der Größenordnung in Abstimmung mit der Stadt L erfolgt, der für die Bauleitplanung zuständigen Gebietskörperschaft. Diese habe trotz der vorherzusehenden kommunalpolitischen Streitigkeiten dem Projekt zugestimmt und die erforderlichen Grundstücke an die Rechtsvorgängerin der GbR veräußert. Die Stadt L hätte sich nicht auf die Räumung und den Abriss von Gebäuden im Mittelpunkt der Stadt eingelassen, wenn die Rechtsvorgängerin der GbR sich nicht zur Errichtung der geplanten Gebäude verpflichtet hätte. Gerade deswegen habe auch die Verpflichtung bestanden, die Baugenehmigung kurzfristig zu beantragen. Die GbR habe in der Folgezeit alles getan, um einen zügigen Baubeginn zu erreichen. Die Verzögerungen wegen des Abtransports des kontaminierten Erdreichs habe allein die Stadt L zu vertreten. Die Unmittelbarkeit zwischen Abrissarbeiten und Baubeginn könne nicht aufgrund einer zeitlichen Verzögerung des tatsächlichen Baubeginns verneint werden. Denn dieser habe das Projekt an sich nicht mehr zu gefährden vermocht und sei zudem durch Umstände entstanden, die die GbR nicht habe beeinflussen können. Angesichts der Größe des Projektes greife die vom Beklagten zur Begründung herangezogene Voraussetzung, es hätten konkrete Bauaufträge vergeben sein müssen, nicht ein. Nach Beendigung des Ausschreibungsverfahrens sei der Abschluss der einzelnen Bauverträge nurmehr eine Formalie gewesen. Ferner habe sich der unwiderrufliche Bauentschluss bereits aus dem mit der Stadt L abgeschlossenen Kaufvertrag und der damit eingegangenen Bauverpflichtung ergeben. Diese sei, ohne dass es darauf ankomme, noch durch die öffentliche Stellungnahme des Sprechers der Investorengruppe im März 1993 sowie das durchgeführte Ausschreibungs- und Vergabeverfahren dokumentiert worden.

Darüber hinaus hätte der Beklagte bei der Auslegung des § 27 Abs. 2 UStG beachten müssen, dass die GbR hinsichtlich ihrer Planungen Vertrauensschutz genieße. Die Gesetzesänderung vom 23.12.1993 greife in eine längst bestehende Konzeption ein. Die GbR sei die Bauverpflichtung auf der Grundlage einer Kalkulation aus dem Jahre 1991 eingegangen, die selbstverständlich die abzugsfähige Vorsteuer berücksichtigt habe. Die Gesetzesänderung sei zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar, der Bauentschluss hingegen Ende 1993 nicht mehr zu revidieren gewesen. Dies sei kein allgemeines Lebensrisiko hinsichtlich der Änderung von Steuergesetzgebung, jedenfalls sei dies bei der Auslegung der geänderten Normen und Übergangsvorschriften zu berücksichtigen.

Zusammenfassend sei bei richtiger Auslegung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG davon auszugehen, dass Abrissarbeiten und Baubeginn unmittelbar aufeinander gefolgt seien. Zudem sei davon auszugehen, dass der Bauentschluss spätestens mit Erteilung der Baugenehmigung und der Ankündigung des Baubeginns im März 1993 unabänderlich bekannt gemacht worden sei. Dies sei vor dem 11.11.1993 gewesen, so dass die Anwendung von § 9 Abs. 2 UStG auf das betreffende Gebäude insgesamt ausgeschlossen sei. Der Vorsteuerabzug sei nicht wegen schädlicher Verwendung zu kürzen. Eine Kürzung dürfe nur wegen der Nutzung durch die Krankenkasse XY erfolgen, die kein Unternehmer sei. Es sei richtig, dass für diese Nutzung ein Optionsrecht gemäß § 9 Abs. 1 EStG nicht bestehe.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 1996 und die Umsatzsteuer 1997, jeweils abweichend von den Bescheiden vom 29.02.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 23.11.2004, auf -1.219.051,00 EUR (1996) und -1.093.609,30 EUR (1997) festzusetzen

und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Darstellung in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass der Bundesfinanzhof die auch bei der Entscheidung zu Grunde gelegten Auslegungskriterien zur Übergangsregelung in § 27 Abs. 2 UStG als zutreffend erkannt habe. Die Klägerin habe tatsächlich erst Anfang 1994 durch den Aushub der Baugrube mit den Bauarbeiten begonnen. Dazu habe sie Bauleistungen anderer Bauunternehmer in Anspruch genommen. Sie habe nicht mehr in gutem Glauben eine beabsichtigte steuerliche Verwendung erklären können. Denn bei diesen Leistungsbezügen sei die Änderung der umsatzsteuerlichen Vorschriften über die Vermietungsleistungen bereits in Kraft getreten.

Dem Gericht haben drei Bände Akten (Umsatzsteuer Band I und Band II, Betriebsprüfungsberichte), eine Heftung (Ergänzungsbericht vom 04.07.2002) und der Ordner mit dem Arbeitsbogen der Betriebsprüferin zur Steuernummer ... zur Entscheidung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht die Abzugsberechtigung der prozentual auf die Vermietung an die Y- Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z entfallende Vorsteuer in Höhe von 5,19% nicht zu. Denn die GbR konnte hinsichtlich dieser Umsätze nicht wirksam auf die Steuerbefreiung verzichten.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die Vorsteuerbeträge für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesen und die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Dabei beginnt die Existenz eines Unternehmers, wenn der Steuerpflichtige die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Eingangsleistungen für diesen Zweck bezieht (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften -EuGH-, Urteil vom 29.02.1996 -C-110/94, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 1996, 655 INZO; Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 08.03.2001 -V R 24/98, BStBl. II 2003, 430). Dementsprechend war die GbR in den Streitjahren als Unternehmerin anzusehen, was auch vom Beklagten nicht bezweifelt wird. Für die Gewährung des Vorsteuerabzugs muss die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hinzukommen, die Eingangsleistungen für Umsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug erlauben (EuGH, Urteile vom 08.06.2000 -C-396/98, BStBl. II 2003, 464 Schloßstraße und C400/ 98, BStBl. II 2003, 452 Breitsohl; BFH, Urteile vom 22.02.2001 -V R 77/96, BStBl. II 2003, 426 Schloßstraße;vom 08.03.2001 -V R 24/98, BStBl. II 2003, 430;vom 06.06.2002 -V R 27/00, BFH/NV 2002, 1621). Denn wie sich nach nationalem Recht aus § 15 Abs. 2 UStG ergibt, scheidet der Vorsteuerabzug aus, wenn die Eingangsleistungen für steuerfreie Umsätze verwendet werden. Daher setzt der Vorsteuerabzug bei geplanten Umsätzen aus der Vermietung von Grundstücken voraus, dass eine Option für eine steuerpflichtige Vermietung gemäß § 9 UStG beabsichtigt und nach den objektiven Umständen möglich ist (BFH, Urteil vom 06.06.2002 -V R 27/00, a.a.O.). Dabei ist auf die objektive Rechtslage im Zeitpunkt des Leistungsbezugs abzustellen.

Sofern die Eingangsleistungen sowohl für steuerpflichtige als auch für steuerfreie, den Vorsteuerabzug ausschließende Umsätze verwendet werden sollen, ist die Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 UStG sachgerecht aufzuteilen. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, stellt die von der GbR vorgenommene Aufteilung nach dem Flächenmaßstab ein sachgerechtes Aufteilungsverfahren dar. Der Kläger geht jedoch zu Unrecht davon aus, dass für die Aufteilung lediglich die an die Krankenkasse XY vermieteten Flächen der Verwendung für steuerfreie Umsätze zuzurechnen sind. Vielmehr sind auch die weiteren hier streitigen vermieteten Flächen, also insgesamt 10,22%, als vorsteuerschädlich in die Aufteilungsrechnung einzubeziehen.

Denn nach den Feststellungen der Betriebsprüferin standen Anfang 1996 die Y-Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis, die Krankenkasse XY und die Firma Z als Mieter mit steuerfreien oder nicht steuerbaren Umsätzen fest. Ferner konnte die GbR für diese Umsätze durch Grundstücksvermietung nicht wirksam auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchstabe a Satz 1 UStG verzichten.

Nach § 9 Abs. 1 UStG kann ein Unternehmer einen Umsatz, der nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei ist, als steuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt worden ist. Zwar hätte die GbR bei Anwendung von § 9 Abs. 2 UStG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung wirksam auf die Steuerfreiheit der Umsätze durch Vermietung von Gebäudeflächen an die Y-Bank, die Zahnklinik/ Zahnarztpraxis und die Firma Z verzichtet, weil es sich dabei um Unternehmer handelt und die vermieteten Grundstücksteile weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dienen oder zu dienen bestimmt sind. Denn gemäß dieser Vorschrift ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach Abs. 1 bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zulässig, wenn der Unternehmer nachweist, dass das Grundstück weder Wohnzwecken noch anderen nichtunternehmerischen Zwecken dient oder zu dienen bestimmt ist. Dies wäre hinsichtlich der genannten streitigen Vermietung erfüllt.

§ 9 Abs. 2 UStG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung ist allerdings im Streitfall nicht anwendbar. Denn im Streitfall richtet sich der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung durch das Missbrauchbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz (StMBG) vom 21.12.1993. Nach dieser Vorschrift ist gemäß § 9 Abs. 1 UStG der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung nachzuweisen. Diesen Nachweis haben die GbR und der Kläger im Hinblick auf die Vermietung an die Y-Bank, die Zahnklinik/Zahnarztpraxis und die Firma Z nicht geführt. Diese Mieter beabsichtigen jedenfalls, die gemieteten Räume zum Teil zur Erzielung von steuerfreien Umsätzen zu verwenden. Dabei ergibt sich die Steuerfreiheit für Umsätze der Deutschen Bank aus § 4 Nr. 8a) -g) UStG, der Zahnklinik/Zahnarztpraxis aus § 4 Nr. 14 UStG und der Firma Z aus § 4 Nr. 11 UStG.

§ 9 Abs. 2 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung ist im Streitfall auch anwendbar. Denn die Voraussetzungen für die Anwendung der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG in der Fassung des StMBG, nach der die Vorschrift des § 9 Abs. 2 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung nicht anzuwenden ist, wenn mit der Errichtung des Gebäudes vor dem 11.11.1993 begonnen worden ist, liegen nicht vor.

Die GbR hat nicht "mit der Errichtung des Gebäudes ... vor dem 11.11.1993 begonnen". Das Merkmal der Errichtung ist ersichtlich an den tatsächlichen Errichtungsvorgang und nicht schon an das Vorhandensein einer bloßen Herstellungskonzeption geknüpft (vgl. BFH, Urteile vom 13.02.1998 -V B 69/97, BFH/NV 1998, 1005, und vom 22.02.2001 -V R 77/96, UR 2001, 260). Als Beginn der Bauarbeiten ist anzusehen: der Beginn der Ausschachtungsarbeiten, die Erteilung eines spezifizierten Bauauftrages an Bauunternehmer oder die Anfuhr nicht unbedeutender Mengen von Baumaterial auf dem Bauplatz. Dabei gilt als Beginn der Bauarbeiten der jeweils erste Vorgang (siehe auch Abschnitt 148a Abs. 5 Satz 2 UStR [1996]). Der Beginn der Ausschachtungsarbeiten im Streitfall war erst im Jahre 1994. Der spezifizierte Bauauftrag wurde nach ersten Vergabeverhandlungen im Mai 1994 erst im Oktober 1994 unterzeichnet. Vergabeverhandlungen über die Erdarbeiten (Baugrube) fanden zwar am 09.11.1993 statt. Erst nach dem 10.11.1993, nämlich am 15.11.1993, wurde der Auftrag mündlich und danach am 18.11.1993 schriftlich erteilt. Alle diese Zeitpunkte liegen nach dem 10.11.1993.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den auf dem Grundstück im Jahre 1991 und Anfang 1993 vorgenommenen Abbrucharbeiten der vorhandenen Gebäude. Zwar kann der Abbruch eines Gebäudes der Baubeginn des neuen Gebäudes sein, wenn unmittelbar im Anschluss an den Abbruch mit der Errichtung eines neuen Gebäudes begonnen wird, und sich daher der Abbruch im Ergebnis als Beginn der Arbeiten an dem neuen Gebäude werten lässt (BFH, Beschluss vom 13.02.1998 -V B 69/97, BFH/NV 1998, 1005; Abschnitt 148a Abs. 5 Satz 4 UStR [1996]). Im Streitfall lassen sich die vor dem 11.11.1993 erfolgten Abbruchmaßnahmen und weitere Maßnahmen an dem Grundstück aber noch nicht als Beginn der Bauarbeiten werten. Denn zwischen den letzten Abbruchmaßnahmen vor dem 11.11.1993, die im Januar 1993 stattfanden, lagen fast zehn Monate, in denen keine weiteren Tätigkeiten zur Errichtung des Gebäudes stattfanden. Die Beräumung der Baustelle, das Aufstellen des Bauzauns, der Anschluss der für den Bau benötigten Medien, die archäologischen Grabungen, die Beräumung der Altlasten etc. stellen lediglich Vorbereitungsmaßnahmen zur Errichtung des Gebäudes dar, die selbst dann nicht zu dem Beginn der Errichtung führen, wenn sie für sich genommen bereits einen erheblichen Aufwand in sächlicher und finanzieller Hinsicht darstellen. Die Erstellung des Gasanschlusses stellt eine Erschließungsmaßnahme des unbebauten Grundstücks dar.

Selbst wenn - entgegen der Auffassung des Gerichts - die im Januar 1993 erfolgten Abrissmaßnahmen grundsätzlich geeignet wären, in einem ausreichenden Zusammenhang mit den ab Mitte November 1993 in Auftrag gegebenen Baumaßnahmen zu stehen, würde es aber im Streitfall an einem solchen Zusammenhang fehlen, weil die Abrissmaßnahmen nach Aktenlage nicht der GbR zuzurechnen waren. Denn diese wurden nicht von der GbR, sondern von einem Dritten - offenbar von der Stadt L -in Auftrag gegeben. Dies schließt das Gericht daraus, dass die Stadt L der GbR die Baufreiheit des Grundstücks schuldete, die GbR im Rahmen der Betriebsprüfung eine "Übersicht Bauverträge" ohne solche Abrissmaßnahmen einreichte und auch aus den im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegten Rechnungen solche Abrissleistungen nicht ersichtlich sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung, eine Hotelanlage zu bauen, die die GbR im Grundstückskaufvertrag gegenüber der Grundstücksveräußerin eingegangen ist. Dies betrifft die bloße Planung, die als Vorbereitung der Errichtung für den Beginn der Bauarbeiten auch dann nicht ausreicht, wenn sich der Käufer aus rechtlichen oder (im Hinblick auf die Argumentation des Klägers, dass sich die GbR im November 1993 von einer Investition in der geplanten Höhe aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr hätte lösen können) aus tatsächlichen Gründen nicht mehr von dem geplanten Vorhaben lossagen kann (BFH, Urteil vom 13.02.1998 -V B 69/97, BFH/NV 1998, 1005). Ferner kommt es nicht darauf an, dass die Absicht zu bauen unwiderruflich und bindend nach außen hin erkennbar wird. Denn der Beginn der Errichtung liegt nicht in einem fest und unlösbar gefassten Plan, sondern erst in der Umsetzung desselben, wobei sich die Umsetzung an dem zu errichtenden Gebäude orientieren muss. Vorbereitungshandlungen (Beräumung der Baustelle, Bauzaun, Anschluss der für den Bau benötigten Medien etc.) reichen nicht aus. Der Plan, der allerdings für den Beginn der Errichtung gerade nicht ausreicht, dient ebenso wie die Vorbereitungshandlungen nur mittelbar der Errichtung. Dabei handelt es sich um eine Voraussetzung der Errichtung, nicht aber um Errichtung selbst.

Keinen Erfolg hat auch die Rüge des Klägers, der Beklagte habe den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes außer Acht gelassen. Soweit die GbR bereits vor Verkündung des StMBG am 21.12.1993 den Erwerb des Grundstücks, die Errichtung des Hotels mit Nebengebäuden und die spätere Vermietung im Vertrauen auf die damals geltende Fassung des § 9 Abs. 2 UStG plante, kann der Kläger keinen Vertrauensschutz beanspruchen, wenn die GbR diesen Plan dann nach und trotz der Änderung des § 9 Abs. 2 UStG weiter verfolgte (siehe dazu BFH, Urteil vom 30.06.2005 -V R 46/02, BFH/NV 2005, 1882).

Darüber hinaus ist für die Frage, ob auf die Steuerfreiheit der Umsätze verzichtet werden kann, auf den tatsächlichen Zeitpunkt des Leistungsbezugs und die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage abzustellen (BFH, Urteil vom 06.06.2000 -V R 27/00, BFH/NV 2002, 1621). Für erst nach dem 21.12.1993 tatsächlich bezogene Leistungen scheidet eine im guten Glauben erklärte Absicht zu steuerpflichtiger Vermietung an einen - mindestens teilweise - steuerfrei tätigen Mieter aus. Denn nach dem 21.12.1993 war die Rechtslage hinsichtlich der Anwendung des § 9 Abs. 2 UStG in der Fassung ab 01.01.1994 und der Ausnahmeregelung in § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG in der Fassung des StMBG klar. Auch danach scheidet im Streitfall eine Berücksichtigung der Vorsteuern für Leistungen aus den Streitjahren aus. Denn nach den Feststellungen der Betriebsprüferin standen Anfang 1996 die weiteren drei Mieter fest. Der Kläger ist dem nicht entgegen getreten. Die GbR konnte bei Abschluss der Mietverträge und bei der Kalkulation der Mieten die Regelungen des § 9 Abs. 2 UStG in der ab 01.01.1994 geltenden Fassung und der dazu ergangenen Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG berücksichtigen. Auch bei Abschluss des spezifizierten Bauauftrags im Oktober 1994 waren diese Regelungen bekannt. Dies war erst recht bei Bezug der mit Vorsteuer belasteten Leistungen in den Streitjahren so. Schließlich bewegt sich die Höhe der streitigen Vorsteuerbeträge (5,19% der gesamten Vorsteuer in den Streitjahren) in einer Größenordnung, in der bei einem Bauprojekt dieses Volumens ohnehin Kostenrisiken bestehen.

Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-zugelassen, weil die Bewertung von Abbruchmaßnahmen als Beginn der Gebäudeerrichtung noch nicht vollständig geklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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