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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 10.06.2008
Aktenzeichen: 7 V 7342/07
Rechtsgebiete: FGO, UStG, GewO


Vorschriften:

FGO § 69
UStG § 10
GewO § 107 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

7 V 7342/07

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) - Umsatzsteuer 2003 und Zinsen

In dem Verfahren

...

zur Umsatzsteuer 2003 sowie Säumniszuschläge zur Umsatzsteuer 2003

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 7. Senat -

am 10. Juni 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ... und

den Richter am Finanzgericht ...

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller betreibt seit Beginn der 90-er Jahre ein Einzelunternehmen, das er in seinen Gewinnermittlungen und Steuererklärungen als "Pachttoiletten" bezeichnet.

Dem Gericht liegen in der Handakte der Umsatzsteuersonderprüferin 3 Verträge mit Kaufhausbetrieben aus den Jahren 1996 und 1998 vor, nach denen der Antragsteller die fortwährende Reinigung der Kundentoiletten während der Öffnungszeiten der Kaufhäuser übernimmt. Der Antragsteller hatte nach diesen Verträgen für die Personalkosten und die erforderlichen Reinigungs- und Verbrauchsmaterialien (mit Ausnahme von Wasser und Strom) aufzukommen. Andererseits war es seinem Personal gestattet, die von den Kunden gegebenen "Trinkgelder" entgegenzunehmen, ohne dass der Antragsteller berechtigt gewesen wäre, die Benutzung der Toiletten von einem zwingend zu zahlenden Entgelt abhängig zu machen oder ausdrücklich auf eine Zahlung von freiwilligen Beiträgen hinzuwirken. Einer der Verträge ist als "Pachtvertrag" überschrieben, ohne dass dem Antragsteller die vollständige Verfügungsmacht über die Toilettenanlagen übertragen worden wäre. Gleiches gilt für einen weiteren "Pflege- und Wartungsvertrag", in dem von pachtfreier Verpachtung die Rede ist. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Bl.43 - 50 d. Handakte der Umsatzsteuersonderprüferin Bezug.

Nach Angaben der Beteiligten waren die Rechtsbeziehungen an den übrigen im Streitjahr betreuten Standorten (typischerweise Einkaufszentren oder Kaufhäuser), verteilt über das Bundesgebiet in 16 Gemeinden, in gleicher Weise ausgestaltet. D.h., die Arbeitnehmer des Antragstellers stellten Teller oder andere Behältnisse bereit, auf bzw. in denen die Kunden, ohne dazu rechtlich verpflichtet oder verbal dazu aufgefordert worden zu sein, ihre Geldbeträge ablegten. Diese Geldbeträge - im Folgenden "Toilettengroschen" genannt - wurden dem Antragsteller abgeliefert, der daraus wiederum seine Aufwendungen, insbesondere Personalkosten, Reinigungsmittel, Verbrauchsmaterialien und Gemeinkosten bestritt. Lediglich in einigen Einrichtungen beteiligte sich der Vertragspartner des Antragstellers mit vergleichsweise geringfügigen Beträgen an den Aufwendungen.

In den Jahren 1995 - 1998 wirkte der Antragsteller gegenüber dem seinerzeit zuständigen Finanzamt M darauf hin, dass die Umsatzsteuer für die Jahre 1991 - 1995 auf 0,- DM festgesetzt wurde, da die vereinnahmten Gelder nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 03.03.1994 C-16/93 - Tolsma, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1994, 357, nicht steuerbar seien. Das Finanzamt folgte diesem Begehren und löschte danach zunächst das Umsatzsteuer-Signal.

Im Streitjahr erfasste der Antragsteller in seiner Buchführung Umsatzerlöse in Höhe von ... Euro. Davon entfielen ... Euro auf die oben erwähnten Kostenbeteiligungen. Diese Kostenbeteiligungen wurden vom Antragsteller der Umsatzsteuer unterworfen und in der am 28.09.2005 eingereichten, als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung wirkenden Umsatzsteuererklärung 2003 erklärt. Die übrigen Erlöse (... Euro) behandelte der Antragsteller als nicht steuerbar. Der Aufwand für Gehälter betrug im Streitjahr ... Euro. Der Jahresüberschuss betrug ... Euro. Auch alle übrigen (seit 1995) vorliegenden Gewinnermittlungen weisen Gewinne aus.

Anfang 2006 führte das Finanzamt M beim Antragsteller eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, dass sämtliche vom Antragsteller erzielten Erlöse der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Das EuGH-Urteil vom 03.03.1994 C-16/93 - Tolsma, HFR 1994, 357, sei im Streitfall nicht einschlägig. Denn bei der gezielten Inanspruchnahme der Toiletten durch den Kunden stelle die damit im Zusammenhang stehende freiwillige Vergütung keine aus privaten Motiven erfolgte Schenkung, sondern ein freiwilliges Entgelt für die entgegengenommene Dienstleistung dar. Ferner stellte die Prüferin erhebliche Mängel in der Kassenführung fest. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf Tz. 15 des Berichts über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 14.03.2006 Bezug. Eine Hinzuschätzung sollte jedoch einer (umfassenden) Außenprüfung überlassen bleiben.

Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen erließ der Antragsgegner am 15.05.2006 einen Umsatzsteuerbescheid 2003, mit dem die Umsatzsteuer auf ... Euro festgesetzt wurde (ausgehend von Umsätzen in Höhe von ... Euro und der bereits erklärten Vorsteuer von ... Euro).

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 14.06.2006 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Dem Aussetzungsantrag gab das Finanzamt am 01.08.2006 in Höhe von ... Euro im Hinblick auf weitere zu berücksichtigende Vorsteuer statt und lehnte ihn im Übrigen ab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.09.2007 setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer auf ... Euro herab, so dass ein Rückstand von ... Euro offenblieb. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner weitere Vorsteuer in Höhe von ... Euro. Im Übrigen hielt er an seiner Rechtsauffassung fest.

Daraufhin hat der Antragsteller am 01.10.2007 Klage erhoben, die bei dem beschließenden Senat unter dem Aktenzeichen 7 K 7339/07 anhängig ist, und am 02.10.2007 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt.

Der Antragsteller macht geltend, er erziele, von den erklärten Umsätzen abgesehen, keine steuerbaren Umsätze. Nach dem EuGH-Urteil vom 03.03.1994 C-16/93 - Tolsma, HFR 1994, 357, seien die weiteren erzielten Einnahmen aus Toilettengroschen nicht steuerbar. Denn es handele sich nicht um umsatzsteuerlich relevante Gegenleistungen in einem Leistungsaustauschverhältnis. Er sei kein Pächter der Toiletten, sondern erbringe Reinigungsleistungen gegenüber dem Betreiber der Toilettenanlagen. Zwischen ihm und den Benutzern der Toiletten finde kein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes statt. Denn er habe keinen Einfluss darauf, ob die Benutzer der Toiletten Toilettengroschen geben würden und könne deren Höhe auch im Vorhinein nicht bestimmen. Die Hingabe der Toilettengroschen erfolge rein aus privaten Erwägungen. Er, der Antragsteller, handele nicht um der Gegenleistung willen, sondern weil er gegenüber den Eigentümern/Betreibern der Toiletten verpflichtet sei, diese zu reinigen. Auf das Aufstellen von Tellern und ähnlichen Gefäßen könne nicht abgestellt werden, weil auch Straßenmusikanten solche Behältnisse aufstellen würden, um die Zuhörer zu Zahlungen zu animieren. Jedenfalls sei der Antragsgegner nach Treu und Glauben gehindert, im Streitjahr die Umsätze der Besteuerung zu unterwerfen, da er, der Antragsteller, auf die bisherige Handhabung vertraut habe.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2003 nebst Zinsen vom 15.05.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.09.2007 in Höhe von ... Euro Umsatzsteuer aufzuheben und im Übrigen mit Wirkung vom Fälligkeitstag auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hält den Antrag für unbegründet, da der Antragsteller entweder sonstige Leistungen gegenüber den Toilettennutzern erbringe (durch Zurverfügungstellung der Toiletten) oder gegenüber den Kaufhaus- oder Center-Betreibern (durch Erbringung von Reinigungsleistungen). Im erstgenannten Fall werde das Entgelt unmittelbar vom Leistungsempfänger gezahlt. Es handele sich nicht um umsatzsteuerlich unbeachtliche Beträge. Denn der Antragsteller rechne fest mit den sogenannten "Trinkgeldern", da dies die wirtschaftliche Basis seiner Betätigung sei. Er handele in der erkennbaren Erwartung einer Gegenleistung. Auch wenn er dies nicht offen zum Ausdruck bringen dürfe, mache er diese Erwartungshaltung durch das Aufstellen eines Tellers oder eines sonstigen Gefäßes deutlich. Auch das Vorhandensein von Reinigungspersonal, das sich üblicherweise im Eingangsbereich der Toiletten aufhalte, erzeuge bei dem Nutzer die Verpflichtung, ein Entgelt zu zahlen. Da die Toilettennutzung (in sogenannten "City-Toiletten" oder in Restaurants für Fremde) in der Regel kostenpflichtig sei, gelte dies auch für die Leistungen des Antragstellers. Der vom EuGH entschiedene Fall des Straßenmusikanten sei mit dem Streitfall nicht vergleichbar, da die Passanten um die musikalische Darbietung nicht gebeten hätten. Demgegenüber suchten die Nutzer der Toiletten diese aus freien Stücken und aus eigenem Antrieb auf. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Antragsteller Reinigungsleistungen gegenüber dem Kaufhaus bzw. Centerbetreiber erbringe, stehe dies einem Leistungsaustausch nicht entgegen, da er dann das Entgelt in Form der Toilettengroschen im Rahmen eines abgekürzten Zahlungsweges erhalte.

Schließlich scheide nach dem Grundsatz der Abschnittbesteuerung eine Berufung des Antragstellers auf Treu und Glauben aus.

Dem Gericht haben die Streitakten des Verfahrens 7 K 7339/07 und die vom Antragsgegner für den Antragsteller unter der Steuernr. ... geführten Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer-, Bilanz-, Betriebsprüfungs- und Umsatzsteuersonderprüfungshandakten (jeweils 1 Band) vorgelegen.

II.

Der Antrag ist zulässig.

Da der Antragsgegner dem im Einspruchsverfahren gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit Verfügung vom 24.09.2007 nur teilweise stattgegeben und ihn im übrigen abgelehnt hatte, liegt eine Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung im Sinne des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- vor.

Der Antrag ist unbegründet.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen. Ernstliche Zweifel können danach auch bestehen, wenn die streitige Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum oder auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. z.B. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 07.09.2007 V B 97/07, BFH/NV 2008, 120 m.w.N.).

Nach Aktenlage und summarischer Prüfung hat der Antragsgegner die streitbefangenen Umsätze zu Recht der Umsatzsteuer unterworfen. Daher hat der Antragsgegner der Umsatzsteuerfestsetzung 2003 zu Recht steuerbare und steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... Euro zugrunde gelegt. Zwar liegt keine höchstrichterliche Rechtssprechung zu einem dem Streitfall vergleichbaren Sachverhalt vor, jedoch ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Entgeltbegriff gefestigt und keine von der Auffassung des erkennenden Gerichts abweichende Finanzrechtsprechung und Literaturauffassung ersichtlich. Da es sich nach dem Eindruck des Gerichts um ein über den Einzelfall hinaus verbreitetes Geschäftsmodell handelt, hat es jedoch die Beschwerde zugelassen.

In Höhe der von den Toilettennutzern gezahlten und vom Antragsteller vereinnahmten Toilettengroschen hat der Antragsteller Entgelte i. S. des § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz -UStG- vereinnahmt. Diese Entgelte sind gezahlt worden für sonstige Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, nämlich Reinigungs- und Wartungsleistungen, die der Antragsteller gegenüber seinen Auftraggebern, den Kaufhäusern, Einkaufszentren usw. erbracht hat.

Dem Antragsteller ist dahingehend zu folgen, dass seine Leistungsempfänger im umsatzsteuerlichen Sinne seine Vertragspartner, die Betreiber der Kaufhäuser, Einkaufszentren usw. waren, in denen sich die vom Antragsteller betreuten Toilettenanlagen befanden. Gegenstand dieser Leistungen ist die Reinigung und Wartung der Toilettenanlagen, keine Pacht, trotz der Anklänge in dieser Richtung in zwei der vorliegenden Verträge und der Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes durch den Antragsteller. Denn bei einer Pacht wäre der Betreiber des Kaufhauses usw. nicht ohne weiteres berechtigt, sich und seinen Kunden ohne Mitwirkung des Klägers Zugang zu den Toilettenanlagen zu beschaffen. Einen dahin gehenden Bindungswillen der Vertragsparteien kann das Gericht nicht erkennen.

Im Rahmen dieses Leistungsverhältnisses stellen die vereinnahmten Toilettengroschen Entgelte dar. Denn eine Leistung gegen Entgelt liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (BFH, Urteil vom 06.12.2007 V R 42/06, HFR 2008, 482 m.w.N.). Dies entspricht der vom EuGH verwendeten Formulierung, wonach eine Dienstleistung gegen Entgelt erbracht wird, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet und zwischen der Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (EuGH, Urteile vom 03.03.1994 C-16/93 - Tolsma, HFR 1994, 357, Rz. 14; vom 18.07.2007 C-277/05 - Société thermale d'Eugénie-les-Bains, HFR 2007, 1053, Rz. 19). Dabei muss es sich nicht um eine einklagbare Verbindlichkeit handeln (EuGH, Urteil vom 17.09.2002 C- 498/99 - Town & County Factors Ltd, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2002, 510, HFR 2003, 97, Rz. 21 ff.).

Bezogen auf den Streitfall ist festzustellen, dass die Auftraggeber des Antragstellers diesen mit einer Geschäftsbesorgung beauftragt haben, nämlich die an und für sich ihnen obliegende Aufgabe wahrzunehmen, die Toilettenanlagen während der Öffnungszeiten zu reinigen und zu warten. Im Rahmen dieses Geschäftsbesorgungsverhältnisses ist der Antragsteller grundsätzlich verpflichtet, das, was er im Rahmen der Besorgung erlangt, an den Auftraggeber herauszugeben (§ 675 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - i.V.m. § 667 BGB). Dazu gehören auch die von den Benutzern hinterlassenen Toilettengroschen. Denn diese wären ohne die Wahrnehmung der Geschäftsbesorgung nicht denkbar. Dass die Betreiber der Toilettenanlagen, also die Auftraggeber des Antragstellers, auf die Herausgabe der Toilettengroschen verzichten, lässt sich nur dadurch erklären, dass der Antragsteller sie von den Reinigungs- und Wartungsaufgaben entlastet. Der Verzicht auf den Herausgabeanspruch steht daher im unmittelbaren Zusammenhang mit der Durchführung der vertraglich geschuldeten Reinigungs- und Wartungsleistungen.

Die Toilettengroschen waren auch nicht der Dispositionsbefugnis des Antragstellers und seiner Auftraggeber entzogen. Es handelte sich nicht um "echtes" Trinkgeld i. S. des § 107 Abs. 3 Satz 2 Gewerbeordnung - GewO -, der voraussetzt, dass dem Arbeitnehmer die ohne rechtliche Verpflichtung gezahlte Leistung zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung gezahlt wird. Im Streitfall schuldeten die Toilettennutzer weder dem Antragsteller noch seinen Auftraggebern eine Leistung. Jedenfalls hängt es von den jeweiligen Vereinbarungen und Gesamtumständen ab, wem von Dritten gewährte Zuwendungen in Gestalt sog. Trinkgelder zustehen (vgl. Bundesarbeitsgericht - BAG -, Urteil vom 28.06.1995 7 AZR 1001/94, Entscheidungen des BAG - BAGE - 80, 230, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1996, 1012). Die Gesamtumstände im Streitfall zeichneten sich dadurch aus, dass für die Benutzung der Toiletten keine festen Entgelte gefordert wurden, so dass der Antragsteller zur Deckung seiner Aufwendungen auf die Toilettengroschen und zur Erzielung eines angemessenen Unternehmerlohnes auf die Trinkgeldeinnahmen angewiesen war. Eine Zuweisung an die Arbeitnehmer wäre bei objektiver Betrachtung nicht interessengerecht. Daher unterlagen die freiwilligen Zahlungen der Benutzer nicht dem Aneignungsrecht der in den Toilettenanlagen tätigen Arbeitnehmer (vgl. auch Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.06.1989 2 Ca 2202/89, Arbeitsrecht im Betrieb - AiB - 1990, 86).

Unbeachtlich ist, aus welchen Motiven und mit welcher Zielrichtung die Toilettennutzer die Toilettengroschen hingegeben haben. Insbesondere kann dahingestellt bleiben, ob und ggf. in welchem Umfange die Toilettennutzer die Beträge unmittelbar den in den Toilettenanlagen tätigen Mitarbeitern des Antragstellers zuwenden wollten (vgl. zu Trinkgeldern an das Bedienungspersonal im Gastgewerbe: Abschnitt 159 Abs. 5 Satz 3 Umsatzsteuer-Richtlinien -UStR- 2008). Denn Empfänger der Leistungen des Antragstellers im umsatzsteuerlichen Sinne waren nicht die Toilettennutzer, sondern die Betreiber der Kaufhäuser, Einkaufszentren usw. Diesen war klar, dass der Antragsteller, abgesehen von den Trinkgeldern, keine oder nur unwesentliche Einnahmen aus der Toilettenbewirtschaftung erzielte, jedoch wie oben dargestellt auf die Toilettengroschen angewiesen war, die ihm auch in den Bewirtschaftungsverträgen zugewiesen wurden. Daher kann ausgeschlossen werden, dass die Betreiber der Kaufhäuser usw. die Toilettengroschen unmittelbar dem Personal des Antragstellers zuwenden wollten.

Es kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfange die Überlassung der Toilettengroschen in Erfüllung eines Aufwendungsersatzanspruches (§ 675 BGB i.V.m. § 670 BGB) des Antragsteller erfolgte. Denn auch Aufwendungsersatz stellt ein Entgelt i. S. des § 10 Abs. 1 UStG dar (BFH, Urteil vom 05.12.2007, V R 60/05, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2008, 866).

Unbeachtlich ist ferner, dass das genaue Entgelt im Vorhinein nicht bezifferbar ist. Denn auch nicht einklagbare Verbindlichkeiten können - wie ausgeführt - eine entgeltliche Leistung begründen. Das Wesen nicht einklagbarer Verbindlichkeiten besteht darin, dass der Gläubiger eine geringere Sicherheit hat, ob er das Entgelt erhält.

Nichts anderes ergibt sich, wenn man nicht die Toilettengroschen, sondern den Anspruch auf Vereinnahmung als Entgelt i. S. des § 10 Abs. 1 UStG ansieht. Denn der Anspruch auf die Vereinnahmung der Toilettengroschen hat Geldeswert und seine Abtretung stellt eine bloße Entgeltsberichtigung dar (vgl. EuGH, Urteil vom 09.10.2001 C-409/98 - Mirror Group, UR 2001, 490, Rz. 26; BFH, Urteil vom 31.07.1969 V R 94/65, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 96, 331, Bundessteuerblatt -BStBl.- II 1069, 637; Probst in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 1 Abs. 1 Nr. 1, Tz. 42 f.; Herbert in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 4 Nr. 8, Tz. 40, 52). Sein Wert ist mit den im Nachhinein vereinnahmten Trinkgeldern zu bewerten. Der Geldeswert ergibt sich schon daraus, dass der Kläger seit Bestehen des Unternehmens stetig namhafte Beträge aus den Toilettengroschen vereinnahmt und Jahr für Jahr auskömmliche Gewinne erzielt hat. Dass die genaue Höhe von der Freigebigkeit der Toilettennutzer abhängt, ist unbeachtlich, da auch sonst freiwillige Zahlungen Entgelte i. S. des § 10 Abs. 1 UStG darstellen können (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 17.02.1972, V R 118/71, BFHE 105, 79, BStBl. II 1972, 405; vom 15.12.1988, V R 24/84, BFHE 155, 431, BStBl. II 1989, 252; Beschluss vom 10.07.1997, V B 152/96, BFH/NV 1998, 357).

Zum gleichen Ergebnis käme man, wenn man in der Abtretung der Toilettengroschen keine bloße Entgeltsberichtigung, sondern eine sonstige, nach § 4 Nr. 8 Buchst. c) UStG steuerfreie Leistung sähe. Dann würden der Antragsteller und seine Vertragspartner tauschähnliche Umsätze i. S. des § 3 Abs. 12 UStG erbringen, für die die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG mit dem Wert des anderen Umsatzes zu ermitteln wäre. Danach wäre ausgehend von den oben angestellten Erwägungen die Summe der vereinnahmten Toilettengroschen anzusetzen.

Für einen Abschlag wegen der Unsicherheit über die Höhe der später vereinnahmten Toilettengroschen sieht das Gericht keinen Anlass, da nicht ersichtlich ist, dass diese im Streitjahr hinter den Erwartungen zurückgeblieben wären. Selbst wenn ein solcher Abschlag gerechtfertigt wäre, könnte die Klage in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg haben, weil naheliegt, dass angesichts der vom Antragsteller festgestellten Buchführungsmängel im Bereich der Kassenführung ein deutlicher Unsicherheitszuschlag gemäß § 162 Abgabenordnung - AO - angemessen wäre, wovon der Antragsgegner bisher abgesehen hat.

Der Antragsgegner war nicht nach Treu und Glauben gehindert, von der vor dem Streitjahr praktizierten umsatzsteuerlichen Behandlung des Antragstellers abzuweichen. Überdies wäre ein etwaiger Vertrauensschutz des Antragstellers nicht unmittelbar im Festsetzungsverfahren, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 163 AO zu berücksichtigen (BFH, Beschluss vom 01.10.2003 X B 75/02, BFH/NV 2004, 44 m.w.N.). Darauf ist der Antragsteller bereits mit Verfügung vom 16.11.2007 im Hauptsacheverfahren 7 K 7339/07 hingewiesen worden, auch darauf, dass nach Aktenlage kein ihn begünstigender Bescheid nach § 163 AO ergangen und kein diesbezügliches gerichtliches Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist. Dem hat der Antragsteller nicht widersprochen. Schließlich liegen in der Sache die Voraussetzungen für eine Bindung des Antragsgegners an die frühere Verwaltungspraxis nicht vor, da der Antragsteller wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht darauf vertrauen kann, dass das Finanzamt eine einmal vertretene Rechtsauffassung auch für Folgejahre beibehält (vgl. BFH, Beschluss vom 26.09.2007 V B 8/06, BStBl. II 2008, 405 m.w.N.). Im Streitfall ist der Antragsteller zwar über Jahre der vom Antragsteller vertretenen Rechtsauffassung zur Umsatzbesteuerung der Toilettengroschen gefolgt, hat jedoch keine besonderen, in die Zukunft gerichteten Vertrauenstatbestände gesetzt, die ein Vertrauen auf den Fortbestand dieser Rechtsauffassung hätten rechtfertigen können. Insbesondere sind keine Verwaltungsvorschriften übergeordneter Behörden ersichtlich, die diese Handhabung über den Einzelfall hinaus angeordnet hätten.

Die Vollziehung des angefochtenen Bescheids führt nicht zu einer unbilligen Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Auch die Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte setzt voraus, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers nicht ohne Erfolgsaussicht ist (Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 69 Rz. 107 m.w.N.). Daran fehlt es wie oben dargestellt.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass beim Antragsgegner ein Antrag nach § 163 AO zwecks Gewährung einer Übergangsregelung anhängig ist, würde die Vollziehung der angefochtenen Bescheide nicht zu einer unbilligen Härte führen, da der Antrag nach § 163 AO - wie dargelegt - keine Aussicht auf Erfolg hat.

Jedenfalls hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt, dass er durch die Tilgung der streitigen Beträge in finanzielle Bedrängnis geraten würde. Angesichts der seit 1995 erzielten Gewinne kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zahlung der streitigen Steuern seine finanziellen Möglichkeiten überfordern würde. Ferner ist es dem Antragsteller unbenommen, beim Antragsgegner Stundung oder Vollstreckungsaufschub zu beantragen. Dass solche Anträge bestandskräftig abgelehnt wurden, hat er nicht dargelegt. Der Antragsteller kann auch über die streitbefangenen Leistungen Rechnungen mit Vorsteuerausweis legen, die bei den Leistungsempfängern überwiegend zum Vorsteuerabzug führen dürften. Daher erscheint nicht von vornherein aussichtslos, dass die Leistungsempfänger dem Antragsteller die in Rechnung gestellte Vorsteuer begleichen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die angefochtenen Bescheide eine ausreichende Grundlage für die Bildung erfolgswirksamer Rückstellungen im Jahresabschluss 2003, hilfsweise im nächsten offenen Veranlagungszeitraum, bilden dürfte, was zur Erstattung der bisher gezahlten Ertragsteuern führen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Das Gericht hat gemäß §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Beschwerde zugelassen.



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