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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 8 K 1460/05 B
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3c Abs. 1
EStG § 11 Abs. 1
EStG § 41b Abs. 1 S. 2 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

8 K 1460/05 B

Einkommensteuer 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg -8. Senat -

ohne mündliche Verhandlung

am 3. Mai 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ....,

den Richter am Finanzgericht ........, und

den Richter am Finanzgericht ...... sowie

den ehrenamtliche Richter Herr ..... und

den ehrenamtlichen Richter Herr ......

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über Einkommensteuer 2004 vom 8. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2005 wird dahingehend geändert, dass die Kürzung der Werbungskosten um EUR 585,-rückgängig gemacht wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist bei den Berliner Verkehrsbetrieben - BVG - beschäftigt. Seine Arbeitsstätte befand sich in den Streitjahren in der L.... Straße .. (Kreuzberg) und in der M....-Straße .. (Mitte). Der Kläger war im Streitjahr Inhaber eines Dienstausweises der BVG, der auch als Fahrtausweis für die Verkehrsmittel der BVG galt (Freifahrtberechtigung).

Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen Pkw in Höhe von EUR 1 680,-(200 Tage x 28 km x EUR 0,30 [Arbeitsstätte L.... Straße]) und in Höhe von EUR 279,-(30 Tage x 31 km x EUR 0,30 [Arbeitsstätte M....-Straße]) geltend. Die BVG wies in der Lohnsteuerbescheinigung für den Kläger im Hinblick auf die Freifahrtberechtigung einen Betrag im Sinne des § 41 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Einkommensteuergesetz - EStG - für steuerfreie Arbeitgeberleistungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von EUR 585,65 aus. Auf dieser Grundlage kürzte der Beklagte die Werbungskosten des Klägers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um den Betrag in Höhe von EUR 585,65.

Gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger Einspruch. Zur Begründung führte der Kläger an, er habe die Verkehrsmittel der BVG für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tatsächlich nicht genutzt. Auf eine Nachfrage des Beklagten teilte die BVG mit, ausweislich eines unternehmensinternen Merkblatts für die Mitarbeiter seien die Werbungskosten nur zu kürzen, wenn die Freifahrtberechtigung tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Anspruch genommen werde. Der Arbeitnehmer könne nicht auf die Freifahrtskomponente des Dienstausweises verzichten. Ab dem 1. Juli 2005 werde ein separater Dienstausweis ohne Freifahrtberechtigung ausgestellt. Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger weiter vor, die Eintragung des Betrags in Höhe von EUR 585,65 als steuerfreie Arbeitsgeberleistung nach § 41 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 EStG berechtige nicht zur Kürzung der Werbungskosten. Vielmehr diene der Eintrag nur zur Information, dass eine Kürzung in Betracht komme. Eine Kürzung sei aber nicht vorzunehmen, da diese im Streitfall mit dem Zweck des § 3 c Abs. 1 EStG, einen doppelten steuerlichen Vorteil bei der Gewährung steuerfreier Leistungen zu verhindern, nicht vereinbar wäre. Zudem setze § 3 c Abs. 1 EStG voraus, dass dem Steuerpflichtigen tatsächlich Einnahmen zufließen. Hingegen reiche die Möglichkeit, Vermögensvorteile zu ziehen, für die Annahme einer Einnahme im Sinne des § 3 c Abs. 1 EStG nicht aus. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass er, der Kläger, den Dienstausweis zur Legitimation benötigt habe und sich daher der mit der Ausstellung des Dienstausweises verbundenen Freifahrtberechtigung nicht habe entziehen können.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über Einkommensteuer 2004 vom 8. Juni 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2005 dahingehend zu ändern, dass die Kürzung der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR 585,-rückgängig gemacht wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Eintragung auf der Lohnsteuerbescheinigung sei bindend. Die BVG habe dem Kläger mit der Aushändigung des Dienstausweises einen geldwerten Vorteil zugewendet. Es genüge, dass der Kläger die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Verkehrsmittel der BVG gehabt habe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten ( § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unzutreffend nach § 3 c Abs. 1 EStG um EUR 585,-gekürzt.

Nach der vorstehenden Vorschrift dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Einnahmen im Sinne des § 3 c Abs. 1 sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen ( § 8 Abs. 1 EStG; vergleiche auch Birk/Jahndorf in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 3 c Anmerkung - Anm. - 40).

Die mit dem Dienstausweis verbundene Berechtigung des Klägers stellt ein geldwertes Gut dar, da sie die unentgeltliche Nutzung der Verkehrsmittel der BVG durch den Kläger ermöglicht.

Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob dem Kläger ein geldwertes Gut im Sinne des § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen ist (siehe hierzu: Birk/Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 11 Anm. 100 "Nutzungsrecht"; sowie Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 16. Dezember 1992 - I R 32/92, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 170, 354, Bundessteuerblatt II 1993, 399 [402]). Denn jedenfalls stehen die Ausgaben des Klägers für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen aus der Freifahrtberechtigung.

Ein derartiger wirtschaftlicher Zusammenhang besteht entweder, wenn die Ausgaben durch die Erzielung steuerfreier Einnahmen veranlasst sind (vergleiche: von Beckerath in Kirchhof, KompaktKommentar EStG, § 3 c Randnummer - Rn. - 8) oder wenn die Einnahmen Ausgaben des Steuerpflichtigen steuerfrei ersetzen (siehe von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., Rn. 9).

Die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind nicht durch die Erzielung der steuerfreien Einnahmen aus der Freifahrtberechtigung veranlasst. Vielmehr entstehen die entsprechenden Aufwendungen unabhängig von dieser Berechtigung, wären also selbst dann angefallen, wenn keine Freifahrtberechtigung bestünde (siehe hierzu auch: Birk/Jahndorf, a.a.O., § 3 c Anm. 61, m.w.N.).

Die Freifahrtberechtigung ersetzt auch nicht die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Denn der Kläger ist unstreitig mit dem eigenen Pkw zu seiner Arbeitsstätte gefahren und hat die Verkehrsmittel der BVG für diese Fahrten tatsächlich nicht in Anspruch genommen (in diesem Sinne auch: Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg, Schreiben vom 10. Oktober 2005 - 36 - S 2351 - 7/04).

Die Einschätzung des Senats wird auch durch den Sinn und Zweck der Vorschrift des § 3 c Abs. 1 EStG bestätigt. Durch das Abzugsverbot des § 3 c Abs. 1 EStG soll verhindert werden, dass der Steuerpflichtige im Hinblick auf den Zufluss steuerfreier Einnahmen einen doppelten steuerlichen Vorteil durch den Abzug der ihm entstandenen und als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen erlangt (siehe nur Heinicke in Schmidt, EStG, § 3 c Rn. 1). Mit der Vorschrift des § 3 c Abs. 1 EStG wird also das objektive Nettoprinzip konkretisiert (ebenso: von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., Rn. 5). Mit dem objektiven Nettoprinzip ist es aber nicht vereinbar, wenn entstandene Aufwendungen um Einnahmen gemindert werden, die diese Aufwendungen tatsächlich nicht gemindert haben (in diesem Sinne auch: Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg, Schreiben vom 10. Oktober 2005 - 36 - S 2351 - 7/04). Der Beklagte kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Lohnsteuerbescheinigung entfalte im Hinblick auf die Anwendung der Vorschrift des § 3 c Abs. 1 EStG eine Bindungswirkung. Vielmehr kommt der Lohnsteuerbescheinigung lediglich die Funktion eines Beweismittels zu (siehe auch BFH, Beschluss vom 21. Januar 2000 - VII B 205/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs 2000, 1080). Zwar mag sich aus der Lohnsteuerbescheinigung ergeben, dass dem Kläger steuerfreie Einnahmen zugeflossen sind. Jedoch ergibt sich aus der Lohnsteuerbescheinigung der BVG nicht, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne des § 3 c Abs. 1 EStG bestand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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