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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 23.03.2009
Aktenzeichen: 7 V 7278/08
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 13 Abs. 1
UStG § 13b Abs. 1
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat -

am 23. März 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ... und

den Richter am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2007 vom 17.03.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2008 wird mit Wirkung vom Fälligkeitstag bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer Entscheidung in dem Verfahren 7 K 7113/08 oder dessen sonstiger Erledigung in Höhe von 213.211,10 EUR ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin wurde am 23. August 2005 als sogenannte Vorratsgesellschaft gegründet. Am 21.10.2005 wurde ihr Gesellschaftszweck auch auf den Ankauf von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und deren wirtschaftliche Verwertung durch Vermietung oder Verkauf erweitert.

Über diesen Geschäftszweck hinausgehend schloss die Antragstellerin am 29.06.2006 mit der A-GmbH - einen Vertrag über Bauleistungen, nämlich über die schlüsselfertige Erstellung eines Supermarktes auf dem Grundstück M zum Preis von 1,3 Millionen EUR sowie über die Modernisierung des Altbaus auf dem Nachbargrundstück N zum Preis von 600.000,- EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Vertragstexte Blatt 45 ff., 62 ff. der Streitakte 7 K 7113/08 Bezug.

Mit der Durchführung der Baumaßnahmen beauftragte die Antragstellerin ihrerseits als Generalunternehmerin jeweils die B-GmbH. Wegen Unstimmigkeiten in der Abwicklung der Bauvorhaben wurden die Generalunternehmerverträge jedoch im Laufe des Jahres 2007 gekündigt. Über das Vermögen der B-GmbH wurde am 29.02.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet (Aktenzeichen ...). In der Folge wurde die C-GmbH mit der Ausführung der Baumaßnahmen beauftragt.

Am 10.07.2006 stellte die B-GmbH der Antragstellerin eine Rechnung über die Planungs- und Baugenehmigungskosten des Objekts M bis N zu einem Netto-Preis von 129.310,35 EUR unter Ausweis von 16 vom Hundert Umsatzsteuer (20.689,66 EUR, zusammen 150.000,01 EUR). Weitere Rechnungen betrafen den Sanierungsvertrag vom 29.06.2006, nämlich die Rechnung vom 15.11.2006 über 25.862,07 EUR zzgl. 4.137,93 EUR Umsatzsteuer, zusammen 30.000,- EUR wegen des Beginns der Fensterfertigung (Bl. 99 Streitakte 7 K 7113/08) , vom 15.11.2006 über 43.103,45 EUR zzgl. 6.896,55 EUR Umsatzsteuer, zusammen 50.000,- EUR wegen Abrissarbeiten an der Fassade (Bl. 101 Streitakte 7 K 7113/08) und vom 19.01.2007 über 33.613,44 EUR zzgl. 6.368,55 EUR Umsatzsteuer, zusammen 39.999,99 EUR u.a. wegen des Abrisses der Fassadenplatten (Bl. 98 R Streitakte 7 K 7113/08).

Nach ihrem Jahresabschluss 2006 erzielte die Antragstellerin in 2006 Umsatzerlöse in Höhe von 522.576,75 EUR, die ausweislich ihrer Umsatzsteuererklärung ausschließlich steuerfrei waren. Es soll sich um Umsätze aus Vermietungen und Grundstücksveräußerungen gehandelt haben. Vorsteuerbeträge und Umsatzsteuerschulden als Leistungsempfängerin im Sinne des § 13 b Umsatzsteuergesetz - UStG - erklärte die Antragstellerin nicht.

Auch im Rahmen der ab Oktober 2007 abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2007 erklärte die Antragstellerin keine Umsatzsteuer im Sinne des § 13 b UStG aus Eingangsleistungen.

Im Januar 2008 führte der Antragsgegner bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuer- Sonderprüfung für das Streitjahr durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die von der B-GmbH und der C-GmbH an die Antragstellerin erbrachten Bauleistungen im Zusammenhang mit den Generalunternehmerverträgen der Abführungspflicht nach § 13 b UStG unterlegen hätten. Denn die Antragstellerin erbringe seit 2006 nachhaltig Bauleistungen.

Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen erließ der Antragsgegner am 17.03.2008 einen Umsatzsteuerbescheid 2007, mit dem er die Umsatzsteuer auf 277.880,92 EUR festsetzte, was zu einer Nachzahlung von 277.956,81 EUR führte. Dabei ging der Antragsgegner von steuerpflichtigen Eingangsleistungen gemäß § 13 b UStG in Höhe von 1.122.163,- EUR aus, was eine Umsatzsteuer in Höhe von 213.211,10 EUR auslöste.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin am 31.03.2008 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

Der Antragsgegner wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25.04.2008 zurück und lehnte mit Verfügung vom gleichen Tag die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ab.

Daraufhin hat die Antragstellerin am 02.05.2008 gegen den Umsatzsteuerbescheid Klage erhoben (zunächst mit einer nicht unterschriebenen Ausfertigung der Klageschrift) und am 09.05.2008 eine unterschriebene Ausfertigung der Klageschrift nachgereicht.

Nach erneuter Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch den Antragsgegner hat die Antragstellerin am 28.10.2008 bei Gericht Aussetzung der Vollziehung beantragt.

Sie macht geltend, vor Ende des Jahres 2007 nicht im Sinne des § 13 b Abs. 2 Satz 2 UStG Bauleistungen erbracht zu haben. Denn erst in diesem Zeitpunkt sei der Neubau des Supermarkts fertig gestellt gewesen. Die Sanierungsmaßnahmen auf dem Nachbargrundstück hätten sich sogar bis ins Jahr 2008 hingezogen. Soweit der Antragsgegner auf die ab dem Jahr 2006 erteilten Abschlagsrechnungen der B-GmbH abstelle, setzte er sich in Widerspruch zu den für ihn geltenden Verwaltungsanweisungen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2007 vom 17.03.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.04.2008 in Höhe von 213.211,10 EUR auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hält den Antrag für unbegründet. Die Antragstellerin habe die empfangenen Bauleistungen sogleich an ihre Vertragspartnerin, die A-GmbH, weitergeleitet. Da die Antragstellerin in 2006 jedenfalls eine Bauleistung zum Nettowert von 129.310,35 EUR empfangen habe, habe sie mehr als 10 vom Hundert ihrer Umsätze als Bauleistungen erbracht. Es komme nicht darauf an, wann im umsatzsteuerlichen Sinne eine Bauleistung erbracht sei. Überdies sei über die Rechnung von 129.310,35 EUR hinaus auch ein Eingang weiterer Rechnungen in Höhe von rund 150.000,- EUR brutto im Hinblick auf bauvorbereitende Aufwendungen sowie im Hinblick auf die Fertigstellung von Fenstern sowie den Abriss und die Entsorgung auf dem Grundstück N festzustellen, die als Bauleistungen der Antragstellerin gegenüber der A-GmbH anzusehen seien.

Dem Gericht haben die Streitakte des Verfahrens ... sowie je eine Umsatzsteuer-, Rechtsbehelfs-, Umsatzsteuer-Sonderprüfungs- und Bilanzakte vorgelegen, die vom Antragsgegner für die Antragstellerin unter der Steuernummer ... geführt werden.

II. Der Antrag ist begründet.

Es bestehen im Sinne des § 69 Abs. 2 und 3 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen, gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. z.B. BFH, Beschluss vom 07.09.2007 V B 97/07, BFH/NV 2008, 120 m.w.N.). Ernstliche Zweifel bestehen danach unter anderem dann, wenn zu der streitigen Rechtsfrage weder eine höchstrichterliche noch eine einheitliche finanzgerichtliche Rechtsprechung vorliegen und die Rechtsfrage auch nicht ohne weiteres anhand des Gesetzestextes beantwortet werden kann. So liegen die Verhältnisse im Streitfall.

Nach § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG entsteht die Steuer mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats für Werklieferungen und sonstige Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen. Schuldner der so beschriebenen Umsatzsteuer ist der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer ist, der Leistungen im Sinne des § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG erbringt.

Nach dem Wortlaut dieser Regelung spräche viel dafür, dass die Antragstellerin der Abführungspflicht unterliegt. Denn sowohl die Erstellung eines Bauwerks als auch die Sanierung eines bestehenden Objekts stellen dem Grunde nach gemäß § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG abführungspflichtige Leistungen dar. Diese Auslegung würde auch mit Sinn und Zweck des § 13 b UStG, der Sicherstellung der Besteuerung (vergleiche Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 b Rz. 2 f.), im Einklang stehen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass ein praktisches Bedürfnis dafür besteht, dass die Beteiligten eines Umsatzverhältnisses verlässlich beurteilen können, ob eine Abführungspflicht besteht. Anderenfalls können Fehleinschätzungen zu erheblichen Vermögenseinbußen führen, z.B. dann, wenn - wie im Streitfall - die Finanzbehörde im Nachhinein die Abführungspflicht durchsetzen will und der Rückführung der vom Leistungsempfänger an den Leistenden gezahlten Umsatzsteuerbeträge die Insolvenz des Leistenden entgegensteht.

Offenbar aus diesem Grunde stellt die Finanzverwaltung darauf ab, welche Umsätze der Leistungsempfänger vor Empfang der an ihn ausgeführten Bauleistungen selbst erbracht hat. Nach Abschnitt 182 a Abs. 11 Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 2008 erbringt ein Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen, wenn er im vorangegangenen Kalenderjahr Bauleistungen erbracht hat, deren Bemessungsgrundlage mehr als 10 vom Hundert der Summe seiner steuerbaren Umsätze betragen hat. Unternehmer, die Bauleistungen unterhalb dieser Grenze erbringen, sind danach grundsätzlich keine bauleistenden Unternehmer im Sinne des § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG. Dementsprechend heißt es auch in Abschnitt 182 a Abs. 10 Satz 3 UStR 2008, dass ein Unternehmer, der im Zeitpunkt der an ihn ausgeführten Bauleistungen nicht nachhaltig Bauleistungen erbracht hat, nicht als Leistungsempfänger Steuerschuldner sei, selbst wenn er im weiteren Verlauf des Kalenderjahres derartige Umsätze erbringe. Lediglich für sogenannten Arbeitsgemeinschaften (ARGE) soll die Abführungspflicht auch für den Zeitraum gelten, in dem sie noch keinen Umsatz erbracht haben (Abschnitt 182 a Abs. 15 Satz 2 UStR 2008). An dieser Verwaltungsauffassung lässt zwar Stadie (in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 b Rz. 214) Kritik anklingen. Im Übrigen wird die Verwaltungsauffassung in der Kommentar-Literatur jedoch unkritisch wiedergegeben, sofern auf diesen Punkt überhaupt eingegangen wird.

Unklar bleibt dabei, ob nach den Umsatzsteuer-Richtlinien für das Erbringen der Bauleistungen durch den Leistungsempfänger auf die Entstehung der Umsatzsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG durch das Ausführen der Bauleistung abzustellen ist. Dies ist bei Generalunternehmerleistungen wie im Streitfall regelmäßig erst mit Abnahme (und ggf. Übergabe) des Werks gegeben (vergleiche Abschnitt 178 Satz 2 UStR 2008). Im Streitfall wäre dies Ende 2007 bis Anfang 2008. Die in Abschnitt 182 a Abs. 15 als Ausnahmeregelung formulierte Verwaltungsauffassung zu Arbeitsgemeinschaften spricht dafür, dass auch die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass die Abführungspflicht ansonsten erst ab der Leistungsausführung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a UStG beginnt. Demgegenüber erscheint zwar auch denkbar, auf einen "faktischen" Zeitpunkt der Ausführung einer Bauleistung abzustellen. Zwingend erscheint dies jedoch nicht. Jedenfalls ist nicht feststellbar, dass eine einheilige Rechtsauffassung, geschweige denn eine gefestigte Rechtsprechung dahingehend besteht, dass es für das "erbracht haben" von Bauleistungen im Sinne des Abschnitts 182 a Abs. 10 Satz 3 UStR 2008 auf einen von § 13 Abs. 1 Nr. 1 a UStG abweichenden Begriff der Leistungserbringung ankommt.

Schließlich wäre auch auf der Grundlage eines faktischen Bauleistungsbegriffs zweifelhaft, ob die Antragstellerin die 10-vom-Hundert-Grenze gemäß Abschnitt 182 a Abs. 11 UStR 2008 überschritten hätte. Die Antragstellerin hat in 2006 unzweifelhaft steuerbare, jedoch steuerfreie, nicht als Bauleistungen zu charakterisierende Umsätze in Höhe von 522.577,- EUR erbracht. Diesen können die in den Rechnungen vom 10.07.2006 erwähnten Abschlagszahlungen wegen Planung und Baugenehmigung , die am 15.11.2006 in Rechung gestellten Abschlagszahlungen wegen Beginns der Fensterfertigung und die am 19.01.2007 in Rechnung gestellten Abschlagszahlungen für Abrissarbeiten und Kellerentrümpelung nicht entgegen gesetzt werden. Lediglich die Rechnung vom 15.11.2006 über 50.000,- EUR brutto (= 43.103,45 EUR netto) wegen Abrissarbeiten an der Fassade weisen auf eine faktische Durchführung von Bauleistungen hin. Planungs- und Baugenehmigungsleistungen sind nach § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG keine abführungspflichtigen Leistungen. Dies kann sich zwar bei einheitlichen Leistungen als Teil eines Gesamtpakets anders darstellen, jedoch muss dann konsequenterweise auch auf den Vollendungszeitpunkt dieser Gesamtleistung abgestellt werden. Auch der Beginn der Fensterfertigung ist bei einem rein faktischen Leistungsbegriff nicht geeignet, einen Anknüpfungspunkt für die Abführungspflicht darzustellen, weil auch bei rein faktischen Kriterien eine Leistungserbringung ohne Anlieferung und Einbau der Fenster nicht denkbar erscheint. Hinsichtlich der am 19.01.2007 erbrachten Leistungen ist zudem unklar, wann genau die dort erwähnten Arbeiten durchgeführt worden sind. Die erwähnte Kellerentrümpelung würde für sich genommen ohnehin keine Bauleistung darstellen.

Die weitergehende Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen bleibt nach Sinn und Zweck des § 69 Abs. 2 und 3 FGO dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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