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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 7 K 9184/06 B
Rechtsgebiete: EStG, PersVG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 4
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
PersVG § 16 Abs. 1
PersVG § 72 Abs. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

7 K 9184/06 B

Einkommensteuer 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -7. Senat -

ohne mündliche Verhandlung

am 28. März 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...........,

die Richterin am Finanzgericht ...........

den Richter am Verwaltungsgericht ......,

den ehrenamtlicher Richter ...... und

die ehrenamtliche Richterin ........

für Recht erkannt:

Tenor:

Abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006 wird die Einkommensteuer 2004 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe v. 559,--EUR bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit festgesetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit dem Ziel, seine Ausgaben für kleinere Werbegeschenke zur Vorbereitung seiner Wahl in den Personalrat als weitere Werbungskosten berücksichtigen lassen zu können, gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2004.

Der Kläger war im Streitjahr 2004 als Steuer-Außenprüfer berufstätig. Als Vorstandsmitglied der Bezirksgruppe am Finanzamt L..... der Deutschen Steuer-Gewerkschaft kandidierte er im Jahr 2004 bei den Personalratswahlen. Dafür bestellte er als sog. "Streuware" verschiedene Werbeartikel (Schlüsselanhänger, Taschenkalender, Fruchtgummipackungen) im Rechnungsgesamtwert von 559,--EUR. Diesen Zahlungsbetrag machte er mit seiner Einkommensteuererklärung 2004 als Werbungskosten geltend. Mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005 ließ der Beklagte sie indes unberücksichtigt und erläuterte dazu, Aufwendungen für Gewerkschaftspropagandamaterial seien keine Werbungskosten. Zur Begründung seines u.a. auf diesen Punkt bezogenen Einspruchs führte der Kläger an, dass Beiträge zu Berufsverbänden und Gewerkschaften ebenso wie Aufwendungen eines Arbeitnehmers im Zusammenhang mit seiner ehrenamtlichen Gewerkschaftstätigkeit als Werbungskosten anzuerkennen seien und verwies dafür auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs -BFH -(Urteil vom 28. November 1980 -VI R 193/77 Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE -132, 431, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1981, 368). Hätte im Übrigen seine Gewerkschaft diese Kosten getragen und er ihr alsdann eine entsprechende Zuwendung gemacht, wäre für ihn ein solche Erstattung ebenfalls abzugsfähig gewesen. Die bloße Verkürzung des Zahlungsweges könne für ihn nicht den Werbungskostenabzug ausschließen. Mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006 wies der Beklagte den Einspruch insofern als unbegründet zurück. Die dem Kläger für das Wahlkampfmaterial entstandenen Kosten seien weder als Erwerbsaufwendungen anzusehen noch sicherten sie irgendwie seine Existenz. Vielmehr habe sie der Kläger nebenher getätigt, um weiter seine ehrenamtliche Tätigkeit ausüben zu können. Werbungskosten lägen daher nicht vor.

Mit seiner hiergegen beim Beklagten eingereichten, dem Gericht am 10. Juli 2006 übermittelten Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen aus dem Einspruchsverfahren weiter und nimmt wiederholend und vertiefend auf sein dortiges Vorbringen Bezug.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Einkommensteuer 2004 abweichend von dem Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von 559,--EUR festzusetzen.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Seine Rechtsverteidigung beruht auf dem Inhalt der angegriffenen Bescheide, an denen er festhält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf die vom Beklagten vorgelegte Akte (Band II Einkommensteuerakten) zur St.-Nr. .../.../..... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 94a Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - bestimmen, den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, da der Streitwert der Klage den Betrag von fünfhundert Euro nicht übersteigt.

Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006, der die Ausgaben des Klägers für kleinere Werbegeschenke zur Vorbereitung seiner Wahl in den Personalrat vom weiteren Werbungskostenabzug ausnimmt, ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1, 2 Satz 1 FGO).

Werbungskosten sind über den Wortlaut von § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG -hinaus nicht nur Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen, sondern überhaupt alle Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind. Der Werbungskostenbegriff ist insofern deckungsgleich mit dem Begriff der Betriebsausgaben des § 4 Abs. 4 EStG. Eine berufliche bzw. betriebliche Veranlassung ist bei Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. bei Betriebsausgaben stets dann anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf oder dem Betrieb besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs bzw. des Betriebes gemacht werden. Stehen die Aufwendungen in einem objektiven Zusammenhang mit dem Beruf, so ist für den Begriff der Werbungskosten aber nicht von Bedeutung, ob die Vorstellungen des Steuerpflichtigen, den Beruf zu fördern, der Wirklichkeit entsprechen, d.h. geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Der Werbungskostenabzug ist daher nicht davon abhängig, ob der mit den Aufwendungen erstrebte Zweck eingetreten ist und ob die Aufwendungen nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig waren (BFH, Urteil vom 28. November 1980 - VI R 193/77 - Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368).

Nach diesen Grundsätzen sind (Reisekosten-)Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Ausübung eines gewerkschaftlichen Ehrenamtes als durch seinen Beruf veranlasste Werbungskosten anzusehen. Gewerkschaften, deren Zweck auf die Veränderung von Sozialpolitik und Wirtschaftsordnung zugunsten der Beschäftigten sowie auf die unmittelbare Förderung der rein beruflichen Bedingungen der ihnen angeschlossenen Mitglieder gerichtet ist, verfolgen diese Zielstellungen im allgemeinen durch berufsbezogene Maßnahmen. U.a. diese solidarische Interessenvertretung der Arbeitnehmer durch Gewerkschaften bildet ein wirksames Mittel der Arbeitnehmer zur Verbesserung ihrer beruflichen Bedingungen, im besonderen auch ihrer Einnahmen. Aus diesen Gründen ist hinsichtlich der Aufwendungen eines Mitglieds für seine Gewerkschaft zwecks Förderung dieser solidarischen Gemeinschaft ein objektiver, durch Aufgabenstellung und Arbeit des Berufsverbandes sichtbar werdender Zusammenhang mit seiner eigenen Berufstätigkeit zu bejahen (BFH, Urteil vom 28. November 1980 - VI R 193/77 - a.a.O.. S. 370).

Auch der vom Kläger verfolgten Mitgliedschaft im Personalrat kommt eine solche genügend enge Beziehung zu seiner Berufstätigkeit zu. Der Personalrat zählt zu den Personalvertretungen (§ 1 Abs. 2 des Berliner Personalvertretungsgesetzes - PersVG), die in den Landesverwaltungen bei den einzelnen Dienststellen, so insbesondere auch bei den einzelnen Finanzämtern (Nr. 9 der Anlage zu § 5 Abs. 1 PersVG), gebildet werden (§ 1 Abs. 1 PersVG), und wird in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt (§ 16 Abs. 1 PersVG). Zu den allgemeinen Aufgaben der Personalvertretung, die der Personalrat während seiner regelmäßig vier Jahre dauernden Amtszeit (§ 23 Satz 1 PersVG) wahrzunehmen hat, gehört es u.a., Maßnahmen zu beantragen, die der Dienststelle und ihren Angehörigen dienen (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 PersVG), darüber zu wachen, dass die für die Dienstkräfte geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Tarifverträge und Dienstvereinbarungen durchgeführt werden (§ 72 Abs. 1 Nr. 2 PersVG), die Eingliederung und berufliche Entwicklung Schwerbehinderter und sonstiger schutzbedürftiger, insbesondere älterer Personen zu fördern (§ 72 Abs. 1 Nr. 4 PersVG) und darüber zu wachen, dass die Chancengleichheit von Frauen und Männern herbeigeführt wird (§ 72 Abs. 1 Nr. 9 PersVG).

Die Sicherung und Verbesserung des eigenen Berufsbereichs ist im Rahmen der Personalvertretungsmitwirkung auch hinsichtlich der Mitbestimmungsangelegenheiten (§ 85 PersVG) angesprochen. Diese beziehen sich etwa auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 PersVG), die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden (§ 85 Abs. 1 Nr. 2 PersVG), Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen (§ 85 Abs. 1 Nr. 7 PersVG), Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle (§ 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG), die Gestaltung der Arbeitsplätze (§ 85 Abs. 1 Nr. 12 PersVG) und die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Dienstkräfte zu überwachen (§ 85 Abs. 1 Nr. 13 PersVG).

Die vom Kläger angestrebte Tätigkeit im Personalrat ist ihrerseits auch nicht losgelöst von seinem Eintreten für gewerkschaftliche Zielstellungen zu sehen. Denn die Dienststellen und Personalvertretungen arbeiten unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den in den Dienststellen vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohle der Dienstkräfte und zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zusammen (§ 2 Abs. 1 PersVG). Zudem hat der Personalrat auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder oder der Mehrheit einer Gruppe je einem Beauftragten der unter den Mitgliedern des Personalrats vertretenen Gewerkschaften zu seinen Sitzungen einzuladen (§ 31 Abs. 2 Satz 2 PersVG), mögen sich diese Gewerkschaftsbeauftragten auch von einer etwaigen späteren Beschlussfassung fernhalten müssen (§ 31 Abs. 2 Satz 3 PersVG). Unter diesen Umständen geht der Vorhalt des Beklagten, die vom Kläger verfolgte Wahl in den Personalrat bzw. seine etwaige spätere Mitarbeit in der Personalvertretung kämen nicht seiner (Mitglieds-)Gewerkschaft zu Gute und zielten an erster Stelle darauf, seinen Wunsch, weiterhin ein Ehrenamt ausüben zu können, zu verwirklichen, ins Leere. Die Mitwirkung in der Personalvertretung lässt sich im Übrigen nicht von einer ehrenamtlichen Betätigung trennen; denn die Mitglieder des Personalrats führen kraft Gesetzes ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt (§ 42 Abs. 1 PersVG).

Auch § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG schließt es nicht aus, denjenigen Werbeaufwand, den der Kläger getrieben hat, um die Chancen seiner Wahl in den Personalrat seiner Dienststelle, des Finanzamtes L....., zu steigern, als Werbungskosten bei seiner Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit anzuerkennen. Hiernach dürfen Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Eine nennenswerte (Mit-)Befriedigung privater Interessen steht bei der Beschaffung für sich genommen geringwertiger Artikel mit dem Werbeaufdruck für die Deutsche Steuer-Gewerkschaft, auf deren Liste der Kläger zu kandidieren beabsichtigte, nicht in Rede.

Das Anliegen des Klägers, seinen Werbeaufwand als Werbungskosten berücksichtigen lassen zu können, scheitert schließlich nicht daran, dass Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht als Werbungskosten zählen dürfen (§ 9 Abs. 5 EStG). Denn die über § 9 Abs. 5 EStG in Bezug genommene Regelung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt ihrerseits nicht zum Tragen, wenn nicht die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 Euro übersteigen. Der Wert der Werbegeschenke, die der Kläger einzelnen potentiellen Wählern zukommen ließ, erreichte diesen Betrag erkennbar bei weitem nicht.

Die Kostentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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