Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 11.06.2007
Aktenzeichen: 7 V 7060/07
Rechtsgebiete: AO 1977, BRRG


Vorschriften:

AO 1977 § 30
AO 1977 § 386 Abs. 1
BRRG § 125c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

7 V 7060/07

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 114 Finanzgerichtsordnung -FGO-) -Wahrung des Steuergeheimnisses im Sinne von § 30 AO

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -7. Senat -

am 11. Juni 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht XXXXX

die Richterin am Finanzgericht XXXXX

den Richter am Verwaltungsgericht XXXXX

beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung einer erstinstanzlichen Entscheidung in einer noch zu erhebenden Hauptsacheklage untersagt, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin Mitteilung über die im Strafverfahren XXXXX gewonnenen Erkenntnisse zu machen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin ist Beamtin der Finanzverwaltung.

Neben ihrer dienstlichen Tätigkeit übte sie eine freiberufliche Tätigkeit als Dozentin aus, durch die sie seit 1997 von verschiedenen Auftraggebern Honorare erzielte, die zu Einnahmen und Einkünften aus selbstständiger Arbeit in 2001 in Höhe von XXXXX DM bzw. XXXXX DM , in 2002 in Höhe von XXXXX EUR bzw. XXXXX EUR, in 2003 in Höhe von XXXXX EUR bzw. XXXXX EUR und in 2004 in Höhe von XXXXX EUR bzw. XXXXX EUR führten. Von diesen Einnahmen hatte die Antragstellerin in ihren Einkommensteuererklärungen zunächst nur XXXXX DM in 2001, XXXXX EUR in 2002, XXXXX EUR in 2003 und XXXXX EUR in 2004 erklärt. Die Einkommensteuerveranlagungen 1997 bis 2003 wurden - offenbar erklärungsgemäß - durchgeführt. Die Einkommensteuererklärung 2004 ging am 26.06.2006 beim Antragsgegner ein und wurde zunächst noch nicht veranlagt.

Vorliegende Kontrollmitteilungen (die jedoch nur einen Bruchteil der erklärten Einnahmen auswiesen) gaben dem für die Antragstellerin zuständigen Finanzamt L Anlass, zu den Nebeneinkünften Anfragen an die Antragstellerin zu richten. Daraufhin erklärte diese am 02.07. und 12.08.2006 die bisher noch nicht erklärten Nebeneinkünfte der Jahre 1997 bis 2004 nach. Das Finanzamt L erließ in der Folge geänderte Einkommensteuerbescheide, für die Jahre 2001 bis 2004 am 14.09.2006. Die darin enthaltenen Abrechnungen wiesen nur für die Jahre 2001 und 2002 Nachzahlungen aus, im Übrigen Guthaben. Am 13.09.2006 leitete das Finanzamt L das Strafverfahren wegen Einkommensteuer 1997 bis 2004 ein und gab den Vorgang an den Antragsgegner ab. Dieser stellte am 29.09.2006 das Strafverfahren wegen der Jahre 1997 bis 2000 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung - StPO - wegen eingetretener Strafverfolgungsverjährung ein. Für die Jahre 2001, 2003 und 2004 stellte er das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 371 Abgabenordnung - AO - ein, da zu diesem Zeitpunkt auch die Einkommensteuer 2001 getilgt war. Mit Verfügung vom 09.10.2006 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin die Einleitung des Strafverfahrens mit und gab ihr auf, die noch offene Einkommensteuer 2002 bis zum 18.10.2006 zu tilgen. Ferner kündigte er an, dem Dienstvorgesetzten der Antragstellerin Mitteilungen über ihre Verfehlungen zu machen.

Die Einkommensteuer 2002 wurde fristgerecht gezahlt, worauf der Antragsgegner am 21.12.2006 das Strafverfahren einstellte.

Gegen die beabsichtigte Mitteilung an den Dienstvorgesetzten erhob die Antragstellerin am 11.12.2006 gegenüber dem Antragsgegner Einwendungen, die dieser unter Hinweis auf Textziffer - Tz. - 8.6 des Anwendungserlasses zu § 30 AO zurückwies, da die Antragstellerin zum Teil Steuerverkürzungen von mehr als 2.500,00 EUR pro Jahr bewirkt habe.

Daraufhin hat die Antragstellerin am 26.02.2007 bei Gericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie macht geltend, es habe allenfalls für das Jahr 2002 Anlass bestanden ein Strafverfahren einzuleiten. Für dieses Jahr sei der Betrag von 2.500,00 EUR verkürzter Steuer nur geringfügig überschritten worden. Dieser Betrag sei unangemessen niedrig. Der Erlassgeber unterscheide auch zu Unrecht nicht danach, ob die Steuerverkürzung durch eine Selbstanzeige oder auf anderem Wege aufgedeckt worden sei. Ferner sei der Betrag, der bereits seit Jahren in ähnlicher Größenordnung verfügt worden sei, der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung anzupassen. Die Auffassung des Antragsgegners führe dazu, dass Beamte faktisch von der Möglichkeit eine strafbefreiende Selbstanzeige zu erstatten ausgeschlossen würden.

Die Antragstellerin beantragt,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, es zu unterlassen, den Dienstvorgesetzten der Antragstellerin über nacherklärte Steuern zu informieren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die beabsichtigte Mitteilung an den Dienstvorgesetzten durch § 125c Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG - in Verbindung mit § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO gerechtfertigt sei. Es bestehe ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung. Dieses öffentliche Interesse sei zu bejahen, wenn die verkürzte Steuer 2.500,00 EUR oder mehr pro Veranlagungszeitraum betrage (Tz. 8.6 des Anwendungserlasses zu § 30 AO). Daher übe er sein Ermessen ordnungsgemäß aus, weil die verkürzte Steuer für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2004 den Betrag von 2.500,00 EUR überstiegen und die Antragstellerin als Beamtin in der Finanzverwaltung tätig sei. Gerade für in der Finanzverwaltung tätige Beamte, deren Aufgabe es sei, die Steuerehrlichkeit zu überprüfen und die fiskalischen Belange des Staates zu wahren, bestehe Anlass zu einer disziplinarischen Überprüfung. Dies gelte ungeachtet der vorliegenden Selbstanzeigen. Zwar habe die Antragstellerin dadurch ein gewisses Maß an Rechtstreue zum Ausdruck gebracht, jedoch ändere das nichts an der zuvor gegenüber dem Fiskus bereits eingetretenen Rechtsbeeinträchtigung. Sie lasse ein vorwerfbares Dienstvergehen nicht entfallen, sondern könne allenfalls im Rahmen eines Disziplinarverfahrens als Minderungsgrund herangezogen werden.

Dem Gericht hat die vom Antragsgegner für die Antragstellerin unter dem Geschäftszeichen XXXXX geführte Strafakte vorgelegen.

II. Der Antrag ist zulässig.

Der Finanzrechtsweg ist gemäß § 33 FGO eröffnet.

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Der Begriff der Abgabenangelegenheiten wird in § 33 Abs. 2 FGO weitergehend dahingehend definiert, dass es sich um alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten handelt. Ermittlungsmaßnahmen bei Verdacht von Steuerstraftaten obliegen nach § 386 Abs. 1 AO grundsätzlich den Finanzbehörden, sofern sie nicht die Sache an die Staatsanwaltschaft abgeben ( § 368 Abs. 4 AO). Im Rahmen der Bearbeitung der Strafsachen hat die jeweils zuständige Finanzbehörde auch § 125c BRRG zu beachten, wonach die Strafverfolgungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen Mitteilungen an die Dienstvorgesetzten von Beamten machen müssen oder dürfen. Daher sind die hier streitbefangenen Mitteilungen Teil der über § 386 Abs. 1 AO dem Antragsgegner zugewiesenen Abgabenangelegenheiten und keine Beamtenrechtsstreitigkeit im Sinne des § 126 Abs. 1 BRRG. Hinzu kommt, dass die Pflicht zur Wahrung des Steuergeheimnisses in erster Linie den Finanzbehörden obliegt, um den Steuerpflichtigen vor einer unbefugten Offenbarung seiner Verhältnisse zu schützen, die er im Besteuerungsverfahren offen legen muss und die sich aus diesem Verfahren ergeben.

Auch § 33 Abs. 3 FGO steht der Zuständigkeit des Finanzgerichts nicht entgegen. Zwar finden danach die Vorschriften der FGO auf das Straf-und Bußgeldverfahren keine Anwendung, jedoch ist im Streitfall das Strafverfahren bereits abgeschlossen, und die streitbefangenen Mitteilungen stehen nicht in einem funktionalen Verhältnis zum Zweck des Strafverfahrens, nämlich strafrechtlich relevante Sachverhalte aufzuklären und gegebenenfalls zu ahnden (vergleiche Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.1996 3 V 37/96, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1997, 519).

Der Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 114 FGO ist das statthafte Verfahren. Insbesondere kommt nicht der nach § 114 Abs. 5 FGO grundsätzlich vorrangige Rechtsschutz in Form des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 FGO in Betracht. Bei den hier streitigen Mitteilungen handelt es sich um Realakte, gegen die sich die Antragstellerin im Hauptverfahren im Wege der sonstigen Leistungsklage (§ 40 Abs. 2 FGO) in Gestalt einer vorbeugenden Unterlassungsklage wehren kann (vergleiche z.B. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 16.10.1986 V B 3/86, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 1987, 30). Eine solche Hauptsacheklage hat die Antragstellerin bisher zwar nicht erhoben, jedoch ist dies auch nicht erforderlich (vergleiche Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage, § 114 Rz. 82).

Der Antrag ist begründet.

Denn es besteht die Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt werden könnte ( § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Streitfall ist dies das Recht der Antragstellerin auf Wahrung des Steuergeheimnisses ( § 30 Abs. 1 AO).

Es besteht ein Anordnungsgrund, weil durch die vom Antragsgegner ursprünglich für Anfang März 2007 vorgesehene Mitteilung an den Dienstvorgesetzten das Recht der Antragstellerin auf Wahrung ihres Steuergeheimnisses endgültig und unheilbar verletzt würde (vergleiche Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage, § 114 FGO, Rz. 43).

Es besteht auch ein Anordnungsanspruch, weil eine ernst zu nehmende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Antragsgegner zur Offenbarung der in dem bei ihm anhängig gewesenen Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse nicht befugt ist. Entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung lässt sich die Befugnis zur Offenbarung der streitbefangenen Vorgänge nicht aus § 125c BRRG ableiten.

Nach § 125c Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BRRG sollen Verfahrenseinstellungen an den Dienstvorgesetzten übermittelt werden, wenn die Kenntnis der Daten aufgrund der Umstände des Einzelfalls erforderlich ist, um zu prüfen ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind. Da § 125c BRRG als Eingriffsnorm tendenziell eng auszulegen ist, kann es sich nur um Einstellungen von Verfahren handeln, für deren Einleitung gemäß § 152 StPO hinreichender Anlass bestand, das heißt, es muss sich auch um verfolgbare Straftaten handeln (Schoreit in Karlsruher Kommentar zur StPO, § 152 Rz. 27).

Davon ausgehend hat das Finanzamt L zu Unrecht für die Jahre 1997 bis 2000 das Strafverfahren eingeleitet, weil insoweit Strafverfolgungsverjährung eingetreten war. Ferner dürfte die Antragstellerin hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2004 gemäß § 24 Strafgesetzbuch - StGB - strafbefreiend vom Versuch der Steuerhinterziehung zurückgetreten sein. Jedenfalls waren im Zeitpunkt der Einleitung aufgrund des ein Guthaben ausweisenden Bescheids für 2004 ebenso wie für das Jahr 2003 in Verbindung mit der strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO die Voraussetzungen für eine Einleitung des Strafverfahrens entfallen. Lediglich für die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 konnte im Hinblick auf die seinerzeit noch nicht erfolgten Tilgungen Anlass zur Einleitung des Strafverfahrens bestehen.

Gleichwohl erscheint insoweit ungeachtet der Vorschrift des § 125c Abs. 6 Satz 1 BRRG die Mitteilung an den Dienstvorgesetzten nicht als gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift sind Übermittlungen nach § 125c Abs. 1 bis 3 BRRG auch zulässig, wenn sie dem Steuergeheimnis unterliegen. Bei der nach § 125c Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BRRG vorzunehmenden Prüfung, ob die Kenntnis des Dienstvorgesetzten für disziplinarische Zwecke erforderlich ist, muss jedoch berücksichtigt werden, inwieweit dieser die Erkenntnisse noch im Rahmen eines Disziplinarverfahrens verwerten kann. Insoweit ist von Bedeutung, dass die Steuerverkürzung hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 am 01.11.2002 bzw. 03.12.2003 vollendet wurde, so dass ein Dienstvergehen nach § 15 Abs. 1 und 2 Bundesdisziplinargesetz - BDG - (zur Anwendbarkeit s. § 85 BDG) nur noch verfolgbar wäre, wenn auf Zurückstufung oder Entfernung aus dem Dienst im Disziplinarverfahren erkannt werden könnte. Angesichts eines steuerlichen Schadens von 4.283,00 EUR und der in der Selbstanzeige der Antragstellerin zum Ausdruck kommen den Reue und Kooperationsbereitschaft, erscheint dies jedoch ausgeschlossen. So hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - OVG NW - bei einer Konzernbetriebsprüferin der Steuerverwaltung, die über mehrere Jahre hinweg Steuern in Höhe von rund 45.000,00 DM hinterzogen hatte, unter Berücksichtigung einer Selbstanzeige nach § 371 AO eine Degradierung um eine Besoldungsstufe für angemessen gehalten (OVG NW, Urteil vom 13.11.2002 15d A 4131/01.O, juris). Ferner hat es die Degradierung eines steuerlichen Außenprüfers um zwei Besoldungsstufen für angemessen gehalten, der bei strafbefreiender Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO Steuern in einer Gesamthöhe von 134.402,00 DM hinterzogen hatte (OVG NW, Beschluss vom 25.09.2002, 12d A 3598/00.O, juris).

Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens mehrere gleichartige Pflichtverletzungen, auch soweit sie sich über Jahre erstrecken, als einheitliches Dienstvergehen gelten, für die die Disziplinarmaßnahmeverbote gemäß § 15 BDG erst mit Vollendung der zeitlich letzten Pflichtverletzung beginnen (vergleiche Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteile vom 28.04.1981 1 D 7/80, Sammlung der Entscheidungen des BVerwG - BVerwGE - 73, 166; vom 08.09.1988 1 D 70/87, Recht im Amt - RiA - 1989, 133; vom 23.02.2005 1 D 1/04, Zeitschrift für Beamtenrecht - ZBR - 2005, 315). Zwar dürfte im Hinblick auf die weiteren von der Antragstellerin unvollständig erklärten Einkünfte eine disziplinarische Ahndung der Steuerverkürzung betreffend die Veranlagungszeiträume 2001 und 2002 weiterhin möglich sein. Aber dazu müsste der Dienstherr der Antragstellerin auf die für die Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 verwirklichten bzw. versuchten Steuerverkürzungen zurückgreifen, worüber der Antragsgegner - wie dargelegt - jedoch nicht nach § 125c Abs. 3 BRRG Mitteilungen machen darf.

Die beabsichtigte Offenbarung ist auch nicht nach § 125c Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 6 BRRG in Verbindung mit § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zulässig. Nach diesen Vorschriften dürfen sonstige Tatsachen, die in einem Strafverfahren bekannt werden, mitgeteilt werden, wenn ihre Kenntnis aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Beamten erforderlich ist und soweit nicht für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass schutzwürdige Interessen des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. Dies gilt jedoch nur, soweit für die Offenbarung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht.

Die Vorschriften des § 125c Abs. 4 BRRG und des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO räumen der Finanzbehörde ein Ermessen für die Offenbarung von Tatsachen an den Dienstvorgesetzten ein, die ansonsten dem Steuergeheimnis unterliegen. Das Gericht ist daher nur befugt, im Rahmen der Prüfung nach § 102 FGO die Ordnungsmäßigkeit der Ermessensausübung zu überprüfen.

Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - besteht ein öffentliches Interesse an der Offenbarung von Steuerverfehlungen eines Beamten, wenn die verkürzte Steuer 5.000,00 DM (bzw. ab dem 01.01.2002: 2.500,00 EUR) oder mehr pro Veranlagungszeitraum beträgt (Tz. 8.6 Satz 4 des Anwendungserlasses zu § 30 AO, zuvor BMF- Schreiben vom 10.05.2000, BStBl. I 2000, 494). Angesichts des durch § 125c Abs. 4 BRRG und § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO eingeräumten Ermessens stellen sich die Verwaltungsanweisungen des BMF als Ermessensleitlinien dar.

Dabei ist zu würdigen, dass der Antragsgegner mit seiner Antragserwiderung zu erkennen gegeben hat, dass er sich nicht allein an den durch den Anwendungserlass vorgegebenen Betragsgrenzen für seine Entscheidung über die Offenbarung orientiert hat. Vielmehr hat er darüber hinaus darauf abgestellt, dass die Antragstellerin als Mitglied der Finanzverwaltung in besonderer Weise zur Steuerehrlichkeit verpflichtet sei und sich ihre unrichtigen Angaben über insgesamt acht Veranlagungszeiträume erstreckten. Schließlich hat er berücksichtigt, dass die Selbstanzeige als Minderungsgrund im Rahmen des Disziplinarverfahrens herangezogen werden kann. Die gegen die Regelung des Tz. 8.6 Satz 4 des Anwendungserlasses zu § 30 AO erhobenen Einwände, insbesondere sie sei zu weitgehend, zu starr und lasse unberücksichtigt, dass Selbstanzeigen disziplinarrechtlich als Minderungsgrund angesehen würden (z.B. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Auflage 2004, § 371 Rz. 218e; Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 30 Tz. 141; ders., ZBR 2002, 115 [122 f.]; Tormöhlen in Beermann/Gosch, AO, § 30 Rz. 137; Brauns in Festschrift für Kohlmann, Köln 2003, S. 387 [407]), können daher gegen den Antragsgegner nicht erhoben werden.

Gleichwohl tragen die vom Antragsgegner angestellten Erwägungen die von ihm beabsichtigte Maßnahme nicht. Sie lassen keine ausreichend sachgerechte Ausübung des dem Antragsgegner eingeräumten Ermessens erkennen.

Bei der Auslegung des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ist zu berücksichtigen, dass das Steuergeheimnis durch das Grundrecht des Steuerpflichtigen aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz - GG - in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich fundiert ist (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Urteil vom 17.07.1984 2 BvE 11, 15/83, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 67, 100 [142], BStBl. II 1984, 634). Dem steht allerdings gegenüber, dass dem öffentlichen Interesse an der Reinhaltung und Aufrechterhaltung der Vertrauenswürdigkeit der Beamtenschaft ein hoher Rang zuzumessen ist (OVG NW, Beschluss vom 04.05.2000, 12d A 4145/99.O, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht -Rechtsprechungsreport - NVwZ-RR - 2001, 775). Daher erscheint es nicht gerechtfertigt, einem der beiden Rechtsgüter den absoluten Vorrang einzuräumen. Vielmehr sind sie im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Dazu erscheint es im Rahmen des § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO als sachgerecht darauf abzustellen, ob die Vorgänge, deren disziplinare Überprüfung in Rede steht, ihrer Art nach oder aus Gründen des Einzelfalles von erheblichem disziplinarem Gewicht sind. Dieses Gewicht muss eine nähere dienstrechtliche Prüfung unabhängig von der Herkunft der zugrunde liegenden Informationen grundsätzlich unabweisbar erscheinen lassen. Dazu muss die mitteilende Stelle in einer Art Schlüssigkeitsprüfung bewerten, ob die ihr vorliegenden, an sich dem Steuergeheimnis unterliegenden Informationen generell geeignet sind, eine im förmlichen Verfahren zu verhängende Disziplinarmaßnahme von Gewicht zu tragen. Dabei ist insbesondere an eine reinigenden Maßnahme wie die Entfernung aus dem Dienst oder zumindest eine Degradierung zu denken (OVG NW in NVwZ-RR 2001, 775 ; Urteil vom 20.05.2006 21d A 3905/05.O, ZBR 2006, 420; Drüen, ZBR 2002, 115 [123]). Eine Kürzung der Dienstbezüge sieht das Gericht nicht als ausreichend an. In diesem Sinne versteht es auch die vorstehend zitierten Entscheidungen des OVG NW. Derartige detaillierte Überlegungen zu möglichen disziplinarrechtlichen Folgen hat der Antragsgegner nach Aktenlage nicht angestellt. Daher erscheint die beabsichtigte Mitteilung der Erkenntnisse aus dem Steuerstrafverfahren nach Aktenlage als ermessenswidrig, da sie auf einer unvollständigen Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts beruht. Der Antragsgegner kann sich in diesem Zusammenhang nicht auf den bei ihm fehlenden Sachverstand berufen. Die Senatsverwaltung für Finanzen leitet fortlaufend Disziplinarverfahren für die in ihrem Verantwortungsbereich tätigen Beamten ein und ist daher mit der einschlägigen Rechtsprechung der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts bzw. des Disziplinarsenats des Oberverwaltungsgerichts vertraut. Ggf. muss der Antragsgegner bei der Senatsverwaltung eine Stellungnahme über die zu erwartenden Disziplinarmaßnahmen einholen.

Jedenfalls erscheint zweifelhaft, dass ein gegen die Antragstellerin eingeleitetes Disziplinarverfahren zu einer Zurückstufung im Sinne des § 9 BDG oder gar zu einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis gemäß § 10 BDG führen würde. Die insoweit nur eingeschränkt mögliche Prüfung ist als Wesenszug des summarischen Verfahrens nach § 114 FGO hinzunehmen.

Dementsprechend kann das Gericht anhand der vorliegenden Akten nicht genau ermitteln, wie hoch die hinterzogenen Steuern waren. Die hinterzogene Einkommensteuer 2001 bis 2003 belief sich auf 5.895,00 EUR. Für 2004 ist die Antragstellerin vom Versuch der Steuerhinterziehung in Höhe von 2.710,00 EUR zurückgetreten. Für die Vorjahre schätzt das Gericht, dass sich die Einkünfte der Antragstellerin erst allmählich auf das Niveau der nachfolgenden Jahre erhöht haben, so dass auch kein so großes Potential für Steuerhinterziehungen bestand. Für die Zwecke des hiesigen Verfahrens schätzt es den Steuerausfall auf rund 4.000,00 EUR, so dass sich ein gesamter eingetretener steuerlicher Schaden von rund 10.000,00 EUR ergibt. Daneben dürfte der vom Antragsgegner angenommene Versuch der Einkommensteuerhinterziehung 2004 nicht von nennenswertem Gewicht sein, weil die Antragstellerin insoweit strafbefreiend vom Versuch zurückgetreten ist.

Davon ausgehend ist festzustellen, dass sich in der disziplinargerichtlichen Judikatur der letzten Jahre, soweit sie für das Gericht zugänglich ist, kaum ein vergleichbarer Fall findet, in dem die Disziplinargerichte auf eine Zurückstufung oder Entfernung aus dem Dienst erkannt hätten. Sofern die Disziplinargerichte in Fällen der Steuerhinterziehung durch Finanzbeamte, die durch Selbstanzeigen im Sinne des § 371 AO bekannt wurden, auf eine Zurückstufung erkannt haben, lag der steuerliche Schaden in der Regel etwa um das Doppelte oder das Mehrfache über dem von der Antragstellerin verwirklichten Schaden (OVG NW, Urteile vom 27.08.2002 15d A 1836/01.O, juris: 100.000,00 DM; vom 27.08.2002 15d A 2517/01.O, juris: 40.000,00 DM; Beschluss vom 25.09.2002 12d A 3598/00.O, juris: 134.000,00 DM; Urteil vom 13.11.2002 15d A 4131/01.O, juris: 41.000,00 DM; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.04.2005 3 A 12188/04, 3 A 12224/04, ZBR 2005, 430: 154.000,00 DM). Lediglich im Urteil vom 12.11.2001 15d A 5014/99.O, Der Öffentliche Dienst - DÖD - 2002, 258 hat das OVG NW bei einem als Betriebsprüfer tätigen Steueramtmann eine Zurückstufung um eine Gehaltsstufe als angemessen angesehen (kritisch zu dieser Entscheidung Brauns in Festschrift für Kohlmann, Köln 2003, S. 387 [405]). Demgegenüber ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nicht mit der Verwaltung der Einkommensteuer betraut ist, ... . All dies legt nahe, dass sich eine disziplinarische Ahndung auf eine Kürzung der Dienstbezüge gemäß § 8 BDG beschränken würde. Jedenfalls erscheint es zweifelhaft, dass es zu einer einschneidenderen Disziplinarmaßnahme kommen würde. Damit fehlt es an Gründen, die eine Durchbrechung des Steuergeheimnisses als unabweisbar erscheinen lassen.

Das Gericht hat von einer weitergehenden zeitlichen Begrenzung der Anordnungswirkung abgesehen, da dem Antragsgegner das Antragsrecht gemäß § 114 Abs. 3 FGO in Verbindung mit § 926 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO - zusteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Das Gericht hat gemäß § 128 Abs. 3 in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Beschwerde zugelassen. Die hier aufgeworfenen Rechtsfragen sind höchstrichterlich ungeklärt.

Ende der Entscheidung

Zurück